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Aktuelle Rechtsprechung zur betrieblichen Altersversorgung 1/2025

Unser Frühjahr 2025-Client Alert zur aktuellen Rechtsprechung in der betrieblichen Altersversorgung behandelt die Entscheidungen

(1) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 02.07.2024 (3 AZR 244/23) zum Anspruch eines Arbeitnehmers auf Leistungen einer bAV-Zusage auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Normvollzug,

(2) des BAG vom 02.07.2024 (3 AZR 247/23 und 3 AZR 255/23) zu den Anforderungen an die Verschlechterung einer bAV-Zusage im Konzern,

(3) des BAG vom 20.08.2024 (3 AZR 286/23) zur Reichweite der tariflichen Privilegierung nach § 19 Abs. 1 BetrAVG in Bezug auf den Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG bei einem vor dem BRSG in Kraft getretenen Tarifvertrag und

(4) des OLG Köln vom 25.02.2025 (I 14 U 4/24) zu den Anforderungen der konditionalen und kausalen Verknüpfung einer Pensionszusage an die Tätigkeit des Begünstigten für das Unternehmen für die Qualifizierung der Pensionszusage als bAV-Zusage im Sinne des § 7 BetrAVG.

I. (Kein) Anspruch auf Versorgungsverpflichtungen auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei (bloßem) Normvollzug (BAG Urt. v. 02.07.2024, 3 AZR 244/23)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 02.07.2024 (3 AZR 244/23), dass Versorgungsverpflichtungen des Arbeitgebers grundsätzlich auch auf dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beruhen können (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG); die anspruchsbegründende Wirkung jedoch ausscheide, wenn der Arbeitgeber keine eigene Ordnung schafft, sondern lediglich tarifliche Regelungen (Normvollzug) umsetzt.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt stritten die Parteien darüber, ob die beklagte Arbeitgeberin dem klagenden ehemaligen Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge in entsprechender Anwendung eines Firmentarifvertrages zu gewähren waren. Der Kläger war zwischen Mai 1984 bis Mai 2021 als Arzt bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund seiner Pflichtmitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk war er von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit und wurde nicht in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versichert, obwohl die Beklagte grundsätzlich dem Tarifvertrag über die Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV) unterlag.

Zu Beginn seiner Tätigkeit hatte der im Jahr 1955 geborene Kläger auf eine Pflichtversicherung bei der VBL verzichtet. Statt der VBL-Versicherung schloss die Beklagte im Jahr 1984 für den Kläger zwei kapitalgedeckte Lebensversicherungen ab, die bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres im April 2020 liefen. Durch die Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze aufgrund des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes entstand für den Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (31.05.2021) eine Versorgungslücke. In Anbetracht dieser Versorgungslücke forderte der Kläger nun Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er berief sich dabei auf die entsprechende Anwendung eines Firmentarifvertrages („TV Altersversorgung“), welcher im Jahr 2012 von der Beklagten – nach Beendigung ihrer Beteiligung an der VBL – mit ver.di abgeschlossen wurde und im Kern eine Versorgungslösung für Beschäftigte mit bestehenden VBL-Anwartschaften für den jeweiligen Zeitraum der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach der Beendigung der VBL-Mitgliedschaft der Beklagten vorsah.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht gab ihr teilweise statt und bejahte eine Anspruchsberechtigung auf eine Direktzusage aus dem Firmentarifvertrag.

Entscheidung des BAG
Das BAG gab der von der Beklagten gegen das zweitinstanzliche Urteil eingelegten Revision statt und wies die Klage ab. Es verneinte sowohl einen Anspruch auf Grundlage des TV Altersversorgung als auch einen Anspruch auf Grundlage des betriebsrentenrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

1. Kein Anspruch aus dem Firmentarifvertrag

Der Kläger falle nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des TV Altersversorgung, da er keine (verfallbare oder unverfallbare) Anwartschaft bei der VBL hatte und somit keine Gleichstellung mit den dort begünstigten Arbeitnehmergruppen in Betracht komme.

