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Nachweispflichten in der betrieblichen Altersversorgung

Keine Digitalisierung der bAV?

Die Verschärfungen der am 1. August 2022 in Kraft getretenen erweiterten Nachweispflichten nach dem Nachweisgesetz (NachwG) führten vor allem durch das nun Bußgeld bewährte Schriftformerfordernis zu einer vielfach bereits im Vorhinein kritisierten Bürokratie-Lawine und Digitalisierungshürde im Arbeitsrecht. Bereits vor der Reform bestanden Pflichten zur Verschriftlichung und Unterrichtung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in diversen Vorschriften des Versicherungsrechts, dem Versicherungsaufsichtsrecht, dem Datenschutzrecht und dem Steuerrecht. Im Nachweisgesetz (NachwG) selbst wurde die bAV bereits als Entgeltbestandteil gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 NachwG als nachweispflichtig angesehen. Nach der Ergänzung des NachwG um weitere bAV-relevante Nachweispflichten und die Einführung des mit Bußgeld bewährten Schriftformerfordernisses sollte ein erneuter Blick auf bAV-Zusagen geworfen werden und die Einhaltung der gesetzlich geforderten Pflichten für zumeist außerhalb des Arbeitsvertrages geregelte bAV-Zusagen überprüft werden. Der Client Alert erörtert erste Praxiserfahrungen zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen der Neufassung des NachwG auf die bAV.

1. Der Startpunkt für die gesetzlichen Nachweispflichten: NachwG 1995

Das Nachweisgesetz wurde 1995 zur Stärkung des Mitarbeiterschutzes in Deutschland aus der europäischen Richtlinie 91/533/EWG eingeführt, um Transparenz über die im Arbeitsverhältnis bestehenden Arbeitsbedingungen zu schaffen. Ungeachtet der Möglichkeit Arbeitsverträge formlos zu schließen, wurden Arbeitgeber verpflichtet ihre Mitarbeiter über die wesentlichen Arbeitsbedingungen zu informieren. Mit der Richtlinie 2019/1152/EU über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen hat der europäische Gesetzgeber den EU-Mitgliedstaaten die Ausweitung der arbeitgeberseitigen Nachweispflichten zum 1. August 2022 aufgegeben.

 

2. Schriftformerfordernis in Deutschland

Die von den nationalen Gesetzgebern umzusetzende EU-Richtlinie gab dabei kein strenges Schriftformerfordernis vor. Vielmehr wurde im Rahmen der Neufassung die Möglichkeit der Einführung eines elektronischen Nachweises eröffnet. Der deutsche Gesetzgeber hielt trotz umfassender Kritik während des Gesetzgebungsverfahrens und der abweichenden Umsetzung in den EU-Nachbarländern am arbeitgeberseitigen Schriftformerfordernis des § 2 NachwG fest, weitete die Unterrichtungspflichten gemäß den Vorgaben der Richtlinie aus und führte ein Bußgeld für Arbeitgeber ein, die gegen die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Arbeitsbedingungen verstoßen.

 

3. Bislang für die bAV bestehende Nachweispflichten

Bereits vor der Neufassung des NachwG war die „Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit“ schriftlich niederzulegen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 NachwG a.F.

Entgeltbestandteile, die aus betrieblicher Altersversorgung und Zeitwertkonten (Wertguthaben) resultieren, unterfallen nach dem überwiegenden Verständnis in der Praxis dem Begriff des Arbeitsentgelts. Das BAG hat bereits mit Urteil vom 13.11.2012 (Az. 3 AZR 444/10) den Entgeltcharakter der Leistungen der bAV erkannt, sodass bereits vor der Neufassung des Nachweisgesetzes Angaben zu den Leistungen aus bAV nachweispflichtig waren. Eine Differenzierung zwischen arbeitgeber- und mitarbeiterfinanzierter bAV findet nicht statt.
Arbeitgeber haben daher auch weiterhin zumindest nachstehende Angaben in die relevante Dokumentation aufzunehmen, um den Vorgaben des NachwG nachzukommen:

  • Angabe des gewählten Durchführungswegs,
  • Höhe und Fälligkeit der Versorgungsbeiträge,
  • Höhe und Berechnung der Versorgungsleistungen,
  • Angaben zu den jeweils mit der Zusage abgesicherten Risiken und
  • Voraussetzungen für den Eintritt des Versorgungfalles

 

4. Neue Nachweispflichten im Hinblick auf bAV

Neu eingeführt wurde die Pflicht zur Angabe des Namens und der Anschrift des Versorgungsträgers in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 13 NachwG. Als Versorgungsträger gelten dabei Pensionskassen, Pensionsfonds, Unterstützungskassen und Versicherungsunternehmen bei Abschluss von Direktversicherungen. Von der Angabepflicht befreit sind Dritte, die an der Durchführung der konkreten bAV-Zusage (nur) zur ergänzenden (Insolvenz)Sicherung beteiligt sind und gegenüber den Versorgungsbegünstigten nicht unmittelbar aus der bAV-Zusage haften, wie etwa Treuhänder aus Treuhandverträgen (Contract Trust Agreements) oder Versicherungsunternehmen aus Rückdeckungsversicherungen.

