Perspektiven
Digitale Transformation: Schweizer Familien- und Privatunternehmen geben sich zurückhaltend
Egal ob künstliche Intelligenz, Big Data oder Robotic Process Automation, der Einsatz digitaler Technologien gehört heute zu den grössten Herausforderungen von Unternehmen rund um den Globus. Wer nicht rechtzeitig die richtigen Investitionen tätigt und die Chancen der Digitalisierung nutzt, kommt früher oder später unter Druck.
Das gilt natürlich nicht nur für rein kotierte Unternehmen, sondern auch für Familien- und Privatunternehmen. Dank fortschreitender Digitalisierung und Globalisierung können neue Märkte einfacher und zu tieferen Kosten erschlossen werden. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck, da zunehmend auch branchenfremde, digitale Unternehmen zur Konkurrenz werden. Als traditionsreiches Schweizer Familienunternehmen bietet Ringier Anschauungsunterricht für diesen Wandel. Statt in den Journalismus wurden in den letzten zehn Jahren Millionen von Franken in digitale Marktplätze investiert und somit in branchenfremdes Territorium vorgedrungen. Heute erwirtschaftet Ringier fast die Hälfte des Umsatzes mit nichtjournalistischen Tätigkeiten.
Um herauszufinden, wie Familien- und Privatunternehmen die Herausforderungen im digitalen Zeitalter meistern, hat Deloitte eine globale Umfrage unter 2'500 Führungskräften von mittelgrossen Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 10 Millionen USD durchgeführt, die im Familien- oder Privatbesitz sind. Die Umfrage wurde auch in der Schweiz durchgeführt, wo mehr als 50 Führungskräfte teilgenommen haben.
Ein Vergleich der Schweizer mit den globalen Resultaten bringt Erstaunliches zutage. Während im globalen Durchschnitt jedes fünfte der befragten Unternehmen (20%) die digitale Transformation als Hauptbestandteil seiner Wachstumsstrategie betrachtet, sind es in der Schweiz gerade einmal 6%. Anders gesagt, für die befragten Schweizer Familien- und Privatunternehmen scheint die Transformation des eigenen Unternehmens durch die Nutzung von Software weniger bedeutend zu sein.
Diese unterschiedliche Priorisierung macht sich auch bei den Investitionen bemerkbar. Die Abbildung stellt die Investitionen in unterschiedliche digitale Technologien aller befragten Schweizer Unternehmen den Investitionen der befragten Unternehmen ausserhalb der Schweiz gegenüber. Die y-Achse zeigt den Anteil Schweizer Unternehmen, die in die aufgeführten Technologien investieren, die x-Achse zeigt den Anteil der Nicht-Schweizer-Unternehmen. Liegt ein Punkt auf der Diagonalen, ist der Anteil der investierenden Unternehmen in der Schweiz gleich hoch wie auf globaler Ebene. Oder anders gesagt: Die entsprechende Technologie hat denselben Stellenwert. Liegt ein Punkt rechts der Diagonalen, ist die Technologie für globale Unternehmen wichtiger, und vice versa.
Abbildung: Investitionen in unterschiedliche digitale Bereiche/Technologien
Es ist klar zu erkennen, dass – mit Ausnahme von drei Bereichen – Investitionen in digitale Technologien bei Familien- und Privatunternehmen auf globaler Ebene deutlich ausgeprägter sind als bei ihren Schweizer Pendants. Am deutlichsten sind die Unterschiede beim Internet of Things: Hier liegt der Anteil investierender globaler Familien- und Privatunternehmen bei 25%, während er in der Schweiz bloss 8% beträgt. Beträchtliche Differenzen gibt es auch im Bereich «Data Analytics», «3d Printing» oder «Machine Intelligence». Nur gerade in drei, eher traditionellen Bereichen liegt der Anteil der Schweizer Unternehmen leicht höher.
Dieser Befund passt ins gängige Bild. Andere Befragungen und Studien kamen ebenfalls zum Schluss, dass Schweizer Familien- und Privatunternehmen bei der Anwendung und den Investitionen in digitale Technologien im internationalen Vergleich häufig etwas hinterherhinken. Ein aktuelles Beispiel ist eine umfassende Untersuchung von Deloitte zur digitalen Innovationsfähigkeit. Was ganz allgemein für Schweizer Unternehmen gilt, dürfte somit auch für Familien- und Privatunternehmen gelten. Während in anderen Ländern auf breiter Front proaktiv in neue digitale Technologien investiert wird, gibt man sich hierzulande tendenziell etwas vorsichtiger, getreu dem Motto «wait and see». Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die Auswirkungen der Digitalisierung in manchen Schweizer Unternehmen unterschätzt werden, allen voran KMUs. In einer 2018 publizierten Umfrage der Credit Suisse stimmten fast 60% der über 1'000 befragten KMUs der Aussage ganz oder teilweise zu, dass sie die Digitalisierung in absehbarer Zukunft nur am Rande betreffen würde.
Diese Zurückhaltung ist nicht ohne Risiko. Wer die digitale Transformation seines Unternehmens und somit die Investitionen in digitale Technologien vernachlässigt, läuft langfristig Gefahr, die Wettbewerbsfähigkeit und damit Wettbewerbsanteile zu verlieren. Wie schnell herkömmliche Geschäftsfelder von neuen digitalen Unternehmen erobert werden können, zeigen Beispiele wie Airbnb, Amazon oder Zalando. Sie liessen auch die Umsätze vieler Familien- und Privatunternehmen wegbrechen.