Perspektiven
Klimawandel muss auch für Finanzchefs zum Thema werden
Schweiz gemäss CFO Survey mit Aufholbedarf
Der Klimawandel ist ein Thema in den Chefetagen Schweizer Unternehmen, löst aber zurzeit kein grosses Kopfzerbrechen aus. Fast alle Unternehmen haben gemäss des CFO-Survey von Deloitte bereits Massnahmen ergriffen. Es mangelt aber noch an Systematik und einer klaren Zielsetzung. Zudem dürfen die Chancen des Klimawandels nicht vergessen gehen. Im europäischen Vergleich hat die Schweiz Aufholbedarf.
Die CFOs beschäftigen zurzeit noch drängendere und kurzfristig relevante Herausforderungen als der Klimawandel: die wieder stark gestiegenen Währungsrisiken, die anhaltenden geopolitischen Spannungen oder der Fachkräftemangel. Trotzdem haben bereits 94 Prozent aller Unternehmen konkrete Vorgehensweisen im Zusammenhang mit dem Klimawandel beschlossen. Beinahe drei Viertel der CFOs (72%) geben an, dass ihr Unternehmen Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz trifft und über die Hälfte (52%) setzt bewusst auf energieeffiziente Ausrüstung.
Nur ein Viertel mit Risikoeinschätzung
Allerdings hat erst ein Viertel der Unternehmen (26%) eine Einschätzung vorgenommen, welche Risiken der Klimawandel für sie mit sich bringt. «Diese Zahl wird hoffentlich rasch ansteigen, denn der Klimawandel wird nicht nur unser Leben stark beeinflussen, sondern hat auch umfassende Auswirkungen auf Produkte und Dienstleistungen, Lieferketten, Vermögenswerte und Geschäftsmodelle», sagt Alessandro Miolo, Leiter Audit & Assurance bei Deloitte Schweiz.
Die Schweiz ist gemäss den Klimaszenarien des Bundes überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen; es wird trockener, heisser sowie schneeärmer und die Niederschläge werden heftiger. Die hiesigen Unternehmen sollten auf jeden Fall grössere Transparenz über die Risiken und auch die Chancen des Klimawandels für sich selbst herstellen, mehr klimarelevante Informationen erfassen und diese in ihren Jahresabschlüssen ausweisen. Das ist gemäss Miolo die nötige Voraussetzung für weitere Massnahmen und ermöglicht Investoren, Kunden, Regulatoren und anderen Stakeholdern objektive Vergleiche.
Auswirkungen auf Unternehmen mehren sich
Die Waldbrände in Kalifornien 2018 haben nicht mehrere 100’000 Hektaren Wald zerstört, sondern auch Unternehmen haben stark darunter gelitten: Das grösste im Besitz von Investoren befindliche Versorgungsunternehmen des US-Bundesstaats musste als Folge davon einen Insolvenzantrag stellen, zwei weitere Versorgungsunternehmen erfuhren eine Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit. Der Klimawandel mit seinen tiefgreifenden Auswirkungen könnte Versicherungsschutz gegen Elementargefahren für viele Menschen unbezahlbar machen. Auch der absehbare Wassermangel wird für Unternehmen wie auch die Menschen eine grosse Herausforderung und der Bedarf an innovativen technologischen Lösungen vergrössert sich.
Der Beitrag von Unternehmen zur Lösung der Klimakrise ist von grosser Bedeutung, denn es braucht dazu viele Eigenschaften, die auch erfolgreiche Unternehmen auszeichnen: Die Fähigkeit, unkonventionelle Lösungen zu suchen, Veränderungen zielgerichtet vorantreiben, Risiken realistisch zu bewerten und nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Anderes Klima braucht neue Produkte
Der Klimawandel ist nicht nur eine Gefahr für Wirtschaft und die Menschen, sondern kann auch dazu genutzt werden, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu vermarkten. Zum einen sind dies direkte Auswirkungen, wie neue Anbaugebiete für Nutzpflanzen oder erweiterte Möglichkeiten für den Sommertourismus, aber auch ein erhöhter Bedarf an Wasserspeichern, der Hitze angepasster Kleidung oder ein vermehrter Einsatz von Wärmeisolationen in Gebäuden.
