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Coming soon - Das Bauland­mobilisierungs­gesetz

In Umsetzung des Koalitionsvertrags hat die Bundesregierung am 9. Juni 2020 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vorgestellt. Ziel des Gesetzes ist die Mobilisierung von Bauland, vornehmlich zur Schaffung von Wohnraum. Hierzu sollen zahlreiche Bestimmungen des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert werden. Der nachstehende Beitrag gibt einen ersten Überblick über wesentliche Inhalte der geplanten Neuregelungen.

Wohnraum ist knapp. Bauland ist rar. Geld ist aus. Die Regelungen zur Bauleitplanung sind umständlich. Was nun?

Bereits im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 hatten sich die Koalitionsparteien erste Gedanken zur Beantwortung vorstehender Frage gemacht, insbesondere die Unterstützung der Gemeinden bei der Gewinnung von Bauland und der Sicherung bezahlbaren Wohnraums beschlossen, und in der Folge eine Baulandkommission eingerichtet, die sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzte. Diese Expertenkommission legte sodann am 2. Juli 2019 ihre Empfehlungen vor, die Grundlage des Referentenentwurfs vom 9. Juni 2020 zur Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) - mit dem Ziel der „Mobilisierung“ von Bauland - wurden. Bis zum 3. Juli 2020 konnten die Branchenverbände zum Entwurf Stellung nehmen.

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die im Wesentlichen angestrebten Neuerungen gegeben werden:
 

I. Vereinfachte Erteilung von Baugenehmigungen

Eines der Ziele des Gesetzgebers ist die Vereinfachung der Erteilung von Baugenehmigungen. Hierzu sieht der Referentenentwurf im Wesentlichen drei Möglichkeiten vor:

  • Erstens und bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 die mögliche Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zugunsten des Wohnungsbaus in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 31 BauGB-RefE).
  • Zweitens innerhalb des sog. unbeplanten Innenbereichs für die Änderung eines Wohngebäudes oder die Nutzungsänderung eines Gebäudes zu Wohnzwecken die Möglichkeit der Abweichung von dem Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung, wenn die Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht erforderlich ist (§ 34 BauGB-RefE).
  • Drittens im sog. Außenbereich Erleichterungen bei der Genehmigungserteilung für die Umnutzung vormals landwirtschaftlich genutzter Gebäude in Wohngebäude (§ 35 BauGB-RefE).

Von den Branchenverbänden, insbesondere des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), wird die Möglichkeit umfassenderer Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans überwiegend positiv aufgenommen, vor allem, weil eine Befreiung bekanntermaßen schneller erteilt werden könne als sich ein Planänderungsverfahren durchführen lasse.

Angeregt wird von den Interessenvertretern der Immobilienwirtschaft jedoch, auch zur Stärkung zentraler Versorgungsbereiche (Einzelhandel) Befreiungen von den Festsetzungen im Bebauungsplan großzügiger zu gestatten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.
 

II. Erweitertes Vorkaufsrecht für Gemeinden

Verkauft eine Privatperson (oder Gesellschaft) ein Grundstück an eine andere Privatperson (oder Gesellschaft) und liegt das Grundstück in einem bestimmten Gebiet – z.B. im Geltungsbereichs eines Bebauungsplans oder in einem sog. Sanierungsgebiet – kann die Gemeinde gemäß § 24 BauGB unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht geltend machen und dadurch anstelle des Käufers mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag zu den im Wesentlichen gleichen Konditionen abschließen, die zuvor zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelt worden waren.

In Umsetzung des Koalitionsvertrags enthält der Referentenentwurf mehrere Regelungen zur Stärkung des vorbeschriebenen kommunalen Vorkaufsrechts, namentlich.

