Perspectives

CRR III – Umsetzung der Basler Eigenmittelanforderungen ("Basel IV") in der Europäischen Union

Der Beginn des Trilogs markiert die finale Phase im Gesetzgebungsverfahren

Die Finalisierung der neuen Eigenmittelanforderungen (CRR III) steht kurz bevor. Mit den Entwürfen der Europäischen Kommission, des EU-Rates und des EU-Parlaments liegen dem Bankensektor nun alle Vorschläge zur Umsetzung von Basel IV auf EU-Ebene vor. Wir unterstützen Sie sowohl bei der Analyse als auch bei der Umsetzung der neuen Regeln in Ihrem Haus.

Veröffentlichung der CRR III-Entwürfe läutet finale Phase auf EU-Ebene ein

Fast vier Jahre nach der finalen Veröffentlichung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) hat die EU-Kommission am 27. Oktober 2021 den ersten Entwurf der CRR III veröffentlicht. Der Entwurf des Bankenregulierungspakets war damit der offizielle Startschuss für die Umsetzung des finalen Basel III-Rahmenwerks („Basel IV“) auf EU-Ebene. Nachdem der Rat der Europäischen Union seine Verhandlungsposition am 8. November 2022 veröffentlicht hat, legte das Europäische Parlament seine Vorschläge zur Überarbeitung der CRR knapp drei Monate später, am 9. Februar 2023, vor. Auf Basis der nun vorliegenden Umsetzungsvorschläge steht dem Beginn der interinstitutionellen Verhandlungen (sog. „Trilog“) und der Finalisierung der CRR III nichts mehr im Wege.

Dabei weichen die Verhandlungspositionen in einzelnen Punkten deutlich voneinander ab, sodass abzuwarten bleibt, welcher Standpunkt sich am Ende durchsetzt. Mit Blick auf das geplante Inkrafttreten der CRR III zum 1. Januar 2025 und die zu erwartenden weitreichenden Implikationen für den Bankensektor ist es jedoch angebracht, zeitnah mit den Umsetzungsvorbereitungen zu beginnen. Aktuelle Einblicke zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens, den wesentlichen Unterschieden zwischen den CRR-III-Entwürfen sowie zu den CRR-III-Auswirkungen im Bankenmarkt zeigen wir Ihnen in unserer internationalen “Deloitte CRR III Survey” auf.

Die nachfolgende Zusammenfassung gibt zunächst einen Überblick über die wesentlichen Änderungsvorschläge aus dem CRR-III-Entwurf der EU-Kommission, welche insbesondere den Kreditrisikostandardansatz (KSA), den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) sowie die Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken umfassen. Zudem wird – in einem mehrjährigen Übergangszeitraum – der sog. Output Floor in der EU eingeführt, der den Nutzen aus der Anwendung interner Ratings bzw. Risikomodelle zukünftig begrenzt. Beim Geltungsbeginn sind sich die Trilog-Parteien auf Basis ihrer Entwürfe einig und schlagen derzeit ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2025 vor.

Weitreichende Implikationen für alle Banken – ungeachtet der Größe und des Geschäftsmodells

Die neuen Vorschriften beziehen sich auf sämtliche Risikoarten und betreffen alle Banken – unabhängig davon, ob diese aktuell Standardansätze oder interne Modelle zur Ermittlung ihrer risikogewichteten Aktiva (RWA) anwenden. Mit Umsetzung des Output-Floor müssen alle Häuser mit internen Modellen die RWA-Berechnungen nach den Standardansätzen für ihr gesamtes Portfolio umsetzen. Für Institute bzw. Institutsgruppen, die ein internes Modell verwenden und gleichzeitig aber durch den Output Floor eingeschränkt sind, werden die effektiven Kapitalanforderungen regelmäßig nach den RWA auf Basis der Standardansätze determiniert. Einige dieser Banken verfügen derzeit noch nicht oder nicht mehr über die nötigen Voraussetzungen, um die RWA nach Standardansätzen in einem Regelprozess zu ermitteln, und müssen entsprechende Investitionen tätigen. 

Aus den beschlossenen Modifikationen ergeben sich nicht nur Herausforderungen in Bezug auf die konkrete Umsetzung der neuen Anforderungen im Rahmen der Risikoermittlung. Vielmehr dürften mit Blick auf die veränderten Kapitalanforderungen auch strategische Fragestellungen bspw. im Hinblick auf bestehende Geschäftsfelder oder die Sinnhaftigkeit einer Weiterentwicklung von internen Modellen im Fokus stehen. Dies erfordert eine frühzeitige Analyse der Neuerungen.

