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Rentnerarbeitsverhältnis und betriebliche Altersversorgung

Update 2024 

In diesem Client Alert geben wir ein Update zu den sich aus praktischer Sicht im Rentnerarbeitsverhältnis ergebenden materiellen arbeitsrechtlichen Implikationen auf die dem Rentnerarbeitnehmer erteilten Zusagen der betrieblichen Altersversorgung (bAV-Zusagen). Die sozialversicherungsrechtlichen Rahmenparameter erörtern wir in einem Folge-Client Alert.

1. Einleitung

Angesichts der umfassenden demografischen Herausforderungen bei der Sicherung und dem Transfer von unternehmensinterner Expertise beim Arbeitgeber und des allgemeinen Fachkräftemangels sind in vielen Unternehmen Rentnerarbeitsverhältnisse verbreitet. Kennzeichnend für diese Arbeitsverhältnisse ist, dass der Arbeitnehmer bereits die Voraussetzungen für den erstmaligen Bezug einer gesetzlichen (Alters-) Rentenleistung insbesondere in Bezug auf das maßgebliche Rentenalter erfüllt und gleichwohl seine Erwerbstätigkeit in einem Arbeitsverhältnis fortführt. Für einzelne Rentnerarbeitnehmer werden sie in der jüngeren Zeit auch kommerziell relevant(er), wenn diese angesichts der in den letzten Jahren vor allem inflationsbedingt materiell gestiegenen Lebenskosten auch nach Erreichung der relevanten Altersgrenze auf zusätzliche Einkünfte neben der gesetzlichen Rente und der betrieblichen Altersversorgung angewiesen sind und daher weiterhin in einem Arbeitsverhältnis tätig sein müssen. Fiskalisch ist das Rentnerarbeitsverhältnis seit dem 1. Januar 2023 zudem auch für Rentenempfänger mit vorgezogener gesetzlicher Altersrente attraktiver, in dem der Gesetzgeber die Hinzuverdienstgrenze in Bezug auf die Anrechnung anderer Einkünfte auf die gesetzlichen Rentenleistungen endgültig aufgehoben hat.

 

2. Ausgangspunkt: Einordnung der bAV-Zusage in Bezug auf ihre Finanzierung, auf die konkrete Leistung und auf den Durchführungsweg; Vertragspartner im Rentnerarbeitsverhältnis

Aus praktischer Sicht maßgeblich für die arbeitsrechtlichen Implikationen im Einzelfall ist die Einordnung der bAV-Zusage in Bezug auf die:

  • Finanzierung: Arbeitgeber haben bei der inhaltlichen Ausgestaltung einer arbeitgeberfinanzierten bAV-Zusage generell einen weiten Gestaltungsspielraum, der sich unter anderem auf die Voraussetzungen für den Leistungsbezug, auf die Leistungshöhe und auf die mit der Leistungshöhe verbundenen berücksichtigungsfähigen Anwartschaftszeiträume, den sie auch für die bAV-Zusage des Arbeitnehmers in einem Rentnerarbeitsverhältnis nutzen können, erstreckt. Demgegenüber sind in bAV-Zusagen aufgrund Entgeltumwandlung – auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mindest-Arbeitgeberzuschüsse nach Maßgabe des § 1a Abs. 1a BetrAVG – den inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten restriktive Grenzen gesetzt, da die Finanzierung der relevanten bAV-Leistungen im Kern aus den umgewandelten Vergütungsbestandteilen aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt.
  • Durchführungsweg: Bei bAV-Zusagen im Durchführungsweg der Pensionskasse bestimmen die versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen, dass Versorgungsleistungen durch die Pensionskasse erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Erwerbseinkommens zu gewähren sind (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 VAG), so dass für diesen Durchführungsweg etwa die parallele Gewährung von Altersversorgungsleistungen und Vergütungen aus einem Rentnerarbeitsverhältnis nicht in Betracht kommt. Die weiteren Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung (Direktzusage, Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionsfonds) sehen eine solche Restriktion nicht vor.
  • konkrete Leistung: Versorgungsleistungen in der Form von Kapitalleistungen erstrecken sich auf eine einmalige Leistung oder im Fall von Ratenkapitalleistungen auf den Zeitraum der Ratenzahlungen. Sie sind nur von einzelnen der in diesem Client Alert erörterten Fragen betroffen, während bAV-Zusagen mit Rentenleistungen regelmäßig ganzheitlich in Bezug auf die Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind.
  • Vertragspartner im Rentnerarbeitsverhältnis: Aus praktischer Sicht führt der Arbeitnehmer das Rentnerarbeitsverhältnis oft mit dem Arbeitgeber durch, der auch die relevante bAV-Zusage erteilt hat. Einzelne der in diesem Client Alert erörterten Themen betreffen auch Rentnerarbeitsverhältnisse, in denen der Vertragsarbeitgeber nicht personengleich ist mit dem die bAV-Zusage erteilten Arbeitgeber.

