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Unsere Monthly Dose Arbeitsrecht zur aktuellen Rechtsprechung behandelt in der dritten Ausgabe 2025 die Entscheidungen
(1) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26.11.2024 (1 ABR 12/23) zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes nach gesetzlichen Vorgaben,
(2) des BAG vom 05.12.2024 (8 AZR 370/20) zu tariflichen Regelungen für Überstundenzuschläge bei Teilzeitbeschäftigten,
(3) des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm vom 27.08.2024 (6 SLa 63/24) zum Anspruch auf Gewährung einer Lohnerhöhung auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Nichtunterzeichnung von Neuverträgen,
(4) des LAG Niedersachsen vom 24.09.2024 (10 TABV 18/24) zur Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers in den außertariflichen Bereich sowie
(5) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.12.2024 (C-531/23) zur Arbeitszeiterfassungspflicht für Hausangestellte.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 26.11.2024 (1 ABR 12/23), dass bei einer Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 BetrVG oder § 78 Satz 2 BetrVG dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.
Sachverhalt
Entscheidungsgründe
Folgen für die Praxis
Die für die Praxis hilfreiche Entscheidung stell klar, dass Entgeltanpassungen für freigestellte Betriebsratsmitglieder, die ausschließlich zur – weiteren – Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der §§ 37 Abs. 4 und 78 Abs. 2 BetrVG vorgenommen werden, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
Das BAG entschied am 05.12.2024 (8 AZR 370/20), dass eine tarifvertragliche Regelung, die den Anspruch auf Überstundenzuschläge auch bei Teilzeitbeschäftigten vom Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten abhängig macht, gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt, wenn keine sachlichen Gründe vorliegen. Zudem stellt eine solche Regelung eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG dar, wenn ein deutlich höherer Anteil an Frauen von der Regelung betroffen ist.
Sachverhalt
Entscheidungsgründe
1. Anspruch aus § 4 Abs. 1 TzBfG i.V.m. §§ 134, 612 Abs. 2 BGB
2. Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG
Folgen für die Praxis
Arbeitgeber sollten ihre tariflichen und betrieblichen Regelungen zur Überstundenvergütung prüfen und ggf. anpassen, um eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten zu vermeiden. Insbesondere dürfen Überstundenzuschläge nicht erst beim Überschreiten der Vollzeitgrenze gewährt werden, sondern müssen anteilig zur individuellen Arbeitszeit gewährt werden. Andernfalls drohen Entschädigungsansprüche wegen mittelbarer Diskriminierung – vor allem, wenn überwiegend Frauen betroffen sind. Für die Praxis hilfreich hat das BAG in dem Urteil in der Beurteilung zur Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG klargestellt, dass diese nach einer ganzheitlichen Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen ist und dafür unter anderem auch mögliche parallele Rechtsstreite des Arbeitgebers zum gleichen Sachverhalt mit entsprechenden weiteren Entschädigungsleistungen nach § 15 Abs. 2 AGG zu berücksichtigen sind.
Das LAG Hamm entschied am 27.08.2024 (6 Sla 63/24), dass ein Anspruch auf Gewährung einer Lohnerhöhung nicht besteht, wenn der Arbeitgeber eine freiwillige Lohnerhöhung als Anreiz nur den Arbeitnehmern gewährt, die einem überarbeiteten, umfassend geänderten Arbeitsvertrag zustimmen. Ein Arbeitnehmer, der die neuen Vertragsbedingungen – insbesondere wegen einzelnen gegenüber der bisherigen Vertragsfassung rechtlich und/oder wirtschaftlich nachteiligen Klauseln – ablehnt, kann sich in diesem Fall nicht erfolgreich auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.
Sachverhalt
Entscheidungsgründe
Folgen für die Praxis
Die für die Praxis hilfreiche Entscheidung kann Arbeitgebern mehr Gestaltungsspielraum bei der Überarbeitung/Anpassung von Arbeitsverträgen an aktuelle Rechtsentwicklungen (und hier vor allem an Fortentwicklungen der AGB-Rechtsprechung) geben, indem die Abschlussbereitschaft der von den Vertragsänderungen betroffenen Arbeitnehmer durch die Zusage einer Gehaltserhöhung oder vergleichbare Vergütungsanreize (z.B. als einmalige Sonderzahlung) erhöht wird. Arbeitgeber sollten dabei die relevanten transparenten und nachvollziehbaren Kriterien dokumentieren, um Diskriminierungsvorwürfen vorzubeugen. Vorliegend ist zu beachten, dass die Klägerin gegen das Urteil die Revision beim BAG eingelegt hat (5 AZR 239/24). Insoweit bleibt der weitere Verfahrensgang des Rechtsstreits abzuwarten.
Das LAG Niedersachsen hat am 24.09.2024 entschieden (10 TaBV 18/24), dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers als außertariflicher Angestellter zu ersetzen ist, wenn die Voraussetzungen des Vergütungsrahmentarifvertrags (VergRTV) erfüllt sind.
Sachverhalt
Entscheidungsgründe
Folgen für die Praxis
Die Entscheidung stellt klar, dass die außertarifliche Eingruppierung auf Basis der Entgelthöhe zulässig ist, wenn die tarifvertraglich vorgesehenen Voraussetzungen für die (monatliche Fix-)Vergütung erfüllt sind und insoweit das tarifliche Abstandsgebot erfüllt ist. Arbeitgeber sollten dabei sicherstellen, dass die vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen dem auf die Tarifmitarbeiter anwendbaren Tarifvertragssystem eindeutig nicht unterfallen, um Streitigkeiten zu vermeiden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 19.12.2024 in der Rechtssache C-531/23, dass auch private Haushalte zur objektiven Arbeitszeiterfassung von Hausangestellten verpflichtet sind.
Sachverhalt
Entscheidungsgründe
Folgen für die Praxis
Das EuGH-Urteil bestätigt, dass auch Arbeitgeber in privaten Haushalten zur objektiven Arbeitszeiterfassung von Hausangestellten verpflichtet sind. Das Urteil erhöht den Druck auf den – deutschen – Gesetzgeber, die spätestens seit dem Beschluss des BAG vom 13.09.2022 (im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 (Rs. 55/18) in von der Praxis geforderten klarstellenden Regelungen hierzu im ArbZG umzusetzen; aus praktischer Sicht am besten im aktuell noch in den Verhandlungen befindlichen Koalitionsvertrag.
Ausgewählte aktuelle Rechtsprechung für die betriebliche Praxis