Perspektiven

IFRS 17 – unterwegs auf einer im Bau befindlichen Autobahn

Die Versicherungsbranche arbeitet mit Hochdruck an der Umsetzung von IFRS 17. Fast drei Jahre nach der Einführung des neuen Berichterstattungsstandards ist der Weg immer noch weit. Dies überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass IFRS 17 mit einer fundamentalen Überarbeitung der externen und internen Berichterstattung in der Branche einhergeht. Diesmal besteht nicht wie in der Vergangenheit die Möglichkeit, ein paralleles Berichtssystem zu schaffen (Solvency II) oder einen zusätzlichen Schritt in den bestehenden Prozess miteinzubinden (einen Risikotransfertest).

Diejenigen, die in die Implementierung von IFRS 17 eingebunden sind, bestätigen, dass die Herausforderung grösser ist als bei "normalen" Projekten – und das nicht nur, weil dies die einhellige Meinung der Berater ist.

Die neue Autobahn …

Selbst erfahrene Versicherer müssen schwierige Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, bei der Umsetzung von IFRS 17 voranzukommen. Eine Autobahn, an der noch eine Weile gebaut werden wird.

… und was Sie bei Ihrer Fahrt beachten sollten

Die folgenden Beobachtungen dienen als Orientierungshilfe dafür, was Sie bei Ihrer IFRS 17-Reise beachten und welche Fragen Sie sich auf dieser noch unfertigen Strasse stellen sollten.

Die neuen Regeln erlernen: Nehmen Sie sich Zeit, um IFRS 17 zu verstehen.

Der Wissensstand und vor allem auch die professionelle Interpretation variieren erheblich zwischen der oberen Führungsebene, dem Projektmanagement, Versicherungsmathematikern, Wirtschaftsprüfern, System- und Prozessspezialisten, dem internen Performancemanagement und dem Anlegermanagement. Die Zeit und Kontinuität, die erforderlich sind, um das notwendige Wissen zu vermitteln, werden oft unterschätzt. Während es einigen reicht, sich das Wissen selbst anzueignen, sind für andere Schulungen nötig. Wer sich nicht die Zeit nimmt, die IFRS 17-Regeln allen Betroffenen verständlich zu erklären, riskiert, dass auf verschiedenen Unternehmensebenen durch Missverständnisse und Fehlinterpretationen falsche Entscheidungen getroffen werden.

Fragen, die Sie sich stellen sollten: 

  • Haben Ihre Mitarbeitenden ausreichend Zeit investiert, um die Anforderungen zu verstehen? 
  • Sind sie bereit, fundierte Entscheidungen zu treffen? 
  • Wie schneiden Sie die Schulungen auf die einzelnen Anspruchsgruppen zu?
  • Planen Sie Schulungen, um mit den sich verändernden Regeln Schritt zu halten?  

Auf Anzeichen achten: Erkennen Sie, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, und teilen Sie es anderen mit.

Je weiter Sie sich vorarbeiten, auf desto mehr Unbekannte werden Sie stossen. Sollten Sie links oder rechts abbiegen, oder doch geradeaus weiterfahren? Während sich Entscheidungen manchmal auf den Kern eines detaillierten Konzepts beziehen, spielt in anderen Fällen auch die grundlegende Richtung, wie die Klassifizierung Ihrer Produkte, eine zentrale Rolle. Die Anzahl an Entscheidungen, die getroffen werden müssen, kann erdrückend sein, ebenso wie das Ausmass der daraus resultierenden internen Kommunikation, die bewältigt werden muss.

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  • Achten Sie auf die nächsten Entscheidungspunkte?
  • Laufen Sie Gefahr, entscheidungsmüde zu werden?
  • Wissen Sie, welche Ihrer Mitarbeitenden von Ihren Entscheidungen betroffen sind?
  • Wie halten Sie sie im Fall einer Kehrtwende auf dem Laufenden?

Den richtigen Fahrer finden: Wählen Sie jemanden, der über die richtigen Qualifikationen und Erfahrung verfügt.

Es ist nicht leicht, die richtige(n) Person(en) für viele verschiedene mit IFRS 17 verbundene Entscheidungen zu finden. Das gilt insbesondere dann, wenn Folgen für verschiedene Bereiche, z.B. Zeichnungsrichtlinien, Rechnungslegungs- und Reservierungsmethoden sowie KPIs gleichzeitig beachtet werden müssen. Die verschiedenen Phasen des Projekts erfordern unterschiedliche Expertise und Persönlichkeiten.

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  • Welche Art von Entscheidungsträger braucht Ihr Projekt aktuell?
  • Wie verändert sich das benötigte Profil in den verschiedenen Phasen des Projekts?
  • Werden Entscheidungen jemals infrage gestellt oder neu bewertet?

Unnötige Verzögerungen vermeiden: Gehen Sie kalkulierte Risiken ein.