  • Die Klarstellung, dass die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde sowie die Innenentwicklung zu den Gründen des Wohls der Allgemeinheit gehören, die eine Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen können (§ 24 BauGB-RefE). 
  • Die Einführung eines zusätzlichen Vorkaufsrechts der Gemeinde für beplante und unbeplante Grundstücke im sog. Innenbereich, wenn diese Grundstücke dadurch einen städtebaulichen oder anlagenbezogenen Missstand darstellen, dass sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale und städtebauliche Umfeld aufweisen, insbesondere durch ihren baulichen Zustand oder ihre missbräuchliche Nutzung (§ 24 BauGB-RefE). Gemeint sind hiermit die umgangssprachlich als „Schrottimmobilien“ bezeichneten Grundstücke. 
  • Die Einführung der Möglichkeit des Erlasses einer Vorkaufsrechtssatzung für brachliegende Grundstücke in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 25 BauGB-RefE). 
  • Außerdem die Verlängerung der Frist für die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts von zwei auf drei Monate (§ 28 BauGB-RefE).

Um jedoch im Gegenzug zu verhindern, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht allein zur Bodenbevorratung ausübt, soll die Gemeinde, die die Ausübung eines Vorkaufsrechts auf die beabsichtigte Innenentwicklung stützt, nachvollziehbar darlegen, dass ein Grundstück für die Innenentwicklung tatsächlich in Betracht kommt. Hierzu soll sie beispielsweise ein Städtebauliches Entwicklungskonzept i.S. des neuen § 176a BauGB-RefE vorlegen.

Wenig überraschend wird die Stärkung des Vorkaufsrechts der Gemeinden von den Branchenverbänden abgelehnt. Nach Auffassung von Vertretern der Praxis würden hierdurch Neuinvestitionen behindert. Es bestünden sogar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einzelner der vorgenannten Regelungsentwürfe, weil sie einen zu unbestimmten Wortlaut enthielten und insbesondere einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit begründeten.
 

III. Umwandlungsverbot

Um Wohnungseigentum zu schaffen, kann ein Grundstück vom Eigentümer gemäß § 8 WEG in Miteigentumsanteile aufgeteilt werden. Hierfür ist bislang in den meisten Fällen keine Genehmigung erforderlich.

Gemäß § 250 BauGB-RefE soll die Aufteilung in Wohnungseigentum bei bereits bestehenden Wohngebäuden in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt künftig jedoch einer Genehmigung bedürfen, die nur unter engen Voraussetzungen – z.B. zugunsten von Miterben eines zu einem Nachlass gehörenden Grundstücks - erteilt werden soll. Auf Neubauten ist die Regelung nicht anwendbar. Als milderes Mittel zur Genehmigungsversagung sieht der Entwurf die Erteilung einer Genehmigung unter Auflagen vor.

Ziel dieser Regelung ist die Verhinderung der Verdrängung von Bestandsmietern durch Umwandlung von Bestandsmiet- in Eigentumswohnungen.

In Städten wie Berlin ist das vorbeschriebene Umwandlungsverbot bereits im Zusammenhang mit lokal geltenden sog. Erhaltungssatzungen bekannt. Anstelle einer örtlich beschränkten Geltung aufgrund entsprechender Satzungen, soll das Umwandlungsverbot nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr offenbar bundesweit in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten, wobei die Genehmigungsvoraussetzungen in § 250 BauGB-RefE von denjenigen in § 172 BauGB abweichen.

Das Verhältnis zwischen § 172 BauGB i.V. mit bestehenden Erhaltungssatzungen zu § 250 BauGB-RefE ist derzeit noch rechtlich ungeklärt.
 

IV. Erleichterte Aufstellung von Bebauungsplänen

Nach vielen Landesbauordnungen ist die Errichtung bestimmter Bauvorhaben, insbesondere zur Wohnnutzung, genehmigungsfrei möglich, wenn es den Festsetzungen des für das Bauvorhaben geltenden Bebauungsplans entspricht und die Erschließung gesichert ist. Durch die Aufstellung von Bebauungsplänen können daher langwierige einzelne Genehmigungsverfahren vermieden werden. Allerdings erwies sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit auch die Aufstellung eines Bebauungsplans als eine komplizierte und besonders langwierige Angelegenheit. Um dem zumindest geringfügig Abhilfe zu verschaffen, enthält der Referentenentwurf folgende Erleichterungen: 

