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EBA Guidelines on Sound Remuneration Policies 2.0

Die überarbeitete Fassung der EBA-Leitlinien zur soliden Vergütungspolitik

Die European Banking Authority (EBA) hat am 2. Juli 2021 die finale Fassung der überarbeiteten Guidelines on Sound Remuneration Policies (GSR 2.0) veröffentlicht. In der finalen Fassung hat die EBA einzelne Anregungen aus dem Konsultationsverfahren zum Entwurf der GSR 2.0 vom 29. Oktober 2020 (GSR 2.0-E; siehe hierzu unseren Client Alert) berücksichtigt. Wir fassen die wesentlichen Fortschreibungen und Neuerungen in den GSR 2.0 zusammen.

Die GSR 2.0 sind Teil des Gesamtpakets der überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Instituten. Der Europäische Gesetzgeber hat die gesetzlichen Grundlagen hierfür in der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV, in der Fassung der Richtlinie 2019/878/EU (CRD V)) gesetzt. Er hat die EBA zum Erlass der GSR 2.0 ermächtigt und in der CRD V die inhaltliche Reichweite der GSR 2.0 um eine nähere Ausformung des EU-aufsichtsrechtlichen Leitsatzes der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik erweitert.

Die GSR sind primär an die EU-Mitgliedstaaten gerichtet, die die gesetzlichen Vorgaben der CRD V zu den Vergütungssystemen in das nationale Recht umzusetzen haben. Zweck der GSR ist die Sicherstellung einer kohärenten und möglichst widerspruchsfreien Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in den nationalen gesetzlichen Regelungen. Der deutsche Gesetzgeber setzt die Vorgaben der CRD V zu den Vergütungssystemen in der Institutsvergütungsverordnung (IVV) und im Kreditwesengesetz (KWG) um. Die Neufassung des KWG ist am 29. Dezember 2020 in Kraft getreten. Die Neufassung der IVV (IVV 4.0) wurde am 24. September 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (Link). Die CRD V und die GSR 2.0 sind von den Instituten bei der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in die Vergütungssysteme der Mitarbeiter mittelbar zu beachten, indem sie bei der Auslegung der IVV und des KWG zu berücksichtigen sind (richtlinienkonforme Auslegung).

1. Risk Taker-Analyse für Alle

Die EBA stellt – im Anschluss an die überarbeiteten Regelungen in der CRD V – in den GSR 2.0 klar, dass alle (CRR-)Institute eine Analyse der Mitarbeiter durchzuführen haben, die einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts ausüben (Risk Taker). Der deutsche Gesetzgeber hat die neuen Vorgaben zur Risk Taker-Analyse in § 25a Abs. 5b und § 1 Abs. 21 S. 2 KWG umgesetzt (s. dazu bereits unseren Client Alert).

 

2. Vergütungsbezogener Proportionalitätsgrundsatz

Die Klarstellung zur Risk Taker-Analyse für alle (CRR-)Institute steht im Zusammenhang mit der Modifizierung des vergütungsbezogenen Proportionalitätsgrundsatzes in der CRD V, der sich auf den institutsbezogenen Anwendungsbereich und auf die etwaige Nutzung der Freigrenze für den individuellen Risk Taker (variable Vergütung im Referenzzeitraum maximal 50.000 EUR und maximal 1/3 der Gesamtvergütung; persönlicher Anwendungsbereich) bezieht.

Zum institutsbezogenen Anwendungsbereich räumt die CRD V den EU-Mitgliedsaaten die Möglichkeit ein, die Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Risk Takern auf Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 5 Mrd. EUR zu beschränken (mit der Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Anhebung der Untergrenze der Bilanzsumme auf bis zu 15 Mrd. EUR; s. dazu bereits unseren Client Alert zur CRD V). Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung in der IVV 4.0 Gebrauch gemacht, demnach nur bedeutende Institute (§ 1 Abs. 3c KWG) und sonstige CRR-Institute, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 IVV 4.0 erfüllen, die besonderen Anforderungen an die variable Vergütung von Risk Takern zu beachten haben.

Zur Anwendung der Freigrenze (und des außerdem zu beachtenden Anteils der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung) verlautbart die EBA ihre Erwartung an die konkrete quantitative Bewertung der einzelnen Vergütungsbestandteile. Die Höhe der variablen Vergütung ist anhand einer periodengerechten Zuordnung zu ermitteln. Für variable Vergütungsbestandteile mit einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage bestimmt die EBA – inhaltlich unverändert –, dass der variable Vergütungsbestandteil in dem Referenzjahr angesetzt wird, in dem die Bemessungsgrundlage endet (Rdnr. 95 GSR 2.0). Bei der Ermittlung des allgemeinen Verhältnisses zwischen fixer und variabler Vergütung (nach Art. 94 Abs. 1 lit. g CRD IV, umgesetzt in § 25a Abs. 5 KWG) lässt die EBA demgegenüber in Rdnr. 210 der GSR 2.0 eine ratierliche Berücksichtigung – entweder unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gewährung oder mit Ansatz der nach Ablauf des Referenzzeitraums maximal erreichbaren Höhe als Bezugsgröße – zu. Aus teleologischer Sicht sprechen – unverändert – gewichtige Gründe dafür, den ratierlichen Bewertungsansatz auch bei der Beurteilung der Freigrenze für den einzelnen Risk Taker heranzuziehen. Die aufsichtsrechtliche Entwicklung hierzu bleibt abzuwarten.

 

3. Geschlechtsneutrale Vergütungspolitik

Umfassende Verlautbarungen enthalten die GSR 2.0 zu dem in der CRD V (wiederholt) kodifizierten Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik. Der Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik beinhaltet für die Institute drei Umsetzungsdimensionen:

(1) Aus inhaltlicher Sicht haben die Institute sicherzustellen, dass alle Aspekte der Vergütungspolitik geschlechtsneutral sind, einschließlich der Gewährungs- und Auszahlungsbedingungen für die Vergütung. Diese materielle Anforderung besteht für Institute mit Sitz in Deutschland bereits nach dem geltenden Recht (unter anderem nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und nach dem Entgelttransparenzgesetz).

(2) Aus formaler Sicht sollen Institute nachweisen, dass die Vergütungspolitik geschlechtsneutral ist. Im GSR 2.0-E verlautbarte die EBA für den Nachweis – als Erwartungshaltung – das Zielbild der umfassenden Dokumentation einer Stellenbewertung mit konkreten Vorstellungen der EBA, (a) welche Kriterien die Institute für die konkrete Stellenbewertung (im Kern) berücksichtigen sollten, und (b) der Obligation für die Institute, gleich zu bewertende Stellen entsprechend zu kennzeichnen. Diese Erwartungshaltung wurden im Konsultationsverfahren als zu weitgehend angemerkt (s. hierzu auch unseren Client Alert zum GSR 2.0-E). Die EBA hat diese Anmerkung für die finale Fassung der GSR 2.0 berücksichtigt – und lässt es ausreichen, dass das Institut die vergütungsbezogene Bewertung der einzelnen Stelle in geeigneter Weise dokumentiert. Die Implementierung einer Stellenbewertung und ihre Dokumentation inkludiert nach diesem modifizierten Verständnis nur (noch) ein Regelbeispiel für einen geeigneten formalen Nachweis (Rdnr. 26 GSR 2.0). Alternativ kann der Nachweis etwa geführt werden durch eine (deskriptive) Dokumentation der für die Festlegung der Vergütung – geschlechtsneutral – verwendeten Bewertungskriterien (für die die EBA in den Rdnrn. 26f. Regelbeispiele aufführt). Im Übrigen können Institute auf die zu den gesetzlichen Vorgaben des benachteiligungsfreien Entgeltsystems nach § 4 Abs. 4 EntgTranspG in der betrieblichen Praxis bereits entwickelten Instrumente zurückgreifen.

(3) Institute haben in der Vergütungsgovernance geeignete Instrumente für eine effektive Überwachung der Einhaltung der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik zu etablieren. Dies inkludiert neben geeigneten Kontrollprozessen in Bezug auf die konkrete Vergütungsentscheidung (z.B. Vier-Augen-Prinzip; bei bedeutenden Instituten könnte der Vergütungsbeauftragte die Kontrolle übernehmen) eine Berücksichtigung in der Angemessenheitsprüfung nach § 12 IVV, für welche die EBA eine länderbezogene Prüfung vorsieht, die zwischen den nachfolgenden (Mitarbeiter-)Gruppen zu differenzieren hat (Rdnr. 64 GSR 2.0): (1) Mitglieder der Geschäftsleitung, (2) Mitglieder des Aufsichtsorgans, (3) sonstige Risk Taker, (4) sonstige Mitarbeiter. Bestehen wesentliche Unterschiede zwischen dem Entgelt von männlichen oder weiblichen Mitarbeitern, sind die (wesentlichen) Gründe hierfür in der Angemessenheitsprüfung zu dokumentieren.

Die Geschäftsleitung hat das Aufsichtsorgan im Rahmen der Unterrichtung über das Vergütungssystem auch darüber zu informieren, in welcher konkreten Weise die Einhaltung der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik sichergestellt wird. Die GSR 2.0 fordern nicht mehr die im GSR 2.0-E bestimmte kalkulatorische Beurteilung eines etwaigen Vergütungs-Gaps zwischen den Geschlechtern. Institute können vor diesem Hintergrund bedarfsgerechte(re) Instrumente zur Überwachung der Einhaltung der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik etablieren.

 

4. Erweiterte Vorgaben an die gruppenweiten Vergütungsregelungen – mit Ausnahme für regulierte Gruppenunternehmen

Die EBA verlautbart ihr – durch die fortgeschriebenen Vorgaben in der CRD V – erweitertes Verständnis für den Gruppenbegriff, demnach generell eine gruppenweite Vergütungsstrategie zu etablieren und auf alle gruppenangehörigen Unternehmen im (Teil-) Konsolidierungskreis anzuwenden ist, wenn mindestens ein Gruppenunternehmen ein Institut ist (Rdnrn. 8ff. GSR 2.0). Aus den für Institute geltenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen können Gruppenunternehmen herausgenommen werden, die selbst aufsichtsrechtliche Vorgaben für die Vergütungssysteme zu beachten haben; mit Ausnahme der Mitarbeiter der Gruppenunternehmen, die mit ihrer Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil oder auf die Geschäftstätigkeit des Instituts haben. Von dieser Bereichsausnahme erfasst werden etwa Kapitalverwaltungsgesellschaften, deren Vergütungssysteme den Vorgaben des § 37 KAGB unterliegen. Die BaFin hat die neuen EU-gesetzlichen Vorgaben in § 27 IVV 4.0 umgesetzt.

 

5. Das Ende der Halteprämie in ihrer bisherigen Ausgestaltung – oder doch nicht?

In Bezug auf die Gewährung von Halteprämien wartet die EBA in den GSR 2.0 mit zwei Klarstellungen und einer Neuerung auf:

Die erste Klarstellung ist (lediglich) formaler Natur, demnach die Institute für jeden individuellen Begünstigten das berechtigte Halte-Interesse an der Gewährung der Halteprämie zu dokumentieren haben (Rdnr. 143 GSR 2.0).

Aus der Sicht des deutschen Arbeitsrechts problematisch ist die zweite Klarstellung, demnach keine Vorabgewährung oder ratierliche Auszahlung der Halteprämien erfolgen, sondern die Halteprämie erst nach Erfüllung ihrer Voraussetzungen gewährt werden soll (Rdnr. 144 GSR 2.0). Diese Verlautbarung entspricht nicht der im Inland – arbeitsrechtlich zulässigen – Praxis, wonach eine Vorabgewährung oder ratierliche Auszahlung aus aufsichtsrechtlicher Sicht in Betracht kommt, wenn aus arbeitsrechtlicher Perspektive eine Rückforderung des ausgezahlten Vergütungsbestandteils (s. dazu unseren Client Alert zu Halteprämien) möglich ist. Die hierzu im Konsultationsverfahren eingebrachten inhaltlichen Impulse hat die EBA in den GSR 2.0 nicht aufgenommen.

Als Neuerung bestimmt die EBA, dass die Halteprämie – mit Blick auf ihre aufsichtsrechtliche Einordnung als variable Vergütung – für den einzelnen Begünstigten neben dem berechtigten Interesse eine weitere sog. spezifische Leistungsbedingung erfüllen muss (Rdnr. 147 GSR 2.0). Die bloße Erfüllung der Haltebedingung (bspw. der Ablauf des Haltezeitraums, ohne, dass eine Kündigung des Mitarbeiters erfolgt ist) ist danach nicht ausreichend. Im Konsultationsverfahren stieß die von der EBA hierzu vorgeschlagene Verwendung von „echten“ erfolgsbasierten Parametern auf ein kritisches Echo. Die EBA hat das kritische Feedback in der finalen Fassung der GSR 2.0 berücksichtigt und lässt für die spezifischen Leistungsbedingungen solche Bedingungen ausreichen, die mit dem legitimen Halte-Interesse und mit dem Verhalten des individuellen Begünstigten zusammenhängen. Praktisch kann damit der konkrete Parameter für die spezifische Leistungsbedingung unmittelbar aus dem individuellen Halte-Interesse abgeleitet werden. Arbeitsrechtlich ist dieses (neue) aufsichtsrechtliche Verständnis im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Stichtagsklauseln in Gratifikationszusagen problematisch.

 

6. Weitere Erkenntnisse aus den GSR 2.0

Weitere Erkenntnisse aus den GSR 2.0 können telegrammartig wie folgt zusammengefasst werden:

  • Institute haben in der Vergütungsstrategie auch ESG-Kriterien zu berücksichtigen (Rdnr. 16 GSR 2.0). Die EBA berücksichtigt mit dieser Verlautbarung auch die Anforderungen der EU-Verordnung 2019/2088, die eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Vergütungspolitik verlangt und deren Vorgaben Institute bis zum 20. März 2021 in ihre Vergütungssysteme umzusetzen hatten.
  • Die EBA verengt das inhaltliche Verständnis von Leistungen, die aufsichtsrechtlich als Abfindung zu verstehen sind (Rdnrn. 162ff. GSR 2.0). Der in den GSR 2.0 bestimmte Regelbeispielkatalog ist nunmehr abschließend formuliert und schränkt einzelne der bisherigen Fallgruppen ein, demnach Abfindungsleistungen im Kontext eines Kündigungsrechtsstreits nur noch als privilegierte Abfindung angesehen werden sollen, wenn sie im Rechtsstreit vereinbart werden (und nicht im außergerichtlichen Vorfeld in einem Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrag). Die inländische Praxis – die sich auch in den unveränderten Regelungen des § 5 Abs. 6 IVV 4.0 widerspiegelt – teilt dieses enge inhaltliche Verständnis nicht.
  • Die Information der Mitarbeiter hat neben der inhaltlichen Ausgestaltung der Vergütungssysteme und der Vergütungsparameter auch den Prozess zur Festlegung der (variablen) Vergütung zu enthalten (Rdnrn. 73f. GSR 2.0).
  • (Nur noch) In Vergütungsausschüssen in global-systemrelevanten Instituten (GSR-I) und in sonstigen systemrelevanten Instituten (OSR-I) hat die Mehrheit der Mitglieder und der Vorsitzende unabhängig zu sein; für alle anderen Institute lässt die EBA es ausreichen, dass eine hinreichende Anzahl an Mitgliedern unabhängig ist (Rdnr. 55 GSR 2.0).

 

7. Inkrafttreten der GSR 2.0

Die GSR 2.0 treten am 31. Dezember 2021 in Kraft. Es ist zu erwarten, dass die BaFin einen wesentlichen Teil der Verlautbarungen der EBA in der Auslegungshilfe zur IVV 4.0 übernehmen wird. Institute sollten daher die GSR 2.0 bei der aktuellen Überarbeitung ihrer Vergütungssysteme berücksichtigen.

 

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