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Die Wahl der richtigen HR Cloud Software

Warum die Cloud auch für HR zum allgemeinen Standard zählt, wie Unternehmen die richtige HR Cloud Software auswählen und welche Implementierungsansätze Erfolg versprechen.

Die Wahl der richtigen Technologie ist eine entscheidende Grundlage für die Digitalisierung der HR. Beobachtet man den Markt für HR Technologie, sieht man, dass dieser zunehmend unübersichtlicher wird. Die entscheidende Frage ist jetzt nicht mehr nur: Welche Technologie verwende ich für welchen Prozess? Sie sollte viel mehr lauten: Welches Technologieportfolio schafft meinen Mitarbeitern und Managern den erwarteten Mehrwert und unterstützt sie optimal bei ihren eigentlichen Aufgaben?

Die Gründe, bei der Technologieauswahl auf eine HR Cloud Lösung zu setzen und diese zu implementieren, sind vielfältig: Veraltete Software soll abgeschafft werden und neue Funktionalitäten und Prozesse von starren, tabellenbasierten Software-Lösungen sollen in eine neue, moderne Umgebung überführt werden. Etablierte Anbieter entwickeln neue Funktionalitäten seit einigen Jahren exklusiv in der Cloud und haben ihre Investition in althergebrachte On-Premise-Software gestoppt oder auf Erhaltungsmaßnahmen minimiert. Vom neuen Ansatz, innovative Softwarelösungen in der HR Cloud zu entwickeln, sollen alle Kunden gleichzeitig profitieren. Idee ist es, nicht nur Updates und Korrekturen an jeweils einen Kunden auszuliefern, sondern die komplette Kundenbasis mit denselben zu versorgen. Mit diesen Innovationen sollen nicht nur Fehler korrigiert werden, sondern auch zum Beispiel die Akzeptanz der Anwender gesteigert und Prozesse optimiert werden.

Durch diesen neuen Ansatz wurden und werden auch Geschäftsmodelle in Frage gestellt, Services optimiert und angepasst – und schlussendlich werden aus zwei ehemals parallel agierenden Funktionen in der Organisation notwendige Partner: HR und IT müssen zusammenwachsen, die Implementierung der HR Cloud Software und damit notwendige Services gemeinsam definieren und diese auch im Betrieb überwachen und optimieren.

 

HR und IT müssen im Rahmen der Digitalisierung des Personalmanagements eine Einheit mit abgestimmter Vision bilden.

                                                                         Markus Böing, Partner Human Capital

 

Heute stellt sich nicht mehr die Frage, ob eine HR Organisation ihre Dienstleistungen in der HR Cloud anbieten sollte, sondern wann sie diesen Schritt hin zu einer serviceorientierten Organisation auch aus technologischer Sicht wagt. Wird dieser Schritt verpasst, drohen empfindliche Wettbewerbsnachteile auf dem Weg der Digitalisierung. Die nachfolgenden Punkte sind von besonderer Relevanz bei der Umstellung von lizenzierter On-Premise-Software zu Subskriptions-basierter HR Cloud Software:

