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Gilt das Fernmeldegeheimnis für Arbeitgeber – endet endlich ein jahrzehntelanger Streit?

29. Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen

Seit nahezu zwei Jahrzehnten wird darüber debattiert, ob Arbeitgeber, die ihren Angestellten die private Verwendung von betrieblichen E-Mail- und Telekommunikationsdiensten gestatten oder dies jedenfalls dulden, dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, wie dies insbesondere die Datenschutzbehörden bis zuletzt befürwortet haben.

1. Gilt das Fernmeldegeheimnis für Arbeitgeber?

Nur wenn die private Nutzung von betrieblichen E-Mail- und Telekommuni-kationsdiensten ausdrücklich verboten ist, galt bisher die nahezu allgemeine Auffassung, dass das Fernmeldegeheimnis nicht anwendbar ist. In solchen Fällen basiert beispielsweise der Zugang zu dienstlichen E-Mail-Accounts ausschließlich auf datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Die Anwendung des Fernmeldegeheimnisses bei erlaubter oder geduldeter Privatnutzung hätte zur Folge, dass Arbeitgeber in ihrer Fähigkeit, z.B. auf dienstliche E-Mail-Accounts zuzugreifen, regelmäßig sehr stark eingeschränkt wären. Wenn, wie oft der Fall, keine gültige Einwilligung des betroffenen Mitarbeiters vorliegt, wäre der Zugriff, wenn überhaupt, nur in wenigen Ausnahmen möglich.

Im Zuge einer Gesetzesänderung Ende 2021 bestand die Hoffnung vieler Arbeitgeber, dass die Aufsichtsbehörden ihre bisherige Rechtsauffassung überdenken. Mit der Novelle zum 1. Dezember 2021 wurde der siebte Teil des TKG, der bislang das Fernmeldegeheimnis enthalten hatte, komplett aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) herausgenommen und in Teil 2 des neuge-schaffenen TTDSG überführt. Im Zuge dieser Anpassung wurde § 88 TKG aF zu § 3 TTDSG. In der Literatur war man sich jedoch schnell überwiegend einig, dass die meisten Argumente der Aufsichtsbehörden auch nach Einführung des § 3 Abs. 2 TTDSG, der die frühere Regelung materiell unverändert über-nommen haben soll, weiterhin vertretbar seien. Die Aufsichtsbehörden selbst haben sich jedoch mit klaren Aussagen zu ihrer aktuellen Position zuletzt eher bedeckt gehalten. Die Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber bestand daher unvermindert fort, auch wenn zuletzt die Meinungen in Literatur und Instanzrechtsprechung, die gegen die Anwendung des Fernmelde-geheimnisses gerichtet sind, klar überwogen.

Die Datenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen (LDI NRW), Frau Bettina Gayk, hat in ihrem jüngst veröffentlichten 29. Tätigkeitsbericht ihre strenge Haltung aufgegeben und festgestellt, dass Arbeitgeber nach ihrer Meinung nicht mehr dem Fernmeldegeheimnis unterliegen.

 

2. 29. Tätigkeitsbericht

Im 29. Tätigkeitsbericht stellt die Datenschutzbeauftragte u.a. fest:

„Nach Inkrafttreten des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) gehen deutsche Aufsichtsbehörden (Bundes-beauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, LDI NRW sowie weitere Landesdatenschutzbehörden) davon aus, dass sich eine rechtliche Bewertung geändert hat: Arbeitgeber*innen, die ihren Beschäftigten die private Nutzung von Internet und E-Mail erlauben oder dulden, unterliegen nicht mehr dem Telekommunikationsrecht. …

Bei Arbeitgeber*innen, die die private Nutzung erlauben oder dulden, fehlt es in der Regel am Rechtsbindungswillen: Arbeitgeber*innen treten gegenüber ihren Beschäftigten nicht als geschäftsmäßige Telekommuni-kationsdienstleister auf. Deshalb wollen sie auch nicht, dass die für diese Dienstleister geltenden Rechtsnormen auf sie angewendet werden.“

 

3. Folgen für die Praxis

Es bleibt noch abzuwarten, wie sich die anderen Landesdatenschutzbehörden positionieren werden. Bis zur Veröffentlichung gegenläufiger Auffassungen anderer Datenschutzbehörden lässt sich jedoch bereits jetzt festhalten, dass mit der Veröffentlichung des 29. Tätigkeitsberichts der LDI NRW ein Niveau der Rechtssicherheit erreicht ist, auf das Arbeitgeber seit fast 20 Jahren gewartet haben. Erst mit einer gemeinsamen Veröffentlichung der Aufsichtsbehörden wird der Streit jedoch endgültig geklärt sein - jedenfalls, bis es gegenläufige höchstrichterliche Entscheidungen gibt, die jedoch angesichts der Entwicklung in der Instanzrechtsprechung, der Literatur und nun auch auf Seiten der Aufsichtsbehörden in den letzten Jahren eher unwahrscheinlich sind.

Auch wird es für Arbeitgeber nun einfacher, die Privatnutzung im Rahmen von Betriebsvereinbarungen zu regeln, weil Betriebsräte und deren Berater sich in der Vergangenheit gerne an der konservativen Auffassung der Aufsichtsbehörden orientiert haben.

Grundsätzlich gilt, unabhängig vom Fernmeldegeheimnis, dass die (private) Nutzung von betrieblichen E-Mail- und Telekommunikationsdiensten geregelt werden sollte, wozu auch die LDI NRW rät. Eine angemessene Regelung kann dazu beitragen, die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu erfüllen und in vielen Fällen die Voraussetzungen für den Zugang zum E-Mail-Konto zu schaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zugriff auf den E-Mail-Account auch aus datenschutzrechtlicher Sicht - unabhängig vom Fernmeldegeheimnis - erheblich eingeschränkt ist und es einer datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage, wie insbesondere § 26 BDSG, für Zugriff und Verarbeitung bedarf. Der Zugriff beispielsweise auf das E-Mail-Konto eines Mitarbeiters ist daher nicht ohne Anlass möglich.

 

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