Perspektiven
Es braucht einen Klimawandel im Unternehmensreporting
Hitzesommer, Waldbrände, Schülerstreiks: Der Klimawandel ist in aller Munde. Er findet aber noch zu wenig Eingang in die Unternehmensberichterstattung, vor allem in der Schweiz. Das muss sich ändern.
Erstveröffentlichung in der Handelszeitung vom 8. Oktober 2019
Der Klimawandel wird unser Leben tiefgreifend verändern. Sogar, wenn wir es schaffen, ihn zu verlangsamen. In der Schweiz ist die Durchschnittstemperatur bereits um fast zwei Grad höher als zu Beginn der Aufzeichnungen vor gut 150 Jahren. Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Menschen hier in der Schweiz aus, sondern bringt für Schweizer Unternehmen auch Risiken und Chancen auf unterschiedlichsten Ebenen mit sich.
Dauerhafte Klimaeinflüsse, wie der langsam aber stetig steigende Meeresspiegel muss im Risikomanagement eines Unternehmens genauso berücksichtigt werden, wie akute Ereignisse – beispielweise über die Ufer tretende Flüsse oder grosse Felsstürze. Sie alle können die Geschäftstätigkeiten massiv beeinflussen: Lieferketten werden plötzlich unterbrochen, Produktionsflächen werden ertragsärmer, Kundenbedürfnisse ändern sich grundlegend oder Liegenschaften und Anlagen werden auf einmal unbrauchbar – man denke nur an Skilifte in tieferen Lagen, austrocknende Äcker, den nicht mehr schiffbaren Rhein oder Strohhalme aus Plastik.
Klimawandel bringt auch Chancen
Der Klimawandel eröffnet Unternehmen aber auch neue Geschäftsmöglichkeiten. Zum einen sind dies direkte Auswirkungen, wie neue Anbaugebiete für Nutzpflanzen oder erweiterte Möglichkeiten für den Sommertourismus, aber auch ein erhöhter Bedarf an Wasserspeichern, der Hitze angepasster Kleidung oder ein vermehrter Einsatz von Wärmeisolationen in Gebäuden. Zum anderen sind auch indirekte Chancen, die durch die Entwicklung und Anwendung klimaneutraler Technologien oder die Befriedigung der sich wandelnden Konsumentenbedürfnisse entstehen.
Ebenfalls zu berücksichtigen gilt es Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem politisch gelenkten Übergang zu einem CO2-neutralen Wirtschaft. Unternehmen können sich durch rasches Reagieren auf neue politische Anreize oder Antizipieren sich verändernder regulatorischer Rahmenbedingungen finanzielle oder operative Vorteilen verschaffen.
Internationale Bemühungen
Wie klimabedingte Risiken und Chancen sowie finanzielle Investitionen in die Unternehmens-berichterstattung einfliessen sollen, das beschäftigt weltweit verschiedene Gremien. Im Jahr 2015 wurde auf Ersuchen des Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board, FSB) in dem Behörden und Zentralbanken der wichtigsten Finanzplätze (auch der Schweiz) sowie relevante internationale Organisationen mitarbeiten, eine Task Force für klimarelevante Finanzangaben eingerichtet.
Die Task Force hat Empfehlungen für eine einheitliche Offenlegung klimarelevanter Angaben erarbeitet und dabei vier Kernbereiche umfassend definiert:
- Governance: Offenlegung der Grundsätze der Unternehmensführung in Bezug auf klimabedingte Risiken und Chancen.
- Strategie: Offenlegung der aktuellen und zukünftigen Auswirkungen klimabedingter Risiken und Chancen auf die Geschäfts-, Strategie- und Finanzplanung des Unternehmens.
- Risikomanagement: Angaben, wie ein Unternehmen klimabedingte Risiken identifiziert, bewertet und managt.
- Kennzahlen und Ziele: Offenlegung der Kennzahlen und Ziele, die zur Bewertung und Steuerung relevanter klimabezogener Risiken und Chancen verwendet werden.
Dadurch sollen Investoren und andere Adressaten der Jahresabschlüsse verstehen, wie Unternehmen klimabedingte Risiken und Chancen bewerten. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission im Juni 2019 neue Leitlinien für die Berichterstattung über klimabezogene Informationen veröffentlicht, die auf den Zielen der Task Force aufbauen. Die Leitlinien richten sich an grosse börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen in der EU mit mehr als 500 Mitarbeitern und müssen ab dem Geschäftsjahr 2019 verpflichtend angewendet werden.
Schweiz im Hintertreffen
In den Jahresabschlüssen von Schweizer Unternehmen werden unserer Meinung nach noch zu wenig klimarelevante Finanzinformationen offengelegt – es gibt einige Ausnahmen im Versicherungs- und Bankensektor. Es bedarf darum eindeutig mehr Klarheit über die potenziellen finanziellen Auswirkungen des Klimawandels auf einzelne Unternehmen. Wünschenswert wäre, dass die Unternehmen diese Notwendigkeit selbst einsehen und die Informationen freiwillig offenlegen. Um das zu erreichen, bedarf es der aktiven Beteiligung des oberen Managements. Zusätzlich müssen auch die Stakeholder die Relevanz und Nützlichkeit der bereitgestellten Informationen erkennen und nötigenfalls auch einfordern.
Die Wirtschaftsprüfer können durch ihre unabhängigen Prüfungen die Glaubwürdigkeit von offengelegten Informationen erhöhen. Einige klimarelevante Informationen, die Teil des Jahresabschlusses sind, werden ja bereits geprüft. So erfordern die internationalen Rechnungslegungsstandards unter anderem die Berücksichtigung von Eventualverbindlichkeiten und Wertminderungen von Vermögenswerten, die aus klimabezogenen Änderungen hervorgehen. Beispielsweise können Vermögenswerte beeinträchtigt werden, wenn staatliche Vorschriften wirtschaftliche Aktivitäten verhindern oder einschränken. Auch die Änderung von Verbraucherpräferenzen aufgrund klimabedingter Einstellungen kann zu Wertminderungen mit potenziellen Auswirkungen auf Cashflow-Prognosen, Kapitalkosten und Versicherungen führen.
Transparenz schaffen dringend nötig
Deloitte hat eine gemeinsame Initiative mit dem Institute of Chartered Accountants (ICAEW) ins Leben gerufen. Diese Initiative soll Unternehmen, Finanzexperten und Adressaten von Jahresabschlüssen dabei unterstützen, mehr über die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels zu erfahren. Ein Schwerpunkt dieser Initiative ist das Aufzeigen von Ideen zur Offenlegung von klimarelevanten Informationen in Jahresabschlüssen, sowie für die Umsetzung von Klimaeffekten in mess- und vergleichbare Grössen, die in einen Jahresabschluss einfliessen können.
Wirtschaftsprüfer und Unternehmen sind in der Schweiz gleichermassen gefordert, um Transparenz über die Risiken und Chancen des Klimawandels herzustellen. Ein rasches und koordiniertes Vorgehen basierend auf den internationalen Vorgaben wäre sehr zu begrüssen.