  • Kosten
    Auf der IT lastet nach wie vor ein enormer Druck, Ressourcen einzusparen und verbesserte Services kostengünstiger anzubieten. Mit Cloud Lösungen werden Services ausgelagert und nur jene Services berechnet, die abgerufen werden. Die Kosten sind somit gut zu kalkulieren. Durch die Nutzung von Standards, die in HR Cloud Umgebungen schon etabliert sind, können sich Unternehmen darauf konzentrieren, die zu Verfügung stehenden Ressourcen für wertschöpfende Tätigkeiten einzusetzen, um so Einsparungspotentiale zu realisieren. Allerdings gilt es auch aus einer TCO-Perspektive zu beachten, dass in einem ersten Schritt häufig bestehende On-Premise-Systeme nicht abgelöst, sondern nur reduziert und integriert werden – was zu einer Verkomplizierung der IT-Landschaft und entsprechenden Kosten führt.
  • Compliance
    Mit Aufkommen der ersten HR Cloud Software Angebote am Markt wurden diverse Sicherheitsbedenken geäußert. Insbesondere der Standort von Rechenzentren wurden vor dem Hintergrund der Datenschutz-Aspekte viel diskutiert. Mittlerweile haben sich diese Anbieter etabliert und durch vielfache Installationen die Einhaltung von geltenden Sicherheits- und Datenschutzstandards bewiesen. Sie haben erst im vergangenen Jahr gezeigt, dass sie in der Lage sind, neue Anforderungen an Datensicherheit direkt umzusetzen und qualitätsgesichert zu liefern. Forderten neue Regularien wie die DSGVO früher eine Masse an Anpassungen in individuellen Systemen, wurden die neue Regularien für Anwender von HR-Cloudanwendungen nur einmalig vom Hersteller implementiert, vom Kunden konfiguriert, verifiziert und konnten anschließend genutzt werden. Dies bedeutet, dass die Sicherung der Systeme direkt vom Betreiber der Cloud und nicht mehr von der hauseigenen IT verantwortet wird.
  • Sicherheit
    In Puncto Sicherheit stellen Cloudanbieter somit in der Regel eine solide Anwendungsumgebung zu Verfügung. White Hackers, Penetration Testers, etc. sorgen dafür, dass die Daten sicher gespeichert und vor Fremdzugriff und Manipulation geschützt sind. Diese Sicherheitsvorkehrungen können nicht alle Organisationen selbst leisten, die HR Daten in irgendeiner Form verwalten oder verarbeiten. Auch ist die Sicherung von Daten nicht das Geschäftsmodell der HR Funktion. Die Sicherung und Befolgung von Regularien ist aber Kernbestandteil des Geschäftsmodells von HR Cloud Software Anbietern. Diese müssen hohe Standards gewährleisten, um erfolgreich am Markt zu agieren. Für Unternehmen ist es essentiell, diese Verlagerung der Verantwortung für Datensicherheitsaspekte an Dritte entsprechend in ihrer Organisation zu kommunizieren und in die Governance-Prozesse zu integrieren.
  • Innovation
    Etablierte Cloudanbieter befinden sich in einem starken Wettbewerb mit Start-ups und Nischenanbietern, die den Innovationsdruck hochhalten und immer wieder neue Konzepte auf den Markt werfen. Somit stehen auch die etablierten Anbieter, wie zum Beispiel SAP, Workday und Oracle im Wettbewerb mit Unternehmen, die quasi in der Garage ihre Software entwickeln. Als Kunden profitieren Organisationen hiervon, haben es bisweilen aber umso schwerer, den richtigen Anbieter für die am besten geeignete HR Cloud Software zu finden.
  • Skalierbarkeit
    Unternehmenskäufe, Diversifikationen oder schlichtweg die regionale Ausbreitung einer Softwarelösung sind heute durch smarte Liefermodelle der Anbieter mit überschaubarem Aufwand umzusetzen. So benötigt man für aktuelle HR Cloud Software lediglich einen Internet Browser, um die Software nutzen zu können. Früher war zumeist noch die Installation einer Software (i.e. Client Installation) auf den Rechnern der Nutzer nötig. Lizenzfragen, gerade beim Einsatz im Ausland, Softwareverteilung und Anwenderschulung waren dabei kritische Punkte. Diese werden heute durch die existierenden Liefermodelle für HR Cloud Systeme als Software-as-a-Service weitestgehend vereinfacht. So erhalten Unternehmen heute die Flexibilität, die sie für den betrieblichen Alltag oder auch für größere, organisatorische Änderungen benötigen. Durch skalierbare Systeme lassen sich auch Unternehmenszukäufe, internationale Expansion oder betriebliche Umorganisationen mit überschaubarem Aufwand implementieren und realisieren.
  • Mobilität
    Heute erwarten Anwender von Unternehmenssoftware die gleichen Standards (bzw. Customer Experience) wie bei der Nutzung privater Anwendungen. Hierzu gehört insbesondere eine mobile App für das Smartphone oder Tablet. Die Nutzung einer Cloud Lösung bietet hier den Vorteil, dass auf die bestehenden Apps des Anbieters zurückgegriffen werden kann und dementsprechend keine Ressourcen für die Eigenentwicklung aufgewendet werden müssen. Der Kunde kann somit ganz benutzerfreundlich jederzeit von jedem Ort auf die Anwendung zugreifen. Unternehmen müssen bei der Technologieumstellung diese in die Prozesslandschaft integrieren und die HR-Dienstleistung entsprechend anpassen.

Zur Umsetzung der genannten Themenfelder muss sich eine Organisation zwangsläufig mit der Frage auseinandersetzten, wie sie die passende HR Cloud Software auswählt, welches Portfolio die hauseigene Technologie ideal ergänzt, und welcher Ansatz die Implementierung dieser Software zum Erfolg werden lässt.