 

3. Leistungsfall in der bAV-Zusage und Rentnerarbeitsverhältnis: Palalleler Bezug von Arbeitsvergütung und bAV-Leistungen?

Eine wichtige Frage für die Rentnerarbeitnehmer inkludiert die Möglichkeit des parallelen Bezugs von Altersversorgungsleistungen aus der bAV-Zusage (bereits) während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses, insbesondere wenn der Vertragspartner im Rentnerarbeitsverhältnis personengleich mit dem die bAV-Zusage erteilten Arbeitgeber ist.
Maßgeblich hierfür ist im Ausgangspunkt die inhaltliche Ausgestaltung der bAV-Zusage:

  • Bestimmt die bAV-Zusage als Leistungsvoraussetzung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem die bAV-Zusage erteilenden Arbeitgeber des Rentnerarbeitsverhältnisses, verschiebt sich der Leistungsfall für den erstmaligen Bezug der bAV-Leistungen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Rentnerarbeitsverhältnisses. Eine solche Regelung ist aus arbeitsrechtlicher Sicht unabhängig vom Durchführungsweg zulässig und kann auch für arbeitnehmerfinanzierte bAV-Zusagen vereinbart werden.
    Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht von praktischer Relevanz, wenn die Person des Vertragspartners im Rentnerarbeitsverhältnis nicht identisch ist mit dem die bAV-Zusage erteilenden Arbeitgeber. Der die bAV-Zusage erteilende Arbeitgeber hat die Versorgungsleistungen auch bereits während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses zu erbringen.
  • Enthält die bAV-Zusage eine solche Leistungsvoraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht, sind die bAV-Leistungen bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen (insbesondere relevantes Versorgungsalter) aus der bAV-Zusage grundsätzlich neben der Vergütung aus dem Rentnerarbeitsverhältnis zu gewähren. Dies generell sowohl bei einem Bezug von Altersversorgungsleistungen aufgrund der Erreichung des Regelaltersrentenalters als auch bei einer vorgezogenen Altersversorgung.

Eine kommerzielle Entscheidung haben in diesem Zusammenhang Arbeitnehmer zu treffen, bei denen die individuelle bAV-Zusage als Leistungsvoraussetzung den Bezug von gesetzlichen Altersrentenleistungen bestimmt. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht können diese die Höhe der gesetzlichen Altersrente um 0,5% für jeden Monat über die eigene gesetzliche Altersrentengrenze hinaus erhöhen, in denen sie das Rentnerarbeitsverhältnis durchführen und keine Leistungen der gesetzlichen Altersrente beziehen. In der Praxis enthält der Arbeitsvertrag zum Rentnerarbeitsverhältnis in diesen Fällen eine Erklärung des Arbeitnehmers, ob er die gesetzliche Altersrente bereits während des Rentnerarbeitsverhältnisses bezieht. Übt der Arbeitnehmer das Wahlrecht zum Bezug der gesetzlichen Altersrente bereits während des Rentnerarbeitsverhältnisses aus, wird sich der Arbeitgeber den Altersrentenbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung zur Verifizierung dieser Leistungsvoraussetzung der bAV-Zusage vorlegen lassen.

 

4. Möglichkeit der Erdienung von weiteren Anwartschaften während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses

Auch die Möglichkeit der Erdienung von weiteren Anwartschaften in der bAV-Zusage während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses ist abhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung der bAV-Zusage:

  • Bei arbeitgeberfinanzierten bAV-Zusagen kann der Arbeitnehmer bei Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses nach der Erreichung des in der bAV-Zusage bestimmten Altersrentenalters weitere Anwartschaften nur erdienen, wenn die bAV-Zusage dies ausdrücklich bestimmt. Wird das Rentnerarbeitsverhältnis demgegenüber vor Erreichung des in der bAV-Zusage bestimmten Altersrentenalters durchgeführt (= bei einem Bezug von vorgezogener Altersrente) hat die bAV-Zusage eine explizite Regelung zur Begrenzung des anwartschaftsrelevanten Zeitraums (z.B. bis zur Erreichung des 63. Lebensjahres des Arbeitnehmers) zu enthalten; andernfalls kann der Arbeitnehmer auch während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses weitere Anwartschaften bis zur Erreichung der in der bAV-Zusage bestimmten Regelaltersgrenze erdienen.
  • Bei arbeitnehmerfinanzierten bAV-Zusagen kann der Arbeitnehmer – vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung – nach der Erreichung der gesetzlichen Regelaltersrentengrenze keine weiteren Anwartschaften aus der bAV-Zusage erdienen, da der Entgeltumwandlungsanspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraussetzt. Demgegenüber besteht der Entgeltumwandlungsanspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG bis zur Erreichung der individuellen gesetzlichen Regelaltersgrenze unbedingt und kann nur durch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden (§ 19 Abs. 1 BetrAVG).

