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COVID-19: Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie

Deloitte Point of View: Implikationen für Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber und andere Marktteilnehmer

Es gibt wahrscheinlich keine andere Branche, die so massiv von der COVID-19-Pandemie betroffen ist wie die internationale Luftfahrtindustrie: Fluggesellschaften, Flughäfen und andere Marktteilnehmer erleben einen erheblichen Rückgang der Umsätze, was eine starke, kurzfristige und disruptive Reaktion erfordert. Deloitte hat die Auswirkungen der Pandemie analysiert und die wichtigsten Implikationen für Unternehmen nachfolgend zusammengefasst.

Die Auswirkungen von COVID-19 sind überall spürbar. Ganze Länder waren und sind isoliert, das soziale Leben wurde heruntergefahren. Mittlerweile sind einige Länder dabei sich wieder zu öffnen. Die Weltwirtschaft stagniert, die Finanzmärkte sind im Vergleich zum Stand von Januar 2020 teilweise um mehr als ~55% eingebrochen. Aktienkurse von Fluggesellschaften und Flugzeugherstellern fallen, ebenso die Preise für Kerosin. Der Preis für Rohöl WTI hat zwischenzeitlich sogar ein Allzeittief erreicht. All diese Aspekte haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie, die wir entlang vier Dimensionen untersucht haben:

  1. Fluggesellschaften
  2. Flughäfen (und Flughafenbetreiber)
  3. Finanzmärkte
  4. Marktdisruption
COVID-19: Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie

1. Fluggesellschaften

Im April 2020 ist die internationale Passagierkapazität gegenüber dem ursprünglichen Plan um ~91% zurückgegangen, wobei Europa und der asiatisch-pazifische Raum die am stärksten betroffenen Regionen waren. Nur China meldet inzwischen wieder steigende Passagierzahlen und erholt sich von einem Kapazitätseinbruch von 95%. Dennoch stellt sich die Frage, ob und wann die Nachfrage nach Flugreisen wieder das ursprüngliche Niveau erreicht. Schließlich gingen die Umsätze für internationale Flüge im Mai weltweit um ~US$ 28 Mrd. zurück, mit über 70% Umsatzrückgängen aus den Abflugregionen Europa und APAC. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung der Fluggesellschaften ist um mehr als 45% gegenüber dem Höchststand von 52 Wochen gesunken.

Für das Gesamtjahr 2020 erwarten Experten einen massiven Umsatzeinbruch von ~US$ 300 bis 400 Mrd. für den internationalen und inländischen Passagierverkehr, verbunden mit einer Reduzierung der Passagierzahlen auf ~1,8 bis 2,6 Mrd. gegenüber einem Ausgangswert von 4,8 Mrd. geplanten Passagieren im Jahr 2020. Der Point of View von Deloitte skizziert drei mögliche Erholungsszenarien hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umsätze der Fluggesellschaften weltweit. Diese Szenarien zeigen, dass die Dauer und das Profil der Krise noch unsicher sind, mit möglichen monatlichen Einnahmeverlusten von ~US$ 10 bis 45 Mrd. für Fluggesellschaften im zweiten Halbjahr 2020. Abhängig von der weiteren Marktentwicklung können die Profile der ökonomischen Modelle noch eine 'V‘ , 'U-', 'L-' oder sogar 'W-Form' annehmen, wobei größere Auswirkungen für den asiatisch-pazifischen Raum (~33% der globalen Auswirkungen), Europa (~27%) und Nordamerika (~23%) erwartet werden.

Zusätzlich hat Deloitte die Liquiditätslage internationaler Fluggesellschaften untersucht, um eine umfassende Perspektive hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit zu gewinnen. Trotz der heterogenen Strukturen hinsichtlich der Verschuldungsquote und des Liquiditätsgrads haben viele große Fluggesellschaften bereits um finanzielle Unterstützung durch Regierungen gebeten, um den abnehmenden Liquiditätsreserven entgegenzuwirken. 

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2. Flughäfen (und Flughafenbetreiber)

Neben internationalen Fluggesellschaften sind auch Flughäfen und Flughafenbetreiber von den aktuellen Entwicklungen stark betroffen. Beispielsweise wird erwartet, dass die weltweiten Flughäfen im Jahr 2020 unter einem Einnahmeverlust von ca. US$ 100 Mrd. leiden werden, wobei die Verluste in Europa und APAC am stärksten ausfallen werden (~US$ 67 Mrd.). Die Umsätze großer Flughafenbetreiber wie Fraport, Heathrow und Aena (welche Flughäfen unter anderem in Barcelona und Madrid betreiben) verzeichneten bereits im ersten Quartal einen Rückgang von mehr als 12%, und es wird erwartet, dass der Rückgang noch stärker ausfallen wird, da der Passagierflugverkehr im zweiten Quartal fast vollständig zum Erliegen gekommen ist (-95%). Die Betreiber reagieren bereits mit drastischen Maßnahmen auf die Krise. So hat beispielsweise Heathrow erhebliche Kostensenkungsmaßnahmen eingeleitet während Fraport angekündigt, Kurzarbeit zur Senkung der Personalkosten einzuführen (Quelle).

