Deloitte: Die Pandemie ist hoffentlich langsam vorbei, die neue Arbeitsweise bleibt jedoch. Wie sieht dieser neue Normalzustand bei Skyscanner aus und wo sehen Sie die Vorteile?
Laurence Tracol: Unsere Mitarbeitenden sind für etwa zwei Tage pro Woche ins Büro zurückgekehrt, wobei wir auf Flexibilität setzen. Das ist mir wirklich wichtig, für mein Team ebenso wie für mich. Flexible Arbeitszeiten haben mir immer geholfen, Beruf und Privates miteinander zu vereinbaren und ausreichend Zeit für mich, meine Familie und meine Karriere zu finden. Dieses Gleichgewicht strebe ich auch für mein Team an; es ist der Schlüssel zu einer gesunden und produktiven Finanzabteilung.
Die Zwei-Tage-pro-Woche-Lösung ergab sich aus der Art und Weise, wie wir bei Skyscanner arbeiten. Wir haben uns die Ergebnisse von Umfragen, Workshops und Fokusgruppen angeschaut und aus diesen eine Reihe von Grundsätzen abgeleitet. Zwischenmenschliche Beziehungen, Zusammenarbeit und persönliche Weiterentwicklung fliessen in unsere Grundsätze ein und wir legen Wert auf Flexibilität und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Wir haben auch unsere Büroräume umgestaltet, um diese hybride Arbeitsform besser unterzubringen. So haben wir etwa grössere Räume, in denen die Mitarbeitenden zusammenarbeiten und so die gemeinsame Zeit im Büro bestmöglich nutzen können.
Ich sehe hier grosse Vorteile: Erstens ist die Arbeitszeit jetzt auf persönliche Treffen und den Aufbau von Beziehungen ausgerichtet, was Innovationen und die Entscheidungsfindung begünstigt. Ich weiss, dass ich für viele Mitarbeitende spreche, wenn ich sage, dass es sich um eine sehr einfache Möglichkeit handelt, die Woche aufzuteilen. Bin ich im Büro, ist meine Arbeit sehr menschenbezogen, da ich in grösseren Gruppen arbeite. Arbeite ich zu Hause, wende ich mich normalerweise Arbeiten zu, die grosse Konzentration erfordern («Deep Work») oder führe Einzelgespräche.
Ich glaube, dass diese Flexibilität und die auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Arbeitsweise uns zu einem Unternehmen machen, dem sich alle zugehörig fühlen und in dem sich alle entfalten können. Sie ist zentral, wenn wir die besten Talente gewinnen wollen, denn wir möchten in unserem Unternehmen das breite und vielseitige Publikum der Reisenden abbilden, für die wir arbeiten.
Deloitte: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die neue Arbeitskultur auf die Zukunft des Finanzwesens auswirken?
Laurence Tracol: Bei Skyscanner konnten die Mitarbeitenden schon vor der Pandemie bei Bedarf von zu Hause aus arbeiten. Mit der Formalisierung der Telearbeit allerdings mussten wir unsere Finanzprozesse so einfach und zugänglich wie möglich gestalten, damit die Mitarbeitenden darauf zugreifen können, wo auch immer sie gerade arbeiten. Der Ausbau eines solchen «Selbstbedienungs-Ansatzes» bringt es mit sich, dass Finanzteams wie unseres sich besser darauf konzentrieren können, das Unternehmen zu unterstützen und ihm zu exzellenten Ergebnisse in unseren wichtigsten Märkten und den vertikalen Märkten zu verhelfen.
Wir haben den Rhythmus unserer Updates zu den Finanzergebnissen, die wir dem gesamten Unternehmen über Zoom oder persönlich präsentieren, erhöht und achten darauf, finanzielle Meilensteine und Erfolge gebührend zu feiern, jetzt, wo die Reisebranche sich von der Pandemie erholt und wieder aufzublühen beginnt. Ich finde es wichtig, dass nicht nur das Finanzteam, sondern alle Mitarbeitenden im Unternehmen unsere finanzielle Entwicklung verstehen und erkennen, wie sie zu unserer Business-Performance und zur Weiterentwicklung eines langlebigen, boomenden Reisetechnologie-Unternehmens beitragen können.
Vor diesem Hintergrund hat die Finanzabteilung in der neuen Arbeitskultur ganz viele Chancen, Kolleginnen und Kollegen zu stärken und zu unterstützen. Ich selbst wurde kürzlich Patin eines unternehmensweiten Projekts, das weibliche Mitarbeitende, die ihr Wissen über Investitions- und Finanzplanung erweitern möchten, beim Ausbau ihrer Finanzkompetenzen unterstützt. Neben formalen und informellen Mentoring-Aktivitäten hatte ich auch die Gelegenheit, intern über meine Erfahrungen als Frau in einer oft männerdominierten Branche zu sprechen und aufzuzeigen, wie ich damit und mit dem so genannten «Hochstapler-Syndrom» umging und es mir gelungen ist, meinen Wert zu erkennen und die Karriereleiter zu erklimmen.
So konnte ich nicht nur mit den Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld Kontakte knüpfen, sondern auch zu Kolleginnen und Kollegen in Singapur, Edinburgh und an anderen Standorten. Ich glaube, dass die Veränderung der Arbeitskultur, die wir gerade in vielen Ländern beobachten, in vielerlei Hinsicht demokratisierend ist. Das Finanzwesen muss künftig transparenter und weniger auf den Unternehmenshauptsitz ausgerichtet sein. Höhere Flexibilität bedeutet, dass Angestellte mit Betreuungspflichten ihre Arbeit um die Schulzeiten ihrer Kinder herum organisieren können. Ich selbst profitiere ja auch von der Flexibilität, meine sportlichen Aktivitäten in meinen Arbeitstag einbauen zu können. Ich hoffe, wir werden dank einiger dieser oder anderweitiger Veränderungen bald eine grössere Diversität in der Branche sehen.