 

Ansatz und Technologieportfolio

Den einen, für alle Organisationen passenden Ansatz für die Implementierung einer HR Cloud Software gibt es derzeit nicht. HR und IT Funktion stehen vor der Herausforderung, den für ihre Organisation geeigneten Ansatz und damit das in ihre Systemarchitektur passenden Technologieportfolio zu definieren.
Zwei generelle Ansätze, das Technologieportfolio zu bestimmen, haben sich dabei bis heute bewährt:

  • HCM Suite Ansatz
    In diesem Ansatz wird angepeilt, die komplette HR Cloud Software von einem Hersteller innerhalb einer allumfassenden Lösung aufzubauen. Alle Prozesse, von der Stammdatenhaltung über Recruiting, Performance Management und Vergütungsmanagement basieren auf einer Grundsoftware und laufen integriert in derselben Umgebung. Alle Applikationen verwenden die gleiche Oberfläche.
  • Best-of-Breed Ansatz
    Ziel dieses Ansatzes ist es, die für den jeweiligen Prozess beste HR Cloud Einzellösung auf dem Markt zu finden und zu implementieren. Alle Lösungen laufen somit in ihrer eigenen, gekapselten Umgebung. Um Daten nicht manuell zwischen den einzelnen Lösungen transferieren zu müssen, werden diese durch Schnittstellen und Integrationslösungen (Middleware) miteinander verbunden. 

Die beiden Ansätze sind in ihrer Reinform eher selten anzutreffen. Mischformen zwischen den beiden Ansätzen sind gebräuchlich. In den meisten Fällen sind sie auch unumgänglich, um die gewünschte Integration von Prozess und System zu erreichen. Zudem ist es sinnvoll, für Lösungen, die einen Wettbewerbsvorteil versprechen, einen spezialisierten Nischenanbieter zu wählen. So kann zum Beispiel die ausgeklügelte Talent Acquisition Lösung eines Best-of-Breed Anbieters mit den vereinheitlichen Prozessen einer HCM Suite kombiniert und integriert werden. Auch das Zusammenspiel zwischen altgedienten On-Premise-Lösungen und modernen HR Cloud Lösungen, sogenannte Hybride, sind denkbar und gangbar. 

Die damit einhergehenden, kreativen Spielräume geben zum einen die Sicherheit und Möglichkeit, eine HR Cloud Lösung optimal und sukzessive in die bestehende Prozess- und Systemlandschaft einzubauen. Zum anderen erfordert diese kreative Freiheit aber eine dezidierte HR Technologiestrategie, die idealerweise in der HR und IT Strategie der Organisation aufgeht. 

Ist die HR Technologiestrategie definiert, der richtige Ansatz gefunden und das optimale Technologieportfolio definiert, kann der nächste Schritt angegangen werden. Die geeigneten Anbieter für die HR Cloud Software müssen selektiert werden. 

 

Generelle Überlegungen zur erfolgreichen Selektion einer HR Cloud Software

Der Markt für HR Cloud Lösungen ist groß und unübersichtlich. Viele Unternehmen entscheiden sich daher für die Selektion eines Anbieters, der eine komplette HCM Suite anbietet. Hier werden oftmals SAP, Workday oder Oracle genannt. Aber auch andere Anbieter, zumeist aus dem amerikanischen Sprachraum, kämpfen seit einiger Zeit um Marktanteile in Europa. Gartners „Magic Quadrant for Cloud HCM Suites“ gibt hier einen guten, ersten Überblick.

 

HR Cloud Software ist heute eher Pflicht als Kür. Dennoch stellt die Selektion der geeigneten Anbieter sowie die Implementierung Organisationen vor Herausforderungen.

                                                                         Markus Böing, Partner Human Capital

 

Wie unterscheiden sich die Lösungen aber im Einzelnen? Schaut man auf die funktionalen Inhalte der Suites, erkennt man rein thematisch keine wirklich großen Unterschiede. Alle großen Anbieter bieten Kernapplikationen für Stamm- und Organisationsdaten, gefolgt von talentorientierten Lösungen wie Recruiting, Onboarding, Performance Management, Learning etc. an.

Kann die reine, funktionale Abdeckung kein Entscheidungskriterium sein, müssen andere Dimensionen für die Selektion betrachtet werden:
 

