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Virtuelle Gesellschafterversammlungen bei der GmbH

Satzungsregelung auch nach gesetzlicher Grundlage empfehlenswert

Seit dem 1.08.2022 hat der Gesetzgeber kraft Gesetzes die Möglichkeit eröffnet, Gesellschafterversammlungen auch virtuell abzuhalten, was vorher lediglich bei einer entsprechenden Regelung in der Satzung zulässig war. Da die gesetzliche Regelung jedoch erfordert, dass alle Gesellschafter in Textform der virtuellen Beschlussfassung zustimmen und das Gesetz keine weiteren Konkretisierungen hinsichtlich der Durchführung der virtuellen Versammlung enthält, empfiehlt sich nach wie vor die Aufnahme von Regelungen zur virtuellen Versammlung in der Satzung. Fraglich bleibt trotz einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs allerdings, ob eine virtuelle Beschlussfassung unter bestimmten Voraussetzungen selbst bei beurkundungspflichtigen Umwandlungsbeschlüssen möglich ist.

Virtuelle Gesellschafterversammlung bei der GmbH seit 1.08.2022 gesetzlich vorgesehen

Bedingt durch das Gebot der Distanzierung hat die Covid-Pandemie in vielen Bereichen zu einer Verlagerung von physischen Zusammenkünften auf virtuelle in Form von Video- und Telefonkonferenzen geführt. Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens steht im Hinblick auf Zusammenkünfte und Abstimmungen unter Gesellschaftern jedoch zu erwarten, dass auch nach Beendigung der Pandemie an nicht physischen Versammlungen per Video- und Telefonkonferenzen festgehalten werden soll. Für die GmbH regelt seit dem 1.08.2022 § 48 Abs. 1 S. 2 GmbHG erstmalig, dass Versammlungen auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden können, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.

 

Satzungsregelung empfehlenswert

Um nicht von der Zustimmung aller Gesellschafter zur Abhaltung virtueller Versammlungen abhängig zu sein und insbesondere im Hinblick auf eine nähere Ausgestaltung des Verfahrens der virtuellen Versammlung empfiehlt es sich auch nach der gesetzlichen Regelung für die GmbH, diesbezüglich Bestimmungen in die Satzung aufzunehmen. Wie bereits zuvor bleiben derartige von § 48 GmbHG abweichende Regelungen unverändert möglich. Bei der Gestaltung entsprechender Satzungsregelungen ist wichtig, dass sie die Möglichkeit der Beteiligung aller Gesellschafter an der Beschlussfassung und Ausübung ihrer Gesellschafterechte hinreichend sicherstellen. Weitere regelungsbedürftige Aspekte sind die Frage, mit welchen Mitteln bei virtuellen Versammlungen die Identität der Teilnehmer (insbesondere, wenn keine visuelle Zusammenkunft erfolgt) geprüft werden soll und wie die (formlose) Beschlussfassung zu dokumentieren ist. Auch ist klarzustellen, ob (nur) die Stimmabgabe per E‑Mail während der laufenden virtuellen Versammlung zugelassen wird oder – sinnvoller Weise – auch eine akustische Mitteilung im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz ebenfalls möglich ist. Zwingend ist jedenfalls, dass zumindest eine akustische Möglichkeit zum Austausch besteht.

 

Beurkundung virtuell gefasster (Umwandlungs-)Beschlüsse

Auch nach der Gesetzesänderung bleibt umstritten, ob auch beurkundungsbedürftige (Umwandlungs-)Beschlüsse in einer virtuellen Gesellschafterversammlung gefasst werden dürfen. Für die notariell zu beurkundenden Satzungsänderungen hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiREG) dafür entschieden, dass eine Beurkundung mittels Videokommunikation dann zulässig ist, wenn der Beschluss einstimmig gefasst wird und keine sonstigen Formvorschriften entgegenstehen (§ 53 Abs. 3 n.F., in Kraft ab dem 1.8.2023).

