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Geldwäsche-Compliance | Schutz der persönlichen Daten wirtschaftlich Berechtigter
Aktuelle Entwicklungen auf nationaler und EU-Ebene nach wegweisender EuGH-Entscheidung zum Grundrechtsschutz wirtschaftlich Berechtigter
Stand: März 2023
Inhaltsübersicht
- I. Hintergrund
- II. EuGH-Entscheidung zum Grundrechtsschutz wirtschaftlich Berechtigter
- III. Rechtsfolgen der EuGH-Entscheidung auf nationaler und EU-Ebene
- IV. Fazit
Überblick
Nach Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 22. November 2022 (Az.: C-37/20 und C-601/20) verletzt der EU-weit auf Grundlage der 5. EU-Geldwäscherichtlinie vorgesehene unbeschränkte Zugang sämtlicher Mitglieder der Öffentlichkeit zum Transparenzregister EU-Grundrechte von wirtschaftlich Berechtigten.
Mit einer Rechtssicherheit schaffenden unionsrechtskonformen Gesetzeslage ist auf EU-Ebene frühestens im Rahmen der für Mitte des Jahres 2023 erwarteten Verabschiedung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie als Bestandteil des umfassenden „EU Geldwäscheprävention-Maßnahmenpakets“ zu rechnen, auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten erst mit der anschließend noch erforderlichen Umsetzung der erforderlichen Änderungen in den jeweiligen nationalen Geldwäschegesetzen.
Die in Folge des EuGH-Urteils am 5. Dezember 2022 aktualisierte Entwurfsfassung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie sieht für die Zukunft zwar weiterhin den EU-weiten Zugang der Öffentlichkeit zu Daten wirtschaftlich Berechtigter vor, knüpft diesen jedoch nunmehr an die (Wieder-) Einführung der Verpflichtung zur Darlegung eines „berechtigten Interesses“ (E-Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1). Nach aktuell vorgeschlagener Gesetzesbegründung des Rates der Europäischen Union soll dieses beschränkt sein auf ein „legitimate interest with respect to money laundering, associated predicate offences such as corruption, tax crimes and fraud, and terrorist financing“.
Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung ist in Deutschland bis auf Weiteres die mit Bekanntmachung vom 12. Dezember 2022 aktualisierte Verwaltungspraxis der registerführenden Stelle (Bundesanzeiger Verlag) zu beachten. Danach wird sich die registerführende Stelle „im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung“ des deutschen Geldwäschegesetzes (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG) bei der Prüfung entsprechender Anträge an der auf Grundlage der 4. EU-Geldwäscherichtlinie in Deutschland bis zum 31. Dezember 2019 anwendbaren Rechtslage orientieren.
Nach zwischenzeitlich vollständiger Aussetzung des Zugangs ist danach Mitgliedern der Öffentlichkeit die Einsichtnahme in das Transparenzregister nunmehr wieder gestattet, jedoch nur noch unter Darlegung eines „berechtigten Interesses“.
Von einem solchen „berechtigten Interesse“ soll nach Ende Januar 2023 durch die registerführende Stelle erfolgter Konkretisierung der neuen Verwaltungspraxis insbesondere in folgenden drei Fallkonstellationen ausgegangen werden können:
- „wenn die eigenen Angaben der Eintragung überprüft werden sollen (sog. Selbstauskunft),
- bei Journalisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei Recherchen mit Bezug zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, oder
- wenn ein sonstiger enger Bezug zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nachvollziehbar vorgebracht wird.“
Damit ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Zugang der Öffentlichkeit in Deutschland auf Grundlage der neuen Verwaltungspraxis bereits jetzt erheblich eingeschränkt sein wird und sich unter Berücksichtigung der aktuellen Planungen auf EU-Ebene hieran auf absehbare Zeit auch nichts ändern wird.
Ob damit gegenläufig zur am 28. Dezember 2022 erfolgten Erweiterung der staatlichen Einsichtsrechte auf Grundlage des sog. „Sanktionsdurchsetzungsgesetz II“ in Zukunft die Einsichtnahme in Daten wirtschaftlich Berechtigter durch die breite Öffentlichkeit in der Praxis de facto ausgeschlossen ist, bleibt abzuwarten. Eine öffentliche Stellungnahme der zuständigen geldwäscherechtlichen Aufsichtsbehörde (Bundesverwaltungsamt) hierzu ist bisher nicht erfolgt.
Wirtschaftlichen Berechtigten wird angesichts der aktuell noch formal unionsrechtswidrigen Gesetzeslage geraten, die aktuellen Entwicklungen zum Schutz ihrer persönlichen Daten weiterhin aufmerksam zu verfolgen, zur Vorbeugung des Missbrauchs ihrer Daten im (begründbaren) Einzelfall die Stellung eines Antrags auf Beschränkung der Einsichtnahme (§ 23 Abs. 2 GwG) in Erwägung zu ziehen und in regelmäßigen Abständen von ihrem Auskunftsrecht betreffend Einsichtnahmen in die zu ihnen gespeicherten Daten (§ 23 Abs. 8 GwG) Gebrauch zu machen.
I. Hintergrund
1. Pflicht zur Mitteilung wirtschaftlich Berechtigter
Nach Wegfall sog. „Mitteilungsfiktionen“ zum 31. Juli 2021 und dem Ablauf letzter Übergangsfristen zum 31. Dezember 2022 sind Vereinigungen (juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften) mit Satzungssitz in Deutschland ab dem 1. Januar 2023 uneingeschränkt verpflichtet, die Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten unverzüglich zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 GwG); dies gilt auch für börsennotierte Gesellschaften und deren Tochtergesellschaften (Deloitte Legal | Geldwäsche-Compliance | Mitteilungspflichten gegenüber dem Transparenzregister ). Erleichterungen bestehen für eingetragene Vereine (§ 20a GwG).
Die gleiche Verpflichtung besteht für inländische Verwalter von sog. „Trusts“ sowie inländische Treuhänder sonstiger „besonderer Rechtsgestaltungen“ (§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GwG).
Für Vereinigungen mit (Satzungs-) Sitz im Ausland, die einen Bezug zu im Inland gelegenen Immobilien aufweisen, bestehen Sonderregelungen, die mit Inkrafttreten des sog. „Sanktionsdurchsetzungsgesetz II“ am 28. Dezember 2022 deutlich verschärft worden sind (§ 20 Abs. 1 Satz 2, 3 GwG n.F.). In bestimmten Fällen gelten für insofern einschlägige Mitteilungspflichten gesonderte Übergangsfristen bis zum 30. Juni 2023 (§ 59 Abs. 13 GwG n.F.).
2. Registrierte (persönliche) Daten wirtschaftlich Berechtigter
Im ausschließlich elektronisch geführten deutschen Transparenzregister sind derzeit folgende mitteilungspflichtige Angaben zu wirtschaftlich Berechtigten registriert: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort mit Wohnsitzland (= Hauptwohnsitz), Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses und alle Staatsangehörigkeiten (§ 19 Abs. 1 GwG).
Die Mitteilung und Eintragung darüberhinausgehender persönlicher Daten wie bspw. Geburtsort, vollständige Privatadresse oder berufliche Adresse sowie Identifikationsnummern wirtschaftlich Berechtigter ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedstaaten derzeit nicht vorgesehen.
3. Befugnis zur Einsichtnahme
In Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie sieht das deutsche Geldwäschegesetz in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG seit dem 1. Januar 2020 ein unbeschränktes Recht zur Einsichtnahme in das Transparenzregister für „alle Mitglieder der Öffentlichkeit“ vor (Deloitte Legal | Transparenzregister – Aktuelle Entwicklungen aufgrund der 5. EU-Geldwäscherichtlinie) . Die Darlegung eines „berechtigten Interesses“ ist trotz des EuGH-Urteils auch nach Inkrafttreten der letzten Neufassung des GwG zum 28. Dezember 2022 gesetzlich nicht vorgesehen. Dies gilt unbeschadet der nunmehr angezeigten Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung durch die registerführende Stelle (siehe Ziffer III. 2.2).
Einsicht nehmen können zudem sämtliche deutschen Behörden und Gerichte zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG) sowie geldwäscherechtlich besonders „Verpflichtete“ im Rahmen der Erfüllung ihrer eigenen geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten (bspw. Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Immobilienmakler; § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GwG). Zuvor einschlägige Beschränkungen auf staatlicher Seite wie die Zugangsbegrenzung auf bestimmte Behörden wie bspw. Finanzbehörden, Strafverfolgungsbehörden oder die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) sind mit Inkrafttreten des sog. „Sanktionsdurchsetzungsgesetz II“ am 28. Dezember 2022 weggefallen.
4. Antragsrecht wirtschaftlich Berechtigter auf Beschränkung der Einsichtnahme
Der konkrete Abruf (persönlicher) Daten wirtschaftlich Berechtigter ist für den Fall der Einsichtnahme durch die Öffentlichkeit bereits kraft Gesetzes auf Vor- und Nachnamen, Monat und Jahr der Geburt, Wohnsitzland, Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses und alle Staatsangehörigkeiten beschränkt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 GwG). Der Tag der Geburt und der Wohnort des wirtschaftlich Berechtigten sind grundsätzlich nur für einsichtsberechtigte Behörden und Gerichte sowie geldwäscherechtlich besonders „Verpflichtete“ einsehbar.
Ergänzend hierzu kann die registerführende Stelle auf Antrag des wirtschaftlich Berechtigten die Einsichtnahme aller Mitglieder der Öffentlichkeit in das Transparenzregister auch vollständig oder teilweise beschränken (§ 23 Abs. 2 Satz 1 GwG). Mit diesem Antrag kann auch die Einsichtnahme durch einzelne Berufsgruppen der geldwäscherechtlich besonders „Verpflichteten“ (bspw. Versicherungsvermittler, Immobilienmakler, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) unterbunden werden. Nicht möglich ist eine Beschränkung jedoch unter anderem gegenüber Behörden, Gerichten und Notaren (§ 23 Abs. 2 Satz 4 GwG).
Für die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags ist entscheidend, dass der wirtschaftlich Berechtigte darlegt, dass der Einsichtnahme unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls „überwiegende schutzwürdige Interessen“ entgegenstehen, wie beispielsweise bei Vorliegen einer (abstrakten) Gefahr bestimmter Straftaten (bspw. Betrug oder erpresserischer Menschenraub) bzw. Minderjährigkeit und Geschäftsunfähigkeit des wirtschaftlich Berechtigten (§ 23 Abs. 2 Satz 1, 2 GwG).
Eine Beschränkung der Einsichtnahme kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn sich die Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten bereits aus anderen öffentlichen Registern (u.a. dem Handelsregister) ergeben (§ 23 Abs. 2 Satz 3 GwG). Dies kann insbesondere bei der Mitteilung der gesetzlichen Vertreter (z.B. Geschäftsführer bei der GmbH, Vorstand bei der AG) als sog. fiktiv wirtschaftlich Berechtigte der Fall sein.
5. Auskunftsrecht wirtschaftlich Berechtigter
Die registerführende Stelle hat wirtschaftlich Berechtigten auf Antrag Auskunft über die erfolgten Einsichtnahmen von Mitgliedern der Öffentlichkeit zu erteilen (§ 23 Abs. 8 Satz 1 u. 2 GwG). Die Auskunft ist mindestens einmal im Kalenderjahr, höchstens jedoch einmal im Quartal zu erteilen (§ 23 Abs. 8 Satz 4 GwG).
Die Auskunft beinhaltet (1) die beauskunfteten personenbezogenen Daten des wirtschaftlich Berechtigten, (2) die monatsweise dargestellte Anzahl der seit der letzten Antragstellung erfolgten Einsichtnahmen, (3) den Zeitpunkt der jeweiligen Einsichtnahmen, (4) eine anonymisierte Auflistung der natürlichen Personen, die Einsicht genommen haben und (5) bei Einsichtnahme durch juristische Personen deren Bezeichnung (§ 23 Abs. 8 Satz 3 GwG).
Ob auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 12. Januar 2023 (Az.: C-154/21) in anderer Sache zur erforderlichen Transparenz staatlicher Datenverarbeitung die Aussicht besteht, dass vorgenanntes Auskunftsrecht zu Gunsten der wirtschaftlich Berechtigten zukünftig dahingehend erweitert wird, dass diesen von staatlicher Seite zukünftig auch die Klarnamen der Einsicht nehmenden Mitglieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen, bleibt abzuwarten.
II. EuGH-Entscheidung zum Grundrechtsschutz wirtschaftlich Berechtigter
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22. November 2022 betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen (Art. 267 AEUV) des Bezirksgerichts Luxemburg die in der 5. EU-Geldwäscherichtlinie verankerte unionsrechtliche Grundlage für den unbeschränkten Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Transparenzregistern der EU-Mitgliedstaaten (Art. 1 Nr. 15 Buchst. c) EU-RL 2018/843) für ungültig erklärt. Die für ungültig erklärte Bestimmung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie sollte die entsprechende Vorschrift der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c) EU-RL 2015/849) ersetzen, die für den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den mitgliedstaatlichen Transparenzregistern ein nicht näher definiertes „berechtigtes Interesse“ voraussetzte.
In seinen Entscheidungsgründen führt der EuGH aus, dass der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten einen schwerwiegenden Eingriff in deren Grundrechte auf Achtung des Privatlebens sowie auf Schutz persönlicher Daten (Art. 7 und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) darstellt. Dies folge insbesondere daraus, dass sich anhand der der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Informationen ein mehr oder weniger umfassendes Profil über den wirtschaftlich Berechtigten erstellen lasse, diese Informationen einer unbegrenzten Zahl von Personen auch ohne Zusammenhang mit Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung zugänglich seien sowie frei im Internet abgerufen, auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden können.
Ein solcher Eingriff könne auch nicht durch die der Streichung des Erfordernisses des „berechtigten Interesses“ zugrundeliegende Gesetzesbegründung gerechtfertigt werden. Demnach sollten praktische Schwierigkeiten bei der Auslegung dieses Begriffs wegen des Fehlens einer einheitlichen Definition verhindert und eine größere Kontrolle durch die Zivilgesellschaft bewirkt werden. Beides ist nach Ansicht des EuGH jedoch nicht geeignet, die Gewährung unbeschränkter Einsicht für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Insbesondere obliege die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorrangig den staatlichen Behörden sowie Einrichtungen wie Kredit- und Finanzinstituten.
III. Rechtsfolgen der EuGH-Entscheidung auf nationaler und EU-Ebene
1. EU-Ebene
1.1 Rechtslage
Im Einklang mit bekanntgemachter Rechtsauffassung der registerführenden Stelle ist davon auszugehen, dass die im EuGH-Urteil ausgesprochene „Ungültigkeit“ des Art. 1 Nr. 15 Buchst. c) der 5. EU-Geldwäscherichtlinie zu einem Wiederaufleben der vorherigen, für den Zugang der Öffentlichkeit ein „berechtigtes Interesse“ voraussetzenden Bestimmung der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c)) führt (vgl. EuGH, Rs. C-421/06 – Fratelli Martini, Rn. 57).
Ungeachtet dessen ist der Unionsgesetzgeber jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu einer Änderung bzw. Berichtigung der für ungültig erklärten Richtlinienvorschrift gehalten (vgl. EuGH, Rs. C-421/06 – Fratelli Martini, Rn. 52; 56; EuGH, Rs. 300/86 – Van Landschoot, Rn. 22).
1.2 Gesetzgebungsvorhaben | 6. EU-Geldwäscherichtlinie
Vor diesem Hintergrund sieht die unmittelbar nach Verkündung des EuGH-Urteils am 5. Dezember 2022 durch den Rat der Europäischen Union aktualisierte Entwurfsfassung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie (Council of the European Union, 2021/0250 (COD), 15519/22) für den Zugang der Öffentlichkeit zu den mitgliedstaatlichen Transparenzregistern nunmehr wieder das Erfordernis der Darlegung eines „berechtigten Interesses“ (legitimate interest) vor (E-Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1).
Der Begriff des „berechtigten Interesses“ soll dabei entsprechend der aktuell vorgeschlagenen Gesetzesbegründung (E-Nr. 32) nicht zu restriktiv ausgelegt werden, muss jedoch einen Bezug zur Bekämpfung bzw. Verhinderung von Geldwäsche, damit zusammenhängenden Vortaten oder Terrorismusfinanzierung aufweisen.
Zur Konkretisierung des auslegungsbedürftigen Erfordernisses eines „berechtigten Interesses“ sieht die aktualisierte Entwurfsfassung in Anlehnung an die Urteilsbegründung des EuGH (vgl. Rn. 74) erstmalig eine EU-weit einheitliche Festlegung bestimmter Fallgruppen vor (E-Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2). Danach soll ein berechtigtes Interesse insbesondere bei Einsichtnahmen durch folgende Mitglieder der Öffentlichkeit angenommen werden:
- „the journalists and civil society organisations that are connected with the prevention and combating of money laundering and terrorist financing and
- persons who are likely to enter into transactions with a legal entity and financial institutions and authorities, in so far as they are involved in the prevention and combat of money laundering, its predicate offences or terrorist financing and do not already have access […].“
Ob die in dem Verfahren vor dem EuGH angeführten Auslegungsschwierigkeiten wegen des Fehlens einer einheitlichen Definition des Begriffs des „berechtigten Interesses“ auf Grundlage der 4. EU-Geldwäscherichtline damit zukünftig vermieden werden können, ist jedoch fraglich. Insbesondere der Wortlaut der 2. Fallgruppe bietet auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erwägungsgründe ein erhebliches Potenzial für divergierende Auslegungen innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten und die Festlegung der Fallgruppen ist nicht abschließend.
2. Nationale Ebene
2.1 Rechtslage
Die in Umsetzung der vom EuGH für ungültig erklärten Vorschrift der 5. EU-Geldwäscherichtline verabschiedete Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG, die in Deutschland formal gesetzlich weiterhin ein unbeschränktes Recht zur Einsichtnahme in das Transparenzregister für alle Mitglieder der Öffentlichkeit vorsieht, ist mit der aktuellen EuGH-Rechtsprechung und der nunmehr wieder anwendbaren, für den Zugang der Öffentlichkeit ein „berechtigtes Interesse“ voraussetzenden Bestimmung der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c)) nicht vereinbar und damit nicht unionsrechtskonform.
Mit einer Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber dürfte erst im Rahmen der Umsetzung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie als Teil des sog. „EU Geldwäschepräventions-Maßnahmenpakets“ zu rechnen sein, dessen Verabschiedung nicht vor Mitte des Jahres 2023 zu erwarten ist. Erst im Laufe der mit Inkrafttreten der 6. EU-Geldwäscherichtlinie beginnenden 3-jährigen Umsetzungsfrist (E-Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1) wird erwartungsgemäß auch die unionsrechtliche Konkretisierung des Begriffs des „berechtigten Interesses“ in Deutschland gesetzlich geregelt werden.
2.2 Aktuelle Verwaltungspraxis
Sämtliche innerstaatlichen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sind aus Gründen der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts jedoch schon vor einer gesetzlichen Neuregelung gehalten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus der vom EuGH festgestellten Ungültigkeit für das innerstaatliche Recht ergeben (vgl. EuGH, Rs. C-421/06 – Fratelli Martini, Rn. 53 m.w.N.; EuGH, Rs. C-231/06 bis C-233/06 – Jonkman u.a., Rn. 38).
Daher stehen jedenfalls bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung der mit Bekanntmachung vom 12. Dezember 2022 aktualisierten Verwaltungspraxis der registerführenden Stelle (s.o.) keine wesentlichen Bedenken gegenüber.
Dies gilt unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Grundsätze zu den Rechten und Pflichten mitgliedstaatlicher Behörden zur unionsrechtskonformen Auslegung (vgl. EuGH, Rs. 14/83 – von Colson u. Kamann, Rn. 26) namentlich für die grundsätzliche (Wieder-) Einführung der Verpflichtung zur Darlegung eines „berechtigten Interesses“ unter Berücksichtigung der auf Grundlage der 4. EU-Geldwäscherichtlinie in Deutschland bis zum 31. Dezember 2019 anwendbaren Rechtslage.
Nachdem der Begriff des „berechtigten Interesses“ weder in der 4. EU-Geldwäscherichtlinie noch in dem entsprechenden, in Deutschland bis zum 31. Dezember 2019 anwendbaren Umsetzungsgesetz definiert war, ist davon auszugehen, dass die registerführende Stelle bis auf Weiteres auf die seinerzeit hierzu entwickelten Auslegungsgrundsätze zurückgreifen wird.
Danach konnte ein „berechtigtes Interesse“ von einem Mitglied der Öffentlichkeit unter Berücksichtigung der einschlägigen Gesetzesbegründungen nur dann angenommen werden, wenn es sich um ein „verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse“ handelt(e), welches nur „bei einem Bezug zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche, damit zusammenhängenden Vortaten und Terrorismusfinanzierung“ anzunehmen war; hiervon war insbesondere zu Gunsten der in diesem Bereich tätigen Nichtregierungsorganisationen und Fachjournalisten auszugehen (Erwägungsgrund Nr. 14 zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie; BT-Drs. 18/11555, Seite 133; BVA FAQ vom 1. Oktober 2019, Ziffer V.2.).
Nach aktueller Rechtsauffassung der registerführenden Stelle soll darüber hinaus von einem „berechtigten Interesse“ auch dann ausgegangenen werden können, „wenn die eigenen Angaben der Eintragung überprüft werden sollen (sog. Selbstauskunft)“.
Ob die registerführende Stelle mit der damit einhergehenden erstmaligen Einführung eines – aus Praxissicht begrüßenswerten - „Selbstauskunftsrechts“ der mitteilungspflichtigen Vereinigung(en) die Grenzen der von ihr intendierten „unionsrechtskonformen Auslegung“ des § 23 Abs. 1 Nr. 3 GwG überschritten hat und die aktuelle Verwaltungspraxis in ihrer zu Ende Januar 2023 konkretisierten Fassung auch einer gerichtlichen Überprüfung vollumfänglich standhalten würde, bleibt abzuwarten.
IV. Fazit
Die geldwäscherechtliche Leitentscheidung des EuGH führt zu einer erheblichen Erweiterung des Schutzes der (persönlichen) Daten von wirtschaftlich Berechtigten.
Die in Folge der EuGH-Entscheidung aktualisierte Verwaltungspraxis in Deutschland sowie die Gesetzgebungsvorhaben auf EU-Ebene lassen den Schluss zu, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Einsichtnahme in Daten wirtschaftlich Berechtigter durch die breite Öffentlichkeit der Vergangenheit angehören.
Anträge wirtschaftlich Berechtigter nach § 23 Abs. 2 Satz 1 GwG mit dem Inhalt, unter Berufung auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung die Einsichtnahme durch Mitglieder der Öffentlichkeit in das deutsche Transparenzregister vollständig oder teilweise zu beschränken, sollten vor diesem Hintergrund im Zweifel nur in Ausnahmefällen erforderlich sein. Ob ein insofern erforderliches Rechtsschutzinteresse unter Berücksichtigung des grundsätzlich abschließenden Wortlauts der Norm im konkreten Einzelfall begründbar ist, hängt im Wesentlichen (auch) vom Bestand der aktuellen Verwaltungspraxis sowie des Inhalts der noch zu verabschiedenden finalen Fassung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie und des nationalen deutschen Umsetzungsgesetzes ab.
In Ansehung dessen und der zurzeit noch bestehenden formal-gesetzlich unionsrechtswidrigen Gesetzeslage wird wirtschaftlich Berechtigten sowie den in den mitteilungspflichtigen Unternehmen zuständigen Compliance- bzw. Datenschutzbeauftragten geraten, die aktuellen Entwicklungen zum Schutz der persönlichen Daten wirtschaftlich Berechtigter weiterhin aufmerksam zu verfolgen und zur Missbrauchsvorbeugung neben vorgenannten Anträgen auf Beschränkung der Einsichtnahme auch die (regelmäßige) Geltendmachung des Auskunftsrechts nach § 23 Abs. 8 GwG betreffend die Einsichtnahmen durch Mitglieder der Öffentlichkeit in Erwägung zu ziehen.
Webcast am 29.3.2023
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29. März, 11:00-11:45 Uhr
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