Perspektiven

Die Schweiz braucht mehr Unternehmergeist

Die Vermittlung von unternehmerischem und ökonomischem Denken sollte Bestandteil der Schulausbildung sein

Start-ups haben in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit und Sympathie auf sich gezogen, vor allem vonseiten der Politik. Das ist erfreulich, denn als Innovationstreiber leisten Start-ups einen wichtigen Beitrag zum Wachstum und Wohlstand eines Landes. Vor allem Innovationen im Bereich digitaler Technologien entstehen oftmals nicht in Forschungsabteilungen grosser Unternehmen, sondern vielmehr in kleinen Teams mit vergleichsweise geringen Ressourcen. Fast alle grossen digitalen Unternehmen wie Google, Facebook, Airbnb oder Uber sind aus mit Risikokapital finanzierten Start-ups entstanden. Diese sind eine wichtige Voraussetzung für die digitale Innovationsfähigkeit eines Landes, wie unsere Studie "Digitale Innovationsfähigkeit der Schweiz" zeigt.

Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine leicht unterdurchschnittliche Start-up-Aktivität auf. Der Anteil der Personen in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die bei der Gründung eines Unternehmens aktiv beteiligt sind, lag gemäss dem Global Entreprise Monitor 2017 bei 8,5 Prozent, rund zwei Prozentpunkte unter dem OECD-Schnitt. Immerhin ist der Wert für die Schweiz in den letzten fünf Jahren gestiegen: 2012 lag er noch bei 5,9 Prozent.

Verbesserte Rahmenbedingungen

Verschiedene Vorstösse aus dem Parlament, ein aktives Vorgehen von Volkswirtschaftsminister Schneider-Ammann und Initiativen aus der Wirtschaft haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Start-ups ergriffen wurden. Es wurden Fehlanreize im Steuersystem korrigiert, administrative Aufwände von Behördengänge durch die Einführung digitaler Plattformen reduziert und verschiedene privat-finanzierte Fonds zur Finanzierung von Start-ups ins Leben gerufen.

Wie verschiedene empirische Studien aufzeigen, haben diese Standortfaktoren einen entscheidenden Einfluss auf die Gründungsaktivität in einem Land. Die Schweiz tut also gut daran, den Jungunternehmern – sowie den Unternehmen im Allgemeinen – ein möglichst attraktives institutionelles, steuerliches und regulatorisches Umfeld zu bieten und diese Standortfaktoren weiter zu verbessern.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Dass die Schweiz trotz erhöhter Gründungsaktivität im internationalen Ranking nach wie vor unterdurchschnittlich abschneidet, dürfte nicht zuletzt auf die persönlichen Einstellungen der Bevölkerung gegenüber einer Unternehmensgründung zurückzuführen sein. Dazu gehört etwa die Attraktivität des Unternehmertums als Karriereoption, die wahrgenommenen Erfolgschancen einer Unternehmensgründung oder das Vertrauen in die eigenen unternehmerischen Fähigkeiten. Bei all diesen Indikatoren schneidet die Bevölkerung der Schweiz im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich ab.

Die Schweiz tut gut daran, den Jungunternehmern – sowie den Unternehmen im Allgemeinen – ein möglichst attraktives institutionelles, steuerliches und regulatorisches Umfeld zu bieten und diese Standortfaktoren weiter zu verbessern.

Vernachlässigung kultureller Faktoren

Solche kulturellen Faktoren werden in der politischen Diskussion noch viel zu wenig beachtet, haben aber einen entscheidenden Einfluss auf die Gründungsaktivität und die Zahl der Start-ups in einem Land. Eine aktuelle Untersuchung auf EU-Ebene zeigt, dass eine positive Einstellung der Bevölkerung gegenüber dem Jungunternehmertum einen ebensolchen Einfluss auf die Gründungsaktivität hat.

Die unterdurchschnittliche Start-up-Affinität der Schweizer Bevölkerung kann zum einen auf einen grossen Vorteil unseres Landes zurückgeführt werden. Eine tiefe Arbeitslosigkeit und hohe Löhne führen dazu, dass der mit einer Gründung eines eigenen Unternehmens entgangene Ertrag, den man aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit hätte erzielen können, hierzulande relativ hoch ist. Anders gesagt: Schweizer haben viele gute Alternativen zur Unternehmensgründung, weshalb diese nicht als attraktive Karriereoption betrachtet wird. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von hohen Opportunitätskosten.

Schweizer haben viele gute Alternativen zur Unternehmensgründung, weshalb diese nicht als attraktive Karriereoption betrachtet wird.

Jugend fürs Gründen begeistern

Zum anderen müssen auch die geringe Sensibilität der Bevölkerung gegenüber dem Jungunternehmertum sowie fehlende Kenntnisse von dessen Funktionsweise als Gründe angeführt werden. Jugendliche werden in der Grundausbildung kaum für Unternehmertum begeistert. Die Gründung und Leitung eines Unternehmens sowie praxisnahe Wirtschaftsthemen werden erst auf universitärer Stufe thematisiert.

Zur Stärkung des Jungunternehmertums braucht es deshalb neben Massnahmen zur Verbesserung der regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen auch eine verstärkte Sensibilisierung rund um Wirtschaftsthemen und Unternehmertum im Schweizer Bildungssystem – und zwar bereits in der obligatorischen Schulzeit und am Gymnasium. Die Vermittlung von unternehmerischem und ökonomischem Denken verknüpft mit betriebswirtschaftlichen und digitalen Grundkenntnissen sollte Bestandteil der Schulausbildung sein. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft könnten vermehrt praktische Unternehmenserfahrungen in die Schulen einfliessen – etwa in Form von Projektwochen oder Praktika.

Die Vermittlung von unternehmerischem und ökonomischem Denken verknüpft mit betriebswirtschaftlichen und digitalen Grundkenntnissen sollte Bestandteil der Schulausbildung sein.

Es muss gewiss nicht jeder Schüler ein Unternehmer werden, aber eine verstärkte Auseinandersetzung mit Unternehmertum in den Schulen täte dem Unternehmergeist und somit letztlich der digitalen Innovationskraft der Schweiz gut.

Dieser Text erschien am 22. August 2018 als Meinungsartikel in der NZZ

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