Posted: 10 Dec. 2020 3 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Nachhaltigkeit bei Investoren und Unternehmen im Aufwind

Nachhaltige Finanzierung und Investments sind auf dem Vormarsch und zählen zu den wichtigsten Trends auf den Kapitalmärkten. Seit den 1990er Jahren hat sich der ESG-Investment-Ansatz (ESG: Environmental, Social, Governance) entwickelt, um neben der finanziellen Performance auch die Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in die Bewertung von Assets und Wertpapieren einzubeziehen. Anfänglich wurde er vor allem auf Aktien angewandt, in den letzten Jahren haben Nachhaltigkeits- und ESG-Kriterien aber auch zunehmend auf den Anleihemärkten an Bedeutung gewonnen. Das aktuelle Economic Trend Briefing geht der Frage nach, wie ausgeprägt dieser Trend auf der Kapitalmarktseite ist, und wie Corporates die Gegenwart und Zukunft der ESG-Finanzierung sehen.

 

Trends bei nachhaltigen Investments

 

Nachhaltige Aktienanlagen haben sich im ersten Halbjahr 2020 entgegen dem allgemeinen Trend positiv entwickelt. Nach Daten der European Securities and Market Authority (ESMA) verzeichneten in der EU ansässige ESG-Aktienfonds in diesem Zeitraum Netto-Zuflüsse von EUR 14 Mrd., während andere EU-Aktienfonds Abflüsse von EUR 77 Mrd. aufwiesen. Damit stieg insgesamt der Anteil von nachhaltigen Fonds am gesamten Fondsvermögen (Aktien, Anleihen und Mischfonds) in Europa auf 12 Prozent. Für Deutschland stellen Umfragen des Forums für nachhaltige Geldanlagen ebenfalls eine Steigerung der Nachfrage fest, die zunehmend auch von privaten Investoren kommt, wenngleich institutionelle Investoren den Markt nach wie vor dominieren.

Auch auf der Anleihenseite sind nachhaltige Anlagen im Aufschwung. Zwischen 2017 und 2019 ist das Volumen der weltweit emittierten Green Bonds (Anleihen zur Finanzierung von Projekten zur Minderung/Verhinderung von Umweltschäden, beispielsweise durch erneuerbare Energien) laut Bloomberg von USD 140 Mrd. auf USD 218 Mrd. gestiegen. 2020 lag ihr Volumen bis Ende Oktober bereits bei über USD 200 Mrd. und damit deutlich höher als im Vorjahreszeitraum. Wenn zu den Green Bonds noch Social Bonds (Anleihen zur Finanzierung sozialer Projekte) und Sustainability Bonds (Anleihen, die soziale und nachhaltige Projekte finanzieren) addiert werden, wächst das Volumen der emittierten Anleihen bis Oktober 2020 auf rund USD 360 Mrd. Vor allem die Social Bonds erlebten 2020 einen Aufwind, bis Oktober betrug das an den Markt gebrachte Volumen fast das Vierfache der Jahreswerte von 2018 und 2019. Social Bonds hatten 2020 vor allem einen COVID-19-Bezug und wurden oft von staatlichen oder supranationalen Emittenten wie der Europäischen Union ausgegeben.  

 

Die Erwartungen der Corporates zur Zukunft von Sustainable Finance

 

Das Spiegelbild des nachhaltigen Investierens sind die nachhaltigen Finanzierungsformen auf der Seite der Corporates. Für die Zukunft der nachhaltigen Finanzierung werden deshalb ihre Auswirkungen auf die Corporates und deren Erfahrungen und Planungen prägend sein. Dabei ist – neben ethischen Erwägungen und dem Druck von Investoren – vor allem der Effekt der ESG Performance auf die Kapitalkosten für CFOs relevant. Die Idee hierbei ist, dass Unternehmen mit einer guten ESG Performance niedrigere Kapitalkosten haben, weil sie entweder allgemein besser geführt oder resilienter gegen langfristige Risiken sind. Der Deloitte European CFO Survey hat im Frühjahr 2020 knapp 1,000 CFOs in 18 Ländern zu ihren Einstellungen bezüglich nachhaltiger Finanzierung befragt. Dabei sind drei Ergebnisse bemerkenswert.

