Perspektiven
Unternehmenskultur: Nicht in Stein gemeisselt
Von Reto Savoia, CEO Deloitte Schweiz
Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte in der Schweiz sind sich bewusst: Unternehmenskultur ist wettbewerbsentscheidend. Diese erfreuliche Erkenntnis schlägt sich aber zu wenig in konkreten Massnahmen nieder – Kultur wird oft noch als statisch angesehen und auch bei Strategiewechseln kaum angepasst.
Der Ausspruch «culture eats strategy for breakfast» wird Management-Guru Peter Drucker zugeschrieben. Ich glaube, er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass eine neue Strategie zur existierenden Kultur passen oder ein Strategiewechsel zwingend auch mit einer Veränderung der Unternehmenskultur verbunden sein muss. Drucker sieht die Kultur als einen massgebenden Bestandteil eines Unternehmens, der besondere Beachtung verdient.
Auch viele der 360 von Deloitte und swissVR befragten Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte haben wohl von dem Bonmot Druckers gehört: Für fast zwei Drittel ist eine gute Unternehmenskultur ein bedeutender Wettbewerbsvorteil und Bestandteil des Unternehmenserfolgs. Über vier Fünftel haben innerhalb des letzten Jahres über die Kultur ihres Unternehmens diskutiert. Als die wichtigsten Mittel zur Einflussnahme auf die Unternehmenskultur werden das Vorleben der propagierten Werte und eine sorgfältige Auswahl der Geschäftsleitungsmitglieder genannt.
Erfreuliche Umfrageergebnisse
Diese Ergebnisse sind geradezu vorbildlich und haben mich sehr gefreut – man hört leider allzu oft nur von den wenigen Firmen, in denen eine ungesunde Kultur zu Auswüchsen geführt hat. Sich aktiv und regelmässig mit dem Thema Kultur auseinanderzusetzen, ist für einen Verwaltungsrat aber angesichts der wachsenden Zahl drängender Themen nicht immer einfach. Doch wenn die Unternehmenskultur zum dringlichen Thema einer VR-Sitzung wird, ist es oft schon zu spät.
Eine zielführende Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur innerhalb des Verwaltungsrats wird zusätzlich erschwert, wenn das Unternehmen diese als eine unveränderliche Konstante oder als vom Firmengründer in Stein gemeisselte Grundsätze betrachtet. Bei unserer Umfrage gab ein Drittel der Befragten an, die Kultur bei strategischen Neuausrichtungen nicht anzupassen. Dies ist erstaunlich, da die Kultur für den Erfolg essentiell ist und heutzutage systematisch beeinflusst und gemessen werden kann.
Nabelschau versus unabhängige Messung
Die Herausforderung für die Unternehmen beginnt oft bei der Erfassung der bestehenden Kultur: Die VR-Mitglieder verlassen sich gemäss der Umfrage zu einem grossen Teil auf Feedback von Mitarbeitenden und Management. Weniger als ein Fünftel der Unternehmen nimmt Compliance-Fälle oder sonstige Regelverstösse systematisch unter die Lupe – und nur jedes zwanzigste Unternehmen hat je einen externen Audit der eigenen Kultur durchgeführt. Die eigene Kultur kann aber nur basierend auf einer klaren und regelmässigen Erfassung ihrer verschiedenen Dimensionen zielgerichtet verändert werden.
VR-Mitglieder setzen sich laufend mit neuen Themen auseinander und müssen Strategien in immer kürzeren Abständen anpassen. Solche Richtungsänderungen bedürfen einer Überprüfung und Anpassung der Unternehmenskultur.
Unternehmenszweck nährt Kultur
Um die unternehmenseigene Kultur sinnvoll auf den Punkt zu bringen, kann ein klarer Unternehmenszweck – neudeutsch «Purpose» – helfen: In meinem Verständnis sollte der Unternehmenszweck anzeigen, wohin die Reise geht. Die Unternehmenskultur ist die Kombination von Taten und Werten, die es braucht, um zum Ziel zu gelangen. Die von der Führung vorgelebte und den Mitarbeitenden getragene Unternehmenskultur erfüllt den Unternehmenszweck mit Leben.
Um den wachsenden Ansprüchen von Investoren, Mitarbeitenden und Öffentlichkeit zu genügen, kann Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten die Ausarbeitung eines Unternehmenszwecks und die bewusste Steuerung der Unternehmenskultur wertvolle Dienste erweisen. Für mich hat unsere Studie bestätigt: Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte müssen Kultur weit oben auf die Agenda setzen, die Kultur regelmässig überprüfen und bei strategischen Änderungen zielgerichtet weiterentwickeln.
Lesen Sie unseren Report: Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil.
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