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4 ober­gerichtliche Entscheidungen zum (Nicht-)­Vorliegen Covid-19-bedingter Miet­reduzierungs­ansprüche gewerblicher Mieter – 4 Lösungs­wege

Neues zu Corona-bedingten Miet­reduzierungen

Mit der Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB wollte der Gesetzgeber zur Klarheit beitragen – die Unsicherheiten im Hinblick auf Mietreduzierungsansprüche gewerblicher Mieter vor dem Hintergrund der Pandemie bestehen jedoch fort. Der nachfolgende Artikel gibt einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte.

Ende 2020 hat der Gesetzgeber die Bestimmung des Art. 240 § 7 EGBGB zu Störungen der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen eingeführt. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, durch die Schaffung einer gesetzlichen Vermutung die Verhandlungsbereitschaft der Parteien von Mietverhältnissen zu befördern und Rückenwind für Verhandlungslösungen zu schaffen. Mit dem in § 44 EGZPO verankerten neuen prozessualen Beschleunigungsgebot sollen zugleich Verfahren über die Anpassung der Miete wegen pandemiebedingter staatlicher Beschränkungen einer vorrangigen und beschleunigten Verhandlung zugeführt werden. Zu den Neuregelungen hatten wir bereits berichtet (COVID 19 – Der Gesetzgeber entscheidet zu Gunsten der Gewerbemieter/­pächter und beschließt gesetzliche Vermutung).

Mittlerweile ist die für gewerbliche Mieter und Vermieter gleichermaßen drängende Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Anspruchs des Gewerbemieters auf Mietreduzierung während der Corona (SARS-CoV-2) -Pandemie-bedingten Lockdowns bei den Oberlandesgerichten angekommen.

In den Monaten Februar und März 2021 ergingen mehrere oberlandesgerichtliche Entscheidungen, namentlich Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Dresden, Karlsruhe und Frankfurt. Die Gerichte befassten sich dabei mit Fällen, in denen Vermieter von Einzelhandelsgeschäften (mehrheitlich aus dem Textilhandel) auf Zahlung rückständiger Mieten klagten. Eine einheitliche Rechtsprechung ist jedoch noch nicht in Sicht, wie nachfolgender kurzer Überblick über die einschlägigen Entscheidungen OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20 (nicht rechtskräftig), OLG München, Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2020 – 7 U 109/20 (nicht rechtskräftig) und OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.03.2021 - 2 U 143/20, (nicht rechtskräftig) zeigt. Eine Klärung durch den Bundesgerichtshof bleibt abzuwarten.

I. Kein Sachmangel der Mietsache

Auf Mieterseite wurde zunächst damit argumentiert, dass die jeweilige gesetzlich angeordnete Schließung einen Mangel der Mietsache darstelle, weil der gewerbliche Mieter die Mietsache während der erzwungenen Schließung nicht wie vertraglich vereinbart – z.B. als Verkaufsraum - nutzen könne. Läge ein Sachmangel vor, würde dies eine Minderung der Miete um bis zu 100 % begründen.

Während Landgerichte im letzten Jahr zum Teil noch annahmen, der Mieter könne die Miete gemäß § 536 Abs. 1 BGB mindern, weil jedenfalls die Corona-bedingte vollständige Schließung von Geschäften einen Mangel des vermieteten Geschäfts darstelle, kommen die Oberlandesgerichte in den vorgenannten Entscheidungen zumindest im Ergebnis zu dem Schluss, dass die staatlich angeordneten Schließungen nicht zu einem Mangel der Mietsache führen .

