Perspektiven

Mitarbeitende im Schweizer öffentlichen Sektor offen für mehr Digitalisierung, aber…

Die grössten Hürden einer weiteren Digitalisierung von Verwaltungsservices sehen Mitarbeitende des öffentlichen Sektors in der Schweiz in der fehlenden IT, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den internen Prozessen. Wie lassen sich diese Hürden abbauen?

Verwaltungsangestellte in der Schweiz schätzen die internen Behördenabläufe als fortschrittlich ein. Dennoch bewerten sie die weitere Digitalisierung interner Abläufe als wichtig, vor allem in den Bereichen Informatik, Kommunikation, Interaktion mit den Bürgern und im Personalwesen.

Zu Beginn der Corona-Pandemie im März meldeten viele Ärzte in der Schweiz die Zahl der Infizierten an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) – allerdings per Faxgerät. Dieses Beispiel wirft ein Schlaglicht auf den aktuellen Zustand der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen in der Schweiz. Bequem abends vom Sofa aus online einen Antrag auf Kinderzulagen ausfüllen oder eine Zweitwohnung anmelden - das ist in der Schweiz noch nicht möglich. Die Schweiz hat hier Aufholbedarf. Während Länder wie Dänemark, Estland oder Österreich die Digitalisierung ihrer öffentlichen Behörden weit vorangetrieben haben, ist die Schweiz ins Hintertreffen geraten. Warum? Liegt es an internen Widerständen in den Verwaltungen selbst, dass die Entwicklung nicht vorankommt? Ist die Skepsis gegenüber der Digitalisierung unter Schweizer Verwaltungsangestellten grösser als in anderen Ländern?

Interne Abläufe als „fortschrittlich“ bewertet, aber dennoch verstärkte Digitalisierung gewünscht

Die Umfrageergebnisse des „Deloitte Digital Government Survey“ belegen: Nein, es liegt nicht an den internen Widerständen der Verwaltungsangestellten. Die Bereitschaft zu mehr Digitalisierung ist vorhanden, die Hürden liegen woanders.

Dass fast vier Fünftel der Verwaltungsangestellten die internen Abläufe als fortschrittlich einschätzen, könnte bedeuten, dass die betroffenen Behördenmitarbeiter glauben, es gäbe keinen Handlungsbedarf. 17% der Befragten schätzen die internen Abläufe als „sehr“ und 60% als „eher“ fortschrittlich ein. Dabei werden die internen Abläufe in der Bundesverwaltung als fortschrittlicher wahrgenommen als die internen Abläufe in der Verwaltung von Kantonen und Gemeinden.

Dennoch wird die weitere Digitalisierung von internen Abläufen von Verwaltungsangestellten als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ erachtet. 20% der Befragten bewerten die Digitalisierung interner Abläufe als „sehr wichtig“ und 50% als „wichtig“. Ebenso ist es für 73% der Befragten “sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass ihr Arbeitgeber die Digitalisierung interner Abläufe verstärkt. In den Verwaltungen des Bundes ist die Wichtigkeit interne Abläufe zu Digitalisierung grösser als in den Verwaltungen der Kantone oder Gemeinden. Priorität haben hier vor allem Abläufe in der Informatik, der Kommunikation und Interaktion mit den Bürgern, in HR, Personal und Ausbildung.

Grösste Hürden sind Prozesse und rechtliche Rahmenbedingungen

Als grösste Hürden bei der Digitalisierung werden Prozesse, rechtliche Rahmenbedingungen und (fehlende) IT-Hard- und Software angesehen. Die Details: Rund ein Viertel der Befragten (26%) erachten die Digitalisierung in der Informatik als „sehr wichtig“, ein Fünftel (21%) die Digitalisierung der Kommunikationswege für die Interaktion mit den Bürgern. Ebenfalls 21% bewerten die Digitalisierung von HR, Personal und Ausbildung als „sehr wichtig“, weitere 20% die Digitalisierung der Kommunikationswege für die Interaktion innerhalb der Verwaltung". Es liegt also nicht an der Verweigerungshaltung der Angestellten in den Verwaltungen. Sie selbst sehen die Hürden an anderen Stellen: Vorhandene oder veraltete IT Hard- und Software (30%), unklare oder hinderliche rechtliche Rahmenbedingungen (25%) und interne Prozesse (20%) werden hier genannt.

