grey ball framed by green stripes

Article

"Monthly Dose" Arbeitsrecht: 05/2024

Ausgewählte aktuelle Rechtsprechung für die betriebliche Praxis

Unsere Monthly Dose Arbeitsrecht zur aktuellen Rechtsprechung behandelt in der fünften Ausgabe 2024 die Entscheidungen

(1) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.07.2023 (9 AZR 43/22) zum Kündigungsschutz und Betriebsübergangs eines Arbeitsverhältnisses eines Geschäftsführers,

(2) des BAG vom 20.10.2023 (7 ABR 34/20) zur Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes auf Fremdgeschäftsführer einer GmbH,

(3) des BAG vom 13.12.2023 (5 AZR 307/22) zum Hypotax-Verfahren bei vorübergehender Auslandsentsendung,

(4) des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern vom 18.07.2023 (2 Sa 31/23) zum Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Abschluss eines Abwicklungsvertrags bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit,

(5) des LAG Hamm vom 23.01.2024 (6 SA 1030/23) zur (Un-)Wirksamkeit des Entzuges eines Dienstwagens aufgrund einer geänderten Arbeitsaufgabe sowie

(6) des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 20.02.2024 (C-715/20) zur Stärkung des Grundrechts auf wirksamen Rechtsbehelf für befristet Beschäftigte.

1. Geschäftsführer-Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses: Betriebsübergang und Kündigungsschutz nach § 613a Abs. 4 BGB sowie nach dem KSchG (BAG Urt. v. 20.07.2023, 6 AZR 228/22).

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in seinem Urteil vom 20.07.2023 (6 AZR 228/22) Gelegenheit zur Beantwortung verschiedener Rechtsfragen zur Durch-führung einer Geschäftsführer-Organtätigkeit auf der Grundlage eines Arbeits-verhältnisses, die sich im Zusammenhang mit einer Kündigung des Geschäfts-führer-Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stellten.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Rechtswirksamkeit einer durch den beklagten Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft, in dem der klagende Geschäftsführer in dieser Organfunktion tätig war, erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Geschäftsführers und in diesem Zusammenhang, ob das Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers im Wege eines Betriebs-übergangs auf den Erwerber übergegangen war.

Der Kläger war seit dem 1. September 2000 bei der Insolvenzschuldnerin be-schäftigt. Im Dezember 2013 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Hierzu wurde kein gesonderter Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen, son-dern lediglich eine „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“, in der eine neue Arbeits-zeitenregelung und das Bestehen der übrigen Regelungen des Arbeitsvertrages vereinbart wurde.

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde mit Beschluss vom 15. Ja-nuar 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzver-walter bestellt. Dem Beklagten gelang in der Folgezeit eine Fortführung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin im Wege einer restrukturierenden Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte auf die ebenfalls beklagte neue Arbeitgeberin. Der Insolvenzverwalter überreichte dem Kläger am Vormittag des 16. Januar 2020 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 30. April 2020. Der Kläger legte daraufhin am Nachmittag des 16. Januar 2020 das Amt des Geschäftsführers nieder. Er erhob in der Folgezeit Kündigungsschutzklage und begründete die Unwirksamkeit der Kündigung da-mit, dass diese gegen § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verstoße und bereits aus diesem Grund sozial nicht gerechtfertigt gewesen sei, und sie zudem, angesichts des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber, gegen § 613a Abs. 4 BGB verstoße.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht gab der Beru-fung der beklagten Arbeitgeberin mit der Begründung statt, dass die Kündigung nicht gegen § 613a Abs. 4 BGB verstoße und im Übrigen der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG angesichts der Organstellung des Klägers zum Kündigungszeitpunt gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht anwendbar sei. Das BAG gab der Revision des Klägers gegen das zweitinstanzliche Urteil statt und wies den Sachverhalt zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück. Nach Einschätzung des BAG könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs von der Insolvenzschuldnerin auf die neue Arbeitgeberin nach Maßgabe des § 613a BGB übergegangen sei und insoweit die Kündigung dem besonderen Kündigungsschutz nach § 613a Abs. 4 BGB unterlegen habe.

