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Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung

Der Konsultationsentwurf der BaFin

Die BaFin hat am 4. Mai 2021 den Entwurf der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV-E) veröffentlicht. Der Entwurf orientiert sich an den Regelungen und den Regelungszwecken der Institutsvergütungsverordnung (IVV) (= monetäre Verhaltensincentivierung des einzelnen Mitarbeiters und risikoprofilkonformes Risikomanagement des Instituts). Zugleich sieht der WVV-E – im Vergleich zur IVV – eine Vielzahl von Erleichterungen für die Vergütungssysteme von Mittleren Wertpapierinstituten vor. Wir fassen in diesem Client Alert die wesentlichen inhaltlichen Regelungen des WVV-E zusammen.

Die Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV) ist Teil des Gesamtpakets zu den überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten. Den Ausgangspunkt dafür bilden die Vorgaben des EU-Gesetzgebers in der EU-Verordnung 2019/2033 (IFR) und in der Richtlinie 2019/34/EU (IFD) (siehe hierzu Link). Flankierend konsultiert die European Bank Authority (EBA) aktuell ihren Entwurf vom 17. Dezember 2020 zu ihren Guidelines on Sound Remuneration Policies. Die EBA hat zudem am 21. Januar 2021 an die EU-Kommission den finalen Entwurf der Technischen Regulierungsstandards zur Definition der Mitarbeiter, die hohe Risikopositionen für das Wertpapierinstitut eingehen können (identified staff), übermittelt.
Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der IFD zu den Vergütungssystemen bis zum 26. Juni 2021 in das inländische Recht umzusetzen (Art. 67 Abs. 1 IFD). Der Deutsche Bundestag hat am 26. April 2021 das Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) verabschiedet, das am 17. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, und das in § 46 WpIG Regelungen zu den Vergütungssystemen der Wertpapierinstitute und eine Verordnungsermächtigung enthält. Die WVV vervollständigt die gesetzlichen Neuregelungen.


 

1. Die WVV im (zukünftig differenzierten) Regelungsregime für die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten – Maxime des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes

Der Gesetzgeber koppelt mit den überarbeiteten Vorgaben die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten teilweise vom bisher generell anwendbaren Regelungsregime für die Vergütungssysteme von Instituten ab.
Die Modifizierung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen erfolgt mit der Maxime des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes, der für viele Wertpapierinstitute angesichts des fehlenden Einlagengeschäfts zum Teil weniger strenge Vorgaben an die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme erlaubt.

Das überarbeitete aufsichtsrechtliche Vergütungsregime beinhaltet eine dreigeteilte Regelungssystematik: Vergütungssysteme von Großen Wertpapierinstituten (Art. 1 Abs. 2 IFR, § 2 Abs. 18 WpIG) unterliegen weiterhin den Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten, also im Kern den Vorgaben IVV und des Kreditwesengesetzes. Vergütungssysteme von Kleinen Wertpapierinstituten (Art. 12 Abs. 1 IFR, § 2 Abs. 16 WpIG) unterliegen zukünftig allein den Anforderungen der Delegierten Verordnung 2017/565/EU und des MaComp.

Die WVV und die weiteren überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Regelungen erfassen Mittlere Wertpapierinstitute; also Wertpapierinstitute, die mindestens eines der in Art. 12 Abs. 1 IFR für die Qualifizierung als Kleines Wertpapierinstitut relevanten Kriterien nicht erfüllen (§ 2 Abs. 17 WpIG; also etwa Eigenhandel betreiben, eine Bilanzsumme von mehr 100 Mio. EUR aufweisen oder verwaltete Assets (AUM) von mehr als 1,2 Mrd. EUR zu verzeichnen haben).

 

2. Aufsichtsrechtlicher Proportionalitätsgrundsatz und persönlicher Anwendungsbereich der WVV

Von der Maxime des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes bestimmt ist (bereits) der persönliche Anwendungsbereich der WVV: Die WVV erfasst (allein) die Vergütungssysteme der in § 1 Abs. 1 S. 1 WVV-E angeführten Personen, also der als „identified staff“ identifizierten Mitarbeiter, einschließlich der Geschäftsleiter, der Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene, der als Risikoträger identifizierten Mitarbeiter, der Mitarbeiter der Kontrolleinheiten und der Mitarbeiter, deren Gesamtvergütung mindestens der niedrigsten Gesamtvergütung eines Mitarbeiters der nachgelagerten Führungsebene oder eines Risikoträgers entspricht. Für alle anderen Mitarbeiter des Wertpapierinstituts gilt die WVV nicht.

