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Buchführungsverlagerung ins Ausland – Änderungen durch das JStG 2020

Aufhebung der Genehmigungspflicht für die Führung und Aufbewahrung von elektronischen Büchern und Aufzeichnungen (oder Teilen davon) in einem anderen EU-Mitgliedstaat

Das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) beinhaltet wichtige Anpassungen für die Buchführungsverlagerung ins Ausland: Die Genehmigungspflicht für die Führung und Aufbewahrung von elektronischen Büchern und Aufzeichnungen (oder Teilen davon) in einem anderen EU-Mitgliedstaat wurde abgeschafft.

Hintergrund

Grundsätzlich müssen in Deutschland Steuerpflichtige ihre Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen im Inland führen sowie die steuerrelevanten Daten im Inland verarbeiten und aufbewahren (§ 146 Abs. 2 S. 1 AO). Werden die Buchführung oder Teile davon in eine andere Jurisdiktion verlagert, war bis Dezember 2020 in allen Fällen ein Antrag bei der Finanzverwaltung zu stellen und dessen Bewilligung abzuwarten, bevor mit der Verlagerung begonnen werden konnte (§ 146 Abs. 2a AO a.F.).

Legt man die von der Finanzverwaltung vertretene, weite Auslegung des Begriffs der Buchführung zu Grunde und berücksichtigt, dass nicht nur die Verlagerung von Buchführungstätigkeiten, sondern auch der Betrieb von Buchführungssoftware im Ausland eine Antragspflicht nach sich zog, waren in Konstellationen mit komplexen Systemlandschaften und international hochintegrierten Prozessen u. U. jährlich neue oder ergänzte Buchführungsverlagerungsanträge zu stellen. So mussten etwa die Einführung eines neuen Systems zur Reisekostenabrechnung mit Serverstandorten im Ausland oder die Verlagerung der Eingangsrechnungserfassung in ein Shared Services Center bis zur Neuregelung bei den jeweils zuständigen Finanz- und Hauptzollämtern vorab beantragt werden. Änderungen der verlagerungsrelevanten Umstände (z.B. Wechsel des Hosting-Dienstleisters und damit verbundener Umzug der Datenhaltung) musste dem Finanzamt angezeigt werden (§ 146 Abs. 2a S. 4 AO a.F.). Wurde die elektronische Buchführung ohne vorherige Bewilligung ins Ausland verlagert, so drohte die Festsetzung von Verzögerungsgeldern zwischen 2.500 € und 250.000 € oder die Anordnung, eine unbewilligte Auslandsbuchführung nach Deutschland zurück zu verlagern.

Änderungen durch das JStG 2020

Aus dem JStG 2020 ergeben sich hier Änderungen: Seit dem 29.12.2020 muss zwischen einer Verlagerung in das EU-Ausland und einer Verlagerung in ein Drittland unterschieden werden. Für die Buchhaltungsverlagerung innerhalb der EU besteht nunmehr weder eine Antrags- noch Anzeigepflicht. Stattdessen gilt nun folgendes:

  • Aus dem ursprünglichen Abs. 2a des § 146 AO (a.F.) wurde Abs. 2b. Der neue Abs. 2a des § 146 AO (n.F.) bestimmt nun, dass Steuerpflichtige – abweichend von § 146 Abs. 2 Satz 1 (Buchführung grds. im Inland) – elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union führen und aufbewahren können.
  • Machen Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, haben sie sicherzustellen, dass der Datenzugriff im Rahmen von Betriebsprüfungen (§ 147 Abs. 6 AO) und Nachschauen (§ 146b Abs. 2 AO, § 27b Abs. 2 UStG) vollumfänglich bereitgestellt werden kann.
  • Der in Abs. 2b verschobene ehemalige Abs. 2a erfuhr lediglich die folgerichtige Anpassung seines Geltungsbereichs (nur noch für Verlagerungen in ein Drittland) und die Ergänzung, dass die für diese Fälle nach wie vor erforderliche Antragstellung auch auf elektronischem Wege erfolgen kann. Der Datenzugriff sowie das steuerliche Wohlverhalten in der Vergangenheit bleiben wesentliche Antragsvoraussetzungen für Fälle der Buchführungsverlagerung außerhalb der EU. Die übrigen Bedingungen, unter denen eine Verlagerung bewilligungsfähig ist, wurden ebenfalls nicht verändert.

