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Mit Innovation die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz stärken

Mehr wagen, mehr gewinnen!

Antonio Russo, Leiter Innovation und Partner, spricht über Innovation als Mittel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz

Warum ist Innovation so wichtig, um die Schweiz voranzubringen?
Die Schweiz ist eine Volkswirtschaft mit hohen Kosten und hoher Produktivität. Wir können es uns nicht erlauben, einfach nur andere zu kopieren, um unsere Position zu halten, wir müssen auch selbst den Fortschritt vorantreiben. Das gilt für den technologischen Fortschritt, aber Innovation ist mehr als das, sie schafft neue kommerziell nutzbare Produkte und Dienstleistungen. Grosse Unternehmen müssen innovieren, neue Geschäfte müssen gegründet werden und wachsen. Wenn es jemals ein Jahr gegeben hat, das die Bedeutung von Innovation vor Augen geführt hat, dann dieses. Die Unternehmen mussten sich auf die Pandemie einstellen, und zwar schnell.
Welche Schlüsselthemen im Bereich Innovation konnten Sie in diesem Jahr beobachten? Welche Rolle haben diese im Kampf gegen die Pandemie und den damit einhergehenden Wirtschaftsabschwung gespielt?
Wir haben eine beschleunigte Digitalisierung, die Einführung digitaler Kanäle, manchmal auch zwangsweise, und neuer Methoden der Zusammenarbeit, mehr Datenzentriertheit und neue Interaktionsformen mit Bürgern und Nutzern erlebt. Viele Unternehmen mussten sehr rasch digitalisieren, bargeldlose Zahlungssysteme, Online-Shopping und -Lieferung, Online-Banking, Online-Kundenberatung, Online-Meeting, Online-Recruiting und so weiter. Wir haben hier einen grossen Sprung nach vorne gemacht: Eine gewaltige Herausforderung für die beteiligten Unternehmen, aber in vielen Fällen ein grosser Erfolg! Auch sind Ökosysteme noch stärker in den Vordergrund gerückt. Ein Ökosystem kann u. a. bedeuten, dass sich jedes Unternehmen auf einen Teil der Wertschöpfungskette spezialisiert, anstatt zu versuchen, über die gesamte Kette hinweg wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Ökosystem könnte auch bedeuten, dass externe Dienstleistungen zusätzlich zu den Kerndienstleistungen angeboten werden. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit mit einem Ökosystem ist die Zusammenarbeit mit Start-ups, indem man ihre Innovationsfähigkeit nutzt, ohne sie zu behindern. Die Arbeit in einem Ökosystem kann es Unternehmen ebenfalls ermöglichen, auf transformative Innovationen und völlig neue Produkte oder Dienstleistungen hinzuarbeiten. In der Krise haben sich derartige Kooperationsmodelle aus der Not heraus sehr schnell etabliert. Man denke nur an ein Restaurant, das mit einem Lieferservice kooperiert, um das Geschäft vor Ort zu ersetzen. Dies zeigt, wie Ökosysteme die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen, die diese nutzen, erhöhen können, und Widerstandsfähigkeit ist in diesem Jahr wichtiger denn je.
Und wie steht die Schweiz insgesamt im Vergleich zu anderen Ländern in Bezug auf Innovation da?