In seiner Begründung führte das BAG im Ausgangspunkt aus, dass die Kündi-gung mit Blick auf die zum Zeitpunkt ihres Zugangs beim Kläger noch zu ver-zeichnende Organstellung als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG unterliegt. Der Kläger sei insoweit zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin bestellt gewesen und seine Niederlegung der Geschäftsführertätigkeit sei erst nach dem Zugang erfolgt. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG sei bereits mit der Organstellung als Geschäftsführer zum Kündigungszeitpunkt eröffnet; unabhängig von der Ausgestaltung des zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder als Dienstverhältnis.

Der Kläger sei aber dennoch in den Anwendungsbereich des § 613a BGB einzu-beziehen. § 613a Abs. 1 BGB bestimmt, dass grundsätzlich alle Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen. Der Kläger habe seine Geschäftsführertätigkeit ausschließlich auf Grundlage eines Arbeitsvertrages erbracht, da es nie zum Abschluss eines Dienstvertrages gekommen sei. Allein die Bestellung zum Geschäftsführer begründe keine gesonderte schuldrechtliche Beziehung zwischen den Parteien. Das ergebe sich aus dem Trennungsgrundsatz des § 38 Abs. 1 GmbHG, nach dem Organ- und Anstellungsverhältnis in ihrem Bestand unab-hängig voneinander sind. Haben die Parteien - wie hier - ein Arbeitsverhältnis vereinbart, bleibt dieses während der Organstellung grundsätzlich bestehen mit der Maßgabe, dass das Weisungsrecht aus § 106 GewO für die Dauer der Bestellung beschränkt ist. § 613a Abs. 4 BGB könne nicht dahingehend teleologisch reduziert werden, dass Organmitglieder vom Anwendungsbereich ausgeschlos-sen sein sollen. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung umfasse alle Arbeitsver-hältnisse und so auch das des Klägers. Es sei der Vorschrift nicht zu entnehmen, dass bestimmte Arbeitsverhältnisse ausgeklammert werden sollen. Da das LAG im zweitinstanzlichen Urteil die Voraussetzungen des § 613a Abs. 4 BGB nicht geprüft habe, habe es dies nachzuholen.

Folgen für die Praxis

Diese Entscheidung zeigt aus Arbeitgebersicht anschaulich, das die ‚Beförde-rung‘ eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer des Rechtsträgers des Arbeitgebers regelmäßig mit dem Abschluss eines eigenständigen Geschäftsführeranstel-lungsvertrags mit gleichzeitiger Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags verbunden sein sollte, um im Rahmen der Kündigung des Anstellungsverhältnisses keine arbeitsrechtlichen Überraschungen zu erleben. Zudem sensibilisiert die Entscheidung Erwerber in Transaktionen über den Erwerb eines Betriebs nach Maßgabe des § 613a BGB einmal mehr dazu, die Rechtsgrundlagen der Anstellungsverhältnisse der Geschäftsführer der Zielgesellschaft sorgfältig zu prüfen, um aus arbeitsrechtlicher Sicht ausschließen zu können, dass die maßgeblichen Anstellungsverhältnisse aus arbeitsrechtlicher Sicht als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren sind bzw. die daraus resultierenden Risiken jedenfalls in der Kauf-preisbestimmung zu berücksichtigen.

2. Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG, wenn er derart in die Arbeitsabläufe des Arbeitgebers eingebunden ist, dass er als Arbeitnehmer im Sinne des Europarechts anzusehen ist (BAG Urt. v. 25.07.2023, 9 AZR 43/22)

In seiner Entscheidung vom 25. Juli 2023 (9 AZR 43/22) hatte sich das BAG mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) angesehen werden kann und da-her seine Urlaubsansprüche aus dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis dem BurlG unterliegen.

In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien nach Beendigung eines Anstellungsverhältnisses einer Fremdgeschäftsführerin über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

Die Klägerin war seit dem 1. Juli 1993 als Arbeitnehmerin bei der beklagten Ar-beitgeberin beschäftigt. Sie wurde zum 19. Juli 2012 als Geschäftsführerin der Beklagten angestellt. Ab 2018 wurde die Klägerin in einer Geschäftsstelle, die zu einer von der Beklagten personenverschiedenen GmbH gehört, eingesetzt. Die Beklagte übernahm dort bestimmte Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten für die Z GmbH und stellte ihr dafür „ihre Geschäftsführerin im erforderlichen Umfang zur Verfügung“. Die Geschäftsführung der Z GmbH wies die Klägerin an, täglich von 7:00 bis 18:00 Uhr zu arbeiten. Am Vormittag wurde die Klägerin angewiesen, Kaltakquisen durchzuführen und am Nachmittag sollte sie in eigener Initiative Kundenbesuche und Kontroll- und Überwachungsaufgaben wahrnehmen. Die Klägerin musste wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche nachweisen. Ausweislich des Dienstvertrages stand der Klägerin ein Urlaubsanspruch von jährlich 33 Tagen zu, wovon die Klägerin im Jahr 2019 elf Tage ihres Urlaubs in Anspruch nahm und keinen Urlaubstag im Jahr 2020. Am 5. September 2019 legte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihr Amt als Geschäftsführerin nieder und kündigte das Anstellungsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2020. Die Klägerin war seit dem 30. August 2019 arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Nachdem die Beklagte die Klägerin vor dem Amtsgericht auf Rückzahlung von Tantiemen verklagte, erhob diese Widerklage auf Abgeltung der Urlaubsansprüche. Die Widerklage wurde durch Beschluss des Amtsgerichts an das Arbeitsgericht verwiesen.

Das BAG gab der Klage auf Urlaubsabgeltung statt. Die Klägerin habe, als Fremdgeschäftsführerin der Beklagten, Anspruch auf Urlaubsabgeltung der übri-gen Urlaubstage aus 2019 sowie aus 2020. Der Anspruch der Fremdgeschäftsführerin auf Urlaubsabgeltung ergebe sich unmittelbar aus § 7 Abs. 4 BUrlG, wonach ein Urlaubsanspruch, der nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten ist. Grundsätzlich hat nach § 1 BUrlG jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Da die Vorschrift auf einer europäischen Richtlinie beruht, sei der europäische Arbeitnehmerbegriff maßgeblich, unabhängig davon, ob die Klägerin nach nationalem Recht als Arbeitnehmerin einzuordnen sei. Nach dem europäischen Arbeitnehmerbegriff sei ein Arbeitnehmer jemand, der während einer bestimmten Zeit für einen anderen, nach dessen Weisungen Leistung erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann dies auch auf Leitungsorgane einer Gesellschaft zutreffen. Es sei auf das Maß der Abhängigkeit abzustellen und daher zu ermitteln, inwieweit das Organmitglied frei in der Gestaltung der Arbeitszeit und der Aufgaben sei und unter welchen Bedingungen es abberufen werden kann.

Im konkreten Fall sei die Klägerin als Arbeitnehmerin im Sinne des Unionsrecht einzuordnen, da ihr konkrete Arbeitszeiten vorgegeben und konkrete Aufgaben übertragen werden. Zudem seien die Aufgaben eher solche eines typischen Arbeitnehmers. Es habe keine Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch, dass die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin niedergelegt habe. Nach §§ 1, 3 BurlG ist allein ein bestehendes Arbeitsverhältnis Voraussetzung für den Urlaubsanspruch, unabhängig davon, ob tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht wurden oder nicht. Der Klägerin sei durch die Niederlegung des Geschäftsführeramtes zudem die Erbringung ihrer Pflichten nicht unmöglich geworden. Zwar müsse die Geschäfts-führerin grundsätzlich nur die in ihrem Anstellungsvertrag vereinbarten Leistun-gen erbringen, hier seien aber im Anstellungsvertrag Tätigkeiten vereinbart worden, die auch ohne die Innehabung des Amts der Geschäftsführerin hätte erledigt werden können.

Folgen für die Praxis

Das BAG schreibt mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur arbeits-rechtlichen Einordnung von Anstellungsverhältnissen mit Fremdgeschäftsführern fort und stellt erneut klar, dass auch Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Ar-beitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn eingeordnet werden können, sofern diese sich auf Vorschriften berufen, die auf europäischen Richtlinien beruhen und die Geschäftsführer einem gewissen Maß an Weisungsgebundenheit unterliegen. Es ist daher im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, welchem Maß der Weisungsgebundenheit der Fremdgeschäftsführer unterworfen ist und unter welchen Bedingungen er abberufen werden kann – und es sind aus Arbeitgebersicht hierzu bei Bedarf entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten durchzuführen, um die arbeits-rechtliche Arbeitnehmer-Eigenschaft des Fremd-Geschäftsführers im konkreten Anstellungsverhältnis zu verneinen.

Offen ließ das BAG in dieser Entscheidung im Übrigen die Fragen, inwieweit als Arbeitnehmer einzuordnende Geschäftsführer auf ihre bestehenden, offenen Urlaubstage und den möglichen Verfall der Urlaubstage hingewiesen werden müssen und inwiefern Geschäftsführer diese Pflicht ggf. gegenüber sich selbst erfüllen können oder ob die Gesellschafterversammlung hierfür zuständig wäre.
 

3. Hypotax-Verfahren kann bei vorübergehender Auslandsentsendung als Nettolohnvereinbarung besonderer Art wirksam sein, wenn keine zwingende tarifliche Vereinbarungen entgegenstehen (BAG Urt. v. 13.12.2023, 5 AZR 307/22)

Das BAG entschied in seinem Urteil vom 13. Dezember 2023 (5 AZR 307/22), dass ein Hypotaxverfahren grundsätzlich rechtlich wirksam vereinbart werden kann, es sei denn, es gilt eine abweichende, zwischen den Parteien zwingende, tarifliche Regelung.

In dem zu Grunde liegenden Fall stritten die Parteien im Rahmen einer Auslandsentsendung über die Rückzahlung von einbehaltenen Beträgen, die die Beklagte in Höhe der hypothetisch anfallenden Steuern in Deutschland, vom Entgelt des Klägers einbehalten hatte.

Der seit 1996 bei der Beklagten in Hamburg beschäftigte Kläger wurde befristet für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2019 an ein Konzernschwes-terunternehmen nach Frankreich entsandt. Die Parteien nahmen im Arbeitsvertrag auf den Entgelttarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Hamburg Bezug, entsprechend dem der Kläger vergütet wurde. Der Kläger trat zum 1. Januar 2018 in die Gewerkschaft ein. Im zusätzlich zum Arbeitsvertrag geschlossenen Entsendevertrag vereinbarten die Parteien, dass die Umlage der Versteuerung der vom Kläger während seiner Entsendung bezogenen Vergütung nach dem sog. „Tax Equalization“ Prinzip erfolgen sollte. Nach diesem übernahm die Beklagte die tatsächlich während der Entsendung in Frankreich anfallende Lohnsteuer und behielt dafür eine Lohnsteuer in Höhe der bei einer hypothetischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses während der Entsendung in Deutschland anfallende Lohnsteuer von der Vergütung des Klägers ein. Der Kläger wurde durch diese Tax Equalization-Vereinbarung steuerlich so gestellt, als würde er weiterhin in Deutschland arbeiten. Die Regelung zum Hypotax-Verfahren waren in gleicher Form in einer Konzernbetriebsvereinbarung geregelt. Das LAG München stellte mit Beschluss vom 25. September 2019 (4 TaBV 52/18) fest, dass die Regelung zum Hypotax-Verfahren der Konzernbetriebsvereinbarung mangels Regelungskompetenz der Betriebsvertragsparteien unwirksam war. Der Kläger klagte daraufhin auf Rückzahlung der in den Jahren 2017 bis 2019 einbehalte-nen Beträge in Höhe der hypothetischen deutschen Lohnsteuer, da die Beklagte diese nach seiner Auffassung zu Unrecht einbehalten habe.

Das BAG gab dem Kläger teilweise recht. Die Regelungen des Entsendevertrags zum Hypotax-Verfahren seien als Nettolohnvereinbarung besonderer Art grundsätzlich wirksam, so dass die Abzüge in Höhe der hypothetischen Steuer zu Recht erfolgt seien. Dies gelte aber nur für den Entsendungszeitraum bis zum 31. Dezember 2017, da ab 2018 der Tarifvertrag gem. § 4 Abs. 3 Tarifvertrags-gesetz (TVG) normativ Anwendung gefunden hätte, aus dem sich ein Anspruch auf den Bruttolohn ergebe, den die Beklagte nicht vollständig erfüllt habe.

Solange der Kläger nicht Mitglied in der Gewerkschaft war und der Tarifvertrag daher nicht normativ zwingend gegolten habe, hätten die Parteien eine abwei-chende Vereinbarung treffen können. Daher stünden dem Kläger für den Zeit-raum bis zum 31. Dezember 2017 keine Nachzahlungsansprüche zu. Die Parteien hätten wirksam das Hypotax-Verfahren vereinbart. Daran ändere auch nichts, dass die Konzernbetriebsvereinbarung für unwirksam erklärt worden ist, da die Hypotax-Vereinbarung mit dem Entsendevertrag auf einer eigenständigen vertraglichen Grundlage beruhe. Diese Vereinbarung hätte konstitutiv gegolten. Daher habe die Wirksamkeit der Konzernbetriebsvereinbarung keinen Einfluss auf den konkreten Sachverhalt. Die Parteien hätten auch nicht die Konzernbetriebsvereinbarung zur Geschäftsgrundlage der Vereinbarung machen wollen. Grundsätzlich sei es zwar möglich, dass vorangegangene betriebsverfassungs-rechtliche Streitigkeiten eine Präklusionswirkung für spätere individualrechtlichen Streitigkeiten entfalten, das könne aber nur gelten, soweit für den Sachverhalt tatsächlich ein betriebliches Mitbestimmungsrecht bestehe. Da vorliegend keine Kompetenz der Betriebsvertragsparteien zur Regelung dieses Bereichs bestand, könne die Unwirksamkeit der Regelung der Konzernbetriebsvereinbarung auch keinen Einfluss auf die individualvertragliche Vereinbarung haben.

Ab dem Zeitpunkt der beidseitigen normativen Tarifgebundenheit der Parteien fände die Regelung des Tarifvertrags unmittelbar Anwendung, nach der ein bestimmtes Bruttogehalt zwischen den Parteien zwingend ist. Diese Vereinbarung gelte auch während der Auslandsentsendung, da dieser nur vorübergehend ge-wesen sei und der Schwerpunkt der Tätigkeit nach wie vor in Hamburg gelegen habe.

Folgen für die Praxis

Das BAG schreibt in Bezug auf die Wirksamkeit einer individualvertraglichen Tax Equailization-Vereinbarung für die Dauer einer Entsendung seine Rechtsprechung gemäß seinem Urteil vom 17. September 2022 (5 AZR 128/22) fort. Zugleich sensibilisiert es mit diesem Urteil tarifgebundene Arbeitgeber, für die konkrete Ausgestaltung der Tax Equalization-Vereinbarung die tarifvertraglichen Regelungen zur Vergütung des Arbeitnehmers während der Entsendung zu beachten, demnach eine Hypotax-Regelung nicht wirksam vereinbart werden kann, wenn die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen – regelmäßig – eine Bruttovergütung bestimmt.

4. Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Abschluss eines Abwicklungsvertrags bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 18.07.2023, 2 Sa 31/23)

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern beschäftigte sich am 18.07.2023 mit der Frage, ob einer Arbeitnehmerin ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht, wenn sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist einer betriebsbedingten Kündigung und dem Abschluss eines Abwicklungsvertrags eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit beim Arbeitgeber ergibt.

Die Klägerin war als Laborassistentin in der von der Beklagten betriebenen pathologischen Laborpraxis tätig. Mit Schreiben vom 18. Januar 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 28. Februar 2022. Die Klägerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Daraufhin schlossen die Parteien unter dem 28. Februar 2022 einen Abwicklungsvertrag. In diesem wurde unter anderem vereinbart, dass die Arbeitnehmerin die Kündigungsschutzklage zurückzunehmen hat und die Beklagte der Klägerin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes i.H.v. 10.000,00 EUR brutto zahlen werde.

Im März 2022 kündigten zwei Arbeitnehmerinnen der Beklagten ihre Arbeitsverhältnisse. Daraufhin bot die Beklagte auf der Website der Bundesagentur für Arbeit zum 1. Juli 2022 eine Stelle für MTLA/BTLA an. Die Klägerin erhielt davon Kenntnis und forderte die Beklagte sodann auf, mit ihr einen neuen Arbeitsvertrag auf der Grundlage der früheren Regelungen des Arbeitsverhältnisses der Parteien abzuschließen. Dies blieb ergebnislos, weshalb die Klägerin mittels Klage ihr Begehren weiterverfolgte.

Zur Begründung ihrer Klage führte die Klägerin aus, der Anspruch ergebe sich aus nachvertraglichen Fürsorgepflichten, während die Beklagte entgegnete, eine Wiedereinstellung scheide nach dem Abschluss eines wirksamen Aufhebungsvertrags aus. Die Voraussetzungen, unter denen eine Wiedereinstellung verlangt werden könnte, nämlich (i) Wegfall des Kündigungsgrundes innerhalb der Kündigungsfrist und/oder (ii) fehlerhafte Prognose, lägen nicht vor. Darüber hinaus verfüge die Klägerin nicht über die zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erforderlichen Qualifikationen.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigte das unterinstanzliche Urteil, nach dem ein wirksam geschlossener Abwicklungsvertrag einem Wiedereinstellungsanspruch entgegensteht.

Bei betriebsbedingten Kündigungen könne zwar grundsätzlich ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers entstehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergebe. Der Anspruch erwachse in diesem Fall aus einer vertraglichen Nebenpflicht aus dem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Entstehe eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, bestehe hingegen grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Die Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch gelten nicht, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt werde. Sofern nicht der Arbeitgeber einen bestimmten Vertrauenstatbestand geschaffen habe, könne der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen.

Zudem stehe im streitgegenständlichen Fall der wirksame Abwicklungsvertrag einer Wiedereinstellung entgegen. Weder läge eine Anfechtungs- oder Widerrufserklärung der Klägerin vor noch seien die Grundsätze über den nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage erfüllt oder die Beklagte gar unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zum erneuten Vertragsabschluss mit der Klägerin verpflichtet. Das Festhalten an dem Abwicklungsvertrag sei für die Klägerin angesichts der Abfindung i.H.v. 10.000 EUR brutto auch nicht unzumutbar, da der Betrag die gem. § 1 a KSchG vorgesehene Summe in ihrem Fall überschreite.

Folgen für die Praxis

Das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BAG zum Wiedereinstellungsanspruch. Arbeitgeber sind nach Abschluss eines Abwicklungsvertrags und dem Entstehen unvorhergesehener freier Stellen nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht verpflichtet, kürzlich ausgeschiedene Arbeitnehmer wieder einzustellen. Ein Abwicklungsvertrag zieht einen klaren Schlussstrich unter den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Ein Sachverhalt, der ausnahmsweise eine nachvertragliche Verpflichtung zur Wiedereinstellung eines Arbeitnehmers begründen könnte, wäre aus Arbeitnehmersicht sehr umfassend zu begründen.

5. Anspruch auf Dienstwagen zur Privatnutzung - Unwirksame Auflösungsbedingung und Widerrufsvorbehalt (LAG Hamm Urt. v. 23.01.2024, 6 Sa 1030/23)

Das LAG Hamm hat sich in seinem Urteil vom 23. Januar 2024 (6 Sa 1030/23) mit der Fortführung der Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung beschäftigt.

Der Kläger war seit Februar 2009 bei der Beklagten als Sales Manager im Geschäftsbereich Marketing und Vertrieb beschäftigt und ihm wurde im Arbeitsverhältnis ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen. Die Bedingungen (u.a. Kriterien zur dienstlichen Notwendigkeit) für die Überlassung des Dienstwagens waren in verschiedenen Vertragsergänzungsvereinbarungen geregelt. Die Berechtigung zur Nutzung war u.a. an die Ausübung bestimmter Tätigkeiten und an eine Mobilität von mindestens 50% der Arbeitszeit geknüpft und sah regelmäßige Überprüfungen vor. Als dienstwagenberechtigte Tätigkeiten defi-nierte die Beklagte die Funktionen Sales Manager, After Sales Manager und Gebietsleiter Verkauf. Zudem bestimmten die Nutzungsregelungen einen Widerrufsvorbehalt für die Beklagte, wobei die Widerrufsgründe (nur) schlagwortartig ausgeführt wurden.

Im Zuge einer Umstrukturierung des Vertriebskonzeptes änderte sich die Tätig-keit des Klägers ab dem 1. Januar 2022 zum Vertriebspartner Einzelkunden in-nerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb und sein Fokus verlagerte sich auf die Information, Beratung und Betreuung der relevanten Einzelkunden der Beklagten per digitaler Kommunikation oder Telefon. Im März 2023 nahm die Beklagte schließlich eine Überprüfung der Berechtigung zur Dienstwagennutzung vor, bei der sie feststellte, dass die in den Vertragsergänzungen geregelten Bedingungen für die Nutzung (namentlich eine dauerhaft hohe Mobilität, d.h. eine dienstliche Abwesenheit von mehr als 50%) nicht mehr erfüllt waren.

Die Beklagte entschied sich daraufhin, dem Kläger den Dienstwagen zum 31. Dezember 2023 zu entziehen und teilte dies dem Kläger schriftlich am 24. April 2023 mit. Der Kläger widersprach dem Entzug der Dienstwagennutzung und erhob Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Dortmund, um die Fortsetzung der Dienstwagennutzung zu erwirken. Das ArbG Dortmund wies die Klage mit Ver-weis auf die auflösende Bedingung gem. § 158 Abs. 2 BGB ab. Die Bedingungen zur Dienstwagennutzung seien transparent und angemessen ausgestaltet.

Der Kläger legte Berufung ein und argumentierte, dass die Bedingungen unklar seien und die Überprüfung der Nutzungsbedingungen nicht korrekt durchge-führt worden seien. Er bezweifelte zudem die Wirksamkeit des Widerrufsvorbehalts.

Das LAG Hamm gab der Berufung statt und entschied, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger auch nach dem 31. Dezember 2023 einen Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung bereitzustellen. Der Anspruch des Klägers auf das Fahrzeug sei nicht erloschen, da weder eine auflösende Bedingung noch ein wirksamer Widerruf vorliege. Die Regelung in der Überlassungsvereinbarung zur dienstlichen Notwendigkeit des Fahrzeugs sei unklar ausgestaltet und daher unwirksam. Es sei nicht eindeutig erkennbar, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ vorliege und welche Reisen mit dem Dienstwagen bei der Frage der dienstli-chen Abwesenheit überhaupt berücksichtigt werden. Außerdem bestünde eine Unklarheit darüber, wie die Quote von 50% der Arbeitstage genau berechnet werden solle. Die Beklagte habe darüber hinaus den vertraglich vorgesehenen Prüfungszeitraum von zwei Jahren nicht eingehalten.

Die Widerrufsklausel sei ebenfalls unwirksam. Sie erlaube der Beklagten den Widerruf des Dienstwagens aus organisatorischen Gründen, u.a. bei Änderung der übertragenen arbeitsvertraglichen Aufgaben. Nicht jede Änderung der Ar-beitsaufgabe stellt jedoch einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmög-lichkeit dar. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts sei nach § 308 Nr. 4 BGB aber nur wirksam, wenn sie unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Das Wirtschaftsrisiko darf dabei nicht auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Zum Widerruf berechtigen könnten nur solche organisatorischen Änderungen, die zwangsläufig eine Änderung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgaben mit sich brächten und die dazu führen würden, dass die Erforderlichkeit eines Geschäftsfahrzeugs für die übertragenen Aufgaben nicht mehr gegeben wäre. Dies sei in der Widerrufsklausel nicht zum Ausdruck gekommen.

Folgen für die Praxis

Das Urteil des LAG Hamm legt anschaulich dar, dass Arbeitgeber bei der inhaltlichen Bestimmung und Formulierung der Voraussetzungen für die Zurverfügung-stellung eines Dienstwagens und ihren Widerruf – unverändert – hohe Sorgfalt aufzuwenden haben, um insbesondere den Anforderungen der gesetzlichen AGB-Kontrolle zum Transparenzgebot zu genügen. Steht der Wegfall des operativen Erfordernisses der Dienstwagennutzung aufgrund einer Änderung der Tätigkeit des Arbeitgebers im Raum, ist es aus praktischer Sicht empfehlenswert, alternativ zum Widerruf der Dienstwagennutzung gemäß der Dienstwagenrichtlinie im relevanten Änderungsvertrag auch den Wegfall der Gewährung des Dienstwagens einvernehmlich zu regeln.