3. Finanzmärkte

Darüber hinaus hat sich die gegenwärtige Krise bereits über die Fluggesellschaften hinaus auf Flugzeughersteller und andere Subsektoren der Industrie ausgeweitet. Während der MSCI World Aero & Defense Index (ein durchschnittlicher Mix aus Flugzeug-, Luftfahrt- und Verteidigungssystemherstellern und -zulieferern) seit Januar um ~21% gefallen ist, müssen Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing Rückgänge von 43% respektive 36% hinnehmen. Einen Rückgang in ähnlicher Größenordnung ist auch bei dem NYSE Global Airline Index zu verzeichnen. Bei den Kerosinpreisen belief sich die negative Auswirkung auf fast 80%, wobei der Preis von ~US$ 1,93/Gallone Anfang Januar auf ~US$ 0,40/Gallone Ende April fiel. Die Spot-Preise bewegen sich seit Mitte Mai zwischen ~US$ 0,75/Gallone und ~US$ 0,95/Gallone.

4. Marktdisruption

Da mehr als 50% der weltweiten Verkehrsflugzeugflotte momentan (noch) nicht in Betrieb ist, besteht zudem ein potenzielles Risiko einer größeren Disruption, sollte der Weltmarkt mit gebrauchten Flugzeugen „überschwemmt“ werden. Nach Ansicht von Branchenexperten muss die Möglichkeit eines langfristigen Rückgangs des Passagierfluggeschäfts in Betracht gezogen werden, welcher strategische und strukturelle Auswirkungen auf die gesamte Branche haben könnte. Dies kann insbesondere auch das Nachfrageverhalten bei Großraum- gegenüber Schmalrumpfflugzeugtypen beeinflussen und zu einem vorzeitigen Rückzug älterer, weniger effizienter Einheiten führen. Abschließend ist festzuhalten, dass die Flugzeughersteller das Risiko einer verstärkten „White-Tail“-Produktion aufgrund möglicher Verschiebungen oder sogar einer erhöhten Anzahl von Stornierungen tragen könnten.

Daher benötigen alle Marktteilnehmer eine ganzheitliche und strategische Neubewertung ihres derzeitigen Betriebsmodells sowie eine sofortige und angemessene Reaktion zur Überwindung der gegenwärtigen globalen Krise.

Den Herausforderungen von COVID-19 begegnen – mit der Expertise von Deloitte

Alle ‚externen Implikationen‘ zusammen bewirken die Notwendigkeit kurzfristiger und sogar tiefgreifender Anpassungen der Betriebsmodelle. Dennoch ist eine ganzheitliche Sichtweise entscheidend – entlang des gesamten Erholungszyklus von der COVID-19-Krise. Unternehmen werden drei grundlegende Transformationsphasen durchlaufen müssen:

  1. Respond (Save-to-turnaround)
  2. Recover (Save-to-fund)
  3. Thrive (Save-to-grow and Save-to-transform)

Viele Unternehmen befinden sich derzeit noch in der ‚frühen Response-Phase‘, in der kurzfristig priorisierte Themenfelder zu berücksichtigen sind, darunter (A) Marktanalyse und -beobachtung, (B) Liquidität, (C) Anpassung des Betriebsmodells, (D) Kostenstruktur und (E) Anpassung der Belegschaft. Sowohl die Marktanalyse/-beobachtung als auch die Liquidität müssen als oberste Priorität für die aktuellen Anpassungen der Geschäftsszenarien, Risikobewertungen und die frühzeitige Entwicklung von Milderungsplänen (Save-to-turnaround) betrachtet werden.

In der ‚Recovery-Phase‘ müssen sich die Unternehmen verstärkt auf Kostensenkungsmaßnahmen konzentrieren, wobei die Liquidität nach wie vor eine Priorität bleibt. Daher wird sich der Schwerpunkt zunehmend auf Entscheidungen über die richtigen (strategischen) Investitionen verlagern, die es den Unternehmen ermöglichen, sowohl kurz- bis mittelfristige Kostenvorteile zur realisieren als auch eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Marktposition zu erlangen (Save-to-fund).

Anschließend fokussiert sich die ‚Thrive-Phase‘ auf kern-wertschöpfende Aktivitäten. Ziel ist hier, das Umsatzwachstum und die Transformation der Betriebsmodelle zu fördern, indem Potenziale zur Erreichung überlegener Kostenstrukturen gehoben und gleichzeitig Geschäftsprozesse durch Digitalisierungsmaßnahmen gestärkt werden (Save-to-Growth und Save-to-Transform).

Ist Ihr Unternehmen vorbereitet auf die Zeit nach COVID-19 und all die bevorstehenden Herausforderungen?

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Den aktuellen Herausforderungen begegnen: COVID-19

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