Kreditrisikostandardansatz (KSA)

Der EU-Entwurf zum neuen KSA adaptiert weitestgehend die Vorschläge des BCBS, womit auch auf EU-Ebene zukünftig eine risikosensitivere Eigenkapitalunterlegung im Standardansatz erreicht werden soll. Hierbei sind u. a. der Wegfall des Sitzlandratings bei unbeurteilten Instituten, die umfangreichen Neuerungen bei der Risikogewichtsableitung von Immobilienfinanzierungen sowie die privilegierte Risikogewichtung von bestimmten Zusagen im Mengengeschäft (sog. „Transactors“) zu nennen.

In Ergänzung zu den bestehenden Basler Beschlüssen enthält der CRR-III-Entwurf zahlreiche neue Vorschläge, die für eine zusätzliche Risikodifferenzierung im KSA auf EU-Ebene beitragen dürften:

  • CCF: Während die seitens BCBS vorgeschlagenen Umrechnungsfaktoren (CCF) von 10 Prozent und 40 Prozent bei Kreditzusagen übernommen werden, macht die EU von einem diskretionären Spielraum der Basler Beschlüsse Gebrauch. Zusagen gegenüber kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMUs) können unter bestimmten Bedingungen auch weiterhin einen CCF von 0 Prozent erhalten.
  • Spezialfinanzierungen: Neben der bereits vom BCBS beschlossenen neuen Risikogewichtung von Spezialfinanzierungen im KSA soll auf EU-Ebene eine granularere Risikogewichtung für Objektfinanzierungen zur Anwendung kommen. In Ergänzung zur in der CRR II bereits umgesetzten Besserstellung von qualifizierenden Infrastrukturprojekten soll durch die CRR III auch eine Privilegierung von „high quality“ Objektfinanzierungen ermöglicht werden.
  • Durch Immobilien besicherte Positionen:
    • In Ergänzung zu den auch auf EU-Ebene übernommenen Neuerungen bei der Risikogewichtsableitung von Immobilienfinanzierungen schlägt die Kommission vor, dass Banken in der EU weiterhin die Möglichkeit haben, den aktuellen Immobilienwert für die Ermittlung des Beleihungsauslaufs mit einigen Einschränkungen zu verwenden. Das BCBS stellt hingegen grundsätzlich auf den Immobilienwert zum Zeitpunkt der Kreditvergabe ab. Die abschließende Umsetzung auf EU-Ebene bleibt an dieser Stelle abzuwarten. 
    • Darüber hinaus soll die Risikogewichtung von Immobilienfinanzierungen, deren Rückzahlung sich ausschließlich aus dem durch die finanzierte Immobile generierten Cashflow (Income Producing Real Estate, IPRE) speist, der Risikogewichtung von „non IRPE“ gleichgestellt werden. Hierfür ist die Voraussetzung, dass Verluste bei Immobilien in einem Mitgliedstaat bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten und die Verluste für den Mitgliedstaat insgesamt als nachweislich gering eingeschätzt werden (sog. Hard Test).

Auf internen Ratings basierender Ansatz (IRBA)

Die EU-Vorschläge in Bezug auf die Überarbeitung des IRBA bestätigen die Beschlüsse des BCBS in Bezug auf die Einschränkung des IRBA-Anwendungsbereichs. Dies betrifft insbesondere den Wegfall des fortgeschrittenen IRBA für Forderungen an Banken und Großunternehmen (konsolidierter Umsatz > 500 Mio. EUR) sowie den grundsätzlichen Wegfall des IRBA für Beteiligungspositionen. Darüber hinaus ist auch auf EU-Ebene die Einführung von Untergrenzen bei der Schätzung institutseigener Risikoparameter (sog. Input Floor für PD, LGD und CCF) vorgesehen.

Als Konsequenz auf diese Einschränkungen sieht der EU-Kommissionsvorschlag die folgenden grundlegenden Neuerungen bei bestehenden sowie zukünftigen IRBA-Zulassungen vor:

  • Opt-Out-Klausel für IRBA-Institute: Im CRR-III-Entwurf wird IRBA-Banken einerseits die Möglichkeit eingeräumt, alle oder ausgewählte IRBA-Zulassungen über einen Zeitraum von drei Jahren nach Einführung der CRR III unter bestimmten Voraussetzungen zurückzugeben.
  • Erhöhte Flexibilität bei zukünftigen IRBA-Zulassungen: Andererseits soll zukünftig die IRBA-Zulassung auch auf Ebene einzelner Risikopositionsklassen ermöglicht werden, sodass eine „selektivere“ Nutzung des IRBA möglich wird. Die derzeitige Regelung zur Überführung aller Portfolios in den IRBA (mit wenigen Ausnahmen) sowie die damit zusammenhängende Einhaltung des sog. IRBA-Abdeckungsgrads auf Gesamtbankebene verlieren somit an Relevanz.

