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Sterbegeld in der betrieblichen Altersversorgung
Betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG?!
Sterbegelder weisen in der betrieblichen Praxis eine lange Tradition auf. Ihren Ursprung haben sie in der Daseinsvorsorge: Sie wurden zunächst dezentral als branchen- und/oder versicherungsproduktbezogene Leistung von Sterbekassen und von Versicherungsunternehmen konzipiert. Später nahm sich auch der (Sozial-)Gesetzgeber ihrer an und bestimmte sie bis 2003 als gesetzlichen krankenversicherungsrechtlichen Zuschuss zu den Bestattungskosten (§§ 58f. SGB V a.F.) und bestimmt sie unverändert in der Beamtenversorgung als Sterbegeld für die Versorgung von Hinterbliebenen nach Maßgabe des § 18 BVG. In der betrieblichen Praxis inkludieren Sterbegelder in Arbeitsverhältnissen – insbesondere bei Führungskräften und bei Spezialisten – unverändert einen möglichen und im Einzelfall auch materiellen Vergütungsbestandteil.
1. Inhaltliche Ausgestaltung von Sterbegeld in der betrieblichen Praxis: Typisierende Bestandsaufnahme
In der inhaltlichen Ausgestaltung des Sterbegelds lassen sich in der betrieblichen Praxis unverändert zwei Grundkonstellationen unterscheiden:
Überwiegend bestimmen die relevanten Rechtsgrundlagen bei Tod des Mitarbeiters für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel Sterbemonat und bis zu drei Folgemonate)
- im aktiven Arbeitsverhältnis die Fortzahlung der dem verstorbenen Mitarbeiter zuletzt gewährten Vergütung, und
- nach dem bereits eingetretenen bAV-Leistungsfall die Fortzahlung der dem verstorbenen Pensionsempfängers zuletzt gewährten bAV-Versorgungsleistungen (an die sich dann im Anschluss etwa in der bAV-Zusage ebenfalls zugesagte Hinterbliebenenleistungen anschließen),
jeweils an den in der relevanten Rechtsgrundlage festgelegten Personenkreis. Der Personenkreis orientiert sich oft an den gesetzlichen Regelungen der §§ 46ff. SGB VI und umfasst überlebende Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und/oder Waisen. Mitunter wird der Personenkreis noch weiter definiert und umfasst auch alle sonstigen in einer gemeinschaftlichen Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Haushalt mit dem verstorbenen Mitarbeiter lebende Personen (inklusive nicht-eheliche Lebensgefährten) und/oder dessen gesetzliche Erben.
Teilweise bestimmen die relevanten Rechtsgrundlagen (noch) eine zweckgebundene Verwendung der konkreten Sterbegeldleistungen zur – ausschließlichen – Kompensation der durch den Todesfall für die Begünstigten zu verzeichnenden besonderen Aufwendungen, insbesondere für die Bestattung des verstorbenen Mitarbeiters.
Vertragssystematisch werden Sterbegeldleistungen einzelvertraglich entweder im Arbeitsvertrag oder in der Rechtsgrundlage der allgemeinen bAV-Zusage zugesagt. Bei betriebs- bzw. unternehmensweiter Gewährung der Sterbegeldleistungen erfolgt ihre Regelung in der Regel in einer Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung; dies auch, um aus Arbeitgebersicht die dahingehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bzw. des Personalrats zu erfüllen. Terminologisch finden sich in der Praxis für die Bezeichnung der Leistung neben dem „Sterbegeld“ auch Termini wie z.B. „Überbrückungsgeld“ oder „Gnadengehalt“ wieder.
2. Sterbegeld als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
In der betrieblichen Praxis stellt sich bei der Aufnahme des Sterbegelds in den Katalog der betrieblichen Leistungen des Arbeitgebers regelmäßig die Frage, ob das Sterbegeld als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG qualifiziert werden kann. Die Frage ist nicht nur aus bilanzieller Sicht für die Berechnung und Abbildung der pensionsbezogenen Rückstellungen nach Maßgabe des jeweiligen Buchungskreises relevant. Sie stellt sich auch bei Restrukturierungen (im Umfeld) von bAV-Zusagen, konkret etwa erteilten Direktzusagen bei Überlegungen zum Wechsel des Durchführungswegs für den Past Service zum Pensionsfonds oder – sofern Sterbegelder auch noch bei Tod des begünstigten Mitarbeiters nach seinem Ausscheiden/nach Eintritt des Versorgungsfalls gewährt werden – bei einer etwaigen Übertragung der Pensionsverpflichtungen auf eine Rentnergesellschaft.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) nimmt zu der betriebsrentenrechtlichen Beurteilung bisher eine sehr restriktive Position ein. Es lehnt in seiner bisherigen Rechtsprechung, zuletzt in seinem Urteil vom 10.12.2019 (3 AZR 122/18), die Qualifizierung als betriebliche Altersversorgung ab. Dies im Kern mit der typisierten Annahme, dass Sterbegelder nicht den Wegfall von Arbeitseinkommen nach Eintritt des Versorgungsfalls kompensieren, sondern den Hinterbliebenen typischerweise allein zur Deckung von anlassbezogenen Aufwänden (insbesondere Beerdigungskosten) dienen sollen. Das BAG leitet dabei die Zweckbestimmung der ausschließlich zur Kompensation erhöhter Belastungen dienenden Leistungen ausschließlich aus dem in den relevanten Versorgungsregelungen genannten Begriff des Sterbegeldes her. Es hat insoweit etwa in dem Urteil vom 10.12.2019 nicht den Umstand einbezogen, dass auch eine als Sterbegeld bezeichnete Leistung im Versorgungsfall Tod auch der Sicherung der Finanzierung des gewöhnlichen Lebensunterhaltes der Hinterbliebenen dient; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch als „Sterbegeld“ bezeichnete Leistungen gemäß der konkreten Ausgestaltung in der relevanten Rechtsgrundlage in der Regel als Barleistung und nicht zweckgebunden gewährt werden und die Hinterbliebenen über die konkrete Verwendung der Leistung – wie auch bei der als Barleistung gewährten allgemeinen Hinterbliebenenversorgung – autonom entscheiden können.
Die bisher hierzu – vor allem nach dem Urteil des BAG vom 10.12.2019 – veröffentlichte Literatur nimmt überwiegend eine zweck- und praxisbezogene Positionierung vor. Sie bejaht die Qualifizierung des relevanten betrieblichen Sterbegeldes als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG, wenn dieses nach seinem Zweck eine mit der tradierten Hinterbliebenenleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG identische bzw. vergleichbare Funktion der Überbrückung und/oder Sicherung des Lebensunterhalts der relevanten Hinterbliebenen erfüllen soll. Teilweise wird dieser Zweck – aus betriebsrentenrechtlicher Sicht ebenfalls plausibel – auch bei einer aufwandsbezogenen Gewährung insbesondere zur Finanzierung der Bestattungskosten bejaht; dies mit Verweis auf den im BetrAVG angelegten weiten Versorgungszweck der Hinterbliebenenleistung und der damit verbundenen im BetrAVG nicht vorgesehenen Zweckeinschränkung in der Verwendung der konkreten Leistung.
Zugleich ist zu konstatieren, dass eine Qualifizierung des jeweiligen Sterbegeldes als betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG voraussetzt, dass der begünstigte Personenkreis dem Personenkreis der Hinterbliebenen im Sinne des BetrAVG entspricht. Dazu ist der Kreis der Begünstigten in der Sterbegeldzusage ausschließlich auf den in §§ 46ff. SGB VI bestimmten Personenkreis zu stützen (= Ehepartner/eingetragener Lebenspartner, Waise), so dass etwa ein nach der Zusage auch an die gesetzlichen Erben gewährtes Sterbegeld keine betriebliche Altersversorgung im Sinne des BetrAVG inkludieren kann. Aus Praxissicht ist schließlich anzumerken, dass maßgebliche Stakeholder (u.a. Abschlussprüfer, Interne Revision) dieser Argumentation im Einzelfall folgen (können) und eine vom Arbeitgeber nach Maßgabe der vorgenannten Argumente vorgenommene Qualifizierung des konkret gewährten Sterbegeldes als betriebliche Altersversorgung in Form der Hinterbliebenenleistung nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG mittragen.
3. Fazit und Ausblick
Es bleibt abzuwarten, ob das BAG seine bisher restriktive Rechtsprechung mit der Verneinung der Qualifizierung von Sterbegeld als betriebliche Altersversorgung im Sinne des BetrAVG auch nach dem zwischenzeitlich erfolgten Wechsel des Senatsvorsitzes im Dritten („Betriebsrenten-“) Senat fortsetzen wird. Arbeitgeber, die Sterbegeld insbesondere bei seiner Ausgestaltung als zeitlich befristete Fortzahlung der relevanten Vergütung als Hinterbliebenenleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG qualifiziert wissen wollen, sollten den Personenkreis der Begünstigten auf die in §§ 46ff. SGB VI bestimmten Personen beschränken und das Sterbegeld aus formaler Sicht in der Rechtsgrundlage der konkreten bAV-Zusage regeln. Zudem ist im Einzelfall eine zeitlich bedarfsgerechte Abstimmung mit den maßgeblichen Stakeholdern angezeigt, um spätere Diskussionen mit dem „falschen“ Diskussionsergebnis zu vermeiden.
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