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Buy Now Pay Later – Zivil- und aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen
Buy Now Pay Later (BNPL), die schnelle und unkomplizierte Finanzierung von Einkäufen im Internet für Verbraucher, macht Schlagzeilen. Diese Form der Konsumfinanzierung ist mittlerweile ein völlig üblicher Service der Internet-Anbieter. Zugleich wächst die Sorge, dass die Angebote zur übermäßigen Verschuldung von – vor allem jungen – Verbrauchern führen (siehe z.B. Die Zeit, Nr. 30/2022, Ratenkauf – Generation Pump). Deshalb lohnt der Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen von BNPL. Umso mehr, als die Europäische Kommission die Regeln dafür im Interesse des Verbraucherschutzes verschärfen will.
Für die aufsichtsrechtliche Einordnung von BNPL und die ganz fundamentale Frage, wer diese Finanzierungsform überhaupt anbieten darf, sind die denkbaren und die tatsächlich üblichen Ausgestaltungen zu unterscheiden.
Wenn der Online-Anbieter selbst die Finanzierung seiner Waren oder Dienstleistung als Kauf auf Raten oder mit späterer Zahlung anbietet, setzt das (Finanz-) Aufsichtsrecht dem keine Grenzen. Es handelt sich insbesondere nicht um Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Nr. 2 KWG, und der Anbieter benötigt dafür keine Banklizenz (Erlaubnis nach § 32 KWG). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht es nicht als Kreditgeschäft an, wenn der Verkäufer seinen eigenen Absatz kreditiert, indem er den Kaufpreis stundet, selbst wenn der Kunde Zinsen zahlen muss. Zwar gibt der Verkäufer dem Käufer wirtschaftlich einen Kredit, diesem Kredit liegt aber kein Darlehensvertrag, sondern allein ein atypisch ausgestalteter Kaufvertrag zugrunde (so die BaFin im Merkblatt Kreditgeschäft in der Fassung vom 02.05.2016).
In der Praxis arbeiten allerdings die Online-Anbieter in aller Regel mit Finanzdienstleistern zusammen, um den Kaufpreis sofort zu vereinnahmen und nicht das Risiko eines Zahlungsausfalls bei ihren Kunden zu tragen. Die Konsumentenfinanzierung erfolgt also nicht durch den Online-Anbieter der Waren oder Dienstleistungen, sondern der jeweilige Finanzdienstleister stellt sie zur Verfügung.
Üblich sind zwei Strukturen: Entweder erwirbt der Finanzdienstleister die Zahlungsforderung des Online-Anbieters gegen den Kunden, zahlt dafür sofort an den Online-Anbieter und räumt dem Konsumenten die Möglichkeit ein, erst später oder in Raten zu zahlen. Oder der Finanzdienstleister gewährt ein Darlehen an den Konsumenten, zahlt den Darlehensbetrag direkt an den Online-Anbieter zur Begleichung von dessen Zahlungsforderung aus und gewährt dem Konsumenten die Möglichkeit, das Darlehen erst später oder in Raten zurückzuzahlen. In der ersten Struktur handelt es sich bei einer vereinbarten laufenden Zusammenarbeit zwischen Online-Anbieter und Finanzdienstleister um Factoring im Sinne von § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 9 KWG, während in der zweiten Struktur der Finanzdienstleister Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG betreibt. Für beide Gestaltungsformen braucht der Finanzdienstleister eine Erlaubnis nach § 32 KWG oder nach Maßgabe des sog. Europäischen Passes.
Für den Schutz der Konsumenten vor übermäßiger Verschuldung sorgt bei diesen Ausgestaltungen bereits das (Finanz-) Aufsichtsrecht, insbesondere mit der Pflicht für den Finanzdienstleister nach § 18a KWG, die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen und von der Finanzierung abzusehen, wenn daran erhebliche Zweifel bestehen. Die eigentlichen Schutzvorschriften für den Konsumenten finden sich aber in den zivilrechtlichen Regeln für Verbraucherdarlehen und reichen von umfangreichen Informationspflichten über Widerrufsrechte bis hin zum Schutz bei Verzug mit Zahlungen. Deshalb, und weil diese Schutzregeln zugleich erheblichen Aufwand für den Finanzdienstleister bedeuten, ist wichtig, welche zivilrechtlichen Regelungen für Verbraucherdarlehen auch für BNPL gelten.
Grundsätzlich greifen gem. § 491 BGB die (konsumentenschützenden) Regelungen für Verbraucherdarlehen immer ein, wenn der Finanzdienstleister seinerseits das Konsumentendarlehen dem Verbraucher (mit Auszahlung an den Online-Anbieter) gewährt. Noch sind davon aber Ausnahmen vorgesehen, die die Anbieter von BNPL bei der Gestaltung der Finanzierung nutzen. Insbesondere finden die Regelungen für Verbraucherdarlehen keine Anwendung, wenn geringe Beträge von weniger als 200 Euro (Nettodarlehensbetrag) finanziert werden, wenn das Darlehen unentgeltlich ist oder wenn das Darlehen nur eine kurze Laufzeit von bis zu 3 Monate hat und dafür nur geringe Kosten vereinbart sind. Wird dagegen BNPL als Factoring strukturiert, so gelten für diesen Zahlungsaufschub nach § 506 BGB die Regeln über Verbraucherdarlehen nur, wenn die Finanzierungshilfe entgeltlich gewährt wird. Damit greifen die konsumentenschützenden Vorschriften nicht ein, wenn sich durch BNPL der Kaufpreis nicht erhöht und vom Verbraucher keine Zinsen oder sonstigen Gebühren für den Zahlungsaufschub zu zahlen sind.
Mittlerweile wächst aber die Erkenntnis, dass auch die bisher nicht (zivilrechtlich) regulierten Formen von BNPL, also die Kleinkredite und (kurzfristigen) unentgeltlichen Finanzierungen, in die Überschuldung von Verbrauchern durch übermäßigen „Konsum auf Pump“ führen können. Der Kommissionsentwurf für eine Überarbeitung der Europäischen Verbraucherkreditrichtline (COM(2021) 347) will deshalb auch Kredite von weniger als 200 Euro, zins- und gebührenfreie Kredite und Kredite mit einer Höchstlaufzeit von drei Monaten und geringfügigen Kosten den konsumentenschützenden zivilrechtlichen Regeln für Verbraucherdarlehen unterwerfen (siehe dazu unseren Artikel zum Entwurf der neuen Verbraucherkreditrichtlinie). Nach den Vorstellungen des Europäischen Rates (2021/0171(COD)) sollen die Mitgliedsstaaten allerdings für diese Formen des Konsumentenkredits weiterhin Ausnahmen von den verbraucherschützenden Regelungen vorsehen können.
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