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BaFin-FAQ 1.0 zur Institutsvergütungsverordnung

Entwurf vom 21.06.2023

Die BaFin hat am 21. Juni 2023 das Konsultationsverfahren zu ihrem am gleichen Tag veröffentlichten Entwurf „Fragen und Antworten zur Institutsvergütungsverordnung“ („FAQ IVV“) eröffnet. Wir fassen in diesem Client Alert die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Entwurf zusammen und werten diesen in die bisherige Rechtspraxis ein.

Inhaltsübersicht

Die FAQ IVV inkludieren die erste offizielle Verlautbarung der BaFin zur Neufassung der Institutsvergütungsverordnung (IVV) vom 20.09.2021 (IVV 4.0) sowie zu den Leitlinien der EBA für solide Vergütungspolitik vom 02.07.2021 (EBA/GL/2021/04, „EBA-GSR 2.0“). Die am 16.02.2018 von der BaFin veröffentlichte Auslegungshilfe zur IVV („BaFin-Auslegungshilfe“) bezog sich noch auf die damals geltende IVV (IVV 3.0). Die Praxis hatte daher bereits erwartet, dass die BaFin (neue) Verlautbarungen treffen wird zum erstmals in der IVV 4.0 bestimmten Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütung (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV, s. dazu auch unseren Client Alert, zur Implementierung von ESG-Kriterien in die Vergütungssysteme, sowie zur Umsetzung der erweiterten Vorgaben des § 27 IVV 4.0 an die gruppenweiten Vergütungssysteme. Diese Erwartungshaltung hat der Entwurf der FAQ IVV (nur) zum Teil erfüllt. 

1. Rechtsmethodischer Ausgangspunkt: FAQ IVV (auch) als Soft Law mittelbar von den Instituten bei der Durchführung ihrer Vergütungssysteme zu beachten

Aus rechtsmethodischer Sicht inkludieren die FAQ IVV – wie auch bereits die BaFin-Auslegungshilfe und die EBA GSR 2.0 – kein Gesetz im materiellen Sinn. Sie sind vom Rechtsanwender als sog. Soft Law bei der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in die Vergütungssysteme zu beachten. Den Ausgangspunkt für die konkrete Rechtsanwendung bilden (unverändert) der Gesetzeswortlaut der InstitutsVergV (IVV) und die weiteren rechtsmethodischen Elemente zur Auslegung der IVV. Die Verlautbarungen der BaFin in den FAQ IVV sind als Bestandteil des historischen und des teleologischen Auslegungselements bei der Auslegung der IVV zu beachten.

2. Einbettung der FAQ IVV in die EBA GSR 2.0 und in die BaFin-Auslegungshilfe

Die FAQ IVV sollen die aktuelle Auslegungshilfe der BaFin zur InstitutsVergV vom 15.02.2018 („BaFin-Auslegungshilfe“) ersetzen. Zugleich stellt die BaFin klar, dass sie die bisherige Verwaltungspraxis gemäß der BaFin-Auslegungshilfe fortführen wird, soweit diese nicht durch die FAQ IVV eine Aktualisierung erfährt. Schließlich stellt die BaFin in den Vorbemerkungen der FAQ IVV klar, dass die EBA-GSR 2.0 generell unmittelbar Anwendung finden; mit Ausnahme der Verlautbarungen der EBA in den EBA-GSR 2.0, dass alle CRR-Institute unabhängig von ihrer Größe

  1. Risikoträger gemäß der Delegierten Verordnung 2021/923/EU (RTS-MRT 2.0) zu identifizieren haben (diese ist gemäß § 25a Abs. 5b S. 2 KWG nur auf bedeutende Institute (§ 1 Abs. 21 KWG) anwendbar, während alle sonstigen CRR-Institute Risikoträger nur anhand des in § 25a Abs. 5b S. 1 KWG bestimmten Personenkreises zu bestimmen haben), und
  2. Clawback-Regelungen zur variablen Vergütung zu implementieren haben (die der deutsche Verordnungsgeber nur für die variable Vergütung von Risikoträgern in (qualifiziert nicht-) bedeutenden Instituten in Höhe von mehr als 50.000 EUR oder bei einer variablen Vergütung von mehr als einem Drittel der Gesamtjahresvergütung des Risikoträgers bestimmt hat (§§ 18 Abs. 1 S. 3, 20 Abs. 6 IVV)).

Daraus ergibt sich folgender abgestufter Kanon für die Heranziehung der Verlautbarungen der EBA und der BaFin bei der Anwendung der konkreten gesetzlichen Regelungen („Abgestufter Anwendungskanon“):

  1. Im Ausgangspunkt sind die EBA GSR 2.0 heranzuziehen;
  2. Die FAQ IVV sind für Sachverhalte heranzuziehen, die von den EBA-GSR 2.0 nicht erfasst sind (Beispiel: Verlautbarungen in den FAQ IVV zum Vergütungsbeauftragten in bedeutenden Instituten (Frage 19)) oder bei denen die Anwendung von Proportionalität aus Sicht des deutschen Gesetzgebers geboten erscheint (Beispiel: Beschränkung der Clawback-Sachverhalte im vorgenannten Umfang);
  3. Zugleich hat das Institut für den konkreten Sachverhalt die Verlautbarungen der BaFin in der BaFin-Auslegungshilfe zu prüfen und bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen, sofern diese über die FAQ IVV hinausgehende Praxishinweise der BaFin enthalten.

Diese abgestufte fortgesetzte Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der BaFin nach der BaFin-Auslegungshilfe neben den FAQ IVV erhöht die Komplexität für die Rechtspraxis; es bleibt insoweit abzuwarten, ob hierzu im Konsultationsverfahren Impulse für eine Vereinfachung der Anwendung gesetzt werden.

3. Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik: Keine Verlautbarung in den FAQ IVV

§ 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV 4.0 ergänzt – in Umsetzung der Art. 74 Abs. 1, 92 Abs. 2 der Richtlinie 2019/878/EU (CRD V) – den Katalog des § 5 Abs. 1 IVV zur aufsichtsrechtlichen Angemessenheit der Vergütungssysteme um den Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik. Die EBA bestimmte in den EBA-GSR 2.0 für die Implementierung dieses Leitsatzes in die Vergütungssysteme drei Umsetzungsdimensionen, demnach die Institute (1) aus inhaltlicher Sicht sicherzustellen haben, dass alle Aspekte der Vergütungspolitik geschlechtsneutral sind, einschließlich der Gewährungs- und Auszahlungsbedingungen für die Vergütung; (2) aus formaler Sicht nachzuweisen haben, dass die Vergütungspolitik geschlechtsneutral ist, und (3) in der Vergütungsgovernance geeignete Instrumente für eine effektive Überwachung der Einhaltung der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik zu etablieren haben. Die Vorstellungen der EBA wurden unter anderem aus deutscher arbeitsrechtlicher Sicht insbesondere mit Blick auf die betriebsverfassungsrechtliche Dimension als (zu) sehr weitgehend beurteilt (s. dazu nur unseren Client Alert)

Vor diesem Hintergrund erwartete die Praxis von der BaFin in der neuerlichen Verlautbarung klarstellende Ausführungen zur Umsetzung des Leitsatzes der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik. Diese Erwartungshaltung wurde nicht erfüllt – der Entwurf der FAQ IVV schweigt sich hierzu aus. Sollte das Konsultationsverfahren hierzu keine weitergehenden Erkenntnisse bringen, werden sich die Institute angesichts der vorgenannten Einbettung der FAQ IVV und der BaFin-Auslegungshilfe in die EBA-GSR 2.0 für die Umsetzung des Leitsatzes der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik mit der dreidimensionalen Implementierung gemäß den Verlautbarungen der EBA in den EBA-GSR 2.0 zu arrangieren haben.

4. Implementierung von ESG-Kriterien in die Vergütungssysteme (Frage 8)

Einen pragmatischen Weg wählt die BaFin in den FAQ IVV für die Implementierung des Leitsatzes der EBA in den EBA-GSR 2.0, dass die Vergütungspolitik der Institute auch mit der ESG-Strategie des Instituts und mit den damit verbundenen risikobezogenen Umwelt-, Sozial- und Governancezielen vereinbar zu sein hat (Rdnr. 16 EBA-GSR 2.0). Die BaFin verortet die Implementierung der ESG-Ziele in der Vergütungsstrategie nach Maßgabe des § 4 IVV – und lässt für ihre Implementierung den konkreten Reifegrad der ESG-Strategie des Instituts genügen. Die Praxis hat daher (unverändert) konkrete ESG-Ziele in die Vergütungssysteme zu etablieren, sobald die konkrete ESG-Strategie hinreichend konkret in die Geschäfts- und Risikostrategie implementiert ist.

5. Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung (§ 7 IVV): FAQ IVV im Zusammenspiel EBA-GSR 2.0 und BaFin-Auslegungshilfe (Frage 12)

Der Abgestufte Anwendungskanon wird beispielhaft verdeutlicht in den Verlautbarungen der BaFin zu den Rahmenparametern für die Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung gemäß § 7 IVV.

Die BaFin-Auslegungshilfe enthielt hierzu noch sehr umfassende Ausführungen vor allem zu den maßgeblichen inhaltlichen und prozessbezogenen Rahmenparametern (Implementierung der ökonomischen Perspektive und der regulatorischen Perspektive; Bottom up-/Top down-/Kombinierte Systematik für die Ermittlung des Gesamtbonuspools). Die FAQ IVV beschränken sich demgegenüber auf einzelne inhaltliche und prozessuale Leitsätze, die zu einem großen Teil auch bereits in der BaFin-Auslegungshilfe enthalten waren (etwa zur Erwartung der BaFin (1) zur ganzheitlichen Beurteilung der Vereinbarkeit des beabsichtigten Gesamtbetrags der variablen Vergütung mit den aufsichtsrechtlichen Nebenbedingungen des § 7 Abs. 1 S. 3 IVV, (2) an die inhaltlichen Anforderungen und an eine frühzeitige Kommunikation/Abstimmung im Fall der beabsichtigten Festsetzung eines Gesamtbetrags der variablen Vergütung bei einem negativen Ertrag, sowie (3) zur erforderlichen Beurteilung der Einhaltung der Anforderungen des § 7 Abs. 1 S. 3 IVV sowohl für die Ermittlung, für die Erdienung und die Auszahlung des jeweiligen variablen Vergütungsbestandteils). Die Institute haben insoweit die in den Rdnrn. 238ff. EBA-GSR 2.0 bestimmten weitergehenden inhaltlichen Parameter unter anderem zur Systematik für die Ermittlung des Gesamtbonuspools und zur Transparenz der Systematik und des Prozesses zu beachten.

Hilfreich für die Praxis sind die von der BaFin erstmals in den FAQ IVV verlautbarten Leitsätze, dass Institute bei beabsichtigter Festsetzung eines Gesamtbonuspools (1) im Fall einer Unterschreitung der Eigenmittelempfehlung gemäß § 6d KWG durch die dokumentierte Kapitalplanung nachweisen können, wenn/dass sie die Eigenmittelempfehlung innerhalb der folgenden drei Kalenderjahre - auch bei Festsetzung des Bonuspools - wieder einhalten werden, und (2) für Tochterinstitute mit Freistellungen von den Kapital- bzw. Liquiditätswaivern nach Maßgabe der Art. 7 CRR, § 2a Abs. 4 KWG/Art. 8 CRR, § 2 Abs. 4 KWG erleichterte Anforderungen an die hinreichende Liquiditätsausstattung gelten.
 

6. Weitere Verlautbarungen zu den allgemeinen Anforderungen der IVV an die Vergütungssysteme: Negativer Erfolgsbeitrag (Frage 6), Recognition Awards (Frage 4), Abfindungen (Fragen 10 und 11), Absicherungsverbot (Frage 13)

Mit Blick auf das Konsultationsverfahren erwähnenswert sind die folgenden ausgewählten weiteren Verlautbarungen in den FAQ IVV:

  • Negativer Erfolgsbeitrag (§§ 2 Abs. 10, 5 Abs. 2 IVV): Die BaFin stellt klar, dass negative Erfolgsbeiträge allein Sachverhalte von sitten- oder pflichtwidrigem Verhalten des Mitarbeiters sowie Fälle umfasst, in denen das Verhalten oder die Entscheidungen von Mitarbeitern zu objektiv schwerwiegenden negativen Auswirkungen für das Institut geführt haben. Sie erteilt daher dem in der Praxis gelegentlich aufgekommenen Verständnis eine Absage, dass negative Erfolgsbeiträge im Sinne der §§ 2 Abs. 10 und 5 Abs. 2 IVV auch ein negatives Abweichen von den Erfolgsparametern der leistungsabhängigen variablen Vergütungsbestandteile umfassen. Zudem verlautbart die BaFin, dass auch nicht- bedeutende Institute die vorgenannten Fallgruppen der negativen Erfolgsbeiträge in der Vergütungsrichtlinie (§ 11 Abs. 1 IVV) zu konkretisieren haben und zudem in der Vergütungsrichtlinie Fälle der gravierenden negativen Erfolgsbeiträge zu konkretisieren haben, in denen eine Abschmelzung der variablen Vergütung auf Null zu erfolgen hat. Umgesetzt werden können diese Konkretisierungs- und Transparenzanforderungen etwa durch die Festlegung eines Ermessensparameterkatalogs.
  • Recognition Awards: Die BaFin erachtet diesen verbreiteten unterjährlich gewährten variablen Vergütungsbestandteil (andere Termini in der Praxis u.a. „Leistungsanerkennungsprämie“, „Spontananerkennungsprämie“) für Nicht-Risikoträger sowie für Risikoträger in nicht-bedeutenden Instituten unter folgenden Voraussetzungen für zulässig: (1) Festlegung der Leistungsparameter zu Beginn des Geschäftsjahres, (2) Berücksichtigung negativer Erfolgsbeiträge gemäß § 5 Abs. 2 IVV und (3) Einbeziehung in die Prüfung nach § 7 IVV mit im Einzelfall angezeigter unterjährlicher Prüfung und in diesem Fall (schriftlicher) Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel.

    Für qualifiziert nicht-bedeutende Institute gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 IVV sowie für bedeutende Institute gemäß § 1 Abs. 3c KWG verlautbart die BaFin, dass deren Risikoträger ‚grundsätzlich‘ nicht Begünstigte von Recognition Awards sein können, da die Recognition Awards (bereits) nicht den einjährigen Mindest-Bemessungszeitraum gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 IVV erfüllen können (und der individuelle Erfolgsbeitrag zudem anhand der Erreichung von vereinbarten Zielen zu bestimmen ist). Hierzu bleibt im Konsultationsverfahren abzuwarten, ob dieser Grundsatz auch Ausnahmen zugänglich ist.
  • Abfindungen (§ 5 Abs. 6 IVV): Die umfassenden Verlautbarungen in den FAQ IVV wiederholen zum Teil Leitsätze aus der BaFin-Auslegungshilfe und reichern diese um weitere Erkenntnisse der BaFin aus der jüngeren Abfindungspraxis an. Unverändert versteht die BaFin im Ausgangspunt Abfindungen allein als Leistungen, die den Ausgleich von Nachteilen anlässlich der vorzeitigen Beendigung des Arbeits-/Dienstverhältnisses bezwecken, und weicht damit weiterhin vom jüngeren arbeitsrechtlichen Abfindungsbegriff ab, der im Kern auf eine Überbrückung bis zur nächsten Finanzierungsquelle des Lebensunterhalts (neues Arbeitsverhältnis, Rente) gerichtet ist. Für die Beurteilung der aufsichtsrechtlichen Zulässigkeit der konkreten Abfindungsleistung sollen insbesondere beurteilt werden: (1) Vereinbarungszeitpunkt (= vertragliche Vereinbarung vor Eintritt des Beendigungssacherhalts? Aufhebungsvertrag nach Eintritt des Beendigungssachverhalts?), (2) Auslöser (= generell keine Abfindung bei vom Mitarbeiter forcierter Beendigung sowie bei Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags, (3) Umfang der Abfindung (= bei befristeten Anstellungsverträgen bis zum Fristablauf alternativ geschuldete Vergütung als maximaler Abfindungsbetrag, im Übrigen marktübliche Abfindungsfaktoren bei Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags; besondere Rechtfertigung generell erforderlich für die Gewährung von Übergangsgeldern als überobligatorische Zuwendungen).

    Für die Fallgruppen der privilegierten Abfindungen nach Maßgabe des § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 1 lit. D) IVV definieren die FAQ IVV, wann ein gerichtliches Verfahren unmittelbar „droht“. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine Klage bereits bei Gericht anhängig ist. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift reicht eine bloß erklärte Klageandrohung damit nicht. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Praxis haben.

Darüber hinaus stellt die BaFin zu § 5 Abs. 6 S. 5 klar, dass (1) u.a. sog. Sprinter-/Turboprämien (als Leistungen bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem nächstmöglichen ordentlichen Kündigungszeitpunkt, die der Höhe nach der Kapitalisierung der alternativ bis zum ordentlichen Kündigungszeitpunkt zu gewährenden Fixvergütung entsprechen), sowie (2) Abfindungen zum Ausgleich des Anspruchs auf eine etwa entgangene variable Vergütung für den laufenden Bemessungszeitraum jeweils als regelmäßig nach § 5 Abs. 6 Nr. S. 5 Nr. 3 IVV angemessene Abfindungen angesehen werden können. Zudem sollen Abfindungen, die mehr als einen Privilegierung-Sachverhalt im Sinne des § 5 Abs. 6 S. 5 IVV erfüllen, (nunmehr) regelmäßig einer besonderen Darlegung bedürfen.

  • Absicherungsverbot (§ 8 Abs. 2 IVV): Grundsätzlich soll jedes Institut in die Vergütungsgovernance zur Sicherstellung der Einhaltung des Absicherungsverbots neben der obligatorischen Verpflichtungserklärung weitere Kontrollinstrumente etablieren, die insbesondere eine Stichprobenpflicht etwa für Depotkonten der Mitarbeiter umfassen sollen. Nicht-börsennotierte Institute sollen von solchen weiteren Kontrollinstrumenten befreit sein, wenn sie in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder einer Genossenschaft mit der BaFin als Aufsichtsbehörde organisiert sind, oder mindestens jährlich eine Marktrecherche auf (nicht) bestehende derivative Instrumente zur Absicherung der variablen Vergütung durchführen. Die BaFin greift insoweit ein in der Praxis etabliertes bedarfsgerechtes Instrument zur Risikosteuerung des Absicherungsverbots auf.
     

7. Ausgewählte Verlautbarungen zu den besonderen Anforderungen der IVV an die variable Vergütung von Risikoträgern in (qualifiziert nicht-) bedeutenden Instituten (Fragen 6 und 7, 15 bis 18)

Zu den besonderen Anforderungen der §§ 18ff. IVV an die variable Vergütung von Risikoträgern sind mit Blick auf das Konsultationsverfahren die folgenden ausgewählten weiteren Verlautbarungen in den FAQ IVV erwähnenswert:

  • Anwendung eines Modifiers für die Zielerreichung: Die BaFin lässt unverändert die Anwendung eines Modifiers für die Instituts-/Gruppenebene mit einer Bandbreite von bis zu 20 Prozentpunkten zu. Institute haben dazu in der Vergütungsrichtlinie möglichst viele Fallbeispiele zur Konkretisierung eines dahingehenden Ermessens bei der finalen Festlegung der Zielerreichung zu dokumentieren. Eine Unterscheidung der Anwendung zwischen verschiedenen Risikoträger-Gruppen soll zulässig sein, wenn die zugrunde liegenden Vergütungsparameter eine Unterscheidung rechtfertigen.
  • Negativer Erfolgsbeitrag nach § 18 Abs. 5 IVV und vollständiger Verlust der variablen Vergütung nach § 18 Abs. 5 S. 3 IVV: § 18 Abs. 5 S. 1 IVV umfasst neben dem pflicht- und sittenwidrigen Verhalten bzw. schwerwiegenden Pflichtverstößen unverändert auch ein negatives Abweichen von den Erfolgsparametern der variablen Vergütung. Die BaFin betont darüber hinaus das Erfordernis der weiteren Konkretisierung der einzelnen unbestimmten Rechtsbegriffe und hier insbesondere für die „wesentlichen“ regulatorischen Sanktionen und die „wesentlichen“ aufsichtlichen Maßnahmen im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 IVV sowie zum „schwerwiegenden Maß“ der Verletzung der internen bzw. externen Regelungen im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 IVV. Die Verlautbarungen spiegeln die Beobachtungen der BaFin zu guten Praxisbeispielen wider – betroffene Institute werden ihre Vergütungsrichtlinien auf die relevante Berücksichtigung der neuerlichen Verlautbarungen in den FAQ IVV zu überprüfen haben.
  • Instrumentenbasierter Vergütungsbestandteil (NWE-Anteil) bei nicht-kapitalmarktorientierten Instituten: Die BaFin stellt klar, dass der NWE-Anteil neben einem ertragswertbezogenen Parameter auch geeignete Risikokennziffern (z.B. CET 1-Quote, Risikodeckungsmasse) zu inkludieren hat. Nicht gemäß § 12 KWG potentiell systemrelevante Institute sollen dabei für die Abbildung der Wertentwicklung die institutsindividuellen Schwellenwerte aus der § 7 IVV-Prüfung heranziehen können. Diese von der BaFin erstmals verlautbarte Erleichterung wird in der Praxis eine positive Resonanz erfahren.
  • Gewichtung der Leistungsparameter nach § 19 Abs. 1 S. 1 IVV bei der variablen Vergütung von Geschäftsleitern: Die BaFin erachtet – anknüpfend an die inhaltsgleiche Verlautbarung zu § 19 IVV in der BaFin-Auslegungshilfe – (insbesondere) für die Vergütungssysteme der Geschäftsleiter die Verschmelzung der Ebenen der Ziele der Organisationseinheit und der individuellen Ziele unverändert für zulässig, sofern diese einen Anteil von mindestens 30% an den Gesamtzielen ausmachen. Hierzu bleibt für das Konsultationsverfahren abzuwarten, ob die aus vergleichbaren Erwägungen aufsichtsrechtlich ebenfalls in Betracht kommende Verschmelzung der Ebenen der Instituts-/Gruppenziele und der Ziele der Organisationseinheit noch in die FAQ IVV mit aufgenommen wird.

 

8. Verlautbarungen zur Vergütungsgovernance in bedeutenden Instituten: Weitere Konkretisierung/Komplexität der Erwartungshaltung an die Ausstattung des Vergütungsbeauftragten (Frage 19) und Zusammenfassung des Vergütungskontrollberichts und des § 12 IVV-Berichts (Frage 14)

Die BaFin konkretisiert in den FAQ IVV ihre Erwartungshaltung an den zeitlichen Umfang der Funktion des Vergütungsbeauftragten und seines Stellvertreters. Unverändert ist ihre Regel-Annahme, dass die Funktion des Vergütungsbeauftragten generell in Vollzeit ausgeübt werden soll, und Institute davon abweichend in Anwendung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes eine Teilzeit-Tätigkeit bestimmen können, wenn (1) die Größe, die interne Organisation und Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte des Instituts, (2) Anzahl der Gesamtbelegschaft, (3) Anzahl der Risikoträger neben den Geschäftsleitern mit einer variablen Vergütung von mehr als 50.000 EUR, und (4) quantitative Komplexität der Vergütungssysteme der Risikoträger neben den Geschäftsleitern keine Vollzeittätigkeit für erforderlich erachten lassen, wobei die Teilzeittätigkeit in diesem Fall einen Umfang von mindestens 0,5 FTE einnehmen soll. Dabei soll eine Reduzierung des Tätigkeitsumfangs auf eine Teilzeittätigkeit unverändert generell nicht in Betracht kommen, wenn mehr als 10 Risikoträger eine variable Vergütung in Höhe von mehr als 100% der fixen Vergütung erhalten. Ausnahmen von dieser Erwartungshaltung erscheinen – unter Berücksichtigung der konkreten (weiteren) Sach- und Personalressourcen – aufsichtsrechtlich plausibel, wenn diese unter Berücksichtigung der vorgenannten Beurteilungskriterien umfassend materiell belastbar begründet werden können. Betroffene Institute werden hierzu die Begründung des konkreten zeitlichen Umfangs des Vergütungsbeauftragten und des Stellvertreters in den Vergütungsrichtlinien (§§ 26, 11 Abs. 1 IVV) zu reviewen und bei Bedarf nachzujustieren haben.

Die BaFin stellt zudem klar, dass der § 12 IVV-Bericht in den Vergütungskontrollbericht des Vergütungsbeauftragten integriert werden kann, sofern dieser auch den Maßnahmenplan nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 IVV hinreichend dokumentiert. Enthält der Bericht auch die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung der Geschäftsleitung, soll dieser Berichtsteil – unverändert – vom Aufsichtsorgan oder von einem externen Dritten erstellt werden. Die FAQ IVV enthalten außerdem – erstmals – eine Verlautbarung der BaFin zur Erwartungshaltung an die inhaltlichen Prüfungsgegenstände und ihre Darstellung im Vergütungskontrollbericht, wobei die Vergütungsbeauftragten in der Praxis die im Einzelnen ausgeführten Prüfungsgegenstände in der Regel bereits in ihr Pflichtenheft aufgenommen hatten.
 

9. Was fehlt? U.a. keine (neuen) Verlautbarungen in den FAQ IVV zum externen Mitarbeiter-Begriff, zu den erweiterten Voraussetzungen der Halteprämie nach dem Verständnis der EBA und zu den gruppenweiten Vergütungssystemen

Die FAQ IVV enthalten zu einer Vielzahl von Regelungsgegenständen der IVV (inklusive einzelner Neuregelungen der IVV 4.0) keine gesonderten Verlautbarungen mehr, u.a.

  • zum Begriff des externen Mitarbeiters (§ 2 Abs. 7 IVV), dessen konkrete inhaltliche Ausformung und Umsetzung in den Vergütungssystemen in der Praxis mitunter unverändert nicht abschließend geklärt ist;
  • zum erweiterten Verständnis der EBA für die aufsichtsrechtliche Zulässigkeit von Halteprämien nach Maßgabe des § 5 Abs. 7 IVV, das neben dem besonderen berechtigten Retention-Interesse des Instituts eine sog. spezifische Leistungsbedingung umfasst, das nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit von Stichtagsklauseln für (arbeits-)leistungsbezogene Vergütungsbestandteile vereinbar ist (s. dazu bereits unseren Client Alert)
  • zu den erweiterten Vorgaben der IVV 4.0 an die gruppenweite Vergütungssysteme nach Maßgabe des § 27 IVV, die in der Praxis ebenfalls teilweise nach wie vor zu Herausforderungen unter anderem in der konkreten Definition der von der gruppenweiten Vergütungsstrategie erfassten nachgeordneten Unternehmen führt.

Zu diesen und zu den weiteren im Entwurf der FAQ IVV nicht behandelten Regelungsgegenständen der IVV wird gegebenenfalls das Konsultationsverfahren – weitere – Impulse setzen können.
 

10. Konsultationsverfahren bis zum 04.08.2023 und Veröffentlichung der finalen Fassung der FAQ IVV noch im Kalenderjahr 2023?

Die Praxis hat die Möglichkeit, sich bis zum 04.08.2023 aktiv in das Konsultationsverfahren einzubringen und eine Stellungnahme an die auf der FAQ IVV-Webseite der BaFin angeführten Kontaktdaten zu senden.
Eine Finalisierung der FAQ IVV und ihre anschließende Veröffentlichung noch im Kalenderjahr 2023 erscheint vor diesem zeitlichen Hintergrund nicht ausgeschlossen.

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