  • Passt die Lösung in die Unternehmenskultur und gelebte Unternehmensrealität?
    Der Kunde (i.e. Mitarbeiter, Führungskräfte, Bewerber, Betriebsräte, etc.) der HR Abteilung ist und bleibt im Mittelpunkt des Interesses. Um diesem gerecht zu werden, sollte auch eine Lösung selektiert werden, die seinen Ansprüchen entspricht. Dies lässt sich idealerweise dadurch abprüfen, indem betriebliche Abläufe schon im Auswahlprozess simuliert werden. Design Thinking Ansätze helfen, diese zu ermitteln. Geeignete, repräsentative Systemnutzer (Personas) werden hierfür selektiert und definiert. Repräsentative Unternehmensprozesse werden zu User Stories verarbeitet und „Moments that Matter“ definiert, und anschließend den HR Cloud Anbietern zur Vorbereitung ihrer Lösungspräsentation mitgegeben.
  • Integration in die Prozess- und Systemlandschaft
    Mit jeder neuen Technologie, die in einer Organisation implementiert werden soll, stellt sich auch die Frage, ob diese in die aufgestellte IT und HR IT Strategie passt. Auch müssen sich die dargestellten Prozesse nahtlos in die Unternehmenslandschaft einfügen und dort abbilden lassen. Viele Anbieter bieten heutzutage offene Schnittstellen an, die es einfach machen, Daten zu empfangen oder auch Daten mit anderen System auszutauschen. Ist aber die eigene Organisation in der Lage, ein solches Modell überhaupt zu unterstützen? Weiterhin sollte geklärt werden, inwieweit vorhanden Lizenzmodelle für den systemübergreifenden Datenaustausch ausreichen. Und ob die eigene Systemlandschaft weiterhin verwendet werden kann oder gegebenenfalls ausgetauscht werden muss. Auch wenn Cloud-Anwendungen den Anschein vermitteln, nahezu autark von hauseigener IT implementiert zu werden, sollte berücksichtigt werden, dass die IT-Abteilung auch bei der HR Cloud Selektion eine wichtige Rolle spielt und unbedingt involviert werden muss.
  • Standort und Sicherheitsaspekte
    HR Cloud Software läuft in anbietereigenen oder vom Anbieter angemieteten Rechenzentren. Auch die Daten der Benutzer nebst aller eingegebenen Stamm- und transaktionalen Daten werden dort gespeichert. Somit müssen bei der Auswahl eines HR Cloud Anbieters Sicherheitsfragen geklärt werden, etwa nach der geographischen Lage der Server oder Berücksichtigung notwendiger Regularien. Auch sollte vertraglich geklärt sein, was mit den eigenen Unternehmensdaten im Falle einer Insolvenz oder feindlichen Übernahme des Anbieters geschieht.
  • Auswahl eines Dienstleisters
    Schließt ein Unternehmen einen Vertrag mit einem HR Cloud Anbieter, bindet es sich in der Regel für mehrere Jahre an diesen Dienstleister. Es lässt sich also nicht vermeiden, dass eine gewisse Abhängigkeit des Unternehmens vom Anbieter entsteht. Daher sollte vorab unbedingt geprüft werden, inwieweit der favorisierte Anbieter in der Lage ist, die Bedürfnisse des Kunden über die reine Softwarelösung hinaus zu bedienen. Auch der spätere Support sollte in diese Überlegungen von Anfang an mit eingehen. Fragen hinsichtlich möglicher Einflussnahme bei der Produktweiterentwicklung oder, wenn notwendig, die Verfügbarkeit eines 24 Stunden erreichbaren, globalen Supports sollten gestellt werden.
  • Ausblicke in die Zukunft
    Hier stellt sich nicht nur die Frage, ob die zur Wahl stehende HR Cloud Lösung zukunftstauglich ist. Sondern auch, ob sie die Daten liefert, die für weiterführende Analysen und Prognosen die Basis bilden können.

Die Cloudtechnologie ist noch lange nicht am Ende. Künstliche Intelligenz, automatisierte Abläufe und weiterführende Analysen werden immer stärker nachgefragt und entwickelt. Die HR Cloud kann hierfür die wichtigste Grundlage liefern: relevante und strukturierte Daten. Auch die Bewertung dieser für die Zukunft wichtigen Ausrichtung sollte in die Selektion der HR Cloud Software einfließen.  

Digital HR als Wegbereiter

Deloitte setzt Maßstäbe im Bereich Digital HR. Wir verstehen Digital HR als weitaus mehr als eine reine Technologieimplementierung. Wir unterstützen Unternehmen und deren HR Funktion dabei, sich auf Digital HR vorzubereiten, den digitalen Reifegrad des Unternehmens zu identifizieren, erste Schritte hin zu einer sinnvollen, digitalen HR Funktion zu definieren, digitale Kompetenzen zu entwickeln und Spitzenreiter im Bereich Digital HR zu werden.

Bei Fragen zu unserem Artikel oder Leistungsportfolio wenden Sie sich gerne an untenstehende Ansprechpartner.

Stefan Kaiser
Senior Manager | Human Capital
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