Das OLG Karlsruhe und das OLG München begründen dies – unter Bezugnahme auf frühere BGH-Entscheidungen – im Wesentlichen damit, dass behördliche Gebrauchshindernisse nur dann die Annahme eines Mangels rechtfertigen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die Schließungsanordnungen nicht an die Substanz, den Zustand oder die räumliche Lage der Mietsache anknüpften, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Gewerben im ganzen Bundesland betrafen. Ähnlich argumentiert auch das Oberlandesgericht Frankfurt. Die Mietsache habe keine zur Minderung berechtigten Mangel aufgewiesen. Die Räume seien zu dem vertraglich vereinbarten Gebrauch weiterhin tauglich gewesen. Die "behördlich angeordneten Einschränkungen wirkten sich nicht objektbezogen aus, sondern bezogen sich inhaltlich auf den Betrieb der Beklagten als Mieterin".

Die Begründung des OLG Dresden erscheint in diesem Punkt etwas widersprüchlich. Das Gericht argumentiert im Wesentlichen damit, dass es für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Mangels auf den zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ankomme. Hierzu hätten die Vertragsparteien im entschiedenen Fall keine ausdrückliche Regelung getroffen. Da das Risiko einer staatlich angeordneten Schließung weder der Mieter, noch der Vermieter zu tragen habe, ergäbe sich auch nicht aus der allgemeinen Risikoverteilung, dass der Vermieter oder der Mieter einen bestimmten Zustand der Mietsache (hier die Schließung) zu vertreten habe.

Alle Gerichte schließen in den konkreten Fällen im Ergebnis das Vorhandensein eines Mangels der Mietsache wegen einer staatlichen Schließungsanordnung aus.

II. Keine Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Vermieters

Weiter beriefen sich die jeweiligen Mieter auf die Regelung des § 326 Abs.1 BGB. Danach ist ein Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit, wenn für den Gläubiger die Erbringung der Gegenleistung unmöglich ist. Kurz: Kann der Vermieter die Mietsache nicht zur Verfügung stellen, muss der Mieter keine Miete zahlen.

Auch dieser Argumentation folgten die Oberlandesgerichte – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen - nicht.

Das OLG Dresden befasste sich gar nicht näher mit den Unmöglichkeits-Regeln, weil es diese von Vornherein für unanwendbar hielt. Nach Auffassung des OLG Dresden verdrängen ab Übergabe des Mietobjekts die spezielleren mietvertraglichen Regelungen zum Mängelrecht (§§ 536 ff. BGB) den vorgenannten § 326 BGB, sodass dieser hier unbeachtlich sei.

Das OLG Karlsruhe und das OLG München kamen zu dem Schluss, dass kein Fall der Unmöglichkeit der Leistung des Vermieters vorliege. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe habe der Vermieter die Mietsache auch im Zeitraum der Schließung zur Verfügung gestellt. Dass der Mieter das Mietobjekt nicht nutzen konnte, falle in das Verwendungsrisiko des Mieters. Das OLG München argumentierte ganz ähnlich, indem es anführte, dass durch die staatliche Schließungsanordnung keine vom Vermieter geschuldete Leistung betroffen sei. Der Mietvertrag begründe gerade keine Pflicht des Vermieters, eine pandemiebedingte Öffnungsuntersagung zu verhindern oder zu beseitigen. Der Begründungsansatz des OLG Frankfurt kann noch nicht vollständig nachvollzogen werden, da das Urteil noch nicht im Volltext vorliegt. Nach derzeitigem Kenntnisstand dürfte davon auszugehen sein, dass die Begründung derjenigen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und München vergleichbar ist. Hiernach hat die Vermieterin "allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen ein Geschäftsbetrieb zu führen, nicht aber in irgendeiner Weise die Überlassung des Betriebs selbst" geschuldet.

Ein Berufen des Mieters auf die Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Vermieters war danach in allen den Entscheidungen zugrunde liegenden Konstellationen nicht erfolgreich.

III. Störung der Geschäftsgrundlage

In allen Fällen wurde schließlich vom jeweiligen Mieter vorgetragen, dass die Miete jedenfalls wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage i.S. des § 313 BGB zu reduzieren sei.