Deloitte: Wie nutzen Sie als Technologieunternehmen das Fachwissen und die Technologien von Skyscanner in der Finanzabteilung und was bringt Ihnen das?
Laurence Tracol: Ich habe einen grossen Teil meiner beruflichen Laufbahn in der Tech-Branche verbracht und das Finanzwesen in einem Technologieunternehmen hat einige besondere Merkmale. Natürlich sind Daten und Analysen in allen Unternehmen unabdingbar für die Finanzplanung und -modellierung. Sie zeigen, wie das Unternehmen performt und stellen sicher, dass wir eine starke, auf langfristiges Wachstum ausgerichtete Unternehmensstrategie, aufbauen. Aber Daten können in einem Technologieunternehmen noch mehr leisten. Zum Beispiel liegt in der Reisebranche eine Zeit grosser Unsicherheit hinter uns: Besonders zu Beginn der Pandemie stand die Reisetätigkeit komplett still. Mit unseren Daten konnten wir aber die künftigen Reiseabsichten erkennen und verstehen, indem wir beobachteten, welche Destinationen sich die Reisenden ansahen und wann sich das in den Buchungen niederschlug. Diese soliden Daten lieferten wichtige Informationen, die es uns wiederum erlaubten, auf die komplexen Herausforderungen der Branche zu reagieren. Damit waren wir auch nicht auf Vorhersagen von Drittparteien oder auf Marktanalysen angewiesen, denn wir konnten aus unseren eigenen Daten die Reiseabsichten in Echtzeit ableiten. Hilfreich ist auch, dass bei Skyscanner, anders als in anderen Unternehmen, der Bereich Daten und Analyse in der Finanzabteilung angesiedelt ist und uns tatkräftig unterstützen kann, wenn es gilt, exzellente Leistungen für das Unternehmen zu erzielen. Wir haben das Finanzteam bei Skyscanner so aufgebaut, dass wir verschiedene Unternehmensbereiche überwachen können und unsere Daten und Erkenntnisse für die ständige Verbesserung, Gestaltung und Optimierung unserer Unternehmensentscheide und -pläne nutzen können. Wir arbeiten ausserdem an einem Grossprojekt zur Umgestaltung unseres Unternehmenssystems und unserer Unternehmensprozesse. Ziel sind noch schlankere, leistungsstärkere Systeme und Prozesse, die von allen unseren weltweiten Standorten aus zugänglich sind. Das bietet uns in Zukunft noch mehr Chancen zur Umgestaltung der Arbeitsweise und Datenerhebung.
Deloitte: Resilienz, Aufschwung, Erholung sind für die Reisebranche zurzeit zentral. Welche Rolle spielt die Finanzabteilung hierbei?
Laurence Tracol: Es führt kein Weg daran vorbei. Die Pandemie hat die Reisebranche hart getroffen, das Gute ist, dass die Branche resilient ist. Ich selbst liebe das Reisen und ich habe einen grossen Teil meines Lebens damit verbracht, die Welt zu entdecken. Ich bin gebürtige Französin, doch meine Kinder wurden in Kalifornien geboren, wo ich mehr als zehn Jahre lebte. Und jetzt leben wir wieder in Europa. Ich bin sehr glücklich darüber, in einer Branche zu arbeiten, die mir so viel bedeutet. Umso mehr, da wir jetzt wieder in der Welt herumreisen können. Wir haben das Glück, dass Skyscanner in der Welt des Reisens schon vor der Covid-19-Krise zu den führenden Unternehmen gehörte und wir bei Ausbruch der Pandemie somit schon gut positioniert waren. Uns war klar, dass wir in einer einzigartigen Position waren, um die Reisetätigkeit wieder anzukurbeln, und wir waren überzeugt, dass wir uns langfristig wieder von der Krise erholen würden. Trotzdem mussten wir einige Hürden überwinden und strategische Entscheidungen fällen. Das Finanzteam spielte dabei eine wichtige Rolle und tut das auch jetzt noch. Wir haben Führungskräfte, die mit allen Aspekten des Geschäfts vertraut sind, und wir nutzen die Analyse unserer Daten, um Chancen zu erkennen, uns Ziele zu setzen und dem Unternehmen zu intelligenten, datengesteuerten Entscheidungen zu verhelfen.
Laurence Tracol
Chief Financial Officer von Skyscanner
Laurence Tracol ist Chief Financial Officer bei der Reise-Website und -App Skyscanner.
Sie ist in Frankreich aufgewachsen und hat dort auch ihre Abschlüsse in Buchhaltung und Finanzen, unter anderem einen MBA der Ecole des hautes études commerciales (HEC) in Paris, erlangt.
Laurence leitet die globale Finanzabteilung von Skyscanner und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Bereichen E-Commerce und Tech in Europa und im Silicon Valley. Zuletzt war sie bei eBay tätig. Sie will Skyscanner für starkes Wachstum positionieren und die Geschäftsentwicklung im grossen Massstab vorantreiben. Die leidenschaftliche Weltenbummlerin fördert ihre Teams, damit sie Bestleistungen erzielen können, legt die strategische Vision fest und stellt das Hintergrundwissen für die Geschäftszahlen bereit.