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Vergütung des Betriebsrats/Personalrats – Update 2023
Adaptierung des Untreue-Urteils des BGH vom 10.01.2023 in der Vergütungspraxis
Die Vergütung von Betriebsrats-/Personalratsmitgliedern steht nach dem sog. Untreue-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 (6 StR 133/22) einmal mehr im Fokus der betrieblichen Praxis. Dieser Client Alert erörtert die maßgeblichen Implikationen für die Unternehmenspraxis – sowohl mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats als auch mit Blick auf den für den Vorstand/die Geschäftsführung verbleibenden Gestaltungsspielraum insbesondere im Rahmen der Business/Legal Judgement Rule.
Inhaltsübersicht
- 1. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats I: Ehrenamt- und Lohnausfallprinzip
- 2. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebs-rats/Personalrats II: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für die konkrete Amtstätigkeit
- 3. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats III: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot auch für die weitere Vergütungsentwicklung insbesondere des freigestellten Betriebsratsmitglieds
- 4. „Hypothetische Ausnahmekarriere als Manager“ des freigestellten Mitglieds als alternativer Anknüpfungspunkt für die Vergütungsentwicklung während der Amtszeit – und seine Absage durch den BGH im Untreue-Urteil
- 5. Betriebsübliche berufliche Entwicklung als Grenze des Beurteilungsmaßstabs für die Festsetzung der Vergütung und (andernfalls) strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung
Arbeitgeber haben für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütung vor allem ihrer freigestellten Betriebsratsmitglieder/Personalratsmitglieder eine rechtlich belastbare Vergütungssystematik festzulegen, die unter anderem sowohl das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot als auch das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot zu beachten hat. Die Praxis hat hierzu in der Vergangenheit Vergütungssysteme entwickelt, die für die Entgeltfindung der einzelnen Betriebsrats-/Personalratsmitglieder unter anderem auch die betrieblichen Besonderheiten zur Entgeltstruktur sowie zur konkreten Zusammensetzung der Belegschaft (und die damit verbundene Festlegung des für die Entgeltfindung maßgeblichen Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer für die betriebsübliche berufliche Entwicklung) bedarfsgerecht und zugleich rechtskonform berücksichtigen. Die vom BGH im Untreue-Urteil aufgestellten Rechtssätze bilden Anlass und Gelegenheit für Arbeitgeber, die bestehende Vergütungssystematik für die Betriebsrats-/Personalratsmitglieder auf ihre aktuelle betriebs-/personalverfassungsrechtliche Konformität zu überprüfen und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Dies insbesondere für die für die Betriebsrats-/Personalratstätigkeit freigestellten Mitglieder, aber auch für die nicht freigestellten Mitglieder.
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1.3.2023 | 11:00 Uhr
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1. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats I: Ehrenamt- und Lohnausfallprinzip
Das Amt des Betriebsrats ist gemäß § 37 BetrVG ein Ehrenamt ohne Entgelt. Für die – nach Art und Umfang des Betriebs erforderliche – Betriebsratstätigkeit ist das einzelne Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit für den Arbeitgeber ohne Minderung des Entgelts zu befreien (§ 37 Abs. 2 BetrVG). § 37 Abs. 2 BetrVG begründet dabei keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsrats aus § 611 BGB i.V.m. der maßgeblichen Rechtsgrundlage (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung etc.) ab. Für die Vergütung des Personalratsmitglieds gelten gemäß der jeweiligen personalvertretungsrechtlichen Rechtsgrundlage inhaltlich im Ergebnis die gleichen Leitsätze (vgl. u.a. § 50 BPersVG und korrespondierende landesrechtliche Regelungen).
Die für den Zeitraum der Amtstätigkeit vom Arbeitgeber zu gewährende Vergütung hat alle Vergütungsbestandteile zu enthalten, die das Betriebsrats-/Personalratsmitglied erhalten hätte, wenn es während dieser Zeit seine originäre Tätigkeit erbracht hätte (Lohnausfallprinzip). Hierzu hat der Arbeitgeber eine hypothetische Betrachtung anzustellen, welches Arbeitsentgelt das Betriebsrat-/Personalratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Das Lohnausfallprinzip bedingt, dass nur das auf Grund des Arbeitsverhältnisses geschuldete Arbeitsentgelt auch für Zeiten der Amtstätigkeit zu gewähren ist. Das einzelne Mitglied soll mithin während seiner Amtszeit die ihm vertraglich zustehende Vergütung, aber auch nicht mehr oder weniger erhalten. Zudem sind zur Berechnung der hypothetischen Vergütung die Besonderheiten des einzelnen Vergütungsbestandteils in Bezug auf seine inhaltlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen; das BAG nimmt insoweit für performance-/leistungsabhängige variable Vergütungsbestandteile im Einzelfall eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO vor, wobei als Parameter die hypothetische Zielerreichung unter anderem der durchschnittliche Zielerreichungsgrad des Betriebsrat-/Personalratsmitglieds und der durchschnittliche Zielerreichungsgrad der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer (s. dazu unter Ziffer 3.) in den Jahren vor der Amtsübernahme herangezogen werden kann.
