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Änderungen im niederländischen Arbeitsrecht für das Jahr 2022

Erneut unterlag das niederländische Arbeitsrecht einigen wesentlichen Änderungen. Einige dieser Änderungen sind bereits zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten, andere entfalten erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirksamkeit. Nachfolgend fassen wir für Sie die wichtigsten Änderungen für die Arbeitsrechts-/HR-Praxis zusammen. Der Beitrag richtet sich an Leserinnen und Leser, die bereits mit den Grundzügen des niederländischen Arbeitsrechts vertraut sind - unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem niederländischen Arbeitsrecht geben gerne zusätzliche Erläuterungen.

Seit dem 1. Januar 2022 anwendbare Regelungen

  • Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns: Der gesetzliche Mindestlohn für Arbeitnehmer ab 21 Jahren bei Vollbeschäftigung wurde auf 1.725 EUR brutto pro Monat, 398,10 EUR brutto pro Woche und 79,62 EUR brutto pro Tag erhöht.

Hinweis zur Situation in Deutschland: Bekanntermaßen soll der gesetzliche Mindestlohn auch in Deutschland erhöht werden. Die SPD-Fraktion im Bundestag twitterte hierzu am einen 21. Januar 2022: „Wir erhöhen den #Mindestlohn auf zwölf Euro! Dafür sind wir gewählt worden und das setzen wir jetzt so schnell wie möglich um. @hubertus_heil hat das entsprechende Gesetz heute auf den Weg gebracht 😊“ Im zugehörigen Gesetzesentwurf des zuständigen Bundesarbeitsministers Hubertus Heil soll es hierzu heißen: „Der für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Mindestlohn wird zum 1. Oktober 2022 einmalig auf einen Bruttostundenlohn von 12 Euro erhöht“. Ungewöhnlich an dieser Erhöhung ist jedenfalls der große Sprung von Euro 9,82/Stunde (seit dem 1. Januar 2022) über Euro 10,45 (planmäßig zum 1. Juli 2022) auf dann Euro 12,00. Ungewöhnlich ist auch, dass die Politik in das normalerweise in der Hoheit der Mindestlohnkommission liegende Verfahren eingreift. Nach Darstellung des Bundesministeriums sollen 6,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Erhöhung profitieren was zu höheren Lohnkosten in einer Größenordnung von ca. Euro 1,63 Milliarden im Jahr 2022 führen wird. Folgeerhöhungen bei knapp über der Mindestlohn-Marke liegenden Tariflöhnen könnten sich anschließen.

  • Gesetz über ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern an der Spitze von Unternehmen: Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes soll ein besseres und ausgewogeneres Verhältnis von Männern und Frauen im Vorstand oder Aufsichtsrat von B.V.s (Besloten Vennootschappen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht) oder N.V.s (Naamloze Vennootschappen, Aktiengesellschaften nach niederländischem Recht) erreicht werden. Nach dem Gesetz muss ein Aufsichtsrat zu mindestens einem Drittel aus männlichen und zu mindestens einem Drittel aus weiblichen Mitgliedern bestehen. Weiter müssen große Unternehmen angemessene und ehrgeizige Gleichstellungs-Ziele festlegen und dem SER (Sociaal-Economische Raad oder Sozial- und Wirtschaftsrat – hierbei handelt es sich um ein beratendes Gremium, in dem Unternehmer, Arbeitnehmer und unabhängige Experten zusammenarbeiten, um eine Einigung in wichtigen sozioökonomischen Fragen zu erzielen) jährlich Bericht erstatten.

Hinweis zur Situation in Deutschland: Auch in Deutschland wurden mit dem Inkrafttreten des FüPoG II gesetzliche Regelungen für die Besetzung von Vorstandsmandaten mit Frauen für börsennotierte und zugleich der paritätischen Mitbestimmung unterliegende Unternehmen aufgestellt. Das FüPoG II hat auch Änderungen bei der Festsetzung der Zielgrößen zum Gegenstand. Weitere Einzelheiten hier.