 

5. Anrechnung der Vergütung aus dem Rentnerarbeitsverhältnis auf bAV-Leistungen

Eine Anrechnung der Vergütung aus dem Rentnerarbeitsverhältnis auf die aus der bAV-Zusage bereits während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses gewährten bAV-Leistungen bedingt im Ausgangspunkt eine ausdrückliche Anrechnungsklausel in der bAV-Zusage. Ohne Anrechnungsklausel scheidet die Anrechnung aus. Enthält die bAV-Zusage eine solche Anrechnungsklausel, ist für ihre Wirksamkeit wie folgt zu differenzieren:

  • Generell rechtlich zulässig ist die Anrechnung bei arbeitgeberfinanzierten bAV-Zusagen, in dem der arbeitgeberseitige Gestaltungsspielraum für die Höhe der Versorgungsleistungen aus der bAV-Zusage auch die Möglichkeit der Anrechnung von anderweitigen Einkünften des Leistungsempfängers für den jeweiligen konkreten Referenzzeitraum umfasst und insoweit auch unabhängig davon wirkt, ob der Leistungsempfänger das Rentnerarbeitsverhältnis mit dem die bAV-Zusage erteilenden Arbeitgeber oder mit einem dritten Arbeitgeber ausführt. Die Anrechnung unterliegt den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorgaben und hier insbesondere den gesetzlichen AGB-Vorschriften (§§ 305ff. BGB) zur Transparenzkontrolle. Sie wird in der Praxis in dieser Konstellation häufig in bAV-Zusagen bestimmt, die eine Gesamtversorgung des Arbeitnehmers bestimmen, die im Einzelfall auch Vergütungen aus dem Rentnerarbeitsverhältnis als Bestandteil der Gesamtversorgung – teilweise – mit umfassen.
  • Generell unzulässig ist demgegenüber die Anrechnung bei einer vom Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung finanzierten bAV-Zusage. Die vom Arbeitnehmer durch die Entgeltumwandlung angesparte Altersvorsorge kann ihm nicht durch eine Anrechnung bzw. Verrechnung mit Vergütungsansprüchen aus dem Rentnerarbeitsverhältnis genommen werden.

 

6. Anpassung von bAV-Leistungen während der Durchführung des Rentnerarbeitsverhältnisses

Der Arbeitgeber ist generell unabhängig vom Bestehen des Rentnerarbeitsverhältnisses nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, (auch) für die parallel zum Rentnerarbeitsverhältnis bereits gewährten Versorgungsleistungen aus der bAV-Zusage alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen aus den bAV-Zusagen zu prüfen und hat hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei er vor allem seine wirtschaftliche Lage und die Belange des Versorgungsempfängers zu berücksichtigen hat. Das vor allem mit dem Inflationsausgleich nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG indizierte wirtschaftliche Interesse des Rentnerarbeitnehmers am Werterhalt der in der bAV-Zusage zugesagten Versorgungsleistungen hat andere vom Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums empfangene Leistungen nicht zu berücksichtigen.

Die konkrete Anpassungsprüfung ist anhand der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der bAV-Zusage vorzunehmen. Enthält die bAV-Zusage eine eigenständige Anpassungsregelung, ist diese im Ausgangspunkt für die konkrete Prüfung maßgeblich. Soweit eine vertragliche Anpassungsklausel mit einer jährlichen Anpassung der Rentenleistungen von 1 % besteht, muss entsprechend des Zeitpunktes der Erteilung der bAV-Zusage differenziert werden. Wurden bAV-Zusagen nach dem 31.12.1998 erteilt, kann der Arbeitgeber mit einer solchen Rentenanpassung bereits den Anpassungsanspruch des Arbeitnehmers erfüllen. Eine gesonderte gesetzliche Anpassung ist dann nicht mehr erforderlich (§§ 16 Abs. 3 Nr. 1, 30c Abs. 1 BetrAVG). Zu beachten ist, dass diese gesetzliche Anpassungserleichterung nur für bAV-Zusagen gilt, die erstmals nach dem 31.12.1998 erteilt wurden. Wurde die bAV-Zusage bereits vor dem 01.01.1999 erteilt und enthielt bereits ursprünglich eine solche 1 %-Klausel oder wurde die 1 %-Klausel aufgrund einer Modifizierung der bAV-Zusage erstmals nach dem 31.12.1998 in die bAV-Zusage aufgenommen, hat der Arbeitgeber neben der vertraglichen Anpassung auch die gesetzliche Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG vorzunehmen.

 

7. Fazit

Arbeitgeber können Rentnerarbeitsverhältnisse und bAV-Zusagen in der Praxis bedarfsgerecht in Einklang bringen und für die einzelnen Arbeitnehmer interessengerechte Regelungen implementieren, wenn sie sich in der inhaltlichen Ausgestaltung der bAV-Zusagen an die in diesem Client Alert ausgeführten Spielregeln halten. Steht eine Neuordnung oder Modifizierung der bestehenden bAV-Zusagen im Raum, ist es generell empfehlenswert, diese aus Arbeitgebersicht auch zur erstmaligen Festsetzung bzw. Nachjustierung der gewünschten Rahmenparameter eines Rentnerarbeitsverhältnisses zu nutzen.

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