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Aktuelle arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur bAV

1. Verschaffungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG revised – und Unwirksamkeit einer Vertragsklausel zur Bestimmung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für die Gewährung von Invaliditätsleistungen (BAG Urt. v. 13.07.2021, 3 AZR 298/20)

In seinem Urteil vom 13.07.2021 (3 AZR 298/20) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Inhalt des Verschaffungsanspruchs des Versorgungsbegünstigten gegen den Arbeitgeber aus der ihm vom Arbeitgeber erteilten bAV-Zusage gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG – und die damit korrespondierende betriebsrentenrechtliche Einstandspflicht des Arbeitgebers – erneut zu überprüfen. Außerdem hatte es über die AGB-Wirksamkeit einer Vertragsklausel in der streitgegenständlichen bAV-Zusage zu Invaliditätsleistungen zu entscheiden, die als Voraussetzung für die Gewährung der Invaliditätsleistungen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber dem klagenden Mitarbeiter eine bAV-Zusage im Durchführungsweg der Pensionskasse erteilt. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) des dafür vom Arbeitgeber eingesetzten externen Versorgungsträgers (PK) bestimmten als Voraussetzung für die Gewährung von Invaliditätsleistungen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Mitarbeiter war seit 1984 beim Arbeitgeber beschäftigt und seit dem 11.09.2017 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ihm wurde, auf seinen Antrag vom 12.10.2017, mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 15.01.2019 befristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2018 bis zum 31.08.2020 bewilligt. Einen gesonderten Antrag auf Invaliditätsleistungen nach der bAV-Zusage stellte der Mitarbeiter zunächst nicht. Das Arbeitsverhältnis wurde nach Zugang des Bescheids der DRV Bund durch Aufhebungsvertrag vom 20.02.2019 zum 28.02.2019 beendet, um – mit Blick auf die AVB-Klausel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für den Leistungsbezug – die Invaliditätsleistungen zu erhalten. Die PK gewährte dem Mitarbeiter für den Zeitraum ab dem 01.03.2019 eine monatliche Dienstunfähigkeitsrente. Der Mitarbeiter verklagte daraufhin den Arbeitgeber und die PK, als Gesamtschuldner, auf Gewährung der monatlichen Dienstunfähigkeitsrenten auch für den Zeitraum vom 01.04.2018 bis zum 28.02.2019. Die gesamtschuldnerische Haftung des Arbeitgebers leitete der Mitarbeiter dabei aus dem betriebsrentenrechtlichen Verschaffungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG ab.

Das BAG wies die Klage ab. In Bezug auf den Arbeitgeber begründete das BAG die Klageabweisung damit, dass dieser nicht für die Erbringung der Versorgungsleistungen aus der bAV-Zusage gesamtschuldnerisch mit der PK gegenüber dem Mitarbeiter hafte. Eine solche gesamtschuldnerische Haftung ergebe sich insbesondere nicht aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG. Die in § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG angeordnete Einstandspflicht beinhalte – lediglich – die Pflicht des Arbeitgebers, für die Erfüllung der bAV-Zusage einzustehen; d.h., im Ausgangspunkt eine Verschaffung der zugsagten Versorgungsleistungen über den externen Versorgungsträger sicherzustellen und (erst) in dem Fall, dass der externe Versorgungsträger die Versorgungsleistungen nicht erbringt, für die Leistungserfüllung einzustehen. Diese Einstandspflicht inkludiere nicht die für eine gesamtschuldnerische Haftung erforderliche Gleichstufigkeit mit der Pflicht des externen Versorgungsträgers zur Erfüllung der gemäß der bAV-Zusage erteilten Versorgungsleistungen, da der Leistungszweck des Arbeitgebers gegenüber der Verpflichtung des externen Versorgungsträgers bei einer bAV-Zusage im Durchführungsweg der Pensionskasse nachrangig sei.