Das Vorliegen eines Falls der Störung der Geschäftsgrundlage, wenn staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Betriebs des Mieters führen, wird seit 31.12.2020 gemäß Art. 240 § 7 EGBGB gesetzlich vermutet. Aber auch schon zuvor war in der untergerichtlichen Rechtsprechung vertreten worden, dass öffentlich-rechtliche Schließungsanordnungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage begründen können. Das bloße Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (sog. reales Element) reicht jedoch nicht aus, um eine Reduzierung der Miete zu rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Vertragsparteien bei richtiger Voraussicht der veränderten Umstände den Mietvertrag nicht oder anders abgeschlossen hätten (sog. hypothetisches Element). Außerdem muss das Festhalten am unveränderten Mietvertrag für den Mieter unzumutbar sein (sog. normatives Element). Hierfür ist eine Betrachtung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich.

Die Oberlandesgerichte zu München, Dresden und Karlsruhe gehen – insoweit ohne Begründung - davon aus, dass die Vertragsparteien bei verständiger Betrachtung bei Abschluss des jeweiligen Mietvertrags entsprechende Mietanpassungsregelungen aufgenommen hätten, wenn sie die Corona-Pandemie und deren Folgen vorhergesehen hätten.

Zu der Frage, auf welche Umstände es für die Abwägung im Einzelfall ankommt, und zu der Frage, ob das Festhalten am Vertrag für den Mieter im jeweiligen Fall in concreto unzumutbar ist, gelangen die genannten Oberlandesgerichte jedoch zu unterschiedliche Auffassungen.

Das OLG Karlsruhe geht davon aus, dass grundsätzlich der Mieter das Risiko der Verwendbarkeit der Mietsache trage. Daraus folgert das Gericht, dass nur bei Überschreiten der sog. Opfergrenze, d.h. z.B. bei drohender Existenzvernichtung oder schwerer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens, das Festhalten am unveränderten Mietvertrag für den Mieter unzumutbar sei. Bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls komme es neben dem Rückgang der Umsätze auch auf die Interessen des Vermieters an, auf Seiten des Mieters auf eine etwaige Kompensation durch Online-Handel, staatliche Hilfeleistungen, einen Nachholeffekt, ersparte Aufwendungen durch Kurzarbeit und verbliebene Vermögenswerte in Form nicht verkaufter Ware sowie schließlich unter Umständen sogar dessen Zugehörigkeit zu einem Konzern. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt das OLG Karlsruhe im entschiedenen Fall zu dem Ergebnis, dass die Miete nicht zu reduzieren sei. Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine Vertragsanpassung nicht zwangsläufig in einer Mietreduzierung bestehen müsse, sondern z.B. auch eine Stundung der Miete zum Gegenstand haben könnte.

Das OLG München gelangt zum selben Ergebnis, dies jedoch mit etwas anderer Begründung. Das Gericht betont, dass es nicht auf eine Existenzgefährdung des Mieters ankomme. Zugleich stellt das Gericht klar, dass die Anwendung des § 313 BGB auf Ausnahmefälle beschränkt sei. Daher scheide eine Entscheidung aufgrund einer schematisierten Betrachtungsweise aus. Bei der stattdessen vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung zur Prüfung der (Un-)Zumutbarkeit der Fortsetzung des unveränderten Mietvertrags seien jedenfalls folgende Umstände zu berücksichtigen: Mögliche Vorteile des Mieters aufgrund (verstärkten/vermehrten) Online-Handels, Kurzarbeit und staatlichen Hilfen, die gesetzgeberischen Wertungen im Hinblick auf die Kriterien für die Gewährung staatlicher Hilfen, die wirtschaftliche Situation des Mieters und des Vermieters, die bisherige Dauer des Mietvertrags, die Umsätze und Gewinne des Mieters in den letzten Jahres und insbesondere seine (abstrakte) Möglichkeit zur Bildung von Rücklagen sowie schließlich dessen etwaige Zugehörigkeit zu einem Konzern.

Das OLG Dresden dagegen sprach dem verklagten Mieter – mit im Vergleich zu den Entscheidungen des OLG München und des OLG Karlsruhe inhaltlich etwas dünner Argumentation - eine Mietreduzierung um 50 % zu. Auch das OLG Dresden hob hervor, dass es nicht auf eine Existenzgefährdung des Mieters ankomme. Im Gegenteil sei, da es sich bei dem Mietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handele, die Schwelle der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des unveränderten Mietvertrags niedrig anzusetzen. Bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls benannte das OLG Dresden lediglich die im konkret entschiedenen Fall nicht gegebene Möglichkeit des Außer-Haus-Verkaufs und die Nichtgewährung staatlicher Hilfen, wobei der Grund der Nichtgewährung (z.B. fehlender Antrag) für die Entscheidung nicht relevant zu sein schien.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist von den dort bestehenden prozessualen Besonderheiten geprägt. Es handelte sich um ein Verfahren im Urkundenprozess, mithin ein Verfahren, bei dem die Beweisführung nur mittels Urkundsbeweises statthaft ist. Tatsächlich habe sich die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages durch die "Folgen der Naturkatastrophe der COVID-19-Pandemie" schwerwiegend geändert. Die Parteien seien davon ausgegangen, dass während der Vertragslaufzeit Folgen einer solchen Pandemie nicht einträten. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, Regelungen hierfür vereinbart hätten. Im Urkundenverfahren, so das Oberlandesgericht, könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Mieterin wegen einer "schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages Herabsetzung des Mietzinses verlangen" könne - was das Oberlandesgericht allerdings ausdrücklich für möglich hält und insoweit auf das Nachverfahren verweist.

IV. Ergebnis

Die Entscheidungen zeigen, dass nicht nur bei den Vertragsparteien, sondern auch bei den Gerichten noch Unsicherheiten dazu bestehen, wie in rechtlicher Hinsicht mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gewerbliche Mietverhältnisse umzugehen ist. Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber mit den vorgenommenen Änderungen eben gerade keine abschließende oder pauschale Regelung der Auswirkungen der Pandemie auf Gewerberaummietverhältnisse bewirkt hat. Zwar wird das Vorliegen einer der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falls der Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund der gesetzlichen Neuregelung vermutet, jedoch ist das Ergebnis der vorzunehmenden einzelfallbezogenen Interessenabwägung regelmäßig offen.

Es kann daher auch weiterhin nur empfohlen werden, nach Möglichkeit einvernehmliche Lösungen zu suchen, die die Interessen beider Vertragsparteien berücksichtigen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die meisten Gewerbemietverträge eine Festlaufzeit von mindestens zehn Jahren vorsehen und ein Gerichtsverfahren nur selten zu einem kooperativen Zusammenwirken der Vertragsparteien für die Zukunft führt.

Kann eine einvernehmliche Lösung nicht herbeigeführt werden, dürfte den Geschäftsleitungsorganen der jeweiligen Parteien zu raten sein, behauptete Ansprüche einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Mieter tun – in Abhängigkeit von den von ihnen zu treffenden strategischen Entscheidungen – gegebenenfalls gut daran, zukünftige Mieten lediglich teilweise und/oder lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen; gegebenenfalls sollte auch die Rückforderung bzw. eine Verrechnung bereits geleisteter Mietzahlungen in der Pandemiezeit angekündigt werden.

Das OLG Dresden, das OLG Karlsruhe und das OLG Frankfurt haben jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BGH zugelassen. Ob die Parteien die ihnen eingeräumte Möglichkeit nutzen, die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs des Gewerbemieters auf Corona-bedingte Mietreduzierung vor dem Bundesgerichtshof klären zu lassen, ist noch nicht bekannt. Sollte eine Entscheidung des BGH ergehen, werden wir hierüber selbstverständlich berichten.

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