  • Gemäß § 13b BauGB-RefE soll zugunsten der Gemeinde nunmehr bis zum 31. Dezember 2022 die bereits mit der Novelle 2017 eingeräumte Möglichkeit verlängert werden, Bebauungspläne mit einer Grundfläche < 10.000 m², durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen im sog. Außenbereich nahe des sog. Innenbereichs im beschleunigten Verfahren aufzustellen. 
  • Des Weiteren soll gemäß § 9 Abs. 2d BauGB-RefE für Gemeinden eine Möglichkeit geschaffen werden, in einem sog. sektoralen Bebauungsplan festsetzen zu können, dass im Geltungsbereich nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen oder bei denen ein Vorhabenträger sich in einem städtebaulichen Vertrag dazu verpflichtet hat, die Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Mietpreisbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird. Die Regelung soll bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 befristet werden.

Die Einführung eines sektoralen Bebauungsplans als neues Planungsinstrument wird von den Branchenverbänden eher kritisch gesehen, weil es die Planung weiter verzögere als beschleunige. Teilweise wird er im Hinblick auf die Mittel des geltenden Rechts auch als schlicht „überflüssig“ bezeichnet. Stattdessen fordern die Branchenverbände zur Beschleunigung des Wohnungsbaus eine bessere personelle und fachliche Ausstattung der Gemeinden.

Hingegen wird die Verlängerung des Geltungszeitraums des § 13b BauGB von den Branchenverbänden als positiv bewertet. Hierdurch werde eine zügigere Planaufstellung ermöglicht.
 

V. Ausgleichszahlungen/ Ersatzgeld

Nach § 1a Abs. 3 BauGB muss die Gemeinde, die einen neuen Bebauungsplan aufstellen möchte, einen Ausgleich für den damit einhergehenden Eingriff in die Natur vorsehen, insbesondere sog. Ausgleichsflächen festsetzen. Die Gemeinde kann diese Aufgabe bislang mit Hilfe von Darstellungen im Flächennutzungsplan und Festsetzungen im Bebauungsplan lösen. Zur Verfügung stehen ihr aber auch der Abschluss städtebaulicher Verträge sowie die Alternative, Ausgleich auch auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen vorzusehen.

Mit der angestrebten Gesetzesnovelle des BauGB soll eine weitere Kompensationsmöglichkeit hinzugefügt werden. Bei nicht vermeidbaren und nicht anderweitig ausgleichbaren, in einem Bebauungsplan vorgesehenen voraussichtlichen Eingriffen in Natur und Landschaft soll nunmehr eine Ersatzgeldzahlung ermöglicht werden. Die Einzelheiten hierzu werden in § 135d BauGB-RefE geregelt.

§ 135d BauGB-RefE sieht vor, dass das Ersatzgeld von der Gemeinde vom Vorhabenträger oder Eigentümer erhoben wird und als öffentliche Last auf dem Grundstück, auf dem der Eingriff in die Natur droht, ruht. Die Pflicht zur Zahlung des Ersatzgeldes soll entstehen, sobald das betroffene Grundstück baulich oder gewerblich genutzt werden darf.

Von den Branchenverbänden wird die Einführung der Möglichkeit zur Zahlung eines Ersatzgeldes überwiegend begrüßt, weil es viele Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen erleichtere und einen zielgerechteren Einsatz des zu entrichtenden Betrages ermögliche.
 

VI. Neue Gebietskategorie

Gemäß § 34 BauGB ist ein Vorhaben im sog. Innenbereich zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einer der Gebietskategorien, die in der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nur noch danach, ob es nach der BauNVO in dieser Gebietskategorie allgemein zulässig wäre. Es kann daher für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens entscheidend darauf ankommen, welcher der in der BauNVO benannten Gebietskategorien das Bauvorhaben zuzuordnen ist.

