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Digitalisierung der Reisekostenabrechnung aus steuerlicher Sicht

Der hohe Aufwand bei der Erstellung der Reisekostenabrechnung ist sowohl für viele Reisende als auch die Verwaltung ein stetiges Ärgernis. Ganz zu schweigen von den Nachfragen, wenn etwas fehlt oder falsch eingetragen ist. Mit der Digitalisierung der Reisekostenabrechnung können Unternehmen Aufwand sparen und die Kosten reduzieren. Um aber Effizienzgewinne eines volldigitalisierten Prozesses ohne Compliance-Risiken zu realisieren und zugleich das steuerliche Kontrollumfeld zu verbessern, sind einige Punkte zu beachten. Wir zeigen Ihnen, welche Punkte das sind.

Wie ist die Ausgangslage?

Bei der Abrechnung und Erstattung von Auslagen und Aufwendungen reisender Mitarbeiter handelt es sich (im weiteren Sinne) um einen Teil der Kreditorenbuchführung. Deshalb lohnt sich ein Vergleich des Rechnungseingangsprozesses mit der traditionellen Reisekostenabrechnung. 

  • Rechnungseingangsprozess: Schon seit fast zwei Jahrzehnten ist der Rechnungseingangsprozess Gegenstand immer weiterreichender Digitalisierung. In Papierform eingehende Rechnungen (mit und ohne Bestellbezug) werden in vielen Unternehmen seit langem in industrialisierten Prozessen eingescannt, mit Hilfe von Texterkennungsprogrammen ausgelesen, automatisierten (oder teilautomatisierten) Kontrollen unterworfen und – sofern systemseitig keine Auffälligkeiten identifiziert werden – sogar automatisch kontiert und verbucht.
  • Traditionelle Reisekostenabrechnung: Die Reisekostenabrechnung, deren Belege nichts Anderes sind als (in der Regel) kleinbetragliche Eingangsrechnungen, ist in vielen Unternehmen weit von volldigitalisierten Prozessen entfernt: Reisedaten werden in Excel erfasst und ausgedruckt, Belege werden angeheftet und per (Haus-)Post an die Reisekostenstelle oder externe Dienstleister versandt. Dort werden sie händisch auf Konformität mit der Reisekostenrichtlinie und mit den (formalen) steuerlichen Anforderungen geprüft. Nicht selten müssen Rückfragen per E-Mail beantwortet werden bis – letztendlich – die erforderliche Erstattung beim Mitarbeiter eingeht. Mit diesem Schritt erfolgt auch eine steuerlich und handelsrechtlich zutreffende Verbuchung der Aufwendungen. Bis heute beschränkt sich die Digitalisierung vielfach auf das Scannen der Belege durch die Reisekostenstelle, mit oder ohne anschließende Vernichtung der Papieroriginale.

Für diese aufwendigen Prozesse gibt es zwei wesentliche Ursachen: Zum einen ist der Prozess der Reisekostenerfassung und -erstattung dezentral organisiert. Reisende Mitarbeiter legen weltweit kleine und kleinste Beträge aus und nehmen dabei die Leistungen einer Vielzahl nicht systematisch buchhalterisch erfasster Kreditoren in Anspruch. Bislang fand die Zentralisierung der Abrechnung und Verbuchung (erst) in der Reisekostenstelle oder bei hiermit betrauten Dienstleistern statt.

Zum zweiten ist – im Vergleich zum „normalen“ Rechnungseingang – eine weitere Ebene steuerlicher Konsequenzen zu berücksichtigen, die die Informationsanforderungen und damit die Komplexität erhöht: die Lohnsteuer. Primär für deren Zwecke müssen Reiseverläufe, gewährte Mahlzeiten, Teilnehmer an Bewirtungen etc. erfasst und steuerlich gewürdigt werden. Auch dies erfolgte bislang überwiegend (erst) in der Reisekostenstelle oder beim Dienstleister.

Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung der Reisekostenabrechnung?

In der „neuen Welt“ der Reisekostenabrechnung wird ein Großteil des Prozesses in entsprechende Self-Service IT-Systeme (z.B. SAP Concur) sowie zeitlich nach vorn verlagert. Eine (in der Praxis zumeist noch nicht vollständig realisierte) digitale Reisekostenabrechnung zeichnet sich durch folgende Elemente aus:

