Posted: 15 Feb. 2023 7 Lesezeit

Technology Industry Briefing: Neue Perspektiven für VirtualReality?

Der vielfach erwartete Siegeszug von Virtual Reality (VR) ist bislang ausgeblieben. Dank deutlich verbesserter Hardware und attraktiverer Inhalte könnte sich aber nun der Trend drehen: 2023 wird der globale VR-Markt laut Deloitte-Prognose einen Umsatz von 7 Mrd. US-Dollar erreichen – ein Anstieg um beachtliche 50 Prozent im Vorjahresvergleich. Unser Industry Briefing analysiert, welche Treiber den aktuellen Trendumschwung potenziell forcieren, ob dieser auch hierzulande eintritt, und wohin die Reise für VR langfristig gehen könnte.

Regelmäßig zum Jahreswechsel geben die Branchenexperten1 von Deloitte mit den TMT Predictions einen Ausblick auf die wichtigsten Trends für die nächsten Monate. Eine der Vorhersagen für 2023: Virtual Reality wird bei Umsatz und Gerätebestand beachtliche Zuwächse verzeichnen. Damit könnte VR nach Jahren der Stagnation doch noch in die Erfolgsspur finden. Die neuen Prognosen für den weltweiten VR-Markt lesen sich durchaus vielversprechend:

  • Virtual Reality (VR) wird weltweit 7 Milliarden US-Dollar Umsatz generieren, 50 Prozent mehr als 2022.
  • 90 Prozent dieses Umsatzes entfallen auf den Verkauf von Headsets.
  • 14 Millionen VR-Brillen mit einem Durchschnittspreis von 450 US-Dollar finden im Jahr 2023 einen Käufer. 
  • 700 Millionen US-Dollar werden weltweit mit VR-Inhalten erwirtschaftet. 
  • Der Bestand aktiv genutzter VR-Headsets wird 2023 die Zahl von 22 Millionen erreichen, fast 50 Prozent mehr als Mitte 2022.

Zwei Faktoren für schnelles Wachstum

Die Gründe für den positiven Entwicklungstrend in den nächsten Monaten sind zwei wesentliche Treiber: eine deutlich verbesserte Hardware und die stärkere Fokussierung auf Anwendungen, bei denen VR seine Vorzüge optimal ausspielen kann. So lässt sich die Leistungsfähigkeit aktueller Virtual-Reality-Brillen nicht ansatzweise mit der von Smartphone-basierten Headsets früherer Jahre vergleichen. Die frühen Modelle waren für viele Konsumenten der erste Berührungspunkt mit der VR-Welt, konnten aber nicht nachhaltig überzeugen.

Die neue Hardware-Generation nimmt es dagegen leicht mit den Premium-Brillen der Vergangenheit auf – und das zu Preisen von rund 500 Euro bzw. US-Dollar. Aktuelle Consumer-Brillen bieten Displays mit hoher Auflösung und Bildfrequenz, das passende 3D-Erlebnis für die Ohren dank Spatial Audio sowie einen erheblich verbesserten Tragekomfort. Auf diese Weise können Nutzer wirklichkeitsnah in virtuelle Welten eintauchen und genießen inzwischen tatsächlich die vielzitierte, immersive User Experience.

Auch die Anwendungsseite ist in Bewegung geraten. Die beteiligten Akteure versuchen längst nicht mehr, Use Cases für alle Lebens-, Arbeits- und Entertainmentbereiche in der Virtual Reality (VR) zu etablieren. Stattdessen nehmen sie gezielt jene Anwendungen in den Fokus, in denen VR seine Stärken ausspielen kann. Dazu zählen im Consumer-Segment in allererster Linie Games. Für das Frühjahr steht der kommerzielle Start neuer VR-Hardware speziell für Spiele an, der zusammen mit neuen, passenden Games-Titeln dem Markt zusätzlichen Rückenwind verschaffen könnte.