In Bezug auf die PK wies das BAG die Klage ebenfalls ab. Es erkannte allerdings, dass eine Vertragsklausel in AVB, die an die Gewährung von Invaliditätsleistungen die Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses knüpft, gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Eine solche Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Invaliditätsleistungen weiche vom Leitbild der Invaliditätsversorgung nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ab, das den Ausgleich für krankheits- und/oder behinderungsbedingte Einkommensverluste des Arbeitnehmers vor dem Erreichen der Altersgrenze inkludiere (sog. Entgeltersatzfunktion). Der gesundheitsbedingte Einkommensverlust trete im Arbeitsverhältnis – als Wegfall des Anspruchs auf das Arbeitsentgelt – unabhängig vom (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses ein. Das BAG verneinte im Ergebnis gleichwohl einen Anspruch des Mitarbeiters gegen die PK für die Gewährung der Invaliditätsversorgungsleistungen auch bereits für den Zeitraum vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei hat es die vertragliche Regelung zur Invaliditätsversorgung ergänzend auslegt. Demnach sollte die Klausel die Regelung inkludieren, die Invaliditätsrente ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend zu gewähren, und zwar für die Dauer des Zeitraums, um den sich die positive Entscheidung auf einen Antrag des Mitarbeiters vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses um mehr als zwei Monate ab der Antragstellung aus Gründen verzögert, die nicht in seiner Sphäre liegen. Vorliegend hatte der Mitarbeiter seinen Antrag auf Bezug der Invaliditätsversorgung erst mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags mit dem Arbeitgeber geltend gemacht; seine ursprüngliche Antragstellung vom 12.10.2017 bezog sich allein auf die gesetzlichen Rentenleistungen.

Fazit

Die Klarstellung, dass die Einstandspflicht des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG jedenfalls im externen Durchführungsweg der Pensionskasse (und damit verbunden fortgesetzt auch in den Durchführungswegen des Pensionsfonds und der Direktversicherung) keine gesamtschuldnerische Haftung mit dem externen Versorgungsträger auf Erfüllung der zugesagten Versorgungsleistungen inkludiert, ist für die Durchführung solcher bAV-Zusagen (wiederholt) hilfreich. In Bezug auf die vom BAG erkannte Unwirksamkeit von vertraglichen Klauseln zu einer Invaliditätszusage, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für die Invaliditätsleistungen bestimmen, sollten Arbeitgeber die relevanten Versorgungszusagen prüfen und – soweit erforderlich – entsprechend modifizieren.

2. Nachträgliche Anpassung von Betriebsrenten und Rügeobliegenheit – Verfassungsmäßigkeit der „Rügeerhebung spätestens vor dem nächsten Anpassungsstichtag“ – Rechtsprechung des BAG (BVerfG Beschl. v. 19.05.2021, 1 BvR 1814/19)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in seinem Beschluss vom 19.05.2021 (1 BvR 1814/19) Gelegenheit, die ständige Rechtsprechung des BAG zur Verwirkung des Anspruchs des Leistungsempfängers auf eine nachträgliche Anpassung der Betriebsrentenleistungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt bezog der klagende Leistungsempfänger seit 2005 Ruhegeldleistungen nach der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes. Die monatliche Betriebsrente wurde seit Bezugsbeginn stets zum 01.01. eines Jahres um einen vom Essener Verband festgelegten Satz angepasst. Sie betrug zum 01.01.2007 1.418,84 EUR brutto pro Monat. Mit Schreiben vom 25.09.2007 teilte der Essener Verband dem Beschwerdeführer mit, dass sich die Betriebsrente mit Wirkung zum 01.01.2008 um 1,4% auf 1.438,70 EUR erhöhen würde. Diese Erhöhung berücksichtigte eine vorab vom Essener Verband vorgenommene Kürzung des biometrischen Faktors von 0,765%, die der Essener Verband als Folge der durchschnittlichen Längerlebigkeit der Rentner nach den Leistungsordnungen des Essener Verbandes gegenüber der von Rentnern der gesetzlichen Sozialversicherung vornahm – und über die der Essener Verband den Beschwerdeführer auch in dem Schreiben vom 25.09.2007 informiert hatte. Mehrere Leistungsempfänger nach der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes wehrten sich gegen diese Kürzung und erhoben in der Folgezeit Klagen, die teilweise bis zum BAG geführt wurden, und in denen das BAG, unter anderem in seinem Urteil vom 30.09.2014 (3 AZR 402/12), die Unwirksamkeit dieser Kürzung erkannte. Der Beschwerdeführer erhob seinerzeit keine Klage. Der Essener Verband setzte das Urteil des BAG im Mai 2015 in der Weise um, dass er relevante Rentenhöhen mit Wirkung ab dem Bezugszeitraum des 01.01.2012 um den gekürzten Faktor anhob. Eine Anhebung für den Bezugszeitraum vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2011 erfolgte nicht. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin im Jahr 2016 Klage auf Zahlung des Differenzbetrags in Bezug auf den gekürzten Faktor für den Bezugszeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 in Höhe von insgesamt 938,00 EUR. Das BAG wies die Klage mit Urteil vom 14.05.2019 (3 AZR 112/18) unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zur Obliegenheit des Leistungsempfängers zur Rüge der nachträglichen Anpassung seiner Rentenleistungen bis spätestens zum nächsten Anpassungsstichtag ab, demnach der Beschwerdeführer entsprechende Rügen jeweils – mit Blick auf die jährliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers – bis spätestens 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres hätte erheben müssen.

Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil des BAG Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Er rügte eine Unvereinbarkeit der Entscheidung des BAG mit Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) und Art. 20 Abs. 3 GG (Bindung der Rechtsprechung (auch des BAG) an Gesetz und Recht), demnach das BAG mit seiner Rechtsprechung zur Obliegenheit der rechtzeitigen Rüge die Grenzen der vertretbaren Auslegung des § 16 BetrAVG überschreite, der eine solche Obliegenheit der rechtzeitigen Rüge nicht vorsehe.

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Es verneinte einen Verstoß der Rechtsprechung des BAG gegen Art. 2 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG. Das BAG bewege sich mit seiner Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung des § 16 BetrAVG. Die vom BAG erkannte Obliegenheit der rechtzeitigen Rüge der nachträglichen Rentenanpassung bis spätestens zum nächsten Anpassungsstichtag sei zwar nicht im Gesetz geregelt. Sie sei jedoch integraler Bestandteil des Anspruchs des Leistungsempfängers darauf, eine Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers zur Höhe der Versorgungsleistungen überprüfen zu lassen – und könne damit mit der vom BAG angenommenen Rügefrist versehen werden. Die Versorgungsbegünstigten seien von einer solchen Rügefrist nicht untragbar belastet, da es ihnen generell ohne weiteres möglich sei, die Rüge innerhalb der maßgeblichen Rügefrist zu erheben.

Fazit

Die Entscheidung des BVerfG sichert die – in der Praxis bereits etablierte – Rechtsprechung des BAG zur Rügefrist in Bezug auf die Geltendmachung von nachträglichen Rentenanpassungen auf verfassungsrechtlicher Ebene ab – und gibt damit Arbeitgebern eine abschließende Rechtssicherheit zum Umgang mit verspäteten Rügen von Leistungsempfängern.

3. Entgeltumwandlung und Pfändungsschutz: Auch für nach der Pfändung von Arbeitseinkommen abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen (BAG Urt. v. 14.10.2021, 8 AZR 96/20)

In seinem Urteil vom 14.10.2021 (8 AZR 96/20) hatte das BAG Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Pfändungsschutz von Entgeltbestandteilen aus dem Arbeitsverhältnis fortzuentwickeln, die ein Mitarbeiter in eine bAV aufgrund Entgeltumwandlung nach Maßgabe des § 1a BetrAVG einbringen möchte.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vereinbarte die Mitarbeiterin mit ihrem ehemaligen – im hiesigen Rechtsstreit klagenden – Ehemann im Rahmen der Ehescheidung unter anderem eine Aufteilung von Schulden aus einem Baudarlehen. Der Kläger erwirkte in diesem Zusammenhang in der Folgezeit im Juni 2015 gegen die Mitarbeiterin einen vollstreckbaren Titel zu seinem aus der Aufteilung erwachsenden Zahlungsanspruch in Höhe von 22.679,60 EUR – und bewirkte anschließend aus dem Titel im November 2015 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen der Mitarbeiterin aus dem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Arbeitgeber. Der Arbeitgeber leistete zunächst aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss monatliche Zahlungen an den Kläger. Im Mai 2016 vereinbarte der Arbeitgeber mit der Mitarbeiterin eine bAV-Zusage aufgrund Entgeltumwandlung im Durchführungsweg der Direktversicherung. Der Arbeitgeber führte in der Folgezeit aus der bAV-Zusage einen monatlichen Beitrag von 248 EUR (der der Obergrenze gemäß § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG entsprach) an das die Direktversicherung durchführende Versicherungsunternehmen ab.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom Arbeitgeber eine um 248 EUR höhere monatliche Zahlung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Er machte geltend, dass die Entgeltumwandlungsvereinbarung das pfändbare Einkommen der Mitarbeiterin ihm gegenüber – mit Blick auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – nicht reduziert haben könne. Ferner gelte der Rechtsgedanke der den Gläubigerschutz bezweckenden Regelung des § 850h ZPO in analoger Anwendung, demnach verhindert werden solle, dass das Schuldnereinkommen dem Gläubigerzugriff durch unlautere Manipulationen entzogen werde. Zudem sei die Entgeltumwandlungsvereinbarung sittenwidrig, da die Mitarbeiterin vor der Pfändung des Arbeitseinkommens keine Entgeltumwandlung betrieben habe und die Entgeltumwandlungsvereinbarung offensichtlich allein abgeschlossen habe, um den umgewandelten Vergütungsbestandteil nicht dem Kläger überweisen zu müssen.

