Interview mit Dr. Thomas A. Gutzwiller

Partner GWPartner AG, VRP St. Galler Kantonalbank

Bedeutung von Innovationen im Strategieprozess

swissVR Monitor: Welche Bedeutung hat das Thema Innovation im Strategieprozess?

Thomas Gutzwiller: Strategie und Innovation sind quasi siamesische Zwillinge. Ziel der Strategie ist es, die Wertschöpfung des Unternehmens durch Innovation zu verbessern. In der Unternehmensstrategie werden Überlegungen gemacht, welche neuen Geschäftsfelder man bearbeiten will. In der Geschäftsfeldstrategie wird entschieden, wie man sich gegenüber der Konkurrenz besser differenzieren kann. Und in der Konfigurationsstrategie wird der Wertstrom organisiert.

swissVR Monitor: Welche Dimensionen von Innovationen unterscheiden Sie?

Thomas Gutzwiller: Als erstes können Produkt- von Prozessinnovationen unterschieden werden. Als zweites kann man zwischen funktionalen und emotionalen Innovationen im Kundenerlebnis unterscheiden. Und als drittes geht es um die Frage, ob radikale Innovationen oder inkrementelle Innovationen angestrebt werden sollen. Gerade im Strategieprozess sollte eine Auseinandersetzung mit diesen drei Dimensionen erfolgen.

swissVR Monitor: Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen dem VR und der Geschäftsleitung beim Innovationsmanagement?

Thomas Gutzwiller: Das Innovationsmanagement ist Aufgabe der Geschäftsleitung. Der VR sollte im Rahmen der Strategieentwicklung das Thema Innovation in der Breite im Auge behalten, grundsätzliche Fragen aufgreifen und «schwarze Löcher» in der ihm unterbreiteten Strategie identifizieren, bei denen man ansetzen müsste.

swissVR Monitor: Kennen Sie Beispiele, in welchen zentrale Innovationen durch einzelne Verwaltungsratsmitglieder angestossen wurden?

Thomas Gutzwiller: Vor allem in grossen Unternehmen ist es nicht primäres Ziel des VR, einzelne Innovationen anzustossen. Für das Innovationsmanagement und konkrete Projekte ist die GL zuständig. Der VR sollte grundsätzliche Fragen strategisch angehen. Ein VR soll die ihm unterbreiteten Vorlagen gründlich lesen, smarte Fragen stellen, in die man durchaus auch eigene Ideen für Innovationen verpacken kann, und der Geschäftsleitung positives Feedback geben, wenn etwas gut herausgekommen ist. Natürlich können in Interaktion mit der Geschäftsleitung durch einzelne VR-Mitglieder auch Erfahrungen oder innovative Ideen eingebracht werden. Dies ist vor allem bei KMU wichtig, wo der VR die GL enger begleiten und unterstützen kann.

swissVR Monitor: Wie kann der Verwaltungsrat Innovationen aktiv vorantreiben?

Thomas Gutzwiller: Der VR kann im Strategieprozess Lücken identifizieren, so beispielsweise Innovationsschwächen oder eine innovationshemmende Unternehmenskultur. Im Rahmen der Unternehmensentwicklung sollen solche Gaps angegangen werden. Dabei soll sich der VR auf grundsätzliche Aspekte (Prozess, Kultur etc.) fokussieren und darauf achten, dass Fähigkeiten aufgebaut und eine Fehlerkultur gefördert werden.

swissVR Monitor: Muss der Verwaltungsrat manchmal bei Innovationsvorhaben auch als «Bremser» wirken?

Thomas Gutzwiller: Der VR muss schauen, dass die Strategie umgesetzt wird, dass inkrementelle Innovationen stattfinden und dass die Unternehmung einen guten Innovationsrhythmus hat. Bei konkreten Innovationsvorhaben muss er nicht bremsen, sondern eine andere Perspektive und insbesondere auch Risikoüberlegungen einbringen. Beispielsweise gibt es den Grundsatz «If your core is broken, you need to fix the core». Wenn dann die Geschäftsleitung vorschlägt, das Problem im Kerngeschäft durch Diversifikation in neue Geschäftsfelder zu lösen, kann das riskant werden und der VR muss sich Gedanken machen, ob das Unternehmen im Interesse der Aktionäre eher verkauft werden sollte («if your core is broken and you can’t fix it, sell it»).

swissVR Monitor: Wie fördert der Verwaltungsrat eine gute Innovationskultur im Unternehmen?

Thomas Gutzwiller: Die Innovationskultur ist Ausfluss einer guten Unternehmenskultur. Dazu gehört aus Sicht des VR ein wertschätzender und transparenter gegenseitiger Umgang (nicht nur bei Erfolgen, sondern auch bei Misserfolgen). Wichtig ist das Selbstverständnis, dass sich das Unternehmen ständig erneuern muss und dass man Wertschöpfung zurückbehalten soll, um Investitionen in Innovationen zu ermöglichen.

swissVR Monitor: Welches sind die grössten Herausforderungen und Hemmnisse bei Innovationen, denen sich ein Verwaltungsrat bewusst sein sollte?

Thomas Gutzwiller: Grösstes Hemmnis sind fehlende finanzielle Mittel für Innovationen. Innovation kann man sich nur leisten, wenn man genügend zurückgehaltene Wertschöpfung hat. Wenn Unternehmen Probleme im Kerngeschäft haben und in den «Sparmodus» schalten, wird es gefährlich.

swissVR Monitor: Wie sehen Sie die besonderen Herausforderungen von Innovationen bei der St. Galler Kantonalbank, bei der sie ja VR-Präsident sind.

Thomas Gutzwiller: Die Bankbranche ist stark reguliert, zudem müssen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung strikt getrennt sein. Trotzdem hat sich der VR mit Grundsatzfragen zur Strategie und zum Innovationsmanagement zu beschäftigen. Angesichts des speziellen Marktumfelds ist im Retail Banking das Potenzial für echte Produktinnovationen begrenzt. Spielraum für Innovationen gibt es eher bei Prozessen und an der Kundenschnittstelle, wobei emotionale Innovationen im Kundenerlebnis grosse Bedeutung haben.

swissVR Monitor: Wie sollte sich ein VR intern organisieren, um Innovationen im Unternehmen optimal zu unterstützen?

Thomas Gutzwiller: Gerade für grössere Unternehmen ist es aus meiner Erfahrung lohnend, wenn der VR einen Strategieausschuss einsetzt, der den Strategieprozess der Geschäftsleitung begleitet und sich somit inhärent auch mit dem Innovationsmanagement beschäftigt.

Prof. Dr. Thomas A. Gutzwiller

Partner GWPartner AG, VRP St. Galler Kantonalbank

Prof. Dr. Thomas A. Gutzwiller ist Partner bei gwpartner AG, eine Boutique, die auf transformationales Wachstum spezialisiert ist. Seit 2013 ist er Präsident des Verwaltungsrats der St. Galler Kantonalbank AG. Zudem ist er in weiteren Unternehmen VR-Präsident (u.a. Manres AG, ELCA Group SA, hkg Group AG) Er war Mitgründer und bis 2006 CEO der The Information Management Group (IMG). Seit 2006 ist er Direktor und später Delegierter der Executive School of Management, Technology and Law (ES-HSG) an der Universität St. Gallen.