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Umsetzung der EU-Richtlinie zu Arbeitsbedingungen – Bevorstehende Änderungen und Herausforderungen im Überblick
Zum Schutz von Arbeitgebern und Arbeitnehmern regelt das Nachweisgesetz Anforderungen, die bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen zu beachten sind. Mit der Arbeitsbedingungenrichtlinie werden diese Anforderungen ergänzt und erweitert. Der folgende Beitrag schafft einen Überblick über die im Zuge der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht geplanten Änderungen, die ab dem 01.08.2022 gelten sollen.
Inhaltsübersicht
- Status quo im Nachweisgesetz
- Wesentliche geplante Änderungen im Nachweisgesetz
- Wesentliche Änderungen außerhalb des Nachweisgesetzes
- Der zu erwartende Mehraufwand für Arbeitgeber und die möglichen Herausforderungen
Mit der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie 2019/1152) vom 20.06.2019 (sog. „Arbeitsbedingungenrichtlinie“) wird der Zweck verfolgt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Die Umsetzung in nationales Recht wird insbesondere Änderungen im Nachweisgesetz zur Folge haben.
Die Bundesregierung hat am 08.04.2022 einen Gesetzesentwurf (20/1636) zur Umsetzung der Arbeitsbedingungen-richtlinie vorgelegt.
Status quo im Nachweisgesetz
Das Nachweisgesetz stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Formfreiheit von Verträgen dar und verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrags zu verschriftlichen, zu unterzeichnen und diese Niederschrift dem Arbeitnehmer innerhalb des ersten Monats des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Unter „wesentlichen Bedingungen“ sind unter anderem die Namen sowie die Anschriften der Vertragspartner, der Zeitpunkt des Vertragsbeginns, Informationen zur Arbeitszeit und Arbeitsort, die Beschreibung der Tätigkeit, die Regelung des Urlaubsanspruchs und die vereinbarte Vergütung zu erfassen.
Ein Verstoß gegen diese Pflichten führt zwar nicht zur Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrags, erlegt dem Arbeitgeber jedoch eine besondere Darlegungs- und Beweislast auf. Im Streitfall muss der Arbeitgeber also darlegen und beweisen, was tatsächlich zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde.
Wesentliche geplante Änderungen im Nachweisgesetz
Mit der Arbeitsbedingungenrichtlinie geht ein Bündel von zusätzlichen Bedingungen einher, die der Nachweispflicht unterliegen und somit schriftlich festzuhalten sind. Dabei lässt die Arbeitsbedingungenrichtlinie eine Unterrichtung in elektronischer Form, z.B. per E-Mail, genügen. Der in Umsetzung der Richtline bislang vorgelegte Gesetzesentwurf hingegen schließt einen Nachweis in elektronischer Form weiterhin aus und hält an dem Schriftlichkeitsgebot fest.
Das Spektrum der neuen Nachweis- und Informationspflichten umfasst im Wesentlichen folgende Aspekte:
- Im Falle einer betrieblichen Altersversorgung ist über den Namen und die Anschrift des Versorgungsträgers zu unterrichten. Die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zur Unterrichtung selbst verpflichtet ist.
- Es ist über das Kündigungsverfahren zu informieren. In welchem Umfang das erfolgen soll, bleibt offen. Es empfiehlt sich jedoch, zumindest über das Erfordernis einer schriftlichen Kündigung, über die für beide Vertragsparteien geltenden Kündigungsfristen und über die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu unterrichten, wobei ein Versäumnis keine Konsequenzen für Fristen in einem etwaigen Kündigungsschutzverfahren mit sich bringt.
- Die vereinbarten Arbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten sowie die vereinbarte Schichtarbeit und die Informationen über das jeweilige Schichtsystem sollen schriftlich festgehalten werden.
- Die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden sollen verschriftlicht werden.
- Es entstehen umfangreiche Pflichten zur Niederschrift bei der Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland.
- Bei mehreren möglichen Arbeitsorten sollen alle verschriftlicht werden.
Die Erbringung der Nachweispflicht soll zukünftig bei bestimmten Bedingungen spätestens eine Woche nach Arbeitsbeginn erfolgen. Jeweilige Änderungen sollen spätestens mit deren Einführung schriftlich mitgeteilt werden. Damit wird die bisherige Monatsfrist für Arbeitgeber deutlich gekürzt.
Arbeitgeber unterliegen der Pflicht, Arbeitnehmern, mit denen ein Arbeitsverhältnis vor dem 01.08.2022 bestand, die Niederschrift über die erweiterten wesentlichen Bedingungen spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung des jeweiligen Arbeitnehmers, auszuhändigen.
Bei einem Verstoß gegen die Nachweispflichten weicht der Gesetzesentwurf von der bisherigen Sanktionslosigkeit ab und sieht eine eine Geldbuße von bis zu 2.000,00 EUR vor.
Wesentliche Änderungen außerhalb des Nachweisgesetzes
Neben den zuvor dargestellten Informationspflichten sieht die Richtlinie auch die folgenden Mindestanforderungen für Arbeitsbedingungen vor:
- Die Gewerbeordnung erlegt nunmehr die Kosten für Fortbildungen, die für die Tätigkeitsausführung erforderlich sind, dem Arbeitgeber auf; zudem sind Fortbildungen als Arbeitszeit zu werten.
- Befristete Arbeitsverträge sollen ein konkretes Enddatum in Schriftform vorsehen. Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit erhalten, in Textform den Wunsch nach Veränderung oder nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag anzuzeigen. Arbeitgeber trifft eine Begründungspflicht zu ihrer Entscheidung, sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand.
- Probezeitvereinbarungen im Rahmen befristeter Arbeitsverträge sollen in einem angemessenen Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen.
- Regelungen zur Arbeit auf Abruf müssen detailliert verschriftlicht werden. Dem Arbeitnehmer steht außerhalb des schriftlich vereinbarten Zeitraums ein Recht auf Verweigerung der Arbeit zu.
- Leiharbeitnehmer können ihren Wunsch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags anzeigen. Den Entleiher trifft hierbei eine Begründungspflicht, sofern die Arbeitnehmerüberlassung seit sechs Monaten besteht.
Der zu erwartende Mehraufwand für Arbeitgeber und die möglichen Herausforderungen
Arbeitgeber müssen sich in Zukunft auf einen Mehraufwand bezüglich neu abzuschließender und bestehender Arbeitsverträge einstellen. Während neue Verträge mit den erforderlichen Mindestanforderungen gestaltet werden müssen, können Bestands-Arbeitnehmer den Arbeitgeber auffordern, eine entsprechende Anpassung vorzunehmen. Als problematisch kann sich dabei die Frist von sieben Tagen zur Umsetzung erweisen, falls zeitgleich Anfragen von mehreren Arbeitnehmern eingehen. Infolgedessen ist anzuraten, bereits jetzt entsprechende Musterverträgen, die den zu erwartenden Mindestanforderungen gerecht werden, vorzubereiten, damit jeder zukünftigen Herausforderung schon jetzt entgegengewirkt werden kann.
Zum jetzigen Standpunkt ist davon auszugehen, dass der Referentenentwurf der Bundesregierung bis zu seiner endgültigen Verabschiedung nicht mehr wesentlich angepasst wird, da die Umsetzung in das nationale Recht bis zum 01.08.2022 durchzuführen ist. Unter Berücksichtigung des knappen Zeitrahmens zur Umsetzung der Richtlinie bleibt dennoch die Hoffnung auf die Umsetzung des von der Richtlinie eröffneten Möglichkeit der Digitalisierung. Es ist wünschenswert und zeitgemäß, dass den erweiterten Unterrichtungspflichten auch durch elektronische Form, z.B. per E-Mail nachgekommen werden kann.
Stand: Juni 2022
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