Das BAG wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der entgeltumgewandelte Vergütungsbestandteil kein pfändbares Einkommen gemäß § 850 Abs. 2 ZPO inkludiere. Die Entgeltumwandlungsvereinbarung sei im Umfang der Entgeltumwandlung an die Stelle der vorherigen arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede getreten und der Anspruch der Mitarbeiterin auf die Barvergütung würde in diesem Umfang mit Vollzug der Entgeltumwandlung nicht mehr bestehen. Die übrigen Argumente des Klägers zu den gesetzlichen Pfändungsgläubigerschutzregelungen der §§ 829, 850ff. ZPO wies das BAG im Kern mit einer am normativen Zweck des § 1a BetrAVG zur Entgeltumwandlung (= für den Arbeitgeber zwingende Verpflichtung zur Entgeltumwandlung zur Ermöglichung des Aufbaus von unverfallbaren Anwartschaften auf bAV-Leistungen zur notwendigen Ergänzung der gesetzlichen Alterssicherung und damit verbundene Sicherung der Altersversorgung von Arbeitnehmern) angelegten Argumentation ab, die es im Ergebnis jedenfalls bis zu der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG bestimmten Höhe (= 4% der Beitragsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) höher gewichtet als den mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 829, 850ff. ZPO bezweckten Schutz des Pfändungspfandgläubigers an der Vollstreckung seiner Zahlungsansprüche. Diese Interessenabwägung gelte unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Zustellung der Pfändung des Arbeitseinkommens und des Abschlusses und Vollzugs der Entgeltumwandlung – und sei daher auch gegeben, wenn die Entgeltumwandlungsvereinbarung nach der wirksamen Pfändung des Arbeitseinkommens abgeschlossen und vollzogen wird.

Fazit

Das BAG dehnt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, demnach eine Entgeltumwandlung nach Maßgabe des § 1a Abs. 1 BetrAVG das pfändbare Arbeitseinkommen reduziert (s. bereits Urt. v. 30.07.2008, 10 AZR 459/07), auch auf nach der Pfändung des Arbeitseinkommens abgeschlossene und vollzogene Entgeltumwandlungsvereinbarungen aus. Offen gelassen hat es in der Entscheidung, ob dieser Rechtssatz auch für Entgeltumwandlungen gilt, die die in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG bestimmte Obergrenze überschreiten. Mit Blick auf die unmittelbar am Schutzzweck des § 1a BetrAVG anknüpfende typisierende Argumentation des BAG in der ausgeführten Interessenabwägung dürften gewichtige Gründe dafür sprechen, dem Pfändungsgläubiger einen Zugriff auf von einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfasste Vergütungsbeträge oberhalb der Obergrenze des § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG zuzusprechen, da der Gesetzgeber mit der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG bestimmten Obergrenze den gesetzlichen Schutz des Arbeitnehmers zum Aufbau von bAV-Anwartschaften aufgrund Entgeltumwandlung quantitativ der Höhe nach begrenzt hat. Arbeitgeber sollten daher die Obergrenze des § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG bei der Durchführung von Entgeltumwandlungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern beachten, deren Arbeitseinkommen ein Drittgläubiger wirksam gepfändet hat.