Fazit

Aus Sicht der Steuerpflichtigen ist die Neuregelung grundsätzlich zu begrüßen, entbindet sie doch für eine nicht unerhebliche Fallgruppe von einem Genehmigungsverfahren, das in der Praxis mit durchaus aufwendiger Informationserhebung verbunden ist. Dies gilt umso mehr, wenn im Rahmen der Bewilligung dem Antragsteller teils umfangreiche Fragenlisten in Ergänzung zum Buchführungsverlagerungsantrag zur Beantwortung vorgelegt werden. In der Praxis gehen die Rückfragen einzelner Finanzämter so weit, dass sie die Vorlage vollständiger, GoBD-konformer Verfahrensdokumentationen für alle im Einsatz befindlichen DV-Systeme (nicht nur derjenigen, die verlagert werden sollen) umfassen, die – nicht selten – in einer erst anzufertigenden deutschen Übersetzung angefordert werden.

Dass die Antragspflicht für EU-Sachverhalte nunmehr entfällt, ist zu begrüßen. Das gleiche gilt für den Wegfall der Mitteilungspflicht bei Änderung der Verhältnisse, die bis dato häufig vergessen wurde (§ 146 Abs. 2a S. 4 AO a.F.), für EU-Fälle.

Inwieweit aber bei rein innereuropäischen Fällen die Drohkulisse einer Anordnung der (unverzüglichen) Rückverlagerung der Buchführung in das Inland nunmehr gänzlich ausgeschlossen werden kann, erfordert u.E. eine weitere Klärung. Nach § 146 Abs. 2a Satz 2 AO n.F. haben Steuerpflichtige, die von der Befugnis einer antragslosen Verlagerung der Buchführung in das europäische Ausland Gebrauch machen, die verschiedenen Datenzugriffsberechtigungen für die Finanzverwaltung in vollem Umfang sicherzustellen. Den Gesetzesmaterialien zum JStG 2020 ist nicht zu entnehmen, ob es sich hierbei lediglich um einen klarstellenden Hinweis auf die ohnehin von jedem Steuerpflichtigen zu erfüllenden Datenzugriffspflichten handelt oder um eine Tatbestandsvoraussetzung für die Verlagerung ins europäische Ausland, die der Finanzverwaltung – bei ihrer Verletzung – die Rückverlagerungsanordnung in das Inland (nach wie vor) ermöglicht. Aufgrund des Fehlens eines Rechtsfolgenverweises (bzw. eines Verweises auf § 146 Abs. 2b S. 3 AO n.F.) ist u.E. von einem klarstellenden Hinweis auszugehen und eine Rückverlagerungsanordnung im EU-Fall somit ausgeschlossen.

Da der Finanzverwaltung auch im EU-Verlagerungsfall bei unzureichendem Datenzugriff im Rahmen einer Betriebsprüfung (oder einer Nachschau) selbstverständlich die üblichen Maßnahmen (z.B. die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes, § 146 Abs. 2c AO n.F.) offenstehen und darüber hinaus Amtshilfe- und Informationsaustauschabkommen innerhalb der EU weitreichende Sachverhaltsaufklärung auch bei einer Verletzung der Mitwirkungspflichten ermöglichen, ist die vorgenannte Auslegung nur folgerichtig. Dennoch wäre eine entsprechende Klarstellung in einem BMF-Schreiben zu begrüßen.

Dies gilt im Übrigen auch für die nach wie vor offenen Fragen, die sich im Kontext der Buchführungsverlagerung beim Einsatz von Cloud-basierten Datenverarbeitungssystemen stellen und die in der Praxis immer wieder zu Herausforderungen führen. Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung von § 146 Abs. 2a bis 2c AO leider nicht die Chance ergriffen, Regelungen etwa für die problematische Benennung genauer ausländischer Serverstandorte beim Einsatz von Cloud-basierter Buchführungssoftware zu treffen.

Autorin:

Daria Tyshchenko
Consultant
Tel: +49 (0)89 29036 8467
datyshchenko@deloitte.de

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