Als wir vor zwei Jahren unser Ranking zur digitalen Innovationsfähigkeit veröffentlichten, war unser Befund zur Schweiz «gut, aber nicht gut genug». Insgesamt auf Rang acht, mit klaren Stärken, zum Beispiel im Talentbereich, aber auch klaren Schwächen, meist im Zusammenhang mit der Gründung neuer Unternehmen. Erfreulich ist es, dass die Schweiz sich anscheinend in die richtige Richtung bewegt. Das gilt beispielsweise für die Bereitstellung von Risikokapital, eine ganz klare Schwäche vor zwei Jahren, insbesondere im Bereich der «Late-Stage»-Investitionen und der Finanzierung von IT-Start-ups. Gemäss dem Swiss Venture Capital Report 2020 verdoppelten sich zwischen 2018 und 2019 die «Late-Stage»-Investitionen auf 1,7 Milliarden Franken. Die Investitionen in die Schweizer Informations- und Kommunikationstechnologie haben sich zwischen 2017 und 2019 fast vervierfacht und erreichten 1,2 Milliarden Franken. Insgesamt brach 2019 alle Rekorde mit einem Gesamtkapital von 2,3 Mrd. Franken, das in Schweizer Start-ups investiert wurde - ein steiler Anstieg im Vergleich zu den 1,2 Mrd. Franken des Jahres 2018. Dies ist auf mehrere grosse Investitionsrunden und Wachstum in allen Sektoren und Phasen zurückzuführen. Es gibt heute ein viel stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung von Risikokapital als früher. Doch das gilt nicht nur für Risikokapital, sondern auch für die Schaffung guter Bedingungen für Start-ups und für Innovationstätigkeit im Allgemeinen. In diesem Bereich gibt es Initiativen, um Abhilfe zu schaffen, aber andere Bereiche sind weiterhin unterentwickelt. Ein Beispiel wäre der Unternehmergeist und die Förderung von Unternehmertum im Bildungssystem, beginnend in den Schulen. Hier schneidet die Schweiz gemäss dem Global Entrepreneurship Monitor im Vergleich zu anderen Ländern noch immer nicht gut genug ab. So rangiert die Schweiz beispielsweise von 50 Ländern an 39. Stelle, wenn Bürger dazu befragt werden, ob sie glauben, über die notwendigen Fähigkeiten für die Unternehmensgründung zu verfügen, an 41. Stelle bei Chancen zur Unternehmensgründung, die sie erkennen, und an 49. Stelle für mögliche Unternehmensgründungen, die aus Angst zu scheitern nicht stattfinden. Die hochproduktive Wirtschaft der Schweiz mit attraktiven Löhnen schreckt möglicherweise davon ab, Risiken einzugehen. In jedem Fall brauchen Verbesserungen in diesem Bereich Zeit, um Wirkung zu zeigen. Und das hängt mit einem weiteren Grund zusammen, warum Innovation so schwer zu realisieren sein kann: Der Kultur.
Gilt das auch für die Unternehmenskultur, die Unternehmen fit für Innovationen macht?
Tatsächlich ist eine innovationsfähige Unternehmenskultur einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Dabei ist entscheidend, dass die Unternehmensleitung hinter dieser steht und sie fördert. Agilität, Lernen aus Misserfolgen und auf Innovation ausgerichtete Belohnungssysteme sind wichtige Elemente. Angestellte, die bereit sind, ständig zu lernen, müssen gefördert und unterstützt werden. Unternehmen müssen sich auf exponentielles Wachstum einstellen; es kann aber auch in kürzester Zeit zu disruptivem Wandel kommen. Expansion ist in einem globalen Markt, in dem es kaum mehr geografische Hindernisse für datengesteuerte Innovation gibt und in dem daher der Wettbewerb überall stattfinden kann - sowohl im Ausland als auch in verschiedenen Geschäftsbereichen - von enormer Bedeutung. Auch dies wurde bei der Pandemie wieder deutlich: Viele Unternehmen reagierten schneller darauf, als sie es zuvor für möglich gehalten hätten. Diese Erfahrung, die Erfahrung, eine solche Zerreissprobe gemeinsam erfolgreich gemeistert zu haben, kann nun genutzt werden, um Innovationen weiter voranzutreiben. Also, weitere Innovation zur fortgesetzten Bewältigung der Pandemie und der wirtschaftlichen Zäsur, die noch lange nicht vorbei zu sein scheinen. Innovation, um sich weiterzuentwickeln.
Ist die Grösse des Schweizer Binnenmarktes ein weiteres Hindernis für Innovationen made in Switzerland?