4. Höchstaltersgrenze 55 Lebensjahre revised – und bestätigt (BAG Urt. v. 21.09.2021, 3 AZR 147/21)

Das BAG hatte in seinem Urteil vom 21.09.2021 (3 AZR 147/21) die Gelegenheit, seine – mittlerweile knapp 10 Jahre alte – Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer Höchstaltersgrenze in Zusagen einer betrieblichen Altersversorgung (bAV-Zusage) zu überprüfen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine bAV-Zusage erteilt, die als Zugangsvoraussetzung bestimmte, dass der Mitarbeiter bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Höchstaltersklausel). Die im Juni 1961 geborene klagende Mitarbeiterin nahm am 18.07.2016 ihre Beschäftigung beim Arbeitgeber auf. Sie begehrte nach dem Beginn ihres Arbeitsverhältnisses die Erteilung der bAV-Zusage. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Mitarbeiterin bei Beschäftigungsbeginn bereits ihr 55. Lebensjahr vollendet hatte. Ihre anschließende Klage auf Erteilung der bAV-Zusage stützte die Mitarbeiterin auf eine unzulässige unmittelbare altersbedingte Benachteiligung sowie auf eine unzulässige mittelbare Benachteiligung von weiblichen Beschäftigten, demnach Frauen typischerweise aufgrund von Erziehungszeiten weniger Zeiten zur Verfügung stünden, um eine angemessene Altersversorgung aufzubauen (§ 7 Abs. 2 AGG); die Mitarbeiterin verwies hierzu auf statistische Daten der Deutschen Rentenversicherung Bund, wonach Frauen in den alten Bundesländern in der gesetzlichen Rentenversicherung durchschnittlich 28 Versicherungsjahre erreichten, Männer hingegen über 40 Versicherungsjahre.

Das BAG wies die Klage zurück. Die Höchstaltersklausel inkludiere weder eine unzulässige Benachteiligung wegen Alters noch von weiblichen Beschäftigten. In Bezug auf die altersbedingte Benachteiligung verwies das BAG auf seine bisherige Rechtsprechung zu Höchstaltersklauseln, in der es eine Höchstaltersgrenze von 50 Jahren für den Zugang zur konkreten bAV-Zusage als noch zulässig erachtet hatte (BAG Urt. v. 12.11.2013, 3 AZR 356/12). Die bisher für die Zulässigkeit zugrunde gelegten Erwägungen (typischerweise 40-jähriger Erwerbszeitraum, der dem Mitarbeiter bei typisierter Betrachtung auch bei einer Höchstaltersgrenze von 50 Jahren ermöglicht, über einen beträchtlichen Zeitraum Anwartschaften der (betrieblichen) Altersversorgung zu erzielen; bei gleichzeitigem legitimen Interesse des Arbeitgebers, den Versorgungsaufwand aus der bAV-Zusage überschaubar und kalkulierbar zu halten und die bAV-Zusage nur solchen Mitarbeitern zu erteilen, die noch eine längerfristige Betriebszugehörigkeit erbringen können) könnten weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Eine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung lehnte das BAG ebenfalls ab – und sprach den von der Mitarbeiterin vorgelegten statistischen Daten der Deutschen Rentenversicherung in diesem Zusammenhang keine Aussagewirkung zu, da die Daten sich aus geografischer Sicht nur auf die alten Bundesländer bezögen (und daher als Indiz für eine mittelbare geschlechtsbedingte Benachteiligung von weiblichen Beschäftigten bereits aus diesem Grund ungeeignet seien) und sich zudem auf die gesetzliche Rentenversicherung als Bezugsobjekt bezögen, aus der keine belastbaren Ableitungen für die betriebliche Altersversorgung getroffen werden könnten.

Ergänzend wies das BAG darauf hin, dass nach den von ihm gewonnen statistischen Daten für die gesamte Bundesrepublik Deutschland (aus dem Jahr 2019) weibliche Beschäftigte 36,5 und männliche Beschäftigte 41,9 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung verbrachten und nach diesen Daten keine signifikant höhere Betroffenheit von Frauen von der Höchstaltersklausel angenommen werden könne.