Im Hinblick auf die BauNVO sieht der Referentenentwurf daher insbesondere die folgenden Änderungen vor:

  • In die BauNVO soll die neue Gebietskategorie „Dörfliche Wohngebiete“ aufgenommen werden. Nach § 5a BauNVO-RefE sollen Dörfliche Wohngebiete „dem Wohnen, der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen, der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben“ dienen.
  • In Dörflichen Wohngebieten soll eine höhere Grundflächenzahl als in reinen oder allgemeinen Wohngebieten zulässig sein.
  • Auch sollen die Angaben zum Maß der baulichen Nutzung nur noch als „Orientierungswerte“ dienen.

Zweck der Einführung der neuen Gebietskategorie soll es sein, in sich stark wandelnden ländlichen Räumen ein einvernehmliches Nebeneinander von Wohnen (Neubau und Bestand), landwirtschaftlichen Betrieben (im Neben- und Haupterwerb) und gewerblicher Nutzung zu ermöglichen.

Die Einführung einer neuen Gebietskategorie wird in der Praxis skeptisch gesehen. Grund hierfür ist insbesondere, dass neue Gebietskategorien häufig eine gewisse Rechtsunsicherheit hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs schaffen – dies zeigte sich zuletzt bei der Einführung des „Urbanen Gebiets“ - und dadurch die Aufstellung neuer Bebauungspläne auch verzögern könnten.
 

VI. Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob die vorgestellten Regelungen tatsächlich so in das neue Gesetz aufgenommen werden und welche Änderungen im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens noch eingebracht werden.

Zwar weist der Referentenentwurf begrüßenswerte und von den Interessenverbänden befürwortete Ansätze zur Flexibilisierung auf, andererseits werden jedoch auch Instrumente staatlicher Einflussnahme betont, von denen durchaus fraglich ist, ob sie tatsächlich zu vermehrter Bautätigkeit bzw. der Schaffung von neuem Wohnraum dienten - jedenfalls in der Vergangenheit wurden sie zumindest teilweise auch dazu genutzt, politische Wunschvorstellungen durchzusetzen, statt zur Schaffung von neuem Wohnraum beizutragen. So ist der Gesetzentwurf zumindest in Teilen auch Ausdruck der Versuche des Gesetzgebers, der Wohnraumknappheit in bestimmten Ballungsgebieten nicht durch eine „Entfesselung der Kräfte des Marktes“ und eine damit einhergehende Korrektur auf der Angebotsseite herbeizuführen, sondern auf das Instrument (zunehmender) staatlicher Regulierung zu setzen. Die Erfahrungen mit derlei Lenkungsmaßnahmen rechtfertigen sicherlich Zweifel an deren Geeignetheit - vieles wird die Zeit weisen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es mit den geplanten Gesetzesänderungen nicht getan sein dürfte. Flankierende Maßnahmen, wie z.B. eine deutlich bessere personelle und fachliche Ausstattung der Gemeinden, die Weiterentwicklung von Digitalkompetenz und Sicherstellung effizienter Verwaltungsabläufe sind sicherlich ebenso erforderlich wie die Entwicklung von modernen (Straßen-)Verkehrskonzepten, eine Verschlankung und Vereinfachung der gesetzlichen Regelungen zum Bauplanungsrecht und schließlich gegebenenfalls auch Ansätze zu einer abweichenden Auflösung von unumgänglichen Zielkonflikten im Interesse einer beschleunigten Schaffung von neuem Wohnraum. Die angestrebten Gesetzesänderungen dürften und sollten daher erst der Anfang sein. Über die weiteren Entwicklungen werden wir berichten.

Marktteilnehmer, die von den geplanten Regelungen unmittelbar betroffen wären, sollten erwägen, die geplanten Neuregelungen in ihre Planung mit einzubeziehen, Maßnahmen vorzuziehen und nach hinten zu stellen und/oder rechtzeitig Anpassungen bei den betrieblichen Abläufen oder Geschäftsmodellen vorzunehmen.
 

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