Die Nachweispflicht entfällt gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 13 NachwG, wenn der Versorgungsträger zur Information des Namens und der Anschrift verpflichtet ist. In der Praxis wird hierzu mitunter vertreten, dass gesetzliche Informationspflichten, die ‚lediglich‘ eine Informationsübermittlung beinhalten, keine Übernahme der Nachweispflicht als Ganzes inkludieren, da gesetzlich lediglich die „Information“ gefordert wird. Für Pensionsfonds, Pensionskassen und Lebensversicherungsunternehmen ergibt sich eine solche Pflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 VAG-Informationspflichtenverordnung (VAG-InfoV). Im Fall der Versorgung durch eine Unterstützungskasse kann die Informationsverpflichtung im Leistungsplan begründet sein. Zur Erfüllung der Informationsverpflichtung aus der VAG-InfoV ist die Beachtung des im NachwG angeordneten Schriftformerfordernisses nicht zwingend erforderlich, da für Pensionsfonds, Pensionskassen und Lebensversicherungsunternehmen die elektronische Form oder Papierform in § 2 Abs. 1 VAG-InfoV zur Erfüllung genügt. Den formellen Anforderungen der Nachweispflicht des Arbeitgebers wird bei Anwendung der geringeren Formerfordernisse nicht nachgekommen. Die Informationspflichten nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VAG-InfoV sind gleichwohl geeignet, die Nachweispflichten des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 13 NachwG zu erfüllen, wenn und weil die Freizeichnung mit Blick auf die anderweitigen gesetzlichen Informationspflichten umfassend verstanden werden und daher auch die für die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebliche Form inkludieren kann.

 

5. Fristen für nachweisbezogene Mitteilungen

Die Neufassung des NachwG bestimmt außerdem Fristen für die Mitteilungen des Arbeitgebers zu den Nachweisgegenständen. Die Angaben zum Arbeitsentgelt und somit auch zur bAV müssen für Arbeitsverhältnisse ab dem 1. August 2022 zu Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Informationen zum Versorgungsträger der bAV-Zusage müssen einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses übermittelt werden.

Bei zukünftigen Änderungen der Arbeitsbedingungen, d.h. auch bei Änderungen der bAV oder bei einem späteren Beginn der bAV, sind die jeweiligen Informationen mit Inkrafttreten mitzuteilen. Dies gilt auch für vor dem 1. August 2022 bestehende bAV-Zusagen.

Für bestehende bAV-Zusagen ohne zwischenzeitliche Änderungen hat der Arbeitgeber die Nachweispflichten nur auf Verlangen des Mitarbeiters in Bezug auf die Angaben zum Arbeitsentgelt spätestens am 7. Tag nach Zugang der Aufforderung und für die Angaben zum Versorgungsträger spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung zu erfüllen. Die praktischen Erfahrungen mit der Geltendmachung des Nachweises für bestehende bAV-Zusagen sind bisher durchwachsen; gleichwohl hat es sich für Arbeitgeber bisher bewährt, die entsprechenden Informationen ‚auf Vorrat‘ zu erstellen, um im Fall der Geltendmachung fristgerecht agieren zu können.

 

6. Ersetzung der Nachweispflichten durch Verweis

In § 2 Abs. 4 Satz 1 NachwG wird es Arbeitgebern ermöglicht, bestimmte Angaben durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu ersetzen. Insoweit muss jedoch stets darauf geachtet werden, dass die gesetzlich geforderten Angaben in den jeweils verwiesenen Regelwerken bestehen. Auf Angaben zum Versorgungsträger wird aufgrund einer mangelnden Mitbestimmungsbedürftigkeit des Betriebsrats in Betriebsvereinbarungen oftmals verzichtet.

 

7. Ein Zwischenfazit

Die Umsetzung der erweiterten Nachweispflichten auch für die bAV-Zusagen gestaltet sich für Arbeitgeber insbesondere mit Blick auf das formale Schriftformerfordernis mitunter schwerfällig; dies insbesondere bei einer bereits (weit) fortgeschrittenen Digitalisierung der bAV mit einer papierlosen Abwicklung etwa von Entgeltumwandlungsvereinbarungen. Arbeitgeber haben daher unverändert zur Erfüllung der formalen Formerfordernisse zu prüfen, ob Entgeltumwandlungsvereinbarungen um eine Arbeitgeberunterschrift im Original ergänzt werden müssen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge, auf welche in einem arbeitsvertraglichen Dokument verwiesen wird, den gesetzlichen Mitteilungspflichten genügen und die Angaben zum Versorgungsträger ordnungsgemäß erteilt wurden. Gegebenenfalls ist eine Begrenzung der Anbieterzahl extern durchgeführter Zusagen angezeigt, um den administrativen Aufwand zu verringern.

Da nur die einseitige schriftliche Erklärung des Arbeitgebers durch das Nachweisgesetz gefordert wird, ist es weiterhin möglich, Versorgungszusagen, -ordnungen und Entgeltumwandlungsvereinbarungen unter vereinfachten Formerfordernissen abzuschließen, solange die schriftliche Dokumentation im geforderten Umfang nachträglich und unter Einhaltung der Frist nachgereicht wird.

Die Digitalisierung der bAV wird durch die Gesetzesänderung mithin nicht gänzlich verhindert. Sie wird jedoch erschwert. Ein Nachweis über eine beispielsweise moderne Portallösung - wie in anderen europäischen Ländern - wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Darauf hat sich die Praxis weiterhin einzustellen.

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