Die Zahlen aus Umfrage zeigen: Auch wenn ein Grossteil der Angestellten in der Verwaltung die zurzeit angebotenen Services und die internen Abläufe in den Behörden schon als fortschrittlich bewerten, sehen sie noch Luft nach oben. Und vor allem: die Zahlen deuten auch auf eine grosse Bereitschaft hin, etwas zu verbessern, was sie schon als gut bewerten. Doch was gut ist, kann auch noch besser werden, glauben auch die Mitarbeitenden der Schweizer Behörden.

Schnell umsetzbare und einfache Lösungen sind gefragt

Für den Ausbau und die Beschleunigung der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung wird es auf mittlere Sicht nötig sein, die Verwaltungsapparate von überflüssigen Vorschriften, Regeln und Gesetzen zu befreien. Doch aufgrund der Komplexität der rechtlichen Aspekte und den langsamen demokratischen Entscheidungsprozessen zur Veränderung von Gesetzen, ist dies nicht von heute auf morgen zu erreichen. Die Auflage neuer und die Entschlackung bestehender Gesetze kann einige Zeit in Anspruch nehmen – auch wenn gut ein Fünftel der Schweizer Verwaltungsangestellten diese Entschlackung der innerbehördlichen Abläufe als eine der wichtigsten Hürden benennt. Wie dies konkret möglich ist, und welche Tools den Verwaltungen zur Verfügung stehen, lesen sie auch im Deloitte-Blog zum Thema “Future of regulation”.

Ohne grossen Aufwand könnten hier allerdings schnell erstaunliche Verbesserungen erzielt werden, indem man «quick fixes» anwendet, schnell umsetzbare, kostengünstige und einfache Veränderungen, in den internen Prozessen, bei der Ausstattung mit IT-Hard- und Software und der Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Wie in vielen anderen vergleichbaren Volkswirtschaften hinken auch die deutschen Verwaltungsbehörden im Vergleich zu anderen Ländern seit Jahren hinter der Digitalisierung her. Doch angeschoben durch die besondere Pandemie-Situation war es vor wenigen Wochen auf einmal möglich, was lange angeblich nicht möglich war: die Mitarbeitenden von Bundesbehörden wurden fast über Nacht mit eigenen Computern, Laptops und Tablets ausgestattet. Fast 41.000 Geräte im Wert von 93,5 Millionen Euro wurden «in Windeseile» vor allem für die Arbeit im Homeoffice angeschafft.

Erfolgreiche Digitalisierung mit bestehenden Mitteln

All dies wäre auch in der Schweiz möglich. Schliesslich hat das Beispiel des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich gezeigt, was möglich ist. Das Amt hatte den Prozess rund um die Anmeldung zur Kurzarbeit innerhalb weniger Wochen digitalisiert. Auch hier musste man nicht völlig neue IT-Systeme aus der Erde stampfen – ein perfektes Beispiel für eine erfolgreiche Digitalisierung mit grösstenteils bestehenden Mitteln. Die Erneuerung und Ergänzung der technischen Ausstattung wäre schon ein wichtiger Schub nach vorne, die die Arbeit der Schweizer Verwaltungsangestellten beschleunigen und verbessern könnte – oft auch nur mit wenigen smarten, neuen Software-Tools.

In der aktuellen Deloitte-Umfrage haben die Verwaltungsangestellten signalisiert, dass sie mehrheitlich offen und bereit für diese Optimierung digitaler Services sind. Die Verwaltungsleitungen müssen dieses Momentum nutzen und handeln: ein Startsignal geben, ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, und schnelle Entscheidungen treffen. Die Angestellten würden diesen Weg mitgehen, da sie mehrheitlich auch die Vorteile des Ausbaus digitaler Services sehen.

Bund und Kantone ernennen Beauftragten für digitale Verwaltung

Dass es nun mit Peppino Giarritta seit August einen zentralen „Beauftragten von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS)“ gibt, stimmt weiter hoffnungsvoll. Als Leiter der neu zu schaffenden DVS soll Giarritta die Digitalisierungsaktivitäten von Bundes- und Kantonsbehörden steuern, koordinieren und weiterentwickeln. Giarritta tritt sein Amt am 1. März 2021 an. Ab dann soll er das Zusammenspiel der digitalen Transformation der Verwaltungen auf allen drei Staatsebenen vorantreiben und die Abläufe harmonisieren.

Der Weg zum digitalen Wandel im öffentlichen Sektor

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