  • NOW5 Regelung: Arbeitgeber haben bis zum 31. Januar 2022 Zeit, sich auf die NOW5-Regelung (NOW = Noodmaatregel Overbrugging Werkgelegenheid, die vorübergehende Notmaßnahmen für den Erhalt von Arbeitsplätzen (die niederländische Beihilferegelung für pandemiebetroffene Unternehmen)) zu berufen, indem sie über das UWV (Uitvoeringsinstituut Werknemersverzekeringen, die für Arbeitnehmerbelange zuständige Behörde) einen Antrag auf Vorschusszahlung einreichen. Die folgenden Änderungen wurden an den Bestimmungen des NOW5 vorgenommen: Die Lohnsummenbefreiung wurde auf 15 % erhöht, die Unterstützung gemäß der NOW5-Regelung kann auch bei nicht COVID-bezogenen Umständen in Anspruch genommen werden und Kurzarbeit kann auch während der Inanspruchnahme des NOW5 angezeigt werden (Werktijdverkortingsregeling, „WTV“).
  • Änderung der Lohnsummengrenze für kleine und mittlere Arbeitgeber: Ab 2022 wird die Lohnsummenschwelle für kleine und mittlere Arbeitgeber beim 25-fachen des Durchschnittslohns pro Arbeitnehmer (882.500 EUR) liegen. Der Beitrag für die niederländische Arbeitswiedereingliederungskasse (Werkhervattingskas, „Whk“) großer Arbeitgeber mit einer Lohnsumme von 3.530.000 EUR oder mehr im Beitragsjahr 2020 wird im Jahr 2022 vollständig differenziert festgelegt. Der Whk-Beitrag für mittelgroße Arbeitgeber mit einem Beitragsaufkommen zwischen 882.500 EUR und 3.530.000 EUR wird teilweise differenziert und teilweise branchenspezifisch festgelegt. Für kleine Arbeitgeber mit einem Gesamtbeitragsaufkommen von bis zu 882.500 EUR wird der Whk-Beitrag vollständig nach Branchenzugehörigkeit festgelegt.
  • Veränderungen bei der Höhe der nach Arbeitgebergröße gestaffelten Prämie des Arbeitsunfähigkeitsfonds (Arbeidsongeschiktheidsfonds, „Aof“): Bis zum 1. Januar 2022 war die Höhe des Aof-Beitrags für alle Arbeitgeber gleich. Ab dem 1. Januar 2022 wird bei der Höhe des Aof-Beitrages nach der Größe des jeweiligen Arbeitgebers differenziert. Für kleine Arbeitgeber (Prämieneinnahmen im Jahr 2020 bis zu 882.500 EUR) beträgt die Prämie fortan 5,49 %, die Prämie für mittlere und große Arbeitgeber (Prämieneinnahmen im Jahr 2020 über 882.500 EUR) beträgt nunmehr 7,05 %.
  • 30%-Regel für den WW-Beitrag: Ab dem 1. Januar 2022 muss ein Arbeitgeber den Beitrag für das Arbeitslosigkeitsgesetz (Werkloosheidswet, „WW“) neu berechnen, wenn und sobald ein Arbeitnehmer innerhalb eines Kalenderjahres 30 % oder mehr Stunden arbeitet als vertraglich für dieses Jahr vereinbart, es sei denn, die Zahl der vertraglich vereinbarten Stunden übersteigt 35 Stunden pro Woche. Aufgrund der Covid 19-Pandemie war die 30 %-Regel und das damit einhergehende Überprüfungserfordernis in den Jahren 2020 und 2021 vorübergehend nicht anwendbar.
  • Veränderung der Beiträge bei den gesetzlichen Bestimmungen zur Wiedereingliederung: Die Beiträge für die Wiedereingliederungsregelung für Teilerwerbsfähige (Werkhervatting Gedeeltelijk Arbeidsgeschikten, „WGA“) und das Krankenversicherungsgesetz (Ziektewet) sind gestiegen. Der durchschnittliche WGA-Beitrag stieg um 0,06 % auf 0,84 %. Die Prämie für das Krankenversicherungsgesetz wurde um 0,10 % auf 0,68 % erhöht. Der Beitragssatz, den der Arbeitgeber zu zahlen hat, hängt von der Größe des Unternehmens ab.
  • Gesetz über die Betriebsräte: Leiharbeitnehmer gelten zukünftig bereits nach 15 Monaten als im Betrieb tätige Arbeitnehmer und erwerben somit ihre Rechte auf Teilhabe an der Mitbestimmung nach 15 Monaten statt wie bislang erst nach 24 Monaten. Das aktive und passive Wahlrecht entsteht 3 Monate nach Beginn der Tätigkeit im Betrieb.
  • Gesetz über Arbeit und Pflege (Wet arbeid en zorg): Das Lebenslaufsparmodell wurde abgeschafft. Im Rahmen des Lebenslaufsparmodell konnten Arbeitnehmer bisher einen Teil ihres Bruttogehalts für unbezahlten Urlaub oder für den Vorruhestand ansparen.
  • Gesetz zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Für entsandte Fachkräfte gelten die in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag festgelegten Urlaubs- und Vergütungsregelungen, wenn und sobald die Entsendung länger als 8 Tage dauert.
  • Ausweitung der Regelung für arbeitsbedingte Kosten: Ende Januar 2021 hat das Kabinett eine befristete Ausweitung des Freibetrags auf 3 % der ersten 400.000 Euro der Lohnsumme angekündigt. Ab 2022 wird dieser Freibetrag wieder auf 1,7 % gesenkt.
  • Unversteuerte Heimarbeitszulage: Das Kabinett hat eine steuerfreie Zulage für das Home Office von maximal 2 EUR pro Tag eingeführt. Die unversteuerte Heimarbeitszulage gilt nicht für Tage, an denen der Arbeitnehmer bereits eine Reisekostenvergütung erhält. Arbeitet der Arbeitnehmer einen Teil des Tages zu Hause und einen Teil des Tages im Büro, so kann entweder die unversteuerte Heimarbeitszulage oder die Reisekostenvergütung gezahlt werden.
  • Verbot von Raucherzimmern: Ab dem 1. Januar 2022 sind Raucherzimmer in Räumen, Gebäuden und Betrieben, in denen Arbeitnehmer ihre Arbeit verrichten oder üblicherweise verrichten, gesetzlich verboten.