Auch andere Consumer-Anwendungen wie virtuelle Reisen oder Meditations-/Mindfulness-Apps werden in den kommenden Monaten ihre Nische finden, verfügen aber im Vergleich zu Games über ein deutlich eingeschränkteres Potenzial. Anders als im Games-fokussierten B2C-Segment wird Virtual Reality (VR) im Unternehmensumfeld bereits in diversen Spielarten genutzt. VR kommt im Bereich Visualisierung für virtuelle Meetings oder auch für Trainings und Simulationen an virtuellen 3D-Modellen zum Einsatz. Erkenntnisse aus der täglichen Anwendungspraxis sowie die verbesserte VR-Hardware werden sich 2023 absehbar positiv auf die Akzeptanz und den weiteren Erfolg im globalen B2B-Markt auswirken. 

Aufwärtstrend auch in Deutschland

Wird der Virtual-Reality-Markt in den kommenden Monaten auch hierzulande einen Aufwärtstrend verzeichnen? Wichtige Fakten sprechen dafür. Denn Technologietrends machen typischerweise nicht vor Ländergrenzen halt. Die dargestellten Erfolgstreiber sind also für Deutschland ebenso relevant wie im globalen Kontext. Zusätzlich bekräftigen die Ergebnisse der aktuellen Deloitte-Marktforschung die kurzfristigen Wachstumsprognosen. So zeigen die Daten des aktuellen Digital Consumer Trends Survey erstmals seit 2018 wieder ein Wachstum des Gerätebestandes (s. Abb. 1). 6 Prozent der Befragten zwischen 18 und 75 Jahren gaben an, Zugriff auf eine VR-Brille zu haben. Zwölf Monate zuvor lag der Anteil noch bei 4 Prozent. Diese Ergebnisse weisen eindeutig auf einen positiven Trend hin.

Abb. 1: Deutschland: Verbreitung VR-Brillen

Auch eine andere Zahl verdeutlicht das vorhandene Potenzial von Virtual Reality (VR): Im Rahmen einer Deloitte-Befragung rund um das Metaverse zeigten sich 48 Prozent der Befragten grundsätzlich offen für den Kauf einer VR-Brille (s. Abb. 2). Wenngleich es von der geäußerten Kaufabsicht zum tatsächlichen Erwerb ein großer Schritt ist, zeigt dieser hohe Anteil das weiterhin bestehende Interesse. Trotz Stagnation und bislang manch unerfüllter Erwartungen ist das Thema Virtual Reality (VR) bei den Verbrauchern weiterhin präsent.

Abb. 2: Können Sie sich grundsätzlich vorstellen, eine Virtual-Reality-Brille zu kaufen?

Folgerichtig dürfte Virtual Reality (VR) 2023 auch in Deutschland wachsen, und das parallel zum globalen Trend. Davon wird insbesondere der Gerätebestand profitieren. Ende 2023 werden hierzulande laut Deloitte-Schätzung fast 1,5 Millionen VR-Brillen aktiv im Einsatz sein. 

Langfristig unterschiedliche Vorzeichen 

Wohin wird die Reise bei Virtual Reality (VR) mittel- und langfristig gehen? Bleibt VR eine attraktive Nische, oder erobert die virtuelle Realität vielleicht doch einen Massenmarkt? Die relevanten Einflussfaktoren sind hier nicht eindeutig, ihre genauere Betrachtung hilft bei der Bewertung des weiteren Potenzials dennoch erheblich.