Operationelle Risiken

In Bezug auf die Ermittlung der operationellen Risiken setzen die EU-Vorschläge das Bestreben des BCBS um einen einheitlichen Ansatz zu implementieren. Auch die diesem Standardansatz zugrunde liegende Methodik wird von der EU grundsätzlich übernommen. So beinhaltet die Berechnungsformel (weiterhin) einen auf Ergebniskomponenten des jeweiligen Instituts basierenden Indikator (Business Indicator, kurz: BI). Der Kommissionsvorschlag zur CRR III führt gleichwohl zu einer wichtigen Abweichung von den Vorschlägen des BCBS: Die institutsspezifische Verlusthistorie soll nicht in die Eigenmittelanforderungen einfließen.

Der BCBS hat an dieser Stelle zumindest für größere Häuser den Internal Loss Multiplier (ILM) vorgesehen. Institute/-gruppen, deren BI den Schwellenwert von 750 Mio. EUR übersteigt, sind indes nach CRR III verpflichtet, ihre Verlusthistorie im Rahmen der Offenlegung publik zu machen. Der ambitionierte Messansatz (AMA) als interner Ansatz für operationelle Risiken fällt mit der CRR III weg.

CVA

Mit Blick auf die Ermittlung der CVA-Charge folgt der EU-Kommissionsentwurf weitestgehend den Vorschlägen des BCBS und dessen Bestrebungen nach einer risikosensitiveren Kapitalunterlegung. Die wesentlichen inhaltlichen Änderungen umfassen u. a.:

  • die Anpassung von Deltarisikogewichten innerhalb einzelner Risikoklassen (Reduktion um teils ca. 50 %), 
  • die Verwendung pauschaler Vega-Risikogewichte (100 % bzw. 78 %) an Stelle einer formelbasierten Ermittlung sowie
  • die Einführung neuer Buckets für bestimmte Indizes sowie die Überarbeitung der Formel zur Aggregation der Kapitalanforderungen über die verschiedenen Kategorien des CVA-Risikorahmens zur Anpassung an das Rahmenwerk für Marktpreisrisiken.

Ergänzender Handlungsbedarf ergibt sich zudem aus dem Ausschluss einiger Wertpapierfinanzierungsgeschäfte aus dem Anwendungsbereich des CVA-Rahmenwerks sowie der Anpassung der aggregierten Multiplikatoren im Standard- und Basisansatz. 

Output Floor

Auch beim lange und kontrovers diskutierten Output Floor hat sich die EU-Kommission letztlich den Vorschlägen des BCBS grundsätzlich angeschlossen. Demnach beinhaltet der Kommissionsentwurf einen aggregierten Floor, der über alle Risikoarten hinweg zu ermitteln ist.

Im Hinblick auf die bisher vom BCBS nicht thematisierte und daher in der EU kontrovers diskutierte Anwendungsebene des Floors bei Gruppen hat sich die Kommission für einen abgestuften Ansatz entschieden. Dabei ist der Output Floor grundsätzlich zunächst nur auf der höchsten Konsolidierungsebene sowie von Instituten, die keiner EU-Institutsgruppe angehören, anzuwenden. Im Falle von Gruppen, deren Institute ihren Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben, erfolgt eine anteilige Verteilung der Floor-Effekte auf teilkonsolidierter bzw. Einzelinstitutsebene. Demgegenüber müssen Institute mit einer Mutter im gleichen Mitgliedsstaat die Floor-Effekte bei der Ermittlung der Eigenmittelunterlegung auf Einzelinstitutsebene nicht berücksichtigen.

Um die Effekte des Output Floor auf die Eigenmittelanforderungen abzufedern, sieht der Kommissionsentwurf analog zu den Vorgaben des BCBS eine mehrjährige Übergangsperiode vor. Durch das spätere Erstanwendungsdatum der CRR III verlängert sich die Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2029. Neben diversen Erleichterungen bei der Ermittlung der Berechnungsbasis für den Output-Floor im KSA sehen die Übergangsvorschriften vor, dass die Kapitalanforderungen 125 Prozent der RWA vor Floor nicht übersteigen sollen. Die EU-Kommission behält sich vor, letztgenannte Regel auch über das Jahr 2029 hinaus beizubehalten.

