Perspektiven

Die Weiterentwicklung des Verwaltungsrats

Die Definition guter Corporate Governance – und warum sie heute so wichtig ist

In den letzten Jahren wurde die Schweizer Finanzdienstleistungsbranche von diversen Skandalen erschüttert, von denen viele auf schlechte Corporate Governance zurückzuführen waren. Um in diesem höchst komplexen geschäftlichen Umfeld zu überleben, durchlaufen viele Banken strukturelle Veränderungen – von organisatorischen über personelle bis hin zu technischen. Doch was ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen agilen Strategie, die es den Banken ermöglicht, mit den Veränderungen in ihrem Umfeld umzugehen? Die Antwort darauf ist die Definition einer guten Unternehmenskultur.

Das Potenzial der Unternehmenskultur nutzen

Eine starke Unternehmenskultur, die auf den richtigen Werten beruht, fördert bei den Mitarbeitern den Wunsch, Rufschäden zu verhindern, und gewährleistet gesunde, ethisch einwandfreie Geschäfte. Nach dem FINMA Annual Report 2016, sollte die Schweiz als führender private Wealth Management Hub, das Finanzsystem vor Missbrauch schützen. Auch FINMA Chef Mark Branson betont dass es essentiell ist, dass sich Bankmitarbeiter sich persönlich dazu verpflichtet fühlen, Geldwäscherei zu bekämpfen" (FINMA Jahresmedienkonferenz 2016).

Die neuesten aufsichtsrechtlichen Anforderungen der FINMA

In einem im November 2016 herausgegebenen Rundschreiben der FINMA wurden die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Corporate Governance, Risikomanagement und das interne Kontrollsystem für Banken in der Schweiz neu definiert. Die ab dem 1. Juli 2017 geltenden neuen Regelungen schreiben drei Massnahmen vor:

  1. eine geänderte Definition der Rolle des Verwaltungsrats mit Schwerpunkt auf seiner Zusammensetzung sowie der beruflichen Erfahrung und Sachkenntnis seiner Mitglieder
  2. eine neue Bewertung der quantitativen und qualitativen Risikotoleranz von Banken anhand eines Risiko-Governance-Rahmenwerks
  3. eine Fokussierung der Führungsgremien der Banken (z. B. Verwaltungsrat und Präsident) auf die Definition und Vermittlung der kommerziellen Strategie und der Grundsätze ihrer Unternehmenskultur, anstatt lediglich das interne Kontrollsystem durch neue Kontrollmassnahmen zu definieren.

 

Unternehmenskultur in der Schweiz und im Ausland

Das aufsichtsrechtliche Rahmenwerk für Banken in der Schweiz überträgt dem Führungsgremium formell die Verantwortung für die Unternehmenskultur. Doch diese Betonung der Kultur ist nicht nur für die Schweizer Finanzaufsicht spezifisch. Sie ist auch bei anderen europäischen Finanzaufsichtsbehörden, wie beispielsweise der European Banking Authority (EBA) zu beobachten, die dem Verwaltungsrat die Verantwortung überträgt, die Risiken und die Unternehmenskultur zu überwachen. Andere Beispiele sind die britische Financial Conduct Authority (FCA) und das Senior Manager Regime (SMR), die die Ressourcen für ihre "wesentlichen Arbeitsabläufe" in Bezug auf die Kultur erhöht haben.

Welche Massnahmen sollten Verwaltungsratsmitglieder nun ergreifen?

Verwaltungsratsmitglieder verbringen heute mehr Zeit denn je damit, Kultur, Werte und erwartetes Verhalten zu diskutieren, und erkennen grösstenteils an, dass in diesem Bereich striktere Massnahmen ergriffen werden sollten. Die uns von Präsidenten und Chief Executives am häufigsten gestellte Frage lautet: "Wie können wir die Unternehmenskultur in praktischer und pragmatischer Weise managen?"

Hier ist eine Reihe von Schritten, wie Verwaltungsratsmitglieder dazu beitragen können, eine gut funktionierende Unternehmenskultur in die Geschäftsaktivitäten zu integrieren:

1. Die Unternehmenskultur gehört auf die Tagesordnung

Verwaltungsratsmitglieder müssen erkennen, dass eine gesunde Unternehmenskultur nicht nur dazu dient, das Image des Unternehmens zu schützen, sondern dass sie auch ein wertvoller Aktivposten und ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen sein kann. Tatsächlich ist die Unternehmenskultur ein Faktor, der die Differenzierung und die Attraktivität gegenüber Kunden und Stellenbewerbern ausmacht, die Wert auf den Ruf und die zentralen Werte einer Bank legen.

