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Gruppenweite Regelung der Vergütung bei Instituten

Modifizierungen der Vergütungsregelungen im Gruppenkontext durch die IVV 4.0 und die EBA Guidelines on Sound Remuneration Policies 2.0

Die am 25. September 2021 in Kraft getretene überarbeitete Fassung der Institutsvergütungsverordnung (IVV 4.0) und die am 31. Dezember 2021 in Kraft getretenen überarbeiteten EBA Guidelines on Sound Remuneration Policies (EBA/GL/2021/04, GSR 2.0) beinhalten auch eine Modifizierung der Anforderungen an die gruppenweite Regelung der Vergütungssysteme, die betroffene Institute zum Anlass für eine Fortschreibung der gruppenweiten Vergütungsstrategie zu nehmen haben. In diesem Client Alert erörtern wir die überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben und erste Praxiserfahrungen mit ihrer Umsetzung.

Die Modifizierungen in § 27 IVV resultieren aus den fortgeschriebenen Vorgaben der Art. 3 Abs. 1 Nr. 63, 109 Abs. 2 der Richtlinie 2019/878/EU (CRD V). Das übergeordnete Unternehmen hat bei der Fortschreibung der gruppenweiten Vergütungsstrategie die in § 27 Abs. 1 S. 1 und 2 IVV nunmehr ausdrücklich festgelegten Leitsätze zu beachten, demnach die Strategie Grundsätze für angemessene, transparente, geschlechtsneutrale und auf eine nachhaltige Entwicklung der Gruppe ausgerichtete Vergütungssysteme zu enthalten und (generell) die Anforderungen des § 25a Abs. 5 KWG und der §§ 4 bis 13 IVV in Bezug auf alle Mitarbeiter der gruppenangehörigen Unternehmen umzusetzen hat. Zudem stellt der Gesetzgeber in § 27 Abs. 2 IVV für die gruppenweite Vergütungsstrategie der bedeutenden Institute und der qualifizierten nicht bedeutenden Institute (s. zu den Neuregelungen für die Vergütungssysteme der qualifizierten nicht bedeutenden Institute bereits unseren Client Alert) klar, dass die Vergütungssysteme für die als Gruppen-Risk Taker identifizierten Mitarbeiter aus den einzelnen Gruppen-Unternehmen daneben auch die Anforderungen des § 25a Abs. 5 KWG sowie die Anforderungen der §§ 18ff. IVV (in dem in § 27 Abs. 2 S. 2 und 3 IVV bestimmten Umfang) zu beachten haben. Systematisch modifiziert ist in § 27 IVV die Regelung zur Einbeziehung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter aus Gruppen-Unternehmen, die für die Vergütungssysteme eigenständige EU-gesetzliche (und diese umsetzende inländische) Vorgaben zu beachten haben. Dies betrifft neben Kapitalverwaltungsgesellschaften nach dem KAGB insbesondere auch mittlere und kleine Wertpapierinstitute nach dem WpIG. Bei diesen sind § 27 Abs. 1 S. 2 IVV (zu den Anforderungen des § 25a Abs. 5 KWG und der §§ 4 bis 13 IVV) sowie § 27 Abs. 2 IVV (hinsichtlich der Gruppen-Risk Taker) nicht umzusetzen (§ 27 Abs. 3 IVV). Eine Ausnahme besteht für Mitarbeiter der einzelnen Kapitalverwaltungsgesellschaft bzw. des einzelnen Wertpapierinstituts, die (zugleich) als Risk Taker des Instituts zu qualifizieren sind, weil sie einen unmittelbaren wesentlichen Einfluss auf mindestens ein CRR-Institut in der Gruppe ausüben (§ 27 Abs. 4 IVV). § 27 Abs. 5 IVV, der dem übergeordneten Unternehmen die Sicherstellung der Einhaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie auferlegt und weitere Regelungen im Verhältnis zwischen dem übergeordneten und den nachgeordneten Unternehmen enthält, ist inhaltlich unverändert geblieben.

Die bereits vor der IVV 4.0 veröffentlichten GSR 2.0 hatten bereits zuvor das – durch die fortgeschriebenen Vorgaben in der CRD V – erweiterte Verständnis der European Banking Authority (EBA) für den Gruppenbegriff verlautbart, demnach eine gruppenweite Vergütungsstrategie zu etablieren und auf alle gruppenangehörigen