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Studie: Planung im digitalen Zeitalter

Aktuelle Herausforderungen und Trends der Unternehmensplanung

Planungsprozesse zählen zu den wichtigsten strategischen und taktischen Instrumenten, um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sicherzustellen. Doch infolge der digitalen Transformation stoßen bisherige Planungsmodelle an ihre Grenzen - digitale Treiber wie Big Data, Industrie 4.0 oder In-Memory Computing verändern die Forecasting- und Planungsprozesse grundlegend. Zugleich stellen zunehmend dynamische Entwicklungen und spontan auftretende Krisen mit globaler Reichweite Unternehmen vor große Herausforderungen. Eine aktuelle Studie von Deloitte und der Hochschule Heilbronn identifiziert die entscheidenden Trends der Unternehmensplanung.

Planung und Digitalisierung: Die größten Herausforderungen

Bisherige Planungsprozesse in Unternehmen binden extrem viele Ressourcen und sind gekennzeichnet durch einen sehr hohen manuellen Aufwand und mangelnde Flexibilität. Gleichzeitig nehmen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA) in der Unternehmenswelt immer weiter zu und führen zu Problemen bei Planung und Prognose. Zu den größten Herausforderungen für die Planung in Zeiten der Digitalisierung zählt die hohe Veränderungsgeschwindigkeit, die besonders die Lebenszyklen von Produkten und Dienstleistungen immer kürzer werden lässt. Gleichzeitig stoßen klassische Steuerungsmethoden durch das Entstehen neuer digitaler Geschäftsmodelle schnell an ihre Grenzen.

Hinzu kommt, dass die verstärkte Zusammenarbeit und Vernetzung mit Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette – insbesondere im Bereich Industrie 4.0 – zu einer exorbitanten Zunahme externer Daten führt, die in die Prognosen mit einfließen müssen. Das erhöht die Anforderungen an das Management, die Qualität, die Konsistenz und die Sicherheit der Daten enorm. Häufig erweisen sich dabei noch heterogene und veraltete IT-Systemlandschaften in den Firmen als limitierender Faktor. Außerdem erfordert die fortschreitende Digitalisierung einen digitalen Wandel der Unternehmenskultur und mehr Agilität in den Organisationen.

Zu den digitalen Treibern mit dem höchsten Disruptionspotenzial zählen Big Data, In-Memory Computing, Advanced Analytics, Robotic Process Automation und Industrie 4.0. Viele Unternehmen setzen diese Treiber immer noch zurückhaltend ein und schöpfen damit ihr Potenzial zur Effizienz- und Qualitätssteigerung bei der „Planning Excellence in the Digital Age“ bei Weitem nicht aus.

Trends der Unternehmensplanung

In der aktuellen Studie wurden die zehn wichtigsten Trends der Planung identifiziert, ihr Umsetzungsgrad in den Unternehmen untersucht sowie der Frage nachgegangen, in welchem Umfang der jeweilige Trend vom Einsatz digitaler Treiber abhängig ist. Dazu wurden 115 Vertreter aus Praxis und Wissenschaft aus verschiedenen Branchen befragt.

Neben dem Einsatz digitaler Treiber beeinflussen auch neueste Erkenntnisse aus dem Process Reengineering, moderne Zusammenarbeitsmodelle und kulturelle Veränderungen die Art und Weise, wie wir zukünftig planen. Die wesentlichen Trends werden nachfolgend vorgestellt. Die Prozentangabe in Klammern entspricht der Zustimmung zu diesem Trend.

  • Von bottom-up zu top-down (61%): In einer top-down-orientierten Planung formuliert das Management die Ziele zu Beginn des Prozesses. Diese werden entlang der Hierarchiestufen heruntergebrochen, weiter detailliert und anschließend bottom-up validiert. Die Planung verläuft so schneller, deutlich ressourcenschonender und es gibt weniger Iterationen.
  • Von Zahlen zu Maßnahmen (53%): Die Nutzung von geschäftsspezifischen Treibermodellen im Rahmen der Planung ermöglicht schnelle und effektive Simulationen. Ergänzt um bewertete Maßnahmen zur Schließung von Performancelücken bilden sie die Grundlage für Dialoge.
  • Vom Bauchgefühl zu Fakten (59%): Externe Marktinformation aus öffentlich zugänglichen Quellen werden dazu genutzt, um externe Werttreiber eines Unternehmens kontinuierlich zu bewerten. Damit wird die Datenbasis der Planung objektiver und weniger von persönlichen Einschätzungen abhängig.
  • Von Zyklen zu Ereignissen (40%): Die Planung wird flexibler gestaltet und kann durch Ereignisse ausgelöst werden. Eine Alternative stellt die kontinuierliche rollierende Planung dar, in der Treiber laufend und mit einem festen, vorausschauenden Zeithorizont aktualisiert werden.
  • Von Silos zum Gesamtbild (65%): Ein Gesamtbild entsteht u.a. durch Abstimmung von Teilplänen (z.B. Vertrieb, Produktion, Einkauf, Personal) und eine durchgängige Sicht auf Produkte, Märkte und Kunden. Wesentliche Grundlage hierfür ist ein gemeinsames Daten- und Prozessmodell.
  • Von der Interaktion zur Symbiose (39%): Verstärkter Einsatz von automatisierten Vorhersagen im Rahmen der Planung entlasten den Menschen von manuellen Tätigkeiten. Virtuelle Assistenten unterstützen bei der Koordination und Durchführung der Planung.
  • Vom Schraubenzieher zum Werkzeugkasten (54%): Durch den Aufbau einer integrierten IT-Systemlandschaft mit flexiblen Applikationen werden unterschiedliche Planungszwecke (z.B. strategische oder operative Planung) unterstützt. Ein gemeinsames Datenmodell reduziert Abstimmungen und Betriebskosten. Weitere Effizienzen können durch Einführung von Cloud-Lösungen realisiert werden.
  • Von der Werkstatt zur Fabrik (44%): End-to-End-Prozesseigner werden etabliert und treiben die Standardisierung und Automatisierung im Unternehmen voran. Dadurch kann die Planung schneller und weniger ressourcenintensiv durchgeführt werden. Planungsaktivitäten können auch in speziellen Teams (z.B. Center of Excellence) gebündelt und zentral erbracht werden.
  • Vom Lotsen zum Co-Piloten (75%): Als Co-Pilot hinterfragt der Controller die Planung kritisch und bringt aktiv Empfehlungen zur Verbesserung (Maßnahmen) ein. Er nutzt das breite Portfolio digitaler Services, um sich auf die interne Beratung (Business Partnering) zu konzentrieren. Grundlage dafür ist ein umfassendes Verständnis des Geschäftsmodells.
  • Vom Taktieren zur Offenheit (66%): Durch neue Anreiz- oder Zielsysteme trägt jeder Einzelne aktiv zum Erfolg des Unternehmens bei und dysfunktionales Verhalten wird vermieden. Durch relative Ziele im Vergleich zu Markt- und Wettbewerbsentwicklungen können zum Beispiel konstant hohe Leistungen gefördert werden, die nicht bei Zielerreichung abfallen. 

Gestaltungsempfehlungen

Die Planung eines Unternehmens sollte spezifisch auf die Strategie, das Geschäftsmodell, die Organisation und die Kultur ausgerichtet sein. Dazu wird zunächst der Reifegrad der unterschiedlichen Planungsprozesse identifiziert. Trends können die Basis für die Ableitung des Ambitionsniveaus für Prozesse, Methoden, Daten und Systeme sein. Anschließend erfolgt eine Priorisierung der identifizierten Lücken und Handlungsfelder. Prozessuale und methodische Themen können oftmals vor einer Systemeinführung adressiert werden. Mit dem Aufbau einer integrierten Datenbasis sowie gemeinsamer Strukturen kann das Potenzial neuer Technologien besser ausgenutzt werden. Ein IT-Architektur-Zielbild ist die Grundlage für größere Investitionen in die zukünftige Systemlandschaft (z.B. S/4HANA-Einführung).

Trends der Planung in normalen Zeiten und in Krisenzeiten

Die Pandemie verstärkt die beschriebenen Entwicklungen in der Planung. Daher ist eine “Planning Excellence in Normal and Crisis Times“ notwendig. Viele Unternehmen erhöhen die Frequenz ihrer Prognoseaktivitäten auf wöchentliche oder teilweise sogar tägliche Updates. Planungen werden aufgrund der aktuellen Situation (event-basiert) überarbeitet. Vereinfachte Planungs- und Prognosemodelle legen den Fokus auf wesentliche geschäftsspezifische Treiber und ermöglichen Simulationen von Szenarien. Auf Basis dieser Informationen können die Unternehmen „auf Sicht fahren“ und sich schnell der Situation anpassen. 

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Fazit

Durch die zunehmende Digitalisierung, Process Reengineering, neue Zusammenarbeitsmodell und kulturelle Veränderungen werden sich Planung- und Forecasting-Prozesse grundlegend verändern. Die Rolle des Finanzbereichs wird sich in diesem Zusammenhang von der Koordination hin zu einer proaktiven Beratung entwickeln. Insgesamt ist jedoch eine deutliche Lücke zwischen Zustimmung und Umsetzung der Trends zu beobachten. Daraus ergibt sich insgesamt ein deutlicher Nachholbedarf. Dadurch kann es in Krisenzeiten, wie bspw. aktuell durch COVID-19, dazu kommen, dass nicht alle entscheidungsrelevanten Informationen vorliegen. Die Trends skizzieren den Weg zu einer modernen Planung. Damit können Unternehmen zukünftige Entwicklungen durch Simulationen antizipieren, flexibel neue Planungen oder in kurzen Zyklen neue Forecasts erstellen und so besser auf neue Herausforderungen reagieren.

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