Sinn und Strategie in die geschäftliche Praxis zu übertragen, ist ein wesentliches Kriterium für den Aufbau einer gesunden Unternehmenskultur. Die Kultur sollte fester Bestandteil aller Entscheidungsprozesse der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder sein, von Strategieentwicklungs- über Vergütungs- bis hin zu Nominierungsentscheidungen. Organisationen, die ihre Kultur überwachen, können nicht nur eine robustere Risikobereitschaft bei den Mitarbeitern, sondern auch eine Verbesserung der Organisationsperformance insgesamt beobachten. Daher sollten Verwaltungsratsmitglieder die Unternehmenskultur als festes Element in die Tagesordnung aufnehmen.

2. Mit gutem Beispiel vorangehen

Gute Corporate Governance und Verantwortlichkeit müssen auf höchster Geschäftsleitungsebene vorgelebt werden. Verwaltungsratspräsidenten und CEOs müssen demonstrieren, dass die Führungsgremien die Unternehmenskultur entwickeln, und überwachen, dass die Kultur im Alltagsgeschäft berücksichtigt wird. In vielen Unternehmen unterstützt ein speziell dafür ernanntes Geschäftsführungsmitglied – beispielsweise der Personalvorstand – sowohl den Verwaltungsratspräsidenten als auch den CEO in Sachen Unternehmenskultur.

3. Bestehende Tätigkeiten bewerten und verbessern

Die Mitglieder des Verwaltungsrats sollten die Effizienz der bestehenden Tätigkeiten bewerten, um eine gesunde Unternehmenskultur aufzubauen. In den meisten Unternehmen laufen Initiativen, um verhaltensbedingte Risiken zu mindern, Vergütungsrahmenwerke zu überprüfen und die Rekrutierung von Talenten, die Vielfalt und die Nachfolgeplanung zu optimieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese separaten Projekte aufeinander abzustimmen.

Die Geschäftsführung sollte dazu vorhandene Geschäftsführungsinformationen nutzen, die Einblicke in die Kultur des Unternehmens bieten. Angesichts der Fülle an Informationen besteht die Herausforderung darin, die Daten für den Verwaltungsrat sinnvoll zu filtern. Verwaltungsratspräsidenten und CEOs fordern in immer stärkerem Masse aussagekräftige Geschäftsführungsinformationen und "Whistleblowing"-Systeme zur Meldung von Missständen im Unternehmen, um eine offene Kultur zu fördern, in der von Mitarbeitern geäusserte Bedenken Gehör bei höheren Instanzen finden.

Ein weiteres wichtiges Element im Geschäftsführungsinformationssystem ist die Entwicklung einer selbstlernenden Organisation, die ein "institutionelles Gedächtnis" aufbaut, Vorfälle analysiert und Entscheidungsprozesse aufschlüsselt.

Bei der Bewertung ihres Ansatzes in Bezug auf die Unternehmenskultur sollten Verwaltungsräte auch die folgenden massgeblichen Fragen berücksichtigen:

Die ultimativen Fragen, die sich der Verwaltungsrat stellen muss, drehen sich um die Beurteilung der Unternehmenskultur:

  • Welche Investitionsrendite wirft Ihre Kultur ab?
  • Wie wirkt sich Ihre Unternehmenskultur auf Ihren Markenwert aus?
  • Inwiefern können Rufschäden Ihren Markenwert beeinträchtigen?

Um eine gesunde Unternehmenskultur aufzubauen und zu pflegen, empfehlen wir, den Verwaltungsrat als treibende Kraft einzusetzen, die die Integration der zentralen Werte im Unternehmen voranbringt. Besonders relevant sind hierbei das Risikobewusstsein der Mitarbeiter, ein angemessenes Informationsmanagement und die Pflege sinnvoller kulturfördernder Massnahmen. Mit erfolgreich umgesetzter Corporate Governance sind Unternehmen in den nächsten Jahren gegen Reputationskrisen gewappnet.

 

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