 

Wachsender Einfluss mit firmenspezifischen Unterschieden

 

Erstens, dass eine große Mehrheit der CFOs aktuell durchaus einen Einfluss ihrer ESG-Performance auf ihre Kapitalkosten (87 Prozent) sieht, dieser aber überschaubar zu sein scheint. 12 Prozent der Unternehmen glauben, dass der Einfluss hoch ist; ein gutes Drittel denkt, dass er moderat ist, während ungefähr ebenso viele von einem geringen und 13 Prozent von gar keinem Einfluss ausgehen.

Zweitens, dass hier deutliche Unterschiede zwischen börsennotierten und Firmen im Privatbesitz zu beobachten sind. Für letztere sehen nur gut 40 Prozent eine mindestens moderate Wirkung, während dies für fast 60 Prozent der börsennotierten Firmen gilt. Diese Lücke bleibt auch dann bestehen, wenn Firmen gleicher Umsatzgröße betrachtet werden. Es scheint damit so, dass die börsennotierten Unternehmen wegen ihrer höheren Abhängigkeit vom Kapitalmarkt einer nachhaltigen Finanzierung eine höhere Bedeutung und auch Wirkung beimessen. Ebenso gibt es Unterschiede zwischen den Sektoren. Den aktuell größten Effekt sehen Unternehmen aus den Sektoren Energie, Professional Services, Finanzen und Einzelhandel, während Unternehmen aus dem Logistik- und Tourismus-Sektor den Einfluss als eher niedrig bewerten. 

Drittens, dass die Unternehmen eine deutliche Zunahme der Bedeutung von ESG-Faktoren in den nächsten drei Jahren erwarten. Der Anteil der Unternehmen, die davon ausgehen, dass in drei Jahren ESG-Faktoren einen großen Anteil auf ihre Kapitalkosten haben werden, liegt um knapp das Dreifache höher als der Anteil heute. Und der Anteil der Unternehmen, die von keinem Einfluss ausgehen, halbiert sich. Damit geht einher, dass zwei Drittel der CFOs einschätzen, dass die Relevanz von ESG-Ratings für Investitions- und Kreditentscheidungen zunehmen wird. 

ESG-Auswirkungen auf Kapitalkosten

 

Allerdings ist die Verschiebung in Richtung nachhaltige Finanzierung auch mit Herausforderungen für die CFOs verbunden. Vor allem diejenigen Unternehmen, die besonders fortgeschritten sind, sehen das Fehlen von standardisierten und allgemein akzeptierten ESG-Indikatoren als ein Hindernis für ihre Investor-Relations-Aktivitäten an. In dieser methodischen Hinsicht scheint noch deutlicher Nachholbedarf zu bestehen.

Allgemein gibt es aber aus Sicht der Corporates wenig Zweifel, dass sich der Trend in Richtung nachhaltige Finanzierung fortsetzen wird, nicht zuletzt im Hinblick auf den Klimawandel. Wenn sich ihre Erwartungen bestätigen, könnte nachhaltige Finanzierung in wenigen Jahren Mainstream sein. Die offene Frage ist allerdings, welche Metriken sich durchsetzen werden, und mit welchen ESG-Strategien Wettbewerbsvorteile zu erreichen sind. 

Download

Hier können Sie den Blogbeitrag als PDF herunterladen:

Weitere Beiträge der Economic Trend Briefings:

Die Economic Trend Briefings analysieren die wichtigsten kurz- und langfristigen Herausforderungen sowie die relevantesten Trends für die deutsche Wirtschaft.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Alexander Boersch is chief economist and a director (research) at Deloitte Germany. In his research, he focuses on European and German economics, the development of the digital economy as well as on demographic and globalization trends.