Die vorgenannten Personengruppen erfassen neben Mitarbeitern in einem Arbeits-/Anstellungsverhältnis mit dem Wertpapierinstitut auch externe Personen, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 WVV-E erfüllen (externe Mitarbeiter). Die Abgrenzung der externen Mitarbeiter gemäß § 2 Abs. 7 WVV-E von sonstigen externen Personen, die für das Wertpapierinstitut tätig sind, kann im Ausgangspunkt an den in der Praxis für Institute zu § 2 Abs. 7 IVV entwickelten Abgrenzungskriterien erfolgen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird die inhaltliche Bestimmung der Fallgruppe der „Nebengeschäfte“ des Wertpapierinstituts (§ 2 Abs. 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WVV-E) zu klären sein, die die IVV (auch im aktuellen Entwurf ihrer überarbeiteten Fassung) in der Eigenschaft als externer Mitarbeiter gemäß § 2 Abs. 7 IVV begründende Tätigkeit nicht vorsieht.

Alle sonstigen Mitarbeiter des Wertpapierinstituts werden von der WVV nicht erfasst. Die WVV führt für die Vergütungssysteme in Mittleren Wertpapierinstituten die Systematik der IVV mit den allgemeinen Vorschriften für die Vergütung aller Mitarbeiter und mit den besonderen Vorschriften für die Vergütung der Risikoträger (in bedeutenden Instituten) nicht fort. Diese Mitarbeiter sind wie Mitarbeiter von Kleinen Wertpapierinstituten zu behandeln.

 

3. Allgemeine Vorgaben an das Vergütungssystem – IVV aligned – mit offenen Fragen für das weitere Gesetzgebungsverfahren

Der Gesetzgeber wendet den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz auch in den allgemeinen Vorgaben an die Vergütungssysteme an. Als Leitsatz bestimmt er, dass das Vergütungssystem an die Größe, die interne Organisation und die Art sowie den Umfang und die Komplexität der Geschäftstätigkeit des Wertpapierinstituts anzupassen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WVV-E).

Wertpapierinstitute können die angemessene Obergrenze für das Verhältnis zwischen fixer Vergütung und variabler Vergütung bedarfsgerecht bestimmen.
Dieser Leitsatz eröffnet den Mittleren Wertpapierinstituten gegenüber den Regelungen der IVV unter anderem eine flexiblere Regelung in der Bestimmung der Obergrenze für das Verhältnis zwischen der fixen Vergütung und der variablen Vergütung, die der Gesetzgeber nicht – wie in § 25a Abs. 5 S. 2 und 5 KWG für die Institute – mit einer quantitativen Obergrenze versehen hat, sondern für die er dem Wertpapierinstitut eine auf das eigene Risikoprofil zugeschnittene Höhe bestimmt (§ 6 Abs. 1 S. 1 WVV-E). Hier dürften in der Praxis im Einzelfall auch Obergrenzen von mehr als 200% zulässig sein.
Zugleich fällt auf, dass der WVV-E einzelne Rechtssätze der IVV zur privilegierten aufsichtsrechtlichen Behandlung der relevanten Vergütungsbestandteile nicht enthält; konkret:

  • zur Behandlung der Funktionszulage als fixe Vergütung, die Institute unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 S. 3 und 4 IVV als fixe Vergütung behandeln können, und für die § 2 Abs. 6 WVV-E keine vergleichbaren Regelungen vorsieht, obwohl der EBA-Leitlinien-E (Rdnr. 129) eine solche vergleichbare Regelung als zulässig erachtet.
  • zur etwaigen Nichtberücksichtigung einer garantierten variablen Vergütung bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen fixer Vergütung und variabler Vergütung im Fall ihrer schriftlichen Vereinbarung vor der Aufnahme der Tätigkeit des Mitarbeiters, wie es die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 3 IVV für Institute bestimmt.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch Modifizierungen vornimmt. Sollten Modifizierungen unterbleiben, könnten Mittlere Wertpapierinstitute die garantierte variable Vergütung bedarfsgerecht in der Weise in ihrem Vergütungssystem durchführen, dass sie für diese eine gesonderte Wertobergrenze gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 WVV bestimmen.

 

4. Besondere Vorgaben an die variable Vergütung

Die in § 6 Abs. 2 WVV-E enthaltenen besonderen Regelungen für die variable Vergütung folgen im Ausgangspunkt den Anforderungen der §§ 19f. IVV für die variable Vergütung der als Risk Taker identifizierten Mitarbeiter in bedeutenden Instituten; mit folgenden Abweichungen:

Der Gesetzgeber lässt für die inhaltliche Gestaltung der Leistungsparameter für die variable Vergütung eine Gestaltungsautonomie für die Mittleren Wertpapierinstitute zu.

