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Kunst auf Reisen

Reist das Sicherungsrecht mit?

Hochspezialisierte Kunstlogistikunternehmen sind heutzutage in der Lage, Kunstwerke mit unglaublicher Geschwindigkeit um die ganze Welt zu befördern. Doch reisen in diesem Fall auch die die an Kunstwerken bestehenden Sicherungsrechte mit?

Angesichts des internationalen Charakters des Kunstgeschäfts besteht eine hohe Nachfrage nach grenzüberschreitenden Kunsttransporten: Kunsthäuser, Galerien, Auktionshäuser, Kunsthändler, Sammler oder Family-Offices handeln weltweit mit Kunstwerken, verleihen sie für Ausstellungen im Ausland oder präsentieren sie zum Zweck des Verkaufs auf internationalen Kunstmessen. Häufig dienen solche Kunstwerke aber auch als Kreditsicherheiten. Wenn solche mit Sicherungsrechten belasteten Kunstwerke auf die Reise gehen, fragen sich die besicherten Gläubiger jedoch oft, ob ihre Sicherungsrechte auch im Ausland wirksam bestehen bleiben und sie diese weiterhin verwerten können.

Nationales Recht und Recht des Aufnahmestaates

Insbesondere unternehmerisch tätigen Personen erlauben es die meisten Rechtsordnungen auf der Welt, ihre vertraglichen Beziehungen frei gemäß dem Recht eines Staates zu regeln. Innerhalb der Europäischen Union regelt beispielsweise Artikel 3 der Rom-I-Verordnung, dass Vertragsparteien mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat das Recht eines beliebigen EU-Mitgliedstaats oder Drittstaats als maßgebliches Recht für ihre vertragliche Beziehung bestimmen können. Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt oder eingetragenem Sitz in einem Drittstaat sind ebenfalls berechtigt, ihre vertraglichen Beziehungen nach dem Recht eines beliebigen EU-Mitgliedsstaates auszugestalten.

Bei der Frage der Beurteilung von Rechten an einer Sache selbst gilt wohl auf der gesamten Welt jedoch der Grundsatz, dass das Recht desjenigen Ortes gilt, an dem sich die Sache befindet und die Parteien durch vertragliche Vereinbarungen die Anwendbarkeit dieses Rechts durch das Recht eines anderen Landes nicht ersetzen können (lex rei sitae).

Für die Praxis bedeutet dies, dass die Parteien ein Sicherungsrecht an einem Kunstwerk nur vereinbaren können, das dem Recht des Landes unterliegt, in dem sich das Kunstwerk physisch befindet. Daher könnten sie zum Beispiel weder ein gültiges Pfandrecht an einem in Stuttgart gelagerten Gemälde vereinbaren, das dem schweizerischen Recht unterliegt, noch ein Sicherungsrecht an einer in London ausgestellten Skulptur zugunsten des Sicherungsnehmers nach deutschem Recht begründen. 

 

Umwandlung des Sicherungsrechts nach Grenzübertritt

Der grenzüberschreitende Transport von –  als Sicherheit dienenden beweglichen –  Sachen folgt dem Grundsatz der lex rei sitae – das im Heimatland entstandene Sicherungsrecht besteht nach dem Grenzübertritt grundsätzlich weiter, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Recht des Bestimmungslandes das Sicherungsrecht des Heimatlandes ebenfalls anerkennt. Das Sicherungsrecht des Heimatlandes kann sich daher in das Sicherungsrecht des Bestimmungslandes umwandeln, was bei der Vorbereitung des Transports eines mit einem Sicherungsrecht belasteten Kunstwerks im Voraus geprüft werden sollte.

Beispielsweise ermöglicht es das deutsche "Sicherungseigentum" dem Sicherungsnehmer, ein Sicherungsrecht an einer beweglichen Sache zu begründen, ohne diese Sache tatsächlich besitzen zu müssen. Der Eigentümer eines mit einem Sicherungseigentum belasteten Gemäldes kann dieses somit an den Wänden seiner Wohnungen hängen lassen und weiterhin bewundern - oder es in den Räumen seiner eigenen Galerie ausstellen.

Viele Rechtsordnungen erkennen Sicherungsrechte an beweglichen Sachen jedoch nicht an, wenn der Sicherungsnehmer die Sache nicht selbst besitzen muss. Beabsichtigt ein Kunstliebhaber seine als Sicherheit dienenden Kunstwerke in seinem Ferienhaus im Ausland aufzuhängen, sollte der Sicherungsnehmer oder seine Anwälte prüfen, ob die Rechtsordnung des Ziellandes das Sicherungseigentum als ein wirksames Sicherungsmittel anerkennt und gegebenenfalls welche Unterschiede in der Anwendung des dortigen Rechts bestehen.

Durchquert das Kunstwerk auf seiner Reise mehrere Länder, gilt zumindest für den Luft- und Seetransport die grundsätzliche Regel, dass sich das Sicherungsrecht an der Sache für die Dauer des Transports nach dem Recht des Landes richtet, unter dessen Flagge das transportierende Schiff oder Flugzeug registriert ist.

 

Anforderungen an vertragliche Regelungen

Um sein Sicherungsrecht im Ankunftsland rechtssicher aufrecht erhalten zu können, sollte sich der Sicherungsnehmer rechtlich darüber beraten lassen, ob das Sicherungsrecht dort weiterhin und gegebenenfalls mit welchen Unterschieden bestehen bleibt. Den Parteien ist zu empfehlen, in einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung zu bestimmen, dass das im Heimatland geschaffene Sicherungsrecht auch im Ausland weiterhin Wirksamkeit entfaltet. Sind die Voraussetzungen des Sicherungsrechts in beiden Ländern identisch, dürften in der Regel Klauseln ausreichen, die die Anwendbarkeit des ausländischen Sicherungsrechts bestätigen und klarstellen.

Weicht jedoch das Sicherungsrecht im Ausland von den Voraussetzungen des nationalen Sicherungsrechts ab, sollte der Vertrag Klauseln enthalten, die sicherstellen, dass das ursprünglich im Heimatland geschaffene Sicherungsrecht wirksam in das des Ankunftslandes umgewandelt wird. Lässt die Rechtsordnung des Ziellandes die Eintragung des Sicherungsrechts in öffentliche Register zu, empfiehlt es sich diese Option in Betracht zu ziehen, jedenfalls wenn das Kunstwerk für einen längeren Zeitraum im Ausland bleiben soll.

 

Zusammenfassung

Die Organisation des Transports eines belasteten Kunstwerks erfordert nicht nur die umsichtige Planung der Logistik und Versicherung, sondern auch die Prüfung, ob das Sicherungsrecht nach der Ankunft im Bestimmungsland wirksam bleibt. In der Regel können die Beteiligten mit vertretbarem Aufwand vertragliche Regelungen vereinbaren, die sicherstellen, dass das Sicherungsrecht des Gläubigers an dem in das Ausland verbrachte Kunstwerk weiterhin besteht.

Häufig erfolgt der Transport eines Kunstwerks in das Ausland zu dem Zweck der dortigen Ausstellung oder Verkaufs, so dass weitere, auf diese Besonderheiten hin zugeschnittene vertragliche Bestimmungen zwischen den beteiligten Parteien erforderlich sein können. 

Stand: Dezember 2023

Dieser Artikel ist eine Übersetzung des Artikels "Artworks on tour: Is security interest also along for the journey?" aus dem 8. Deloitte und ArtTactic Art & Finance Report.

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