Ja und nein. Ein grösserer Inlandsmarkt bietet mehr Möglichkeiten für schnelles Wachstum ohne internationale Expansion, d.h. ohne sich an andere Vorschriften oder an einen anderen Kundengeschmack anzupassen. Das ist eine weitere Schwachstelle, die wir in unserem Ranking identifiziert haben und die natürlich schwer direkt zu beheben ist. Mit einer engen internationalen Zusammenarbeit und Integration kann sie jedoch bis zu einem gewissen Grad behoben werden. Genau deswegen ist die Anbindung an grössere Märkte für die Schweiz so wichtig. So kann der begrenzte Heimmarkt ein Anreiz für Schweizer Unternehmen bilden, über die Schweiz hinaus zu wachsen. Viele tun es auch, aber sicher könnten es noch viele mehr tun. Andere kleinere Volkswirtschaften wurden beispielsweise im Gesamtranking der digitalen Innovationskapazität höher eingestuft als die Schweiz. Während die USA die Nummer eins waren, folgten dieser ab 2018 mit Finnland, Israel und Südkorea drei kleinere Volkswirtschaften in unserem Gesamtranking.
In der Schweiz sind einige der weltweit grössten Unternehmen ansässig. Gilt das auch für die nächste Generation, für neue Unternehmen?
Es hängt davon ab, wie ehrgeizig wir sein wollen. Auch hier schneidet die Schweiz recht gut ab, aber vielleicht immer noch nicht gut genug. Betrachtet man die Anzahl und Grösse der so genannten Einhörner, Unicorns, weltweit, also der Start-ups im Wert von 1 Milliarde USD und mehr, so dominieren hier die USA und China. Eine Rangliste von CB Insights verzeichnete im Juli weltweit 479 Einhörner; 228 davon sind amerikanisch und 125 chinesisch. Für ein kleines Land schneidet die Schweiz mit immerhin 4 Einhörnern nicht schlecht ab, aber die erdrückende Dominanz der USA und Chinas ist schwer zu ignorieren. Das gilt nicht nur für die Anzahl, sondern auch für die Grösse der Einhörner: Die Schweizer Einhörner werden in der Regel mit nicht viel mehr als 1 Mrd. USD bewertet. Die grössten Einhörner in dieser Liste werden jedoch 140 Mal so hoch bewertet. Die neun grössten kommen alle aus China und den USA, dann folgt eines aus Indien. Das grösste europäische Einhorn erlangt Rang 22 mit 11 Milliarden USD. Alle Schweizer Einhörner zusammen sind weniger wert als die jeweils nächstplatzierten europäischen Einhörner aus Schweden und dem Vereinigten Königreich. Aber der europäische Binnenmarkt ist immer noch der zweitgrösste Wirtschaftsmarkt weltweit, so dass hier eindeutig mehr möglich wäre. Es wäre wichtig, regulatorische Hindernisse zu beseitigen, die regulatorische Angleichung an Europa zu verstärken, zum Beispiel beim Datenschutz und der Privatsphäre. So muss die Schweiz zum Beispiel die Anerkennung der Gleichwertigkeit mit dem EU-Datenschutz sicherstellen.
Was kann insgesamt getan werden, um die Schweiz noch attraktiver für Innovationen zu machen?
Drei Dinge sind in diesem Zusammenhang unerlässlich: Erstens müssen wir weiterhin Zugang zu den allerbesten Talenten haben. Das gilt sowohl für die Absolventen unserer führenden Universitäten als auch für die Absolventen der besten Universitäten weltweit. Zweitens benötigen wir die richtige Kultur für Innovation, insbesondere für die Skalierung unserer Innovationen. Trauen Sie sich, «think big», setzen Sie sich ehrgeizige Ziele und trauen Sie sich anschliessend in noch grösseren Dimensionen zu denken. Seien Sie mutiger und ehrgeiziger bei der Planung. Ja, einzelne Start-ups erfüllen Schweizer Besonderheiten, etwa im Gesundheitswesen, und sind global schwieriger zu skalieren. Aber andere könnten leicht Kunden auf der ganzen Welt anziehen, eine weltweite Skalierung wäre machbar. Und drittens ist die Entwicklung beim Risikokapital zwar sehr erfreulich, sie muss aber weitergehen - insbesondere jetzt während der Pandemie. Dies gilt umso mehr, da Schweizer Start-ups, wenn sie global skaliert werden sollen, Investitionen benötigen, die ihren globalen Ambitionen entsprechen.

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