6. Stärkung des Grundrechts auf wirksamen Rechtsbehelf für befristet Beschäftigte (EuGH Urt. v. 20.02.2024, C-715/20)

Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2024 (C-715/20) mit der rechtlichen Ungleichbehandlung von befristet angestellten Arbeitnehmern auseinandergesetzt. In diesem Verfahren ging es um eine nationale (polnische) Regelung, nach der ein Arbeitgeber anders als bei unbefristet angestellten Mitarbeitern nicht dazu verpflichtet sein soll, einen befristet angestellten Mitarbeiter über die Gründe für eine ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu informieren. Diese Ungleichbehandlung stehe nach Ansicht des EuGH im Wider-spruch zu § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtli-nie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist. Danach dür-fen Arbeitnehmer in ihren „Beschäftigungsbedingungen“ nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, ge-genüber vergleichbaren Arbeitnehmern in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nicht schlechter behandelt werden; es sei denn, die unterschiedliche Behand-lung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

Die polnische Regierung argumentierte mit der Flexibilität des Arbeitsmarktes, die durch befristete Verträge gewährleistet werde, jedoch sah der EuGH diese Rechtfertigung als unzureichend an. Er betonte, dass die Ungleichbehandlung den Zugang zum Rechtsschutz beeinträchtige und die nationale Regelung gegen das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) verstoße. Denn so-fern der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht über die Gründe der Kündi-gung seines Vertrags informiert wird, werde ihm eine Information vorgehalten, die für ihn für die Entscheidung, ob er gerichtlich gegen die Kündigung des Arbeitsvertrags vorgehen sollte, ausschlaggebend sei. Hat der betreffende Arbeitnehmer Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kündigungsgrundes, habe er keine andere Wahl, als die Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht anzufechten, da er nur auf diesem Weg erreichen könne, dass das Gericht seinen Arbeitgeber anweist, den oder die Kündigungsgründe preiszugeben, sollte der Arbeitgeber diese nicht auf Nachfrage freiwillig mit ihm teilen. Hiermit sei zum einen ein nicht unerhebliches Prozessrisiko verbunden; ferner bestehe dadurch die Problematik, dass aufgrund der unbekannten Kündigungsgründe ein schlüssiger Klagevortrag nur schwerlich erfolgen könne.

Die Unterscheidung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen stelle überdies auch keine ausreichende Rechtfertigung für die Ungleichbehand-lung dar, da sie nicht auf konkreten bzw. spezifischen Umständen beruhe.

Somit sei auch ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer über die Gründe der or-dentlichen Kündigung seines Arbeitsvertrages zu informieren, wenn das nationa-le gesetzliche Recht eine solche Information gegenüber den Arbeitnehmern in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vorsieht.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH fügt sich in seine Gleichbehandlung-Rechtsprechung in Bezug auf Arbeitnehmer in einem befristeten bzw. in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Das deutsche Kündigungsrecht sieht die streit-gegenständliche an den Befristungs-Status des Arbeitsverhältnisses angeknüpf-te Differenzierung des polnischen Rechts in Bezug auf die (Nicht-)Mitteilung der Kündigungsgründe nicht vor; die Entscheidung ist gleichwohl unmittelbar für Arbeitgeber relevant, die in ihren Arbeitsverträgen die Rechtswahl des polnischen Arbeitsrechts vereinbart haben. Zudem sensibilisiert sie Arbeitgeber bei der An-wendung von – etwaigen zukünftigen gesetzlichen – Regelungen mit einer unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern in einem befristeten bzw. in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis dahingehend, Arbeitnehmern in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit Blick auf den konkreten gesetzlichen Regelungs-gegenstand über die gesetzlichen Regelungen hinaus- gleich mit Arbeitnehmern in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu behandeln.
 

Operating globally - compliant from a labor law and tax law perspective - Employer of Record & Co.

10 April 2024 | Deloitte Legal Webcast #6/2024

Fanden Sie diese Information hilfreich?