Nach wie vor bestehen in Deutschland wie auch weltweit nachhaltige Nutzungsbarrieren, die insbesondere den Consumer-Markt betreffen. Manche Konsumenten empfinden bei geschlossenen Brillen einen Kontrollverlust über ihre aktuelle Umgebung, andere sorgen sich um ihre Privatsphäre, da VR-Brillen körperliche Reaktionen der Nutzer auf Inhalte potenziell tracken können. Auch ist und bleibt die Hardware kein günstiges Vergnügen, zumal sie praktisch immer als zusätzliches Endgerät gekauft und komplementär zu Smartphone oder Tablet verwendet wird. Schließlich ist das Motion-Sickness-Problem, also auftretende Übelkeit bei der Nutzung von VR-Brillen, nach wie vor nicht gelöst. Menschen, die empfindlich auf die Virtual-Reality-Nutzung reagieren, haben selbst bei der Verwendung von leistungsfähigen Brillen mit hoher Auflösung und kurzen Latenzzeiten Probleme. Noch ist unklar, wie groß diese Konsumentengruppe ist. Tatsache aber ist, dass sich solche Verbraucher kaum von VR begeistern lassen.

Dagegen stehen starke Trends, die eine sehr positive Entwicklung bei VR erwarten lassen. Einer davon ist das Metaverse. Im Augenblick ist es in erster Linie noch ein abstraktes, wenn auch stark gehyptes Konzept. Wann, in welcher Form und in welchem Umfang es sich etablieren wird, ist jedoch noch unklar. Fakt ist aber, dass das Potenzial des Metaverse enorm ist. Hierbei werden Virtual, Augmented und Mixed Reality, wie bereits in unserer früheren Analyse dargelegt, eine wesentliche Rolle spielen. Nur mit der passenden Hardware können Nutzer in die versprochene, immersive 3D-Welt eintauchen. Damit könnte das Metaverse zur lange gesuchten „Killer-App“ für VR werden. Im Idealfall werden Metaverse und Virtual Reality (VR) erheblich voneinander profitieren. Hierbei ist aber ein langer Atem gefragt. Vor 2025 sind aus dieser Symbiose keine größeren Effekte zu erwarten, diese werden absehbar erst am Ende dieses Jahrzehnts spürbar. 

Zielgruppe zunächst begrenzt

Immer attraktiverer Content und eine immer bessere Hardware können nicht nur im Metaverse-Kontext eine VR-Wachstumsspirale auslösen. Auch außerhalb der neuen, virtuellen Parallelwelt ist eine solche Eigendynamik denkbar, und das möglicherweise schon deutlich früher. Wenn die oben dargestellten Fortschritte bei VR-Brillen auf neue Inhalte treffen, könnte dies im Consumer-Segment einen erkennbaren Schub auslösen. Kurzfristige Impulse werden primär aus dem Games-Bereich kommen, wo ein kommerziell erfolgreicher VR-Titel Effekte auf den gesamten VR-Markt hervorrufen kann.

Alle beteiligten Akteure sollten sich aber im Klaren darüber sein, dass ein solcher Aufschwung absehbar auf eine begrenzte, technikaffine Zielgruppe beschränkt sein wird. Langfristig hätte das Metaverse das Potenzial, die adressierbare Zielgruppe deutlich zu verbreitern. Allerdings droht hier starke Konkurrenz durch Augmented- und Mixed-Reality-Hardware. Virtual Reality (VR) wird also langfristig spürbar wachsen, jedoch selbst im besten Entwicklungsverlauf keine ähnlich riesige Nutzerbasis erreichen wie beispielsweise das Smartphone. Euphorische Prognosen aus der Zeit des VR-Hypes, die in Virtual Reality (VR) bereits das neue Standard-User-Interface sahen, sollten im Sinne eines realistischen Erwartungsmanagements ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

 

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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Ralf Esser

Ralf Esser

Leiter Sector Insights & Studies

Ralf Esser leitet bei Deloitte das deutsche Sektor-Research-Team und ist darüber hinaus verantwortlich für Industry Insights im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Analyst in der TMT-Industrie. Ralf Esser ist Autor und Co-Autor zahlreicher Studien, Fachartikel und Buchbeiträge und tritt regelmäßig als Referent bei Fachveranstaltungen und Konferenzen auf. Der aktuelle Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Bereichen Digital Consumer, 5G sowie Digital Media. Ralf Esser studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln.