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"Monthly Dose" Arbeitsrecht: Juli 2023

Aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht

Unsere "Monthly Dose" Arbeitsrecht zur aktuellen Rechtsprechung behandelt in der Juli-Ausgabe 2023 die Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom (1) 09.02.2023 (7 AZR 266/22) zur Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei Urlaubsgewährung nach Ablauf der Befristung, (2) vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) zur Verjährung von Urlaubsansprüchen, (3) vom 08.12.2022 (6 AZR 31/22) zur Berücksichtigung der Rentennähe bei der Sozialauswahl, (4) vom 29.03.2023 (5 AZR 255/22) zur Nachjustierung des Leistungswillens des Arbeitnehmers beim Annahmeverzugslohn im Kündigungsrechtsstreit sowie (5) des EuGH vom 27.04.2023 (Rs C 192/22) zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit während Altersteilzeit.

1. Keine unbefristete Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses bei Gewährung von Urlaub nach Ablauf der Befristung (BAG Urt. v. 09.02.2023, 7 AZR 266/22)

In seinem Urteil vom 09.02.2023 (7 AZR 266/22) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) Gelegenheit klarzustellen, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht bereits deshalb nach Maßgabe des § 15 Abs. 6 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortgeführt wird, weil der Arbeitgeber nach Ablauf der Befristung eine einseitige Leistungserfüllung ohne Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vornimmt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Kläger bis zum 30.09.2020 in einem befristeten Arbeitsverhältnis beim beklagten Arbeitgeber angestellt. Am 09.09.2020 wurde dem Kläger über das vom Arbeitgeber für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses betriebene Personalportal „myTime“ Erholungsurlaub für die Zeit vom 01.10.2020 bis zum 03.10.2020, vom 05.10.2020 bis zum 09.10.2020, vom 12.10.2020 bis zum 16.10.2020, vom 19.10.2020 bis zum 23.10.2020 sowie vom 26.10.2020 bis zum 31.10.2020 gewährt. In der Folgezeit erteilte der Arbeitgeber dem Kläger ein Zwischenzeugnis für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 30.09.2020.

Der Kläger erhob am 15.11.2020 Klage auf die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe des § 15 Abs. 6 TzBfG, nach der ein befristetes Arbeitsverhältnis, das nach Ablauf der Befristung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird, auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, wenn der Arbeitgeber der Befristung nicht unwiderruflich widerspricht. Der Kläger begründete seine Klage damit, dass ihm der Arbeitgeber über den Befristungszeitraum hinaus Urlaub gewährt habe und ihm zum Stichtag des 30.09.2020 lediglich ein Zwischenzeugnis erteilt habe. Diese Umstände stünden einer Fortführung der Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 6 TzBfG gleich und würden so ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründen.

Das BAG wies die Klage ab. Zur Begründung führt es aus, dass es für die Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 6 TzBfG – nach seiner gefestigten Rechtsprechung – eines schlüssigen Verhaltens der Parteien bedarf, welches sich in Form einer stillschweigenden Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ausdrückt. Ein solcher Wille sei zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers oder seines berechtigten Vertreters weiterarbeitet. Die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitsgebers bringe diesen Willen in der Regel zum Ausdruck. Dazu habe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortzusetzen, um die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen. Die einseitige Erfüllung von Leistungspflichten des Arbeitgebers in Form von Entgeltzahlungen sei für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nicht ausreichend, wenn nicht im Gegenzug eine tatsächliche Leistungserbringung des Arbeitnehmers in Anspruch genommen wird. Ausschließlich vom Arbeitgeber durchgeführte Fortsetzungshandlungen über das Befristungsende hinaus, wie im Fall von Urlaub oder Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit, führen nicht zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Während des Urlaubs schulde der Arbeitnehmer auch keine arbeitsvertraglichen Pflichten, denn eine Pflicht zur Erholung bestehe nicht. Insoweit gebieten es der Sinn und Zweck der in § 15 Abs. 6 TzBfG bestimmten Fiktion des unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht, die einseitige Erfüllung von Leistungspflichten durch den Arbeitgeber als Fortsetzungshandlung im Sinne der Vorschrift anzusehen.

Folgen für die Praxis

Sollten für einen Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der vertragsgemäßen Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses hinaus Resturlaub- oder Freizeitausgleichsansprüche für Überstunden oder Mehrarbeit bestehen, führt dessen Gewährung für sich nicht zur Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gemäß § 15 Abs. 6 TzBfG. Arbeitgebern ist aus praktischer Sicht gleichwohl unverändert zu empfehlen, das befristete Arbeitsverhältnis vor dem Fristablauf bereits vollständig abzuwickeln, um Risiken der Fiktionswirkung des § 15 Abs. 6 TzBfG von vornherein entgegenzuwirken und insbesondere zu verhindern, dass der Arbeitnehmer während solcher Inanspruchnahme von Resturlaubsansprüchen nach Ablauf der Befristung nicht doch noch tatsächliche Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber erbringt und damit die Fiktionswirkung des § 15 Abs. 6 TzBfG für sich zu beanspruchen.

2. Die dreijährige Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche beginnt erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG Urt. v. 20.12.2022, 9 AZR 266/20)

In seinem Urteil vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) hatte das BAG Gelegenheit, sich zur Frage der Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen sowie dem Zeitpunkt des Verjährungsbeginns zu äußern und insofern seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht weiter zu konkretisieren.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus einem ehemaligen Arbeitsverhältnis. Der beklagte Arbeitgeber beschäftigte die Klägerin vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017. Die Klägerin hatte einen jährlichen Anspruch von 24 Urlaubstagen. Der Beklagte gewährte der Klägerin während der Durchführung des Arbeitsver-hältnisses nicht den gesetzlichen Mindesturlaub und forderte die Klägerin weder auf, ihren Urlaub zu nehmen, noch wies er die Klägerin darauf hin, dass nicht beantragter Urlaub verfallen kann.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte der Beklagte der Klägerin eine Urlaubsabgeltung für 14 Urlaubstage. Die Klägerin forderte in der Folgezeit die Abgeltung von weiteren 101 Urlaubstagen (mit einem monetären Gegenwert von 23.092,64 Euro). Die Klägerin berief sich auf § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wonach Urlaub abzugelten ist, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Da der Beklagte seinen Mitwirkungsobliegenheiten zum Hinweis auf konkret bestehende Urlaubsansprüche und einen Verfall bei Nichtbeanspruchung – gemäß der jüngeren Rechtsprechung des BAG – nicht nachgekommen sei, hätten die Urlaubsansprüche auch über die in § 7 Abs. 3 BUrlG bezeichneten zeitlichen Grenzen fortbestanden. Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss der (gesetzliche Mindest-) Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen statthaft und muss der Urlaub im Fall der Übertragung bis spätestens 31.03. des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Der Beklagte lehnte die Abgeltung dieser weiteren 101 Urlaubstage ab und argumentierte, dass er die von der Klägerin angeführten Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht kennen und befolgen konnte, da sich die diesbezügliche Rechtsprechung des BAG erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geändert habe. Soweit die Urlaubsansprüche aus Zeiträumen vor dem Jahr 2015 stammten, seien sie verjährt. Die Klägerin machte daraufhin den Urlaubsabgeltungsanspruch in einem Umfang von zuletzt 76 Urlaubstagen arbeitsgerichtlich geltend.

Das BAG gab der Klage statt und führte hierzu aus, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem beendeten Arbeitsverhältnis weder verfallen noch verjährt seien. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub unterliege gemäß seiner jüngeren Rechtsprechung (unter anderem aus seinem Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 423/16) nicht der Befristung gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zuvor in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. Vorliegend habe der Beklagte die Klägerin nicht auf den befristeten Anspruch hingewiesen und sie nicht aufgefordert, den Urlaub zu nehmen, um einen Verfall zu vermeiden. Insoweit habe der Beklagte seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt. Enthalte die arbeitsvertragliche Urlaubsregelung keine Differenzierung nach dem gesetzlichen Mindesturlaub und nach dem übergesetzlichen zusätzlichen vertraglichen Urlaub, gelte dies auch für den übergesetzlichen Urlaub. Den Einwand des Beklagten, er habe von seinen Mitwirkungsobliegenheiten keine Kenntnis gehabt und angesichts der erst im Jahr 2019 vom BAG erkannten Rechtsprechung zu diesen Mitwirkungsobliegenheiten Vertrauensschutz genossen, lehnte das BAG mit Verweis auf die Urlaubsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ab, der bereits in seiner Entscheidung vom 06.11.2008 erkannt habe, dass die – den gesetzlichen Regelungen des BUrlG zugrunde liegenden – Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG ohne zeitliche Beschränkung einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, sofern der Lauf der Verjährung beginnt, bevor der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber nicht tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen. Dieser Auslegung stehe auch nicht der Zweck des Verjährungsrechts entgegen. Sowohl das öffentliche Interesse an Rechtssicherheit als auch das Interesse des Arbeitgebers, sich vor einer Inanspruchnahme (nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren) zu schützen, müssen nach unionsrechtskonformer Auslegung hinter dem Ziel des Gesundheitsschutzes zurücktreten. Insbesondere könne der Arbeitgeber die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung fügt sich in die jüngere Rechtsprechung des BAG zu den umfassenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Durchführung der Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter ein und stellt diese auch in Bezug auf den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen klar – die Verjährungsfrist beginnt insoweit erst mit Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub freiwillig nicht in Anspruch genommen hat. Die Entscheidung des BAG steht damit im Einklang mit der Auslegung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG durch den EuGH, wonach dieser zeitlich unbegrenzt gilt und eine zeitliche Geltungsbeschränkung abgelehnt wird. Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf die etwaige Geltendmachung von – gesetzlichen – Resturlaubsansprüchen aus beendeten Arbeitsverhältnissen von ehemaligen Arbeitnehmern, für die der Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, bleiben abzuwarten.

Arbeitgeber sollten diese Entscheidung – einmal mehr – zum Anlass nehmen, die eigenen Prozesse zur Information ihrer Mitarbeiter über (Rest-)Urlaubsansprüche im jeweiligen Kalenderjahr nachzujustieren, um ihre Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen und damit einen wirksamen Verfall von vom Arbeitnehmer nicht genommenen Urlaubsansprüchen bewirken zu können.

3. Berücksichtigung der Rentennähe bei der Sozialauswahl im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen (BAG Urt. v. 08.12.2022, 6 AZR 31/22)

Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen. Bei dieser sogenannten „Sozialauswahl“ muss der Arbeitgeber die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach vier Grunddaten, nämlich Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers vornehmen. Berücksichtigt der Arbeitgeber bei der Auswahlentscheidung diese sozialen Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend, so ist eine ordentliche Kündigung trotz Vorliegens von dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial nicht gerechtfertigt.

In seinem Urteil vom 08.12.2022 (6 AZR 31/22) hatte das BAG erstmals entschieden, dass bei der Gewichtung des Lebensalters hierbei zulasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden könne, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war die 1957 geborene Klägerin seit 1972 bei ihrer damaligen Arbeitgeberin, der H-GmbH, beschäftigt. Ab dem 01.12.2020 konnte die Klägerin Altersrente beziehen.
Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH eröffnet und der Beklagte zu ihrem Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat einen ersten Interessenausgleich mit Namensliste, der die Kündigung von 61 der 396 Arbeitnehmer vorsah. In dieser Namensliste war die Klägerin als zu kündigende Arbeitnehmerin benannt, sodass der beklagte Insolvenzverwalter ihr Arbeitsverhältnis zum 30.06.2020 erstmals (betriebsbedingt) kündigte. Im Gegensatz zur Klägerin hielt der beklagte Insolvenzverwalter die Kündigung für wirksam, denn die Klägerin sei in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigsten schutzwürdig. Sie habe als einzige Arbeitnehmerin die Möglichkeit, ab dem 01.12.2020, also zeitnah im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte (§§ 38, 236b SGB VI) zu beziehen und stünde daher im Hinblick auf die Sozialauswahl hinter allen anderen vergleichbaren Arbeitnehmern.

Ende Juni 2020 vereinbarte der beklagte Insolvenzverwalter nach erneuten Verhandlungen mit dem Betriebsrat wegen der nun beabsichtigten Betriebsstilllegung einen zweiten Interessenausgleich mit Namensliste. Da die Klägerin auch auf dieser Liste stand, kündigte der Beklagte ihr vorsorglich erneut am 29.06.2020. Auch gegen diese Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht hat beiden Kündigungsschutzanträgen der Klägerin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Insolvenzverwalters zurückgewiesen. Die Revision des beklagten Insolvenzverwalters hingegen hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Der sechste Senat hielt die erste Kündigung für unwirksam. Allerdings entschied er, dass die Betriebsparteien die Rentennähe der Klägerin bei der Sozialauswahl bezogen auf das Kriterium „Lebensalter“ berücksichtigen durften. Die Ratio der Sozialauswahl sei es, gegenüber demjenigen Arbeitnehmer eine Kündigung auszusprechen, der sozial am wenigsten schutzbedürftig ist. Das Auswahlkriterium „Lebensalter“ sei dabei ambivalent: Zunächst nehme die soziale Schutzbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zu, da ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise schlechtere Vermittlungschancen haben. Sie falle aber wieder ab, wenn der Arbeitnehmer entweder spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Altersrente – mit Ausnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§§ 37, 236a SGB VI) – verfügen kann oder über ein solches bereits verfügt, weil er eine abschlagsfreie Rente wegen Alters bezieht. Insofern könne der Arbeitgeber das Lebensalter zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigen, sodass ihm ein gewisser Wertungsspielraum bei der Sozialauswahl zusteht. Die streitige erste Kündigung vom 27.03.2020 war im Ergebnis dennoch unwirksam, da die Auswahl der Klägerin allein aufgrund ihrer Rentennähe erfolgte, dabei aber die übrigen Auswahlkriterien „Dauer der Betriebszugehörigkeit“ und „Unterhaltspflichten“ unberücksichtigt ließ und daher grob fehlerhaft war. In Ansehung der vorsorglichen zweiten Kündigung vom 29.06.2020 hatte die Revision des Beklagten hingegen Erfolg. Diese Kündigung ist wirksam.

Folgen für die Praxis

Für die Praxis lässt sich festhalten, dass sich im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen die Rentennähe des Arbeitnehmers bei der Durchführung der Sozialauswahl zu Lasten des rentennahen Arbeitnehmers auswirken kann. Wichtig ist allerdings, dabei vollumfänglich zu werten und bei der Auswahl des betreffenden Arbeitnehmers nicht allein das Lebensalter, sondern auch die übrigen Kriterien der Sozialauswahl zu berücksichtigen.

4. Ein Weiterbeschäftigungsangebot des Arbeitgebers „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ nach außerordentlicher fristloser Kündigung inkludiert ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers (BAG Urt. v. 29.03.2023, 5 AZR 255/22)

In seinem Urteil vom 29.03.2023 (5 AZR 255/22) hatte das BAG Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Annahmeverzug des Arbeitgebers im Kündigungsrechtsstreit nach Maßgabe der § 615 BGB und § 11 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) weiter zu konkretisieren und fortzuschreiben.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der klagende Arbeitnehmer beim beklagten Arbeitgeber ursprünglich als „Chief Technology Officer“ zu einer monatlichen Bruttovergütung von 5.250,00 EUR beschäftigt. Der Arbeitgeber erklärte am 02.12.2019 eine fristlose Änderungskündigung, mit der er dem Kläger eine Tätigkeit als Softwareentwickler gegen eine auf 3.750,00 EUR brutto monatlich verminderte Vergütung anbot. Das Kündigungsschreiben enthielt außerdem die folgende Formulierung: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien nicht zur Arbeit. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin mit Schreiben vom 14.12.2019 das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich. Der Arbeitgeber wies den Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Kläger „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung […] am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ“ zum Arbeitsantritt erwartet werde. Der Kläger leistete auch dieser Aufforderung nicht Folge. Er erhob gegen beide Kündigungen Klage und forderte zudem Vergütung wegen Annahmeverzugs (gem. §§ 293 ff. BGB).

Der Beklagte begründete die Änderungskündigungen im Rechtsstreit mit verhaltensbedingten Gründen. Konkret warf er dem Kläger unter anderem vor, geschäftsschädigend die im Unternehmen bestehende „Wohlfühlatmosphäre“ zu gefährden und potentiell zu zerstören, einen „Drang nach übermäßiger Aufmerksamkeit und Anerkennung“ zu haben, ein Verhalten, das „treuwidrig und damit verwerflich“ sei. Es fehle ihm an „Kompromissfindungsfähigkeit“ und er schrecke auch vor einer vorsätzlichen Schädigung des Beklagten nicht zurück. Seine Weiterbeschäftigung sei der Beklagten unzumutbar. Dass sie nur eine Änderungskündigung und nicht „die gebotene Beendigungskündigung“ ausgesprochen habe, rühre nicht daher, dass „das Arbeitsverhältnis nicht etwa genügend unerträglich für eine außerordentliche Beendigungskündigung sei“, sondern der Kläger stehe unter „dem dringenden Verdacht, den Gerichtsprozess zu provozieren, um so für die Zeit des Gerichtsprozesses (am liebsten pauschaliert als Abfindung oder bezahlte Freistellung) den Profit des monatelangen bezahlten Urlaubs zu erhalten“.

Im Kündigungsrechtsstreit lehnte der Beklagte die Gewährung des Annahmeverzugslohns ab, da dem Kläger die ihm angebotene Weiterbeschäftigung zumutbar gewesen sei; insbesondere, indem er im Laufe des Kündigungsrechtsstreits einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung gestellt habe. Der Kläger führte dagegen aus, dass ihm eine Weiterarbeit beim Beklagten, sofern der Beklagte dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen sei. Der Beklagte habe ihm zur Begründung der Kündigungen in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Er habe zudem seinerzeit geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar und insoweit sei sein Verhalten auch widersprüchlich.
Das BAG gab der Klage statt, stellte die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen fest und erkannte die vom Kläger geltend gemachte Vergütung wegen Annahmeverzug. Der Annahmeverzug sei nach § 615 S. 1 BGB mit Blick auf die Unwirksamkeit der Kündigungen zu verzeichnen gewesen, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft habe, um seinen Leistungswillen zu zeigen oder einer Anrechnung böswillig unterlassener Vergütung zu entgehen. Die in den Kündigungsschreiben jeweils aufgenommene Aufforderung des Beklagten, dass er im Falle der Ablehnung der jeweiligen außerordentlichen Kündigung den Kläger zum Arbeitsantritt erwarte, stellte nach Auffassung des BAG kein ernstgemeintes Angebot einer Prozessbeschäftigung zur Schadensminimierung dar. Das Angebot diente allein der Vermeidung der Zahlung der Annahmeverzugsvergütung. Mit der Ablehnung des Angebots könne zudem nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers i.S.d. § 297 BGB geschlossen werden. Die im Rahmen einer Prozessbeschäftigung angebotene Arbeitsleistung müsse sich auf die Arbeitsleistung im ungekündigten Arbeitsverhältnis beziehen und nicht unter Aufrechterhaltung der Kündigung zur Minimierung des Annahmeverzugslohnrisikos des Arbeitgebers. Eine Ablehnung der in dieser Konstellation angebotenen Prozessbeschäftigung könne daher keinen Rückschluss für einen mangelnden Leistungswillen des Klägers bieten. Eine Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG aufgrund der Ablehnung des Weiterbe-schäftigungsangebots des Beklagten wies das BAG mit dem Argument zurück, dass sich der Beklagte widersprüchlich verhalten hat. Dem Kläger war aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe eine Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bei der Beklagten nicht zuzumuten. Zudem lasse die bloße Ablehnung der angebotenen Prozessbeschäftigung für sich allein keinen Rückschluss auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers zu; um einen fehlenden Leistungswillen zu indizieren, müssen in einem solchen Fall weitere Umstände hinzukommen, etwa der, dass der Arbeitnehmer schon vor Ausspruch der unwirksamen Arbeitgeberkündigung leistungsunwillig gewesen sei. Das BAG gibt in diesem Zusammenhang seine bisherige Rechtsprechung (u.a. aus seinem Urteil v. 17.08.2011, 5 AZR 251/10) auf, nach der die bloße Ablehnung der angebotenen Prozessbeschäftigung gemäß den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bereits den Annahmeverzug entfallen lassen könne. Der Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess sei auf eine Prozessbeschäftigung nach (zumindest erstinstanzlicher) Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet, sodass der Kläger „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren könne. Eine Böswilligkeit des Klägers lehnte das BAG somit ab.

Folgen für die Praxis

Der konkrete Sachverhalt der Entscheidung lässt vordergründig auf eine Einzelfallentscheidung schließen ohne verallgemeinernden Erkenntnismehrwert für die Praxis. Eine intensivere Analyse des Urteils kommt zu der Erkenntnis, dass das BAG in diesem Urteil die Anforderungen an die Annahme eines fehlenden Leistungswillens bei Ablehnung der Prozessbeschäftigung für die Verneinung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers in Bezug auf die Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers materiell erhöht hat, demnach die bloße Ablehnung der Prozessbeschäftigung für sich allen kein maßgebliches Indiz für den fehlenden Leistungswillen bilden kann. Insoweit zeigt die der Entscheidung zugrundeliegende Konstellation auf, dass sich Arbeitgeber nicht grundsätzlich mit einem Angebot eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses des Annahmeverzugslohnrisikos entledigen können, ohne dabei die Argumentationskraft für eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu untergraben oder zumindest zu gefährden. Arbeitgeber haben daher für die konkrete Ausgestaltung der Prozessbeschäftigung sorgfältig abzuwägen, ob sie diese einvernehmlich oder – im Fall des Obsiegens des Arbeitnehmers in der konkreten gerichtlichen Instanz – ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung durchführen wollen; und zudem die konkrete Vorgehenswei-se (insbesondere in Bezug auf die relevante (Re-)Aktion des Arbeitnehmers) sorgfältig zu dokumentieren. Zur Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes und der Reduzierung des Annahmeverzugslohnrisikos können dem gekündigten Arbeitnehmer dabei vorrangig offene Vakanzen zugeleitet werden, ohne die Begründung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung zu gefährden oder sich eines widersprüchlichen Verhaltens auszusetzen (s. hierzu nur BAG Urt. 16.05.2022, 9 AZR 203/99).

5. Kein Verfall von Urlaubsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit während der Arbeitsphase bei Altersteilzeit (EuGH, Urteil vom 27.04.2023, Rs C 192/22)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich im April 2023 mit der Frage auseinandergesetzt, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, dass der bislang wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers, der im Verlauf des Urlaubsjahres aus der Arbeits- in die Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eintritt, mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines gesetzlich festgelegten Übertragungszeitraums erlischt.

Der klagende Arbeitnehmer war bis zum 30.09.2019 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Seit dem 01.10.2019 befindet er sich in Rente. Ende 2012 schlossen der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin eine Vereinbarung zur Altersteilzeit in Form des Blockmodells. Danach sollte der Arbeitnehmer vom 01.02.2013 bis zum 31.5.2016 arbeiten (Arbeitsphase) und anschließend vom 01.06.2016 bis zum 30.09.2019 freigestellt werden (Freistellungsphase). Kurz vor Beendigung der Arbeitsphase nahm der Kläger seinen noch offenen Urlaub für das Kalenderjahr 2016. Aufgrund einer Erkrankung des Klägers während des Urlaubs sind bei Eintritt in die Freistellungsphase aber noch 2 2/3 der gesetzlichen Urlaubstage übriggeblieben. Die Arbeitgeberin weigerte sich, diese Urlaubstage finanziell abzugelten.

Der Kläger erhob im Jahr 2019 Klage beim Arbeitsgericht gegen die Arbeitgeberin auf finanzielle Abgeltung der von ihm nicht genommenen Urlaubstage. Er habe seinen Urlaub wegen seiner Arbeitsunfähigkeit am Ende der Arbeitsphase nicht vollständig nehmen können. Wegen der Freistellung von der Arbeitspflicht in der Freistellungsphase der Altersteilzeit sei auch eine spätere Einbringung unmöglich gewesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da der vom Kläger während seiner Arbeitsphase nicht eingebrachte Urlaub entsprechend der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des 31.03.2017 verfallen sei.

Nach erfolgloser Berufung legte der Kläger Revision beim BAG ein. Das BAG hatte im vorliegenden Fall Zweifel in Bezug auf die Anwendung der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.

Das BAG setzte den Rechtsstreit daher aus und ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung. Es sollte geklärt werden, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, nach der der in der Arbeitsphase eines Altersteilzeitverhältnisses erworbene und bis zu Beginn der Freistellungsphase nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. eines festgelegten Übertragungszeitraums erlischt.

Der EuGH hat geurteilt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als auch der Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht erfüllter Urlaubsansprüche auch dann weiter besteht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund kurzzeitiger Arbeitsunfähigkeit während der Arbeitsphase eines Altersteilzeitverhältnisses daran gehindert war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub rechtzeitig noch vor Eintritt in die Freistellungsphase zu nehmen. Der Anspruch eines jeden Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ist als tragender Grundsatz des Sozialrechts der EU in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankert. Dieses Grundrecht umfasst auch den Anspruch auf finanzielle Abgeltung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub. Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie spiegelt diese in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte wider und konkretisiert sie. Nationale Abweichungen von der mit der Arbeitszeitrichtlinie vorgesehenen Unionsregelung müssen daher so ausgelegt werden, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird. Laut EuGH können die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände keine Abweichung von dem in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie aufgestellten Grundsatz rechtfertigen, wonach ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums bzw. eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums nicht erlöschen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen.

Einem Arbeitnehmer, der auf Grund eines unvorhergesehenen Umstands – wie etwa Krankheit – daran gehindert wird, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wahrzunehmen, jeglichen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung zu versagen, liefe darauf hinaus, dem in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie i.V.m. Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehenen Recht seinen Gehalt zu nehmen. Nach Auffassung des EuGH sei der Arbeitgeber im Falle von Altersteilzeitverhältnissen vielmehr in der Lage, das Risiko, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht ausschöpfen könne, auszuschließen oder zu verringern, indem er mit dem Arbeitnehmer vereinbart, dass dieser seinen Urlaub rechtzeitig nimmt.

Folgen für die Praxis

Aus dieser Entscheidung folgt für Arbeitgeber, dass sie bei Altersteilzeitvereinbarungen, welche die Form des Blockmodells vorsehen, rechtzeitig vor dem Eintritt des Arbeitnehmers in die Freistellungsphase prüfen sollten, ob dem Arbeitnehmer noch offener Urlaub zu gewähren ist. Empfehlenswert ist, in enger Absprache mit dem Arbeitnehmer von Vornherein ein übermäßiges Anhäufen von Urlaubsansprüchen in der Arbeitsphase zu vermeiden. Denn ist es dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht möglich, seinen offenen Urlaub noch vor Eintritt in die Freistellungsphase zu nehmen, wird dieser vom Arbeitgeber entsprechend abzugelten sein.

Stand: Juli 2023

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