  • Mitarbeiter erfassen ihre Reisedaten direkt in einem webbasierten System, das weltweit vom eigenen Notebook oder per mobiler Anwendung zugreifbar ist (Reisekostensystem). Wo entsprechende Schnittstellen existieren, werden Reisedaten direkt aus Buchungsportalen übernommen und müssen nicht eingegeben werden.
  • Papierbelege (Restaurantrechnungen, Taxiquittungen etc.) werden von reisenden Mitarbeitern unmittelbar digitalisiert – üblicherweise durch Fotografieren mit dem Smartphone. Das Reisekostensystem übernimmt die Texterkennung (Optical Character Recognition – OCR), liest mit Hilfe intelligenter, lernender Algorithmen Belegdaten aus und verarbeitet diese zu einem Vorschlag für die Erfassung der Auslagen. Der Mitarbeiter muss lediglich die Werte überprüfen, nicht oder fehlerhaft erkannte Daten korrigieren und fehlende Angaben ergänzen (z.B. den Anlass einer Bewirtung).
  • Wo entsprechende Schnittstellen existieren, werden Belegdaten automatisch an das Reisekostensystem übertragen (z.B. bei Zahlung mit der Firmen-Kreditkarte). Dies reduziert sowohl die Notwendigkeit manueller Eingriffe als auch die Fehleranfälligkeit deutlich.
  • Intelligente Prüfregeln verhindern die fehlerhafte Erfassung von Auslagen. Somit sorgen sie schon bei deren Eingabe für Konformität mit der Reisekostenrichtlinie des Unternehmens sowie den einschlägigen steuerlichen Regeln. Ertrag-, umsatz- und lohnsteuerliche Konsequenzen werden (sofern die erfassten Daten hinreichend differenziert sind) automatisch berechnet, z.B. der nicht-abziehbare Anteil von Bewirtungsaufwendungen oder lohnsteuerpflichtige Tagegelder.
  • Wo erforderlich, kann die Freigabe zur Erstattung verauslagter Kosten von einer zentralen Prüfstelle (Reisekostenstelle oder externer Dienstleister) sowie vom Vorgesetzen ebenfalls vollständig digital im Reisekostensystem vorgenommen werden.

Was ist aus Sicht des deutschen Steuerrechts zu beachten?

Wie bei allen Teilprozessen der Buchführung, bei denen aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten entstehen, unterliegt der Reisekostenprozess den §§ 146, 147 AO sowie den GoBD. Zusätzlich sind die besonderen Aufzeichnungspflichten des Einkommens- und Umsatzsteuergesetzes (z.B. § 4 Abs. 7 EStG, § 22 UStG) und die formalen Rechnungsanforderungen (§ 14 UStG) zu beachten.

Insbesondere in ihrer Neufassung vom 28.11.2019 stehen die GoBD einer Digitalisierung des Reisekostenprozesses grds. nicht entgegen (vgl. Deloitte Podcast zu den neuen GoBD). Sie stellen aber hohe Anforderungen an deren initiale Umsetzung sowie den täglichen Betrieb. Die Erfüllung der GoBD-Anforderungen kann zudem nicht durch das Einschalten von Dienstleistern abbedungen werden; Steuerpflichtige bleiben letztverantwortlich für ihre Einhaltung.

Unter anderem sollten die folgenden Punkte aus formell- und materiell-rechtlicher Sicht Beachtung finden:

  1. Die Digitalisierung von Papierbelegen durch reisende Mitarbeiter muss erhöhten Anforderungen an die Lesbarkeit und die Auswertbarkeit der Scanergebnisse genügen. Der Soll-Prozess ist aus organisatorischer und technischer Sicht im Detail zu dokumentieren und durch automatische oder manuelle Kontrollen abzusichern.
  2. Sowohl die Daten der Reisekostenabrechnungen selbst als auch die Belegbilder müssen über die gesamte Aufbewahrungsfrist unveränderbar gespeichert werden. Unabsichtliche Änderungen oder Datenverlust müssen genauso ausgeschlossen sein wie beabsichtige Manipulation.
  3. Einmal hergestellte maschinelle Auswertbarkeit (z.B. durch Texterkennung) muss erhalten bleiben – und zwar auch bei Archivierung oder einem Wechsel des Reisekostensystems oder des Dienstleisters.
  4. Ebenso muss der Datenzugriff für die Betriebsprüfung über die gesamte Aufbewahrungsfrist sichergestellt sein. Dies gilt sowohl für den direkten und indirekten Datenzugriff (Z1, Z2) als auch für die sog. Datenträgerüberlassung (Z3).
  5. Sämtliche Schnittstellen, über die steuerrelevante Daten dem Reisekostensystem sowohl zufließen als auch von diesem an Lohn- und Hauptbuchführungssysteme weitergegeben werden, sind auf Erfüllung der steuerlichen Erfordernisse zu prüfen und GoBD-konform zu dokumentieren.
  6. Systemseitig vorgenommene Berechnungen – etwa des lohnsteuerpflichtigen Anteils von Erstattungen – müssen in allen Szenarien zu richtigen Ergebnissen führen, da ansonsten die Gefahr einer systematischen Steuerverkürzung besteht. Dies ist durch geeignete Testfälle zu prüfen und zu dokumentieren.
  7. Wie die Berechnungslogiken müssen auch Plausibilisierungsregeln und automatische Kontrollen die jeweils aktuelle Rechtslage zutreffend abbilden, da sie ansonsten wirkungslos sind bzw. Scheinsicherheit vermitteln.
  8. Die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben darf nicht dazu führen, dass steuerlich aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten vorzeitig gelöscht werden.

Werden die vorstehenden Bedingungen im Rahmen der Systemeinführung und Prozessumstellung erfüllt und die Einhaltung der Vorgaben im Betrieb konstant überwacht, kann die Digitalisierung der Reisekostenabrechnung maßgeblich zur Effizienzsteigerung dieses Teilbereichs der Buchführung beitragen.