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Call-to-action: Der Aufsichtsrat in der Unternehmenskrise
Verschärfung der Beratungs- und Überwachungspflichten bei Eintritt von Insolvenzgründen
Seit Jahren verschärft sich die persönliche Haftung von Aufsichtsräten in der Unternehmenskrise. Seinen aktuellen Höhepunkt findet dies im nunmehr veröffentlichten Urteil des Kammergerichts Berlin. Damit haftet nicht allein die operative Geschäftsleitung für sämtliche Zahlungen ab Eintritt der Krise, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch der Aufsichtsrat.
Gerade in Zeiten eines Auslaufens von staatlichen Überbrückungshilfen, weltweiten Rohstoff- und Lieferengpässen sowie einer steigenden Zahl von Zombieunternehmen sind Aufsichtsorgane mehr denn je gefordert. Nicht zur Begleitung der Krisenbewältigung des Unternehmens, sondern auch zur Minimierung der persönlichen Haftung ist jetzt eine engmaschige Kontrolle der Unternehmensleitung geboten.
Grundsätzlich gilt, dass der Vorstand oder die Geschäftsführung einer Gesellschaft mit Eintritt der Insolvenzreife verpflichtet ist, ohne schuldhaftes Zögern und damit unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Maximal darf ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eine Frist von drei Wochen bzw. bei Vorliegen „lediglich“ einer Überschuldung eine Frist von sechs Wochen ausgereizt werden. In dieser Zeit dürfen aber bereits keine Zahlungen seitens der Geschäftsleitung ausgelöst werden, solange diese nicht privilegiert sind. Verstößt der Vorstand oder die Geschäftsführung hiergegen, haften sie für sämtliche Zahlungen der Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt mit ihrem Privatvermögen.
Diese persönliche Haftung erstreckt sich nach dem Urteil des Kammergericht Berlin vom 29.04.2021, Az. 2 U 108/18, nunmehr auch auf den Aufsichtsrat. Das Gericht verurteilte daher zwei Aufsichtsräte zu einer Millionenzahlung. Damit schreibt das Kammergericht Berlin die Verschärfung der Anforderungen an den Aufsichtsrat und dessen persönliche Haftung im Sinne des Urteils des BGH vom 16.03.2009 und des Urteils des OLG Düsseldorf vom 31.05.2012 fort.
Kardinalpflicht des Aufsichtsrats ist stets die Bestellung eines leistungsfähigen Vorstandes und dessen laufende Überwachung. Ein erhöhter Arbeitseinsatz des Aufsichtsratsmitglieds ist jedoch in besonderen, krisenhaften Situationen der Gesellschaft gesetzlich gefordert. Insbesondere muss dann von den in § 90 Absatz 3 und § 111 Absatz 2 AktG zur Verfügung stehenden Rechten Gebrauch gemacht werden. Erkennt der Aufsichtsrat, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, oder musste er dies erkennen und bestehen für ihn Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Vorstand entgegen dem Verbot gemäß § 15b InsO Zahlungen leistet, so hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand die verbotswidrigen Zahlungen sofort unterlässt. Die Beweislast für seine Tätigwerden liegt dabei beim Aufsichtsrat. Das Aufsichtsratsmitglied muss nach §§ 116, 93 Absatz 2 Satz 2 AktG selbst darlegen und beweisen, dass es seine Pflichten erfüllt hat oder dass ihn jedenfalls an der Nichterfüllung kein Verschulden trifft. Auf die Beteuerung des Vorstandes, dass keine Insolvenzgründe vorliegen, darf sich der Aufsichtsrat nach den Ausführungen des Kammergerichts zumindest nicht verlassen.
Die Entscheidung des Kammergerichts vom 29.04.2021 ist zwar noch nicht rechtskräftig, da der BGH noch über die Nichtzulassungsbeschwerde, Az. II ZR 103/21, entscheiden muss. Der allgemeine Trend der Rechtsprechung geht aber seit Jahren dahin, die Unternehmensleitung und ihre Aufsichtsorgane strenger in die Pflicht zu nehmen. Aus dem geltenden Vorsichtgrundsatz ist der Aufsichtsrat daher gut beraten, bei etwaig abzeichnenden Krisen des Unternehmens frühzeitig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und sich detailliert und fortlaufend von der Geschäftsleitung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft unterrichten zu lassen.
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