Zum anderen sind auch indirekte Chancen, die durch die Entwicklung und Anwendung klima-neutraler Technologien oder die Befriedigung der sich wandelnden Konsumentenbedürfnisse entstehen. «Wenn Unternehmen langfristig und erfolgreich im Geschäft bleiben wollen, sollten sie sich nicht nur intensiv mit dem Klimawandel auseinandersetzen und die Chancen darin berücksichtigen, sondern vor allem auch aktiv dazu beitragen, die Erderwärmung zu bremsen», betont Miolo, der bei Deloitte auch für das CFO-Netzwerk verantwortlich ist.
Klimafreundliche Positionierung erfolgsversprechend
Unternehmen werden in erster Linie von Kundschaft und Mitarbeitenden aufgefordert, Massnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Von Seiten der Kunden ist der Druck am intensivsten, genau ein Viertel der CFOs sagt aus, dass die Kundinnen und Kunden hohen Druck ausüben. Aber auch Mitarbeitenden scheint es offensichtlich wichtig, dass ihr Arbeitgeber sich engagiert.
«Unternehmen müssen ihren Einfluss auf das Klima klar erkennen und für sich definieren, wo sie Einfluss nehmen können und wollen und damit einen relevanten Unterschied machen. Zurzeit ist dies auch noch eine gute Möglichkeit, sich bei den Konsumierenden und auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu positionieren. Vor allem die Millennials basieren einen relevanten Teil ihrer Kaufentscheide darauf, ob Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen eine positive oder negative Auswirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben», erläutert Miolo weiter.
Auch zivilgesellschaftliche Akteure lassen die CFOs Druck spüren: Nichtregierungsorganisationen, soziale Bewegungen oder Medien melden sich oft dann zu Wort und suchen die Öffentlichkeit, wenn sie Anhaltspunkte haben für mögliches umweltschädigendes Verhalten und stellen dann Unternehmen als Klimasünder an den Pranger. «Für Unternehmen gilt es, die relevanten Anspruchsgruppen zu definieren, sich über deren Vorstellungen und Erwartungen ins Bild zu setzen und den Dialog zu suchen. Die zunehmend wirtschaftskritische Stimmung in der Öffentlichkeit macht es für Unternehmen nicht einfacher, Reputationsschäden abzuwenden», erläutert Miolo.
Regulation antizipieren schafft Vorteile
Weiter gilt es für CFOs, die regulatorischen Entwicklungen und politischen Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene zu verfolgen. «Für Unternehmen entstehen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem politisch gelenkten Übergang zu einem CO2-neutralen Wirtschaft. Wenn sie rasche auf neue politische Anreize reagieren oder sich verändernde regulatorischer Rahmenbedingungen antizipieren können sie sich finanzielle oder operative Vorteilen verschaffen», führt Miolo aus.
Bei der Festlegung von Zielen zur Klimagasreduktion liegt die Schweiz im Hintertreffen. 57 Prozent der befragten Unternehmen haben noch keine Zielwerte festgelegt, das sind sechs Prozentpunkte mehr als im europäischen Durschnitt. Aber immerhin haben 34 Prozent Reduktionsziele beschlossen, die meisten davon orientieren sich aber nicht an den Zielwerten des Pariser Klimaabkommens. «Es ist ein positives Zeichen, dass bereits über ein Drittel der Unternehmen in der Schweiz sich konkrete Ziele für die Reduktion ihrer CO2-Fussabdrucks gesetzt haben. Dies setzt nämlich voraus, dass der CO2-Ausstoss des Unternehmens erfasst und verfolgt wird. Diese Aufgabe ist nicht zu unterschätzen und benötigt Fachwissen und Ressourcen», führt Alessandro Miolo aus.
Deloitte Schweiz hat zwischen Ende August und Ende September 2019 103 CFOs von mittleren und grossen Schweizer Unternehmen zum Klimawandel befragt. Die Finanzchefs gaben an, welche Massnahmen ihre Unternehmen ergriffen haben, von welchen Anspruchsgruppen sie Druck verspürten, etwas zu unternehmen, und ob sie die Auswirkungen ihres Unternehmens auf das Klima erfassen.
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