Das Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsrats-/ Personalratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte.
2. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats II: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für die konkrete Amtstätigkeit
Das Lohnausfallprinzip ist eingebettet in die betriebs-/personalvertretungsrechtlichen Verbote der Benachteiligung und der Begünstigung des einzelnen Betriebsrats-/Personalratsmitglieds (§ 78 S. 2 BetrVG/§ 52 Abs. 1 S. 2 BPersVG und korrespondierende Landesgesetze): Das einzelne Mitglied darf aufgrund seiner Amtstätigkeit keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, wobei eine Benachteiligung jede Schlechterstellung im Vergleich zu den in der Vergleichsgruppe befindlichen Arbeitnehmern beinhaltet, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Amtstätigkeit beruht. Es genügt (bereits) eine objektive Schlechterstellung, eine Benachteiligungsabsicht des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Spiegelbildlich untersagt das Begünstigungsverbot jede Besserstellung und/oder Vorteilsgewährung, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Amtstätigkeit steht und nicht aus sachlichen (= rechtlich zulässigen) Gründen erfolgt. Der ursächliche Zusammenhang bedingt eine Kausalität zwischen der Amtstätigkeit und der konkreten Besserstellung.
Ein Verstoß gegen das Benachteiligungs- bzw. das Begünstigungsverbot ist bereits bei einer objektiven Besserstellung/ Schlechterstellung des einzelnen Mitglieds im Vergleich zu den in der Vergleichsgruppe befindlichen Arbeitnehmern aufgrund der Amtstätigkeit gegeben.
3. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats III: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot auch für die weitere Vergütungsentwicklung insbesondere des freigestellten Betriebsratsmitglieds
Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des Benachteiligungs- und des Begünstigungsverbots neben der Vergütung der konkreten Amtstätigkeit auch auf die Vergütungsentwicklung im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses festgelegt: Das Arbeitsentgelt des Betriebsrats-/Personalratsmitglieds darf, neben dem Zeitraum der Amtstätigkeit, in den 12 Folgemonaten nach der Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als die Vergütung von mit dem Mitglied vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (vgl. § 37 Abs. 4 BetrVG/§ 52 Abs. 1 S. 2 BPersVG und korrespondierende Landesgesetze).
Diese Leitsätze gelten sowohl für gesondert für die Amtstätigkeit freigestellte Mitglieder (= vollständige Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung nach Maßgabe des § 38 BetrVG/§ 52 Abs. 2 BPersVG und korrespondierende Landesgesetze) als auch für Amtsmitglieder, die nach dem Lohnausfallprinzip jeweils nur für die konkrete erforderliche Amtstätigkeit nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 BetrVG/§ 52 Abs. 1 S. 1 BPersVG und den korrespondierenden Landesgesetzen freizustellen sind. Bei freigestellten Mitgliedern hat die Beurteilung der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung – und damit auch die Vergütungsentwicklung – nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) anhand der fiktiven Nachzeichnung der beruflichen üblichen Entwicklung zu erfolgen, die das freigestellte Mitglied ohne die Ausübung der Amtstätigkeit genommen hätte. Die berufsübliche Entwicklung ist anhand einer vom Arbeitgeber zu bildenden Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern nachzuziehen, deren beruflicher Werdegang und Leistungsbild mit denjenigen des freigestellten Betriebsrats-/Personalratsmitglieds vergleichbar sind – es wird dabei fingiert, dass das freigestellte Mitglied eine berufliche Entwicklung genommen hätte, die der üblichen Entwicklung der Mitglieder der Vergleichsgruppe entspricht. Üblich ist dabei eine Entwicklung, die die vergleichbaren Mitarbeiter bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist dann betriebsüblich, wenn diese dem Mitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Mitarbeiter einen solchen Aufstieg erreicht. Vergleichbar sind dabei Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat/Personalrat fachlich und persönlich qualifiziert waren.
Die Vergütungspraxis setzt diese Anforderungen typischerweise durch eine Vergütungssystematik um, die neben der Festlegung einer (Mindest-)Anzahl an für den Vergleich jeweils heranzuziehenden Personen einen – robusten – Katalog an Vergleichskriterien (z.B. Ausbildungsabschluss, persönliche und fachliche Qualifikationen, Leistungsniveau, vergleichbare qualifizierte Tätigkeit und Stellenfunktion, jeweils bezogen auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme) aufweist.