Arbeidsrechtelijke wijzigingen per 1 januari 2022

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Ab einem späteren Zeitpunkt anwendbare Änderungen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen

  • Einführung des STAP-Budgets: Ab dem 1. März 2022 können Arbeitnehmer und Arbeitssuchende, die über 18 Jahre alt sind, ein Budget von 1.000 EUR pro Jahr für Weiterbildung und nachhaltige Entwicklung beantragen (das so genannte STAP-budget, STAP ist die Abkürzung für Stimulering Arbeidsmarkt Positie, Stimulierung der Arbeitsmarktposition). Die Regierung möchte Menschen damit die Möglichkeit geben, ihre berufliche Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Die Exekutivagentur für Bildung (Dienst Uitvoering Onderwijs, „DUO“) führt ein Verzeichnis der förderungswürdigen Ausbildungsmaßnahmen.
  • NOW6 (Tijdelijke Noodmaatregel Overbrugging voor Werkbehoud = Vorübergehende Notmaßnahmen für den Erhalt von Arbeitsplätzen (die niederländische Beihilferegelung für pandemiebetroffene Unternehmen)): Das NOW-Programm wird bis zum 31. März 2022 fortgesetzt. Der genaue Bewerbungstermin für NOW6 für Arbeitgeber wird in Kürze bekannt gegeben.
  • Änderungen bei den Vorschriften zur Vermeidung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen durch Neufassung der Verordnung über die Arbeitsbedingungen (Arbeidsomstandighedenbesluit): Mit der Einführung dieser Vorschriften werden alle Unternehmen, die in größerem oder geringerem Umfang gefährliche Stoffe verwenden, verpflichtet, diese zu melden, und die Aufsichtsbehörde SZW wird ermächtigt, zusätzliche Instrumente zur Durchsetzung der einschlägigen Regelungen einzusetzen. Die Verordnung wird am 1. Juli 2022 in Kraft treten.
  • Anstehende Umsetzung der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Beschäftigungsbedingungen in der EU: Die Richtlinie gibt den Arbeitnehmern mehr Rechte im Rahmen ihrer Beschäftigung. Kosten der obligatorischen Aus-/Fortbildung muss vom Arbeitgeber erstattet werden, und Nebentätigkeiten dürfen grundsätzlich nicht mehr verboten werden. Es wird erwartet, dass die Richtlinie bis zum 1. August 2022 in niederländisches Recht umgesetzt wird.
  • Inkrafttreten des Gesetzes über den bezahlten Elternurlaub: Jeder Arbeitnehmer hat während neun Wochen in dem Zeitraum, in dem das Kind das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder während eines Jahres nach dem Tag der Adoption, Anspruch auf eine Leistung. Die Höhe der Leistung beträgt höchstens 50 % des maximalen Tageslohns. Das Gesetz wird am 2. August 2022 in Kraft treten.

Vergleiche zur Situation in Deutschland die Bestimmungen zur Elternzeit und zum Elterngeld.

  • Beitrag zu den Fixkosten (Tegemoetkoming Vaste Lasten, „TVL“). Die TVL-Regelung wird im ersten Quartal 2022 fortgesetzt. Der Termin für die Beantragung des Vorschusses auf den TVL Q1 2022 und die genauen Bedingungen für diesen Antrag sind noch nicht bekannt.
  • Rückkehrbeitrag für das Krankenversicherungsgesetz (Ziektewet): Arbeitgeber, die im Übrigen über das Krankenversicherungsgesetz (Ziektewet) abgebildete Leistungen bislang über andere Versicherungen und vergleichbare Mechanismen abbilden, dann aber in das öffentliche System zurückkehren wollen, müssen ab dem 1. Januar 2024 mit einem höheren Rückkehrbeitrag rechnen. Der Beitrag nach dem Krankenversicherungsgesetz wird von der Hälfte des Branchenbeitrags auf den volle Branchenbeitrag angehoben. Diese Änderung gilt nicht für Arbeitgeber, die spätestens am 1. Juli 2022 in das öffentliche System zurückkehren.

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