Es ist wichtig, ein gesundes Gleichgewicht zwischen dem Verständnis aller relevanten Auswirkungen und dem Vorantreiben des Projekts herzustellen. In jedem Projekt gibt es jemanden, der das Projekt vorantreibt, und jemanden, der es bremst – wobei alle ihre Gründe haben, um ihre Sicht schnellstmöglich durchzusetzen. Es könnte an Ihnen sein, zu entscheiden, ob Sie abwarten sollten, bis alle Unklarheiten beseitigt sind, oder ob Sie Ihren Weg fortsetzen und sich auf das verlassen, was Ihnen bisher bekannt ist. Bis das Konstrukt endgültig steht, ist es unmöglich, alle finanziellen und operativen Auswirkungen von IFRS 17 zu kennen. Während Sie Ihre Entscheidungen bezüglich des Systems oder der Methode treffen, können Sie entweder alle Möglichkeiten weiterhin gründlich analysieren oder erstmal einen Schlussstrich ziehen. Eine tiefgründige Analyse verzögert in der Regel zwar das Projekt, gleichzeitig könnte sie jedoch auch eine bessere Grundlage für Entscheidungen zur künftigen Entwicklung darstellen. Selbst bei fundierten Entscheidungen ist jedoch nicht gewährleistet, dass sie in Zukunft nicht doch geändert werden.

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  • Sind sich Ihre Entscheidungsträger der Auswirkungen und Beschränkungen ihrer Entscheidungen bewusst?
  • Wie vereinbaren Sie Ihre lang- und kurzfristigen Visionen?
  • Welche Faktoren ziehen Sie in Betracht?
  • Sind Sie zufrieden mit dem Grad an Ungewissheit, den Ihre methodischen Entscheidungen mit sich bringen?

Navigieren: Halten Sie sich an Ihre Strategie und passen Sie sie gegebenenfalls an.

Für diese Reise gibt es kein Navigationssystem. Aus diesem Grund müssen Sie mit Ihren alten System- und Prozessplänen starten (oder sie etablieren), und dann nach und nach neue ausarbeiten. Versicherungsunternehmen haben eine bunte Mischung aus grossen und multidimensionalen Frontsystemen, Nebenbuchhaltungen sowie Systemen für die finanzielle und aufsichtsrechtliche Berichterstattung hervorgebracht, die höchstwahrscheinlich nie vollständig aufeinander abgestimmt waren. Um den richtigen Weg einzuschlagen, ist es wichtig, sowohl das alte als auch das neue Umfeld zu verstehen. Scheinbar kleine Elemente Ihres System- oder Prozessplans, die nie zuvor miteinander verbunden waren, könnten genau das jetzt erfordern. Auf die Details kommt es an.

Fragen, die Sie sich stellen sollten: 

  • Haben Sie Ihre aktuelle Position und Ihr Ziel für umfassende Prozesse und einen umfassenden Datenfluss im Blick? 
  • Ist dieser Überblick detailliert genug, damit Sie die wichtigsten Abhängigkeiten und Optionen bestimmen können?
  • Welche Systeme müssen gewartet werden – und welche werden Sie irgendwann nicht mehr benötigen?
  • Wer in Ihrem Unternehmen verfügt über einen Gesamtüberblick?

Atempausen verschaffen: Geben Sie Ihrem Team Raum für Erholung.

Das Projekt kommt einer langen Fahrt gleich, und niemand möchte am Steuer einschlafen. Die sachkundigsten und erfahrensten Mitarbeitenden sind am meisten gefordert und der Bedarf nach ihrem Wissen und ihrer Zeit steigt rapide an. Dennoch ist es wichtig, dass Sie es ihnen ermöglichen, Aufgaben (vorzugsweise an qualifizierte Kollegen) abzugeben und etwas Ruhe zu bekommen. Eine Fahrt ohne Pausen kann gefährlich werden.

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  • Ermöglichen Sie regelmässigen Urlaub, vor allem für wichtige Mitarbeitende?
  • Wer läuft Gefahr, ein Burn-out zu erleiden?
  • Geben Sie wichtigen Mitarbeitenden die Möglichkeit, Aufgaben zu delegieren und ihre Arbeitslast zu verringern?
  • Stellen Sie sicher, dass Wissen in Ihrem Team weitergegeben wird?

Halten Sie Ihre Reise fest: Struktur und Dokumentation.

Es ist Teil dieser Reise, eine gewisse Zeit für die Dokumentation der getroffenen Entscheidungen aufzubringen. Die Implementierung von IFRS 17 wird einige Zeit dauern. Einige werden noch in vielen Jahren damit beschäftigt sein. Die Dokumentation hilft Ihnen, sicherzustellen, dass Sie nicht vom Weg abkommen und Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  • Werden Sie sich in zwei Jahren noch an alle Diskussionen und Entscheidungen erinnern?
  • Wird ein einigermassen informierter Experte in der Lage sein, Ihre Entwicklung nachzuverfolgen?
  • Wird Ihre Arbeit einer Prüfung standhalten?

Das Reiseziel

Die Form, die die Versicherungsbranche nach der Implementierung von IFRS 17 annehmen wird, scheint bereits festzustehen. Dennoch wird es unterschiedlich lange dauern und unterschiedlich viel Anstrengung erfordern, bis alle Akteure dieses Ziel erreicht haben. Darüber hinaus wird auch die Art und Weise, wie Sie die oben angesprochenen Herausforderungen angehen, dazu beitragen, wie lange dieser Prozess dauert. Stellen Sie also sich selbst und andere infrage, nehmen Sie sich in Acht und haben Sie eine sichere Fahrt!

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