4. „Hypothetische Ausnahmekarriere als Manager“ des freigestellten Mitglieds als alternativer Anknüpfungspunkt für die Vergütungsentwicklung während der Amtszeit – und seine Absage durch den BGH im Untreue-Urteil
Die Festlegung der Vergütung anhand der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung stößt in der Praxis bei einzelnen freigestellten Mitgliedern auf Grenzen (bzw. bei diesen mitunter auf kommerzielles Unverständnis), wenn diese etwa (1) bereits seit mehreren Amtszeiten für die Amtstätigkeit freigestellt sind (und insoweit die Dauer ihrer Amtszeit in Freistellung ihre vorherige operative Tätigkeit überproportional übersteigt), und/oder (2) im Laufe der Amtszeit sich umfassend vor allem betriebs- und personalwirtschaftlich fachlich fort- und weiterbilden und aus der Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberseite und ihrer Repräsentantenfunktion gegenüber den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern auch umfassende managementbezogene Kompetenzen entwickeln, die sie in ihrer vorherigen operativen Tätigkeit weder aufwiesen noch für diese benötigten. Die Praxis hat – vor allem in großen (kapitalmarktorientierten) Unternehmen – in der jüngeren Vergangenheit versucht, diese während der Amtstätigkeit erworbenen weitergehenden Qualifikationen und Fähigkeiten in der Festlegung der Vergütung der freigestellten Mitglieder zu berücksichtigen. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot wurden hierzu verschiedene Handlungsansätze entwickelt, die im Kern auf die argumentative Begründung der Vergleichbarkeit des einzelnen Mitglieds mit Arbeitnehmern in Führungspositionen (vor allem mit Arbeitnehmern, die aufgrund ihres Tätigkeits- und Kompetenzprofils als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG zu qualifizieren sind) abzielen. Als argumentative Anker für die aufgrund einer „hypothetischen Ausnahmekarriere als Manager“ abweichend von der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung festzulegenden Vergütung wurden in der Praxis etwa die Teilnahme des einzelnen Mitglieds an unternehmensinternen Assessment-Center oder die Bewerbung und Auswahl des Mitglieds auf entsprechenden qualifizierten freien Stellen beim Arbeitgeber (mit anschließender Ablehnung des relevanten Arbeitsvertragsangebots durch das Mitglied mit Verweis auf die Amtstätigkeit) entwickelt.
Der BGH hat im Untreue-Urteil diesem Ansatz der „hypothetischen Ausnahmekarriere als Manager“ eine Absage erteilt. Er begründet die Absage kurz und pointiert: Eine solche Überlegung (und auch die argumentativen Anker) knüpft in unzulässiger Weise an die Bewertung der Betriebsratstätigkeit als solcher an und findet keine Stütze im Betriebsverfassungsgesetz.
Nicht ganz eindeutig ist in diesem Zusammenhang die Positionierung des BGH zu im Betriebsratsamt erworbenen Qualifikationen, die – jedenfalls auch – einen Zusammenhang mit der originären Arbeitstätigkeit aufweisen (können) und beispielsweise dem Mitglied eine Bewerbung auf höherwertige Tätigkeiten während der Amtszeit ermöglichen, die ihm insbesondere ein öffentlicher Arbeitgeber nach den Grundsätzen der Bestenauslese anzubieten hätte. Hierzu bleibt eine Klarstellung der Rechtsprechung (insbesondere des BAG) abzuwarten.
Der BGH hat im Untreue-Urteil der Perspektive der „hypothetischen Ausnahmekarriere als Manager“ eine Absage erteilt.
5. Betriebsübliche berufliche Entwicklung als Grenze des Beurteilungsmaßstabs für die Festsetzung der Vergütung und (andernfalls) strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung
Der BGH hat im Untreue-Urteil zugleich deutlich ausgeführt, dass die betriebsübliche berufliche Entwicklung anhand einer zum Zeitpunkt der Übernahme der Amtstätigkeit zu bildenden Vergleichsgruppe zu beurteilen ist. Eine auf anderweitige Vergütungskriterien zugunsten des Betriebsrats-/Personalratsmitglieds beruhende Vergütungssystematik kann für die Personen des Arbeitgebers, die die Vergütungssystematik verabschieden und hierauf basierende Vergütungsleistungen zulasten der Gesellschaft verantworten, den Straftatbestand der Untreue nach § 266 StGB begründen. Von der Strafbarkeit betroffen sein können neben den Mitgliedern des gesetzlichen Vertretungsorgans des Unternehmens des Arbeitgebers (= Vorstand bei der Aktiengesellschaft/SE, Geschäftsführer bei der GmbH etc.) auch Arbeitnehmer mit wirksam erteilter (Einzel-)Prokura.
