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Sind die Ziele der Kapitalmarktunion in Gefahr?

Status-Update der EU-Kommission

Am 28. November 2018 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über den aktuellen Status und das weitere Vorgehen der angestrebten Kapitalmarktunion (KMU) veröffentlicht. Die Kapitalmarktunion, eine Initiative der EU, beabsichtigt die Vertiefung und stärkere Integration der Kapitalmärkte der 28 EU-Mitgliedstaaten, u.a. mit dem Ziel neue Finanzierungsquellen für Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – zu erschließen, die europäische Wirtschaft zu stärken sowie die Integration und Stabilität des Finanzsystems voranzubringen. Um diese Ziele zu erreichen, hat die Europäische Kommission im September 2015 den sog. „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ veröffentlicht, der 16 Legislativvorschläge, darunter  drei Vorschläge für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums, vorsieht.

Bereits im Juni 2017 veröffentlichte die EU Kommission ihre Halbzeit-Bilanz über die Vielzahl der noch ausstehenden Maßnahmen und ihr weiteres Vorgehen (siehe hierzu „Halbzeit in der Kapitalmarktunion“). Nun, anderthalb Jahre später lieferte sie eine neue Zwischenbilanz sowie das geplante Vorgehen für den Endspurt.

In ihrer Mitteilung hebt die Kommission hervor, dass das Europäische Parlament und der Rat seit der Veröffentlichung des Aktionsplans bislang von den 16 ursprünglichen Legislativvorschlägen der Kommission nur drei - die EU-Prospektverordnung, die Verordnung über europäische Risikokapitalfonds und die Verbriefungsverordnung – angenommen haben und folglich nur geringe Fortschritte bei der Verabschiedung der im Aktionsplan veröffentlichen Vorschlägen erzielt werden konnten. Angesichts der nahenden Europawahlen im Mai 2019 fordert die Kommission ein zügiges Handeln des Europäischen Parlaments und des Rats, um die Vorschläge bis zum Ende der Legislatur-periode verabschieden zu können. 

Wichtige Initiativen, bei denen Gefahr besteht, dass sie vor den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht beschlossen werden:

  • Überprüfung von Investmentfirmen: Hierbei werden überarbeitete Aufsichtsregeln für Wertpapierfirmen eingeführt und das MiFIR-Drittlandsregime für Wertpapierdienstleistungen überarbeitet.
  • Überprüfung der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs): Dies führt zu zahlreichen Überprüfungen der Aufsichtsbefugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden, auch in Bezug auf Unternehmen aus Drittstaaten.
  • Aspekte der Überwachung der europäischen Marktinfrastrukturverordnung (EMIR 2.2): Hierbei wird die Beaufsichtigung von CCPs, insbesondere Äquivalenzbewertungen in Bezug auf CCPs aus Drittstaaten, überarbeitet.
  • Taxonomie, Offenlegung und Benchmarks von nachhaltigen Kapitalanlagen: Hierbei wird ein Klassifizierungssystem (Taxonomie) eingeführt, das festlegt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten für Investitionszwecke als ökologisch nachhaltig betrachtet werden können. Im Hinblick auf die Offenlegung werden Vermögensverwalter und institutionelle Anleger dazu aufgefordert, offenzulegen, wie sie Nachhaltigkeitsfaktoren (ESG-Faktoren) in ihrem Strategie- und Anlageentscheidungsprozess berücksichtigen, insbesondere für die in ihren Portfolien enthaltenen Kapitalanlagerisiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Des Weiteren sollen zwei neue Kategorien von nachhaltigen Benchmarks eingeführt werden: die „Low-carbon benchmark“ und die „Positive-carbon impact benchmark“. Bei Ersterer besteht das Benchmark-Portfolio aus Vermögenswerten die verglichen mit kapitalgewichteten Benchmarks geringere CO2-Emissionen aufweisen, bei der Zweiten besteht das zugrundeliegende Benchmark-Portfolio hingegen aus Vermögenswerten, bei denen die CO2-Einsparungen den CO2-Fußabdruck übersteigen.

Angesichts der begrenzten verbleibenden Zeit im laufenden Legislativzyklus sieht die Kommission keine zusätzlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Vollendung der Kapitalmarktunion vor, betont jedoch die verbleibenden nicht-legislativen Maßnahmen des Programms weiterhin durchsetzen, wie etwa den Vertrieb von Anlageprodukten für Privatanleger, institutionelle Investitionen, Unternehmensfinanzierungen und eine bessere Nutzung von Finanztechnologien.

Es bleibt also abzuwarten, wie viele der angedachten Kapitalmarktbausteine noch rechtzeitig umgesetzt werden. Sicher ist, dass ehrgeizige Fortschritte bei der Kapitalmarktunion nötig sind, um die Bankenunion bis zum Frühjahr 2019 voranzubringen, wie auch in der Erklärung des kürzlich stattgefundenen Euro-Gipfels betont wurde.

Kritiker, die schon 2015 durchaus Zweifel zum ambitionierten Projekt nebst ehrgeizigem Zeitplan geäußert haben, werden sich bestätigt fühlen. Es scheint als handele es sich doch eher um langfristiges als um ein mittelfristiges Projekt. Die enorme Eilbedürftigkeit, die ein harmonisierter und integrierter Kapitalmarkt hat, schmälert dies jedoch keineswegs.

Autoren

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