Eine Entscheidung des BGH aus 2021 (Beschluss vom 5.10.2021, Az.: II ZB 7/21) ließ darauf schließen, dass eine virtuelle Beschlussfassung bei notariell zu beurkundenden Verschmelzungsbeschlüssen unter den im Beschluss aufgeführten Voraussetzungen zulässig ist. Der BGH hat (abweichend von den beiden Vorinstanzen, die die Eintragung der Verschmelzung zweier Genossenschaften abgelehnt hatten, bei der die Vertreterversammlung der übertragenden Genossenschaft dem Verschmelzungsvertrag auf einer virtuell abgehaltenen Versammlung zugestimmt hatte), entschieden, dass der Verschmelzungsbeschluss einer Genossenschaft virtuell gefasst werden kann, wenn der Notar physisch am Ort des Versammlungsleiters zugegen ist.

Der BGH wies zunächst darauf hin, dass nach der h.M. ein Umwandlungsbeschluss zwingend in einer Versammlung der Gesellschafter zu fassen sei, also nicht im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden kann. Er urteilte dann jedoch, dass das Umwandlungsgesetz (UmwG) nicht zwingend verlange, dass die Anteilsinhaber bei der Versammlung physisch anwesend sind. Die Versammlung könne vielmehr auch in anderer Form, d.h. auch virtuell durchgeführt werden, wenn dies nach dem Gesetz oder der Satzung für den jeweiligen Rechtsträger zulässig ist und die Möglichkeiten der Anteilsinhaber zum Meinungsaustausch mit den Gesellschaftsorganen und untereinander einer physischen Versammlung vergleichbar sind und auch die Ausübung des Stimmrechts gewährleistet ist. Aufgrund der Entwicklung der modernen Kommunikationstechniken können nach Auffassung des BGH unter einer Zusammenkunft der Anteilsinhaber nach allgemeinem Sprachgebrauch auch Zusammenkünfte beispielsweise in Telefon- und Videokonferenzen gefasst werden, wenn eine Erörterung des Beschlussgegenstands gewährleistet sei. Auch die nach dem UmwG vorgeschriebene notarielle Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses erfordere keine physische Versammlung; vielmehr könne das Beurkundungserfordernis bei einer rein virtuellen Versammlung dadurch gewahrt werden, dass der Notar für die Beurkundung am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen ist, sich dort von dem ordnungsgemäßen Ablauf des Beschlussverfahrens überzeugt und sodann die Feststellung des Beschlussergebnisses durch das zuständige Gesellschaftsorgan beurkunde.

In der Literatur wird auch nach Inkrafttreten des DiREG vertreten, dass man gemäß der Entscheidung des BGH davon ausgehen könne, dass § 48 Abs. 1 S. 2 GmbHG grundsätzlich auch auf Verschmelzungsbeschlüsse Anwendung findet, wobei allerdings vor dem Hintergrund der Entscheidung des DiREG zu Satzungsänderungen („virtuelle Beurkundung“ nur bei Einstimmigkeit) teils vertreten wird, dass dies aber nur dann gelten könne, wenn der Verschmelzungsbeschluss einstimmig erfolgt. Laut der Regierungsbegründung zum DiREG (S.24) soll allerdings eine (vollständige oder teilweise) Online-Beurkundung satzungsändernder wie sonstiger Beschlüsse als Tatsachenprotokoll, auch unter Berücksichtigung des zitierten Beschlusses des Bundesgerichtshofs, nicht möglich sein.

 

Praxistipp

Um eine größtmöglich flexible Willensbildung im Rahmen der GmbH unter Nutzung der Digitalisierung zu ermöglichen, empfehlen wir – soweit noch nicht geschehen – bestehende Satzungsregelungen um Regelungen zu virtuellen Gesellschafterversammlungen zu erweitern. Bis zu einer gesetzlichen Klarstellung sollte u.E. jedoch bei der Beurkundung von Umwandlungsbeschlüssen auf eine virtuelle Beschlussfassung verzichtet werden und ggfls. mit Vollmachten gearbeitet werden, die bis auf bei einer Umwandlung zu Neugründung privatschriftlich erteilt werden können.

 

Stand: September 2022

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