  • Leistungsparameter sind die individuelle Leistung des Mitarbeiters, die Leistung des relevanten Geschäftsbereichs und das Gesamtergebnis des Wertpapierinstituts (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 WVV-E), wobei finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsparameter zu berücksichtigen sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 WVV-E). Der Gesetzgeber weicht für den institutsbezogenen Leistungsparameter von der in § 19 Abs. 1 S. 2 IVV verwendeten Terminologie (Gesamterfolg) ab; inhaltlich dürfte die unterschiedliche Terminologie für die Wahl von geeigneten institutsbezogenen Leistungsparametern (= alle risikoadjustierten erfolgsbezogenen Zielgrößen) keine Relevanz haben. Die Leistungsbewertung hat aufgrund eines mehrjährigen Bemessungszeitraums zu erfolgen (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 WVV-E), wobei der WVV-E nicht die in § 19 Abs. 1 S. 2 und 3 IVV für die Leistungsbewertung bestimmten Mindestzeiträume aufnimmt. Wertpapierinstitute können die damit verbundene Gestaltungsautonomie auf der Grundlage des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes anhand des eigenen Risikoprofils ausüben. Zudem fordert der Gesetzgeber für die Festlegung der auf die individuelle Leistung des Mitarbeiters bezogenen Leistungsparameter nicht die bei bedeutenden Instituten von § 19 Abs. 2 S. 2 IVV erforderliche Festlegung der Vergütungsparameter in der Weise, dass der Grad der Zielerreichung ermittelt werden kann. Der Abschluss von Zielvereinbarungen (jedenfalls für die individuelle Leistung des Mitarbeiters) wird in § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 WVV-E – gegenüber § 19 Abs. 2 S. 1 IVV – nicht vorausgesetzt; in der Praxis gleichwohl üblich sein.
  • Der WVV-E enthält keine – mit § 10 IVV vergleichbaren – besonderen Vorgaben zu der variablen Vergütung der Geschäftsleitung.
  • Das Vergütungssystem soll Malus- und Clawbackregelungen auch für den Fall vorsehen, wenn/dass der Mitarbeiter für die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht mehr als sachkundig und zuverlässig ansehen kann (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 WVV-E). Die Malus- und Clawbackprüfung beschränkt sich auf etwaige negative Erfolgsbeiträge, sie bezieht sich nicht auf etwaige nachträglich festgestellte negative Abweichungen vom ursprünglichen Zielergebnis.
  • Mittlere Wertpapierinstitute, die die Kriterien des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen (Gesamtsumme der bilanziellen und außerbilanziellen Vermögenswerte im Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre weniger als 100 Mio. EUR oder weniger 300 Mio. EUR und Erfüllung der weiteren in § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG bestimmten Kriterien), brauchen für die variable Vergütung nicht die Anforderungen an die Zurückbehaltung eines Teils der variablen Vergütung und an den instrumentenbasierten Vergütungsbestandteil zu beachten ( § 6 Abs. 6 S. 1 WVV-E), wobei die BaFin im Einzelfall (= als „Ausnahme von der Ausnahme“) solchen Wertpapierinstituten die Anwendung der Anforderungen auferlegen kann, wenn dies aufgrund von Art und Umfang der Tätigkeit des Wertpapierinstituts, seiner internen Organisation oder den Eigenschaften der Gruppe, der das Wertpapierinstitut angehört, geboten ist.

 

5. Anforderungen an Vergütungsgovernance

Ein Vergütungskontrollausschuss muss generell nur von Instituten eingerichtet werden, die nicht die Anforderungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen.

Die jährliche Überprüfung der Vergütungssysteme ist generell durch einen internen Kontrollbeauftragten durchzuführen: Etwaige in der Überprüfung festgestellte Mängel sollen zeitnah korrigiert werden (§ 10 Abs. 2 WVV-E), wobei der Gesetzgeber hierzu in der Entwurfsbegründung die Erwartungshaltung der Korrektur der etwa festgestellten Mängel binnen 30 Tagen verlautbart.

Inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit den Vorgaben der IVV sind die Regelungen des WVV-E zur Dokumentation der Vergütungssysteme in einer Organisationsrichtlinie (§ 9 WVV-E), zur Information der Mitarbeiter über die Vergütungssysteme (§ 11 WVV-E) und zum Absicherungsverbot (§ 8 WVV-E). Mittlere Wertpapierinstitute können hierzu auf die in der Vergütungspraxis etablierten Leitsätze (etwa zur Information der Mitarbeiter über die konkreten Leistungsparameter der variablen Vergütung innerhalb der ersten drei Monate des jeweiligen Referenzzeitraums) zurückgreifen.

 

6. Umsetzung in die Vergütungssysteme

Die WVV soll am 26. Juni 2021 in Kraft treten. Der WVV-E bestimmt für die Umsetzung der Vorgaben aus der WVV in die Vergütungssysteme explizit keinen Übergangszeitraum. Die EBA artikuliert im EBA-Leitlinien-E die Erwartungshaltung, dass die EBA-Leitlinien bis zum 31. Dezember 2021 in die Vergütungssysteme der Mittleren Wertpapierinstitute umgesetzt und erstmals auf die nach dem 31. Dezember 2021 startenden Referenzzeiträume angewendet werden sollen. Mittlere Wertpapierinstitute können diesen zeitlichen Planungshorizont auch für die generelle Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben des WVV in ihre Vergütungssysteme in ihrer Planung für sich verbuchen.

 

Ausblick: Finalisierung voraussichtlich noch im Juni 2021

Das Gesetzgebungsverfahren soll noch im Juni 2021 abgeschlossen werden. Wir begleiten die weitere Entwicklung des Verfahrens.

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