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Mehr Lohngerechtigkeit per Gesetz – Umgang mit dem neuen Gesetzentwurf
Am 11. Januar 2017 hat die Bundesregierung den von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) eingebrachten Entwurf des „Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“ (kurz: Entgelttransparenzgesetz) beschlossen.
Der folgende Beitrag gibt einen kompakten Überblick über die Hintergründe, die Zielsetzung und die wesentlichen Inhalte der Gesetzesinitiative und zeigt in praktischer Hinsicht Möglichkeiten zur Handhabung der in der geplanten gesetzlichen Regelung vorgesehenen Arbeitgeberpflichten auf.
Hintergrund und Zielsetzung
Gemäß der Gesetzentwurfsbegründung beträgt die statistische Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland, bezogen auf das durchschnittliche Bruttostundengehalt, rund 21 Prozent. Berücksichtige man strukturelle Faktoren und erwerbsbiografische Unterschiede zwischen Frauen und Männern, wie insbesondere eine geschlechtsspezifische Berufswahl, eine geringere Präsenz von Frauen in Führungspositionen, familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und länger andauernde Teilzeittätigkeit, übersteige die durchschnittliche Vergütung eines Mannes die einer Frau bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes immer noch um 7 Prozent.
Vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Verpflichtung des Gesetzgebers, auf die Durchsetzung des Gebots der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern hinzuwirken, besteht das erklärte Ziel des Entgelttransparenzgesetzes daher in der Beseitigung von unmittelbarer und mittelbarer Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts durch die Förderung der Transparenz von Entgelt und Entgeltregelungen – „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“.
Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs
Das ehrgeizige Ziel der Lohngerechtigkeit soll insbesondere durch die folgenden gesetzlichen Mechanismen erreicht bzw. gefördert werden:
Individueller Auskunftsanspruch
Zur Überprüfung des nunmehr im Gesetzentwurf ausdrücklich geregelten Entgeltgleichheitsgebots, wonach für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht aufgrund des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbart werden darf (derartige Absprachen sind kraft Gesetzes unwirksam), haben Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten einen individuellen Auskunftsanspruch.
Der Auskunftsanspruch erstreckt sich dabei sowohl auf die Angabe der Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung als auch auf die Angabe des sogenannten Vergleichsentgelts. Dieses errechnet sich aus dem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt (bestehend aus dem Grundgehalt und bis zu zwei vom Beschäftigten wählbaren weiteren Entgeltbestandteilen, z.B. Dienstwagen oder Bonus) aller Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Zur Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten verfällt ein Auskunftsanspruch allerdings, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird.
Das schriftlich zu fassende Auskunftsverlangen kann grundsätzlich alle zwei Jahre eingereicht werden, erstmals jedoch sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Vor Ablauf der Zweijahresfrist besteht ein erneuter Auskunftsanspruch lediglich dann, wenn sich die Voraussetzungen wesentlich verändert haben, insbesondere bei einem Stellenwechsel.
Besteht ein Betriebsrat, ist das Auskunftsverlangen an diesen zu richten. Der Betriebsrat holt die angeforderten Informationen beim Arbeitgeber ein und erteilt die Auskunft innerhalb von drei Monaten in Textform. Existiert kein Betriebsrat, erfüllt der Arbeitgeber die Auskunftspflicht entsprechend. Tut er dies nicht, trägt der Arbeitgeber im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt.
Berichtspflicht für Arbeitgeber
Arbeitgeber mit der in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches lageberichtspflichtig sind, haben regelmäßig einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu erstellen, in welchem sie ihre Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und Herstellung von Entgeltgleichheit darlegen. Der Bericht ist von Unternehmen, in welchen ein Tarifvertrag Anwendung findet, alle fünf Jahre zu erstellen, allen anderen Unternehmen obliegt die Berichtspflicht alle drei Jahre. Der Bericht wird im Bundesanzeiger veröffentlicht, ist also für jedermann frei einsehbar. Mit Inkrafttreten des Gesetzes fordert der Gesetzgeber die erstmalige Erstellung und Veröffentlichung im Folgejahr.
Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit
Beinhaltete die vorherige Fassung des Gesetzentwurfs noch eine Verpflichtung privater Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, mit Hilfe bestimmter betrieblicher Prüfverfahren die bestehenden Entgeltstrukturen regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen, werden diese Arbeitgeber nach der nunmehr beschlossenen Fassung des Gesetzentwurfs hierzu lediglich noch aufgefordert. Führt ein Arbeitgeber ein derartiges betriebliches Prüfverfahren freiwillig durch, hat dieses bestimmten gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen.
Praktische Handhabung der vorgesehenen Arbeitgeberpflichten
Identifizierte Handlungsfelder für Unternehmen
Es stellt sich die Frage, wie gleiche bzw. gleichwertige Arbeit im Sinne des Gesetzes definiert werden kann. Der Gesetzgeber verweist hier auf wesentliche Faktoren wie die Art der verrichteten Tätigkeit, die Ausbildungsanforderungen sowie die Arbeitsbedingungen, die an eine Stelle geknüpft sind – unabhängig von Person oder Leistung. Beschäftigte üben also eine gleichwertige Arbeit aus, sofern sie unter Zugrundelegung dieser Gesamtheit von Faktoren als vergleichbar angesehen werden kann.