Der BGH erteilt dabei dem bisher mitunter in der Praxis verfolgten Ansatz eine Absage, den für die Strafbarkeit erforderlichen Vorsatz der handelnden Personen durch anwaltliche Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit des „Hypothetische Ausnahmekarriere als Manager“-Ansatzes zu beseitigen bzw. für die handelnden Personen einen (ebenfalls strafbefreienden) unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen. Bei den handelnden Personen sei der rechtliche Grenzbereich des Ansatzes, der die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums beseitigt – jedenfalls bei/aufgrund einer umfassenden öffentlichen Fachdiskussion mit stichhaltiger Argumentation für seine rechtliche Unzulässigkeit – als bekannt anzunehmen.
Diese vom BGH zur strafrechtlichen Würdigung aufgestellten Rechtssätze sind bei den gesetzlichen Vertretungsorganen auch für ihre mögliche zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Arbeitgeber zu beachten. Insbesondere die Mitglieder des Vorstands der AG/SE und die Geschäftsführer der GmbH haben anwaltliche Gutachten bei der inhaltlichen Festlegung des Vergütungssystems für den Betriebsrat kritisch zu würdigen und hierzu den vom BGH im Untreue-Urteil an dieser Stelle erkannten Rechtssatz als Leitlinie für ihre Entscheidung zu nehmen, dass „[ein anwaltliches Gutachten], das rechtlichen Flankenschutz für die tatsächliche Handhabung bieten soll, besonders kritischer Würdigung bedarf“. Der BGH schärft an dieser Stelle (einmal mehr) den Beurteilungsspielraum dieses Personenkreises in der Ausübung der Business/Legal Judgement Rule nach.
Der BGH hat im Untreue-Urteil auch den Beurteilungsspielraum der Geschäftsleitung bei der Anwendung der Business-/ Legal Judgement-Rule geschärft – und erinnert die handelnden Personen an die kritische Grundhaltung auch bei der Verwertung von anwaltlichen Gutachten „zum rechtlichen Flankenschutz für die tatsächliche Handhabung“.
6. Folgen des Untreue-Urteils für die Vergütungspraxis: Es zählen (nur) der berufliche Status Quo zum Zeitpunkt der Amtsübernahme – Fortentwicklung des Katalogs der Vergleichskriterien, umfassende(re) Dokumentation der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung, Vereinbarung mit dem Betriebsrat/Personalrat
Die vom BGH im Untreueurteil als alternativloser Grundanker bestimmte Beurteilung und Festlegung der Vergütung der Betriebsrats-/Personalratsmitglieder gemäß der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung anhand einer zum Zeitpunkt der Übernahme der Amtstätigkeit zu bildenden Vergleichsgruppe bildet zugleich Gelegenheit für die Arbeitgeber, das bestehende Vergütungssystem für die Mitglieder des Betriebs-/Personalrats zu überprüfen und bedarfsgerecht fortzuentwickeln. Hierzu bietet es sich unter anderem an:
- den Katalog der Vergleichskriterien für die Bildung der Vergleichsgruppen weiter zu konkretisieren bzw. in Bezug auf die ursprünglichen operativen Tätigkeiten von einzelnen Mitgliedern, die inhaltlich nicht mehr im Unternehmen vorhanden sind, bedarfsgerecht zu generalisieren, und
- die begleitende Dokumentation („Papierspur“) bedarfsgerecht zu erweitern und hierzu vor allem das konkrete Tätigkeits- und Qualifikationsprofil des einzelnen Betriebsrats-/Personalratsmitglieds zum Zeitpunkt der Amtsübernahme und aller für die jeweilige Vergleichsgruppe in Betracht kommenden Arbeitnehmer umfassend aufzuzeichnen.
Flankiert werden kann die Fortentwicklung des Vergütungssystems mit einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat/Personalrat zum Vergütungssystem, die sich auf die weitere Vergütungsentwicklung gemäß der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung und – für die nicht (vollständig) freigestellten Mitglieder – auf die Entgeltfortzahlung während der Amtstätigkeit bezieht.
Stand: Februar 2023
Inhaltsübersicht
- 1. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats I: Ehrenamt- und Lohnausfallprinzip
- 2. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebs-rats/Personalrats II: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für die konkrete Amtstätigkeit
- 3. Ausgangsleitsätze für die Festlegung der Vergütung des Betriebsrats/Personalrats III: Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot auch für die weitere Vergütungsentwicklung insbesondere des freigestellten Betriebsratsmitglieds
- 4. „Hypothetische Ausnahmekarriere als Manager“ des freigestellten Mitglieds als alternativer Anknüpfungspunkt für die Vergütungsentwicklung während der Amtszeit – und seine Absage durch den BGH im Untreue-Urteil
- 5. Betriebsübliche berufliche Entwicklung als Grenze des Beurteilungsmaßstabs für die Festsetzung der Vergütung und (andernfalls) strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung
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