Neue Vorschriften der CRD VI

Neben der CRR soll auch die Eigenkapitalrichtlinie überarbeitet und in Form der CRD VI novelliert werden. Hierzu veröffentlichte die EU-Kommission ebenfalls im Oktober 2021 eine Verhandlungsposition, ein entsprechender Vorschlag des Rates der Europäischen Union folgte im Herbst 2022, das EU-Parlament einigte sich am 10. Februar 2023 auf seine Verhandlungsposition.

Ergänzend zu den Änderungen bei den Eigenmittelanforderungen beinhaltet die CRD VI weitere neue Vorschriften, die meist ohne Entsprechung im Basler Rahmenwerk sind. Besonders hervorzuheben sind die Neuerungen bei der Beaufsichtigung der Niederlassungen von Instituten aus Drittlandstaaten (Third Country Branches), die umfassend überarbeitet werden, um aufsichtliche Arbitrage zu erschweren.

Weitere Bestimmungen betreffen u. a. die Eignung von Geschäftsleitern (“fit & proper”) sowie die Regelungen zum SREP und zur Einbeziehung von ESG-Faktoren in das Risikomanagement. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass Kapitalanforderungen, die z. B. im Rahmen des SREP als Prozentsatz aufgegeschlagen werden, betragsmäßig “eingefroren” werden sollen, sobald der Output-Floor greift. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollen in diesem Fall die Aufschläge neu festlegen, um bspw. eine Doppelunterlegung von Modellrisiken zu vermeiden.

Während die CRR III wie beschrieben erst 2025 angewendet werden soll, wird das Inkrafttreten der CRD VI voraussichtlich kurz nach Verabschiedung sein. Allerdings ist zu erwarten, dass der Legislativprozess frühestens Ende 2023 abgeschlossen sein wird. Dabei ist die CRD VI als Richtlinie anschließend noch in nationales Recht zu überführen, so dass die Neuerungen erst später maßgeblich werden.

Nächste Verhandlungsschritte

Ausgehend von den vorliegenden Verhandlungspositionen der EU-Kommission, dem Rat der Euro-päischen Union und dem EU-Parlament können die “Trilog-Verhandlungen” beginnen. Wir gehen davon aus, dass die EU-Verhandlungsführer darauf abzielen, die Trilog-Verhandlungen bis zum vierten Quartal 2023 abzuschließen, um die überarbeiteten CRD-VI- und CRR-III-Texte vor Ende 2023 in EU-Recht umzusetzen. Dies würde lediglich einen einjährigen Umsetzungszeitraum ermög-lichen und unterstreicht die Wichtigkeit für den Bankensektor, frühzeitig Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, wo immer dies möglich ist – einschließlich der Zuweisung ausreichender Ressourcen für die Umsetzung des Basler Rahmenwerks wie die Vorbereitung auf die Anwendung des Output Floor.

Spätestens im zweiten Quartal 2024 „müssen“ die Verhandlungen abgeschlossen sein. Aufgrund der Neuwahlen zum EU-Parlament endet dann die Legislaturperiode. Falls bis dahin kein finales Dokument vorliegen sollte, müsste der Legislativprozess komplett neu starten, was zu einer deutlichen Verzögerung führen würde.

„Ready for CRR III“ mit Deloitte

Als Ihre Ansprechpartner rund um die CRR III-Umsetzung werden wir die aktuellen Diskussionen und zukünftigen Entwicklungen auf EU-Ebene für Sie weiter eng begleiten.

Unsere CRR-III-Services:

  • Auswirkungsanalysen (z.B. Kapital, Strategie, Geschäftsmodell, Pricing)
  • Bankseitige Umsetzungsbegleitung (z. B. Gap-Analyse, Fachkonzeptionierung, systemseitige Umsetzung)
  • Analyse von Optimierungsstrategien (z. B. IRBA vs. KSA, Produkte, Kapitalallokation)

Downloaden Sie sich nachfolgend unsere internationale CRR III Survey zu den CRR III-Auswirkungen auf dem Bankenmarkt als deutsche oder englische Fassung.

 

Ihr Ansprechpartner zum Thema:

Dr. Christian Farruggio | Financial Industry Risk & Regulatory

+49 211 8772 4272

cfarruggio@deloitte.de

Weiterführende Informationen

>> Zur Konsultation der Europäischen Kommission

>> Zur Konsultation des Rats der Europäischen Union:

>> Zur Konsultation des Europäischen Parlaments:

>> Zum finalen Basel-III-Rahmenwerk