Stellenbewertung als Ordnungsrahmen
Die Verwendung eines Eingruppierungs- bzw. Stellenbewertungsverfahrens bildet die Grundlage für die Schaffung der vom Gesetz geforderten Anforderungsklarheit. Dabei werden die Anforderungen an die Stelle zunächst objektiv dokumentiert, analysiert und basierend auf vordefinierten Kriterien einer vergleichenden Bewertung unterzogen. Dieses systematische Verfahren erleichtert einerseits den Vergleich von unterschiedlichen Stellen innerhalb des Unternehmens, andererseits dient es als Ausgangsbasis zur Gestaltung von gerechten und transparenten Entgeltstrukturen. Die Schaffung einer nachvollziehbaren Stellenarchitektur sichert zudem die Akzeptanz der Vergütung bei den Beschäftigten und erleichtert die betriebliche Umsetzung der Regelungen im Sinne des Entgeltgleichheitsgebots.
Bilden solche Ordnungssystematiken in deutschen Großunternehmen bereits die Basis für viele personalpolitische Prozesse, so haben insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen hier erwartungsgemäß Nachholbedarf. Anders als beispielsweise in tarifgebundenen Unternehmen, in denen die tarifvertraglichen Entgeltregelungen den Rahmen für die Feststellung von gleicher oder gleichwertiger Arbeit liefern, werden Vergütungsentscheidungen noch stark von subjektiven Entscheidungen beeinflusst. Das vorliegende Gesetz ist insbesondere auch für außertarifliche Beschäftigte von Relevanz. Den gewährten Gehältern fehlt häufig die Vergleichbarkeit, sie sind intransparent und können interne Ungleichgewichte erzeugen. Die mit der Gesetzeseinführung verbundenen Auflagen werden erwartungsgemäß solche Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, die diesen Ordnungsrahmen bisher nicht geschaffen haben.
Bei einer Umsetzung sind Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Wahl der Bewertungsmethodik, soweit es den geschilderten Anforderungen des Entgeltgleichheitsgebots entspricht. Das Angebot an Stellenbewertungssystemen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Bewertungsverfahren reichen von einfachen summarischen bis hin zu komplexen analytischen Systemen. Es liegt in der Verantwortung der Personalverantwortlichen, aus der Vielzahl von Angeboten den für sie geeigneten Ansatz zu identifizieren. Die Auswahl der Methode ist dabei stark von Größe und Komplexität des Unternehmens abhängig.
Neben der Bewertung von Stellen sowie der Auskunftspflicht wird empfohlen, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in einem weiteren Schritt betriebliche Prüfverfahren implementieren. Der im Gesetzentwurf geschilderte Prozess gliedert sich in eine Bestandsaufnahme, gefolgt von Analyse und Ergebnisbericht. Die erhobenen Daten, nach Geschlecht aufgeschlüsselt, werden anschließend in einem Ergebnisbericht zusammengefasst und können betriebsintern zugänglich gemacht werden. Dabei ist auf eine valide statistische Methodik, Wahrung des Datenschutzes sowie frühzeitige Unterrichtung des Betriebsrats zu achten. Bei der Anwendung ist ein standardisierter und systemisch umgesetzter Prozess, insbesondere aus Effizienz- und Kostengesichtspunkten, auf Dauer unerlässlich.
Angesichts der gestiegenen Anforderungen an die Unternehmen sollten diese nicht bis zur finalen Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch das Parlament warten, sondern Verfahren und Strukturen entwickeln, um die Gleichstellung innerhalb der Organisation sicherzustellen.
Über Deloitte
Die Berater von Deloitte unterstützen Unternehmen bei der objektiven Auswahl und Einführung eines Stellenbewertungssystems und helfen bei der passgenauen, rechtlichen Interpretation der Gesetzeslage und den verbundenen Anforderungen. Mit unserer Deloitte eigenen Methodik zur Stellenbewertung (JES) bieten wir zudem ein flexibles System, das auf unternehmensspezifische Bedürfnisse individuell ausgerichtet und auch in Kombination mit bestehenden Bewertungsverfahren genutzt werden kann. Die Beratungsleistungen umfassen zudem neben dem quantitativen Vergleich von Vergütungsdaten, die Unterstützung bei der Erfüllung der Berichtspflichten und die Definition geeigneter Maßnahmen.
Die Verwendung eines Stellenbewertungsverfahrens bildet die Grundlage für die Schaffung der vom Gesetz geforderten Anforderungsklarheit
Ansprechpartner
Klaus Heeke Partner | Employment Law Phone: +49 211 8772 3447 |
Maximilian Evers Senior Manager | Human Capital Advisory Services Phone: +49 211 8772 3059 |
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