Fazit

Das BAG führt mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur Heranziehung von statistischen Daten als Indizien für eine vermeintliche mittelbare unzulässige Benachteiligung aufgrund einer der in § 1 AGG angeführten Merkmale fort und konkretisiert sie für die Beurteilung von AGG-relevanten Differenzierungen in der inhaltlichen Ausgestaltung einer bAV-Zusage. Die generelle Geeignetheit solcher statistischer Daten als Indiz für die AGG-relevante Benachteiligung hatte das BAG bereits in einzelnen früheren Entscheidungen angenommen (u.a. BAG Urt. v. 22.07.2020, 8 AZR 1012/08: dort für die Beurteilung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung bei Beförderungen), sofern die maßgeblichen Statistiken im Hinblick auf ein diskriminierendes Verhalten des Arbeitgebers aussagekräftig sind. Diese Aussagekraft verneinte das BAG aus den vorstehenden Gründen. Arbeitgeber, die in ihren bAV-Zusagen zur bedarfsgerechten Aussteuerung der Finanzierung und der biometrischen Risiken zulässige Zugangsbeschränkungen vorsehen (neben der Höchstaltersklausel etwa Spätehenklauseln und Altersabstandsklauseln in Bezug auf Hinterbliebenenleistungen), sollten gleichwohl entsprechende Veröffentlichungen von statistischen Daten sorgfältig beobachten und auswerten, um eine fortgesetzte Begründung für die zulässigen Beschränkungen sicherstellen zu können.

5. Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung nach Wiederheirat – Nur bei ausdrücklicher Regelung (BAG Urt. v. 02.12.2021, 3 AZR 212/21)

In seinem Urteil vom 02.12.2021 (3 AZR 212/21) hatte das BAG Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Hinterbliebenenversorgung in bAV-Zusagen nach Wiederheirat fortzuentwickeln.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt stand der im Jahre 1957 geborene Ehemann der Klägerin von 1983 bis 1999 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Die Beklagte erteilte ihren Mitarbeitern im Jahr 1992 eine bAV-Zusage im Durchführungsweg der Unterstützungskasse auf der Rechtsgrundlage einer Betriebsvereinbarung (BV UK). Die BV UK bestimmte zu den Hinterbliebenenleistungen, dass diese (1) 60% der Altersrentenleistungen betragen, und (2) entfallen sollten, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Mitarbeiters geschieden ist, oder wenn die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenleistungen geschlossen wurde. Die BV UK enthielt keinen ausdrücklichen Leistungsausschluss für den Fall der Wiederheirat nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin ging ihre Ehe im Jahr 2010 ein und der Ehemann verstarb im Juni 2018. Die Klägerin begehrte von der Beklagten ab Juli 2018 Hinterbliebenenleistungen, die die Beklagte mit dem Argument zurückwies, dass nur Witwen Hinterbliebenenleistungen beanspruchen könnten, die die Ehe mit ihrem (ehemaligen) Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses eingegangen seien.

Das BAG gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im Kern aus, dass der von der Beklagten geltend gemachte Ausschluss von Hinterbliebenenleistungen für Witwen, die die Ehe mit dem ehemaligen Mitarbeiter erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingegangen sind, eindeutig in der Rechtsgrundlage der bAV-Zusage geregelt sein müsse und dies sei vorliegend nicht zu verzeichnen, da die BV UK explizit nur zwei andere Fallgruppen für den Ausschluss von Hinterbliebenenleistungen geregelt hätten und eine explizite Regelung für die Eheschließung zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem (erstmaligen) Eintritt des Versorgungsfalls nicht geregelt habe.

Fazit

Das BAG bestätigt seine Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber Hinterbliebenenversorgungen in bAV-Zusagen zwar grundsätzlich – mit Blick auf das Interesse des Arbeitgebers auf eine belastbare Kalkulation seiner aus bAV-Zusagen erwachsenden Verpflichtungen – einschränken kann; dies allerdings nur, wenn sie die entsprechenden Ausschlussgründe ausdrücklich und transparent in der Rechtsgrundlage der bAV-Zusage formulieren.

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