2. Kein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Zwar kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in der betrieblichen Altersversorgung anspruchsbegründend wirken (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG), etwa wenn der Arbeitgeber eigene allgemeine Regeln für eine Versorgungsgruppe schafft. Dies war in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall jedoch nicht der Fall. Die Beklagte vollzog ausschließlich eine tarifvertragliche Regelung (Normvollzug) und traf keine eigenständige Entscheidung über die Versorgungsgewährung. Eine Gleichbehandlungspflicht bestand daher nicht.

3. Keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmergruppen

Die Versorgungslücke resultierte allein aus dem freiwilligen Verzicht des Klägers auf die VBL-Mitgliedschaft in Verbindung mit der vom Gesetzgeber im RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz mit Wirkung zum 01.01.2008 vorgenommenen Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, das die Tarifvertragsparteien in dem im Jahr 2012 abgeschlossenen Firmentarifvertrag berücksichtigt haben (müssen). Dies stelle keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar, sondern beruhe auf der freien Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich des Verzichts des Klägers auf eine VBL-Mitgliedschaft sowie auf die freie Gestaltung der Tarifvertragsparteien in der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs des Tarifvertrags.

Folgen für die Praxis

Das BAG stellt mit der Entscheidung inhaltlich klar, dass individuelle Versorgungslücken bei einem Arbeitnehmer entstehen, die durch äußere Eingriffe in das Arbeitsverhältnis wie gesetzliche Anhebung der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung entstehen, keine eigenständige Leistungspflicht des Arbeitgebers auslösen. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, nachträgliche Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Lücke auf individuellen Entscheidungen – wie dem vorliegenden Verzicht des Klägers auf eine VBL-Mitgliedschaft – oder gesetzgeberischen Änderungen beruht.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingreift, wenn der Arbeitgeber lediglich tarifliche Regelungen umsetzt, und damit einen bloßen Normvollzug vornimmt. Tarifverträge entfalten hier eine Sperrwirkung gegenüber Gleichbehandlungsansprüchen, selbst wenn bestimmte Arbeitnehmergruppen – wie in diesem Fall der Kläger – nicht erfasst sind. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann nur dann anspruchsbegründend wirken, wenn der Arbeitgeber eine eigenständige betriebliche Ordnung geschaffen hat.

II. Update 3-Stufen-Theorie: Anforderungen an die Verschlechterung betrieblicher Altersvorsorge im Konzern (BAG Urt. v. 02.07.2024, 3 AZR 247/23 und 3 AZR 255/23)

Das BAG hatte in seinen Urteilen vom 02.07.2024 (3 AZR 247/23 und 3 AZR 255/23) Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur betriebsrentenrechtlichen Verhältnismäßigkeit des Eingriffs des Arbeitgebers aufgrund der sogenannten 3-Stufen-Theorie fortzuentwickeln und sich mit den Anforderungen an die Ablösung einer betrieblichen Altersversorgung durch eine Konzernbetriebsvereinbarung zu befassen.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte den jeweils seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigten Klägern ursprünglich eine bAV-Zusage auf der Grundlage der in der Konzerngruppe des Beklagten geltenden Konzernbetriebsvereinbarung „Pensionsordnung der H Werke AG vom 01.10.1977“ (KBV PO 77) zugesagt, die eine (end-)gehalts- und dienstzeitabhängige Versorgungsleistung mit Elementen einer Gesamtversorgung zusah, demnach die Gesamthöhe der Versorgungsleistungen aus der KBV PO 77 und der gesetzlichen Rentenleistungen maximal 70% des rentenfähigen Einkommens betragen sollte.

Die KBV PO 77 wurde mit Wirkung zum 01.01.1987 durch die Konzernbetriebsvereinbarung „Pensionsordnung 1987“ (KBV PO 87) abgelöst, die eine beitragsorientierte bAV-Zusage mit einer geringeren Versorgungshöhe vorsah. Flankiert wurde dies durch weitere Konzernbetriebsvereinbarungen, die das Verhältnis der alten und neuen Pensionsordnungen regelten und demnach die von den Klägern bis zum 31.12.1986 nach der KBV PO 77 erdienten Anwartschaften nach Maßgabe des § 2 BetrAVG festgeschrieben werden sollten und weitere Anwartschaften für Dienstzeiten ab dem 01.01.1987 ausschließlich nach der KBV PO 87 erdient werden sollten. Die Kläger machten nach Eintritt des jeweiligen Versorgungsfalls bAV-Leistungen auf der Grundlage der KBV PO 77 geltend und argumentierten, dass die KBV PO 87 die KBV PO 77 nicht wirksam abgelöst habe. Der Beklagte machte geltend, dass die Ablösung seinerzeit aus dem Grund erfolgte, dass die Betriebsparteien bei Abschluss der KBV PO 77 davon ausgegangen seien, dass 80% der Mitarbeiter nur bAV-Leistungen in Höhe der in der Versorgungszusage vorgesehenen Mindestleistung (in Höhe von 2,50 DM/Betriebsjahr) und sich die Verhältnisse aufgrund der nach Erlass der KBV PO 77 erfolgten Änderungen der Höhe der gesetzlichen Altersrenten aufgrund des 20. und des 21. Rentenanpassungsgesetzes in einem kommerziellen Volumen geändert hätten, die bei unveränderter Fortführung der KBV PO 77 zu einer Erhöhung der Pensionsrückstellungen bis 2003 von 1,5 Mrd. EUR auf 2,3 Mrd. EUR geführt hätten. Dies hätte der Beklagte, auch vor dem Hintergrund der damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht wirtschaftlich tragen können. Das LAG wies die Klage zurück.

Entscheidung des BAG

Das BAG gab der vom Kläger gegen das zweitinstanzliche Urteil eingelegten Revision statt:

Das BAG bekräftigt, dass Eingriffe in Versorgungszusagen nach Maßgabe des betriebsrentenrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei einer Konzernbetriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage weiterhin nach der 3-Stufen-Theorie zu beurteilen sind mit den bekannten Stufen:

  • Stufe 1: In unverfallbare, bereits erdiente Anwartschaften (z. B. für vergangene Dienstzeit) darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe eingegriffen werden
  • Stufe 2: In noch nicht erdiente, aber gehaltsabhängige Zuwächse (z. B. Gehaltssteigerungen) ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe zulässig (z. B. struktureller Umbau, gravierende wirtschaftliche Belastungen), und
  • Stufe 3: In künftige, noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse darf bei Vorliegen sachlich-proportionaler Gründen eingegriffen werden.

Sachlich proportionale Gründe gemäß der – vorliegend anwendbaren – dritten Stufe haben bei der hier maßgeblichen konzernbezogenen Betrachtungsweise auf tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklungen im Gesamtkonzern beruhen, die der Arbeitgeber konkret darzulegen und durch belastbare Zahlen zu untermauern habe; dabei hat der Arbeitgeber ein angemessenes Einsparvolumen zu verfolgen, das ein „vernünftig handelnder Konzernarbeitgeber“ zur Stabilisierung der Versorgung für notwendig halten durfte. Sie sind also proportional, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter schmälert, als dies ein vernünftiger Konzernarbeitgeber zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte.

  • Dabei können die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen auch aus einzelnen Konzerngesellschaften auf den gesamten Konzern ausstrahlen.
  • Zudem auch eine bereits eingetretene oder prognostizierte negative Entwicklung nur des Versorgungssystems aufgrund unvorhersehbarer externer Umstände (etwa durch die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen) einen sachlichen Grund darstellen.
  • Für beide Fallkonstellationen hat der Vertragsarbeitgeber des Versorgungsbegünstigten die sachlichen Gründe substantiiert darzutun, indem die Maßnahmen hinsichtlich des notwendigen Einsparvolumens im Einzelnen dargelegt werden. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Fehlentwicklung des Versorgungssystems, hat er diese durch einen Barwertvergleich darzulegen.

Dieser Darlegungslast habe der allgemeine Vortrag des Beklagten nicht genügt; insbesondere habe sie die konkreten wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund der Stahlkrise nicht dargelegt und auch nicht dargelegt, worauf der prognostizierte Anstieg der Rückstellungen zurückzuführen war. Da hierzu entsprechender Sachvortrag des Beklagten vom LAG nicht bestimmt worden sei, habe diese über die Klage nach entsprechender Sachverhaltsaufklärung abschließend zu entscheiden.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidungen des BAG fügen sich in seine bisherige Rechtsprechung ein und sensibilisiert Arbeitgeber - auch bei konzernbezogenen Rechtsgrundlagen der bAV-Zusage aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung - dazu, die nach der jeweiligen Stufe gemäß der 3-Stufen-Theorie maßgeblichen Tatsachen schlüssig dezidiert darzulegen. Die Entscheidungen unterstreichen außerdem, dass bAV-Zusagen selbst Jahrzehnte später noch gerichtlich überprüfbar bleiben. Für Unternehmen bedeutet dies eine langfristige Beweisvorsorge, die bedarfsgerecht dokumentiert werden sollte.

III. Abweichung von § 1a BetrAVG durch „ältere“ Tarifverträge zulässig (BAG Urt. v. 20.08.2024, 3 AZR 286/23).

Das BAG hatte in seinem Urteil vom 20.08.2024 (3 AZR 2836/23) die Möglichkeit, über die Auslegung des § 19 Abs. 1 BetrAVG zu entscheiden. Konkret ging es um die Frage, ob tarifvertragliche Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung im Sinne des § 1a BetrAVG auch für Tarifverträge zulässig sind, die bereits vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) am 01.01.2018 geschlossen wurden.

Sachverhalt

Der Kläger ist seit Juli 1982 als Holzmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der seit dem 01.01.2009 geltende Tarifvertrag zur Altersvorsorge (TV AV) Anwendung, der zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. und der IG Metall (TV AV) abgeschlossen wurde. Dieser Tarifvertrag gewährt Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, einen zusätzlichen Altersvorsorgegrundbetrag in Höhe des 25-Fachen des Facharbeiter-Ecklohns.

Seit Dezember 2002 wandelt der Kläger halbjährlich 300 EUR seines Entgelts um, seit April 2010 zusätzlich weitere 245,52 EUR. Auf Grundlage von § 1a Abs. 1a BetrAVG verlangte der Kläger von der Beklagten den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts ab dem 01.01.2022. Der Kläger argumentierte, dass der TV AV keine abweichende Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrAVG darstelle und daher der gesetzliche Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss nicht durch eine tarifvertragliche Regelung ausgeschlossen werden könne, die bereits vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG bestanden habe. Da der TV AV bereits am 9. Dezember 2009 in Kraft getreten sei, könne er nicht in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 BetrAVG einbezogen werden. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, dass der TV AV eine zulässige abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG enthalte.

Entscheidung des BAG

Das BAG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG hat, da der TV AV eine von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG darstellt.

Zunächst stellte das BAG fest, dass der TV AV eine zulässige Regelung zur Entgeltumwandlung enthält, die von § 1a BetrAVG abweicht. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt die Tariföffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG auch für Tarifverträge, die vor dem 01.01.2018 abgeschlossen wurden.

Das BAG stützte sich dabei auf folgende Argumente:

  • Wortlaut des § 19 Abs. 1 BetrAVG: Die Vorschrift mit der Überschrift „Allgemeine Tariföffnungsklausel“ erlaubt grundsätzlich tarifvertragliche Abweichungen von § 1a BetrAVG, ohne dass eine bestimmte zeitliche Reihenfolge zwischen gesetzlicher und tariflicher Regelung erforderlich ist. Die Möglichkeit zur Abweichung ist nicht zwingend zukunftsgerichtet, sondern gilt allgemein. Zudem beinhaltet der Begriff „Abweichung“ laut BAG kein subjektives Element, sodass Tarifvertragsparteien ihre Regelungen nicht ausdrücklich als Abweichung bezeichnen müssen.
  • Gesetzessystematik: § 19 Abs. 1 BetrAVG ermöglicht umfassende Abweichungen von § 1a BetrAVG, ohne zwischen verschiedenen Regelungen innerhalb dieser Vorschrift zu unterscheiden. Diese Regelung ist mit der Tariföffnungsklausel in § 17 Abs. 3 BetrAVG vergleichbar, die bereits vor dem 01.01.2018 bestehende Tarifverträge erfasste. Der Gesetzgeber hätte eine gesonderte Regelung für Abweichungen von den neuen Arbeitgeberzuschüssen nach § 1a Abs. 1a BetrAVG treffen können, hat dies jedoch nicht getan. Zudem sieht § 19 Abs. 1 BetrAVG für Abweichungen von § 3 BetrAVG eine Rückausnahme für § 3 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG vor – eine solche fehlt jedoch für § 1a Abs. 1a BetrAVG. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber keine Einschränkung für „ältere“ Tarifverträge beabsichtigte. Auch § 26a BetrAVG stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift gilt § 1a Abs. 1a BetrAVG für vor dem 01.01.2019 abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen erst ab dem 01.01.2022. Diese Übergangsvorschrift dient jedoch lediglich dazu, den Vertragsparteien Zeit zur Anpassung an das neue Recht zu geben, ohne die tarifliche Abweichungsmöglichkeit einzuschränken. In der Gesetzesbegründung wird betont, dass aufgrund von § 19 Abs. 1 BetrAVG bereits in Tarifverträgen von § 1a BetrAVG abgewichen werden kann. Somit schränkt nach Auffassung des BAG § 26a BetrAVG nicht die Anwendung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ein.
  • Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 1 BetrAVG: Die Gesetzesbegründung mache deutlich, dass der Arbeitgeberzuschuss tarifdispositiv ist. Auch tarifliche Regelungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden und für Beschäftigte ungünstiger sind als die neue gesetzliche Regelung, bleiben weiterhin gültig. Ziel des Gesetzgebers war es, bestehende Tarifverträge nicht durch den neuen gesetzlichen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss zu verändern. Die Tarifvertragsparteien konnten bereits zuvor bewusst von § 1a Abs. 1a BetrAVG abweichen, um einen eigenen Ausgleich für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Entgeltumwandlung zu schaffen.

Folgen für die Praxis

Das Urteil des BAG schafft Bestandsschutz für vor dem Inkrafttreten des BRSG abgeschlossene Tarifverträge. Bestehende tarifliche Regelungen zur Entgeltumwandlung werden durch die Einführung eines gesetzlichen Zuschusses nicht verdrängt. Arbeitgeber haben damit Rechtsklarheit, dass sie sich auch auf die Geltung von Tarifverträgen, die vor Inkrafttreten des ersten Betriebsrentenstärkungsgesetz abgeschlossen wurden, verlassen können. Zugleich betont die Entscheidung die Bedeutung der Tarifautonomie und sichert den Gestaltungsspielraum der Tarifparteien auch für bereits bestehende Vereinbarungen. Insgesamt trägt die Entscheidung dazu bei, mögliche Konflikte zwischen gesetzlichen Vorschriften und tariflichen Regelungen zu entschärfen.

IV. Anforderungen an die Kausalität der konditionalen und kausalen Verknüpfung einer Pensionszusage an die Tätigkeit des Begünstigten für das Unternehmen für die Qualifizierung der Pensionszusage als bAV-Zusage im Sinne des § 7 BetrAVG (OLG Köln vom 25.02.2025 (I 14 U 4/24))

Das OLG Köln hatte in seinem Urteil vom 25.02.2025 (I 14 U 4/24) die Gelegenheit, die Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Kausalität der konditionalen und kausalen Verknüpfung einer Pensionszusage an die Tätigkeit des Begünstigten für das Unternehmen für die Qualifizierung der Pensionszusage als bAV-Zusage im Sinne des § 7 BetrAVG für Gesellschaftergeschäftsführer fortzuführen.

Sachverhalt

Der 1953 geborene Kläger war seit 1992 bei der Insolvenzschuldnerin tätig, zunächst in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von 15 Stunden und einer monatlichen Vergütung von 1.150 DM brutto und ab 1993 als Geschäftsführer mit einer monatlichen Vergütung von 9.000 DM brutto. Die Insolvenzschuldnerin erteilte dem Kläger mit Aufnahme des Arbeitsverhältnisses zudem eine bAV-Zusage, die eine monatliche Altersrentenleistung in Höhe von 60% der in den letzten drei Jahren des Anstellungsverhältnisses bezogenen Gesamtvergütung vorsah. Die Dotierung der bAV-Zusage wurde mit der Bestellung zum Geschäftsführer in der Weise erhöht, dass diese mindestens das doppelte der höchsten Tarifstufe des im Unternehmen der Insolvenzschuldnerin anwendbaren Tarifvertrags Textilindustrie Westfalen-Lippe betragen sollte. Die Familie des Klägers war vor der Aufnahme seines Arbeitsverhältnisses mit einem Gesellschaftsanteil von 35,22% an der Gesellschaft der Insolvenzschuldnerin und der Kläger selbst mit einem Gesellschaftsanteil von 2% beteiligt, den er in der Folgezeit auf 5% erhöhte. Pensionszusagen mit einer inhaltlich ebenfalls mindestens der doppelten höchsten Tarifstufe entsprechenden Versorgungsleistung sahen ebenfalls jeweils die bAV-Zusagen des Vaters und des Schwagers des Klägers vor, die jeweils ebenfalls als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin bestellt waren. Ihren sonstigen Mitarbeitern hatte die Insolvenzschuldnerin keine bAV-Zusagen erteilt.

Das Geschäftsführeranstellungsverhältnis endete am 30.06.2013 und der Kläger erzielte zu diesem Zeitpunkt aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag eine monatliche Bruttovergütung von 5.594,40 EUR. Der Kläger macht nach der Vollendung seines 65. Lebensjahres aus der bAV-Zusage eine – rechnerisch zutreffend ermittelte – monatliche Rentenleistung von 10.722,84 EUR geltend, die er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin vom beklagten PSV begehrte. Der PSV lehnte die Gewährung der begehrten Versorgungsleistungen ab und begründete dies damit, dass dem Kläger die Versorgungszusagen nicht aus Anlass seiner Tätigkeit für die Insolvenzschuldnerin erteilt worden sei, sondern weil er mit der Gesellschaft und mit dem wesentlichen Gesellschafterstamm familiär verbunden gewesen sei. Eine solche als „Unternehmerlohn“ erteilte bAV-Zusage unterliege nicht dem gesetzlichen Insolvenzschutz aus § 7 BetrAVG.

Entscheidung des OLG Köln

Das OLG Köln wies die Klage ab und folgte in der Begründung der Auffassung des PSV. Eine Versorgungszusage unterliege (nur) dann dem Insolvenzschutz nach § 7 BetrAVG, wenn diese „aus Anlass der Tätigkeit für das Unternehmen“ erteilt worden sei; dies bedinge im Kern eine konditionale und kausale Verknüpfung zwischen der Versorgungszusage und der hier maßgeblichen Geschäftsführer-Tätigkeit für das Unternehmen, demnach zwischen der Versorgungszusage und der Geschäftsführertätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Diese Kausalität sei vorliegend nicht gegeben und die Versorgungszusage nach Maßgabe der Rechtsprechung des BAG (u.a. aus seinem Urteil vom 25.01.2000, 3 AZR 769/87( als Unternehmerlohn anzusehen, da

(1) die Pensionszusage für Fremdkräfte als unüblich hoch zu bewerten sei,

(2) die Insolvenzschuldnerin ausschließlich den Gesellschafter-Geschäftsführern mit einer bAV-Zusage erteilt habe,

(3) die bAV-Zusage als Direktzusage erteilt worden sei, bei der die unmittelbaren liquiditätsbezogenen Belastungen aus Arbeitgebersicht erst bei Eintritt des Versorgungsfalls entstehen, und

(4) dass die bAV-Zusage angesichts ihrer bereits ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers für die Insolvenzschuldnerin zu verzeichnenden überdurchschnittlichen Versorgungsbudgets keine Gegenleistung für bereits erbrachte oder zu erwartende Betriebstreue darstelle.

 

Stand: März 2025

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln zeigt beispielhaft als „worst practise“, wie Gesellschaft und Minderheits-Gesellschaftergeschäftsführer bei Erteilung einer Versorgungszusage, die dem Anwendungsbereich des BetrAVG unterliegen soll, nicht vorgehen sollten. Bei der Erteilung einer solchen Versorgungszusage ist jedenfalls der Fremdvergleich in den Fokus zu nehmen und sowohl in der inhaltlichen Ausgestaltung als auch in der Durchführung der bAV-Zusage zu verproben.

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