Deloitte: Wie ist Ihr Unternehmen bisher durch die Corona-Krise gekommen?
Stefan Kopp: Als Lebensmittel-Detailhändler durften wir unsere Filialen geöffnet halten. Wir mussten ein funktionierendes Schutzkonzept im laufenden Betrieb erarbeiten, umsetzen und fortentwickeln. Unsere Mitarbeitenden haben tagtäglich Höchstleistungen erbracht und unglaublichen Teamspirit gezeigt.
Deloitte: Was waren die spürbarsten Auswirkungen und Herausforderungen?
Stefan Kopp: Die Nachfrage basierte auf einmal nicht mehr auf den bisherigen Mustern, sondern variierte stark. Dies hatte entsprechende Auswirkungen auf die Logistikprozesse und den Filialbetrieb. Diese Ausnahmesituation hat unsere Mitarbeitenden nochmals enger zusammengeschweisst, wir sind dankbar für den unermüdlichen Einsatz unserer Mitarbeitenden und freuen uns über die gezeigte Solidarität.
Herausfordernd waren zudem die sich häufig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese mussten innert kürzester Zeit interpretiert werden um dann unmittelbar entsprechende logistische und organisatorische Massnahmen einzuleiten.
Deloitte: Während der Krise hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden verändert. Nicht nur wurden einzelne Produktgruppen die als essentiell eingestuft wurden häufiger nachgefragt. Auch wird verstärkt mit Karte bezahlt und wo es möglich ist auch häufiger online bestellt. Glauben Sie, dass sich auch langfristig nach Abklingen der Pandemie das Einkaufsverhalten verändert? (und falls ja, wie?)
Stefan Kopp: Langfristige Trends wie Bio, vegetarische/vegane oder regionale Produkte werden sich durch die aktuelle Krise sicherlich nochmals verstärken. Das akut während der Krise gezeigte und geänderte Einkaufsverhalten, wie z.B. verstärkte Nachfrage nach Konserven, war kurzfristiger Natur. Seit den Lockerungen hat diese Nachfrage wieder abgenommen.
Den Trend hin zu Kartenzahlungen, wir sprechen hier von zweistelligen Zuwachsraten, erachten wir als nachhaltig. Die Konsumenten haben die Vorteile des Zahlens mit Karte oder App zu schätzen gelernt. Wir können uns also gut vorstellen, dass unsere Kundinnen und Kunden auch nach Abflauen der Krise verstärkt auf Kartenzahlung setzen werden.
Deloitte: Was waren die Auswirkungen der Krise auf Ihre Lieferketten? Haben Sie z.B. noch stärker auf lokale Zulieferer gesetzt?
Stefan Kopp: Punktuell gab es vorübergehende Engpässe in den Lieferketten bei einzelnen Produkten. Diese entstanden grösstenteils aufgrund Logistikengpässen. Der Kunde konnte aber fast immer auf alternative, gleichwertige Produkte ausweichen. In enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten konnten temporäre Engpässe aber grösstenteils schnell behoben werden.
Auf lokale Zulieferer setzen wir seit unserem Markteintritt in 2009 und bauen dies fortlaufend aus. Lidl Schweiz arbeitet mit über 300 Schweizer Lieferanten zusammen, davon sind 60 von Anfang an dabei. Das sind also langfristige Partnerschaften. Insofern gab es hier durch die Krise keinen kurzfristigen Anpassungsbedarf. Wir erzielen weiterhin über 55 Prozent unseres Umsatzes mit Schweizer Produkten.
Deloitte: Wie sehen Sie die Rolle von CFOs in dieser Krise? Womit konnten Sie als CFO Ihrem Unternehmen in der Krise besonders helfen?
Stefan Kopp: Der CFO ist vielfältig gefordert. Neben dem CEO und den weiteren Mitgliedern der Geschäftsleitung gehört er zu den obersten Krisenmanagern. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem Klarheit in sich ständig ändernde rechtliche Vorschriften zu bringen, Kontakt zu wichtigen Stakeholdern zu suchen, schnell und pragmatisch die nötigen operativen Massnahmen in die Wege zu leiten und über eine gute Krisenkommunikation nah bei den Mitarbeitenden zu sein. Hinzu kommen natürlich die klassischen CFO-Aufgaben, wie zum Beispiel Liquiditätsmanagement.
Deloitte: Welche Erfahrungen aus der Krise nehmen Sie als CFO mit? Gibt es spezifische Lehren für allfällige weitere Pandemiekrisen?
Stefan Kopp: Wir haben schnell unseren Krisenstab aktiviert. Etwas überrascht waren wir von der Dynamik, die diese Krise aufgenommen hatte. Dem sollte man durch rechtzeitige und uneingeschränkte Allokation von internen Ressourcen vorbeugen. So sollte man zum Beispiel im Krisenstab jeweils einen Mitarbeiter haben, der nur für die Medienverfolgung zuständig ist, und einen, der alle internen Massnahmen/ Entscheide im Sinne einer «single point of truth» fortlaufend dokumentiert.
Stefan Kopp
CFO Lidl Schweiz
Stefan Kopp hat an den Universitäten Bayreuth und der Western Illinois University Betriebswirtschaft studiert. Anschliessend war er fünf Jahren in Argentinien tätig, dort unter anderem als CFO beim Damenunterwäscheausstatter Triumph. Seit 2002 gehört H. Kopp der Lidl Unternehmensgruppe an. Er war in dieser Zeit unter anderem als CFO in Kanada und Norwegen tätig. Seit 2009 ist Stefan Kopp CFO von Lidl Schweiz und zuständig für Finanzen/ Rechnungswesen/ Controlling, Recht & Compliance, IT und Revision/ Kundenservice. In dieser Zeit hat der den Marktaufbau von Lidl in der Schweiz massgeblich mitgeprägt. Privat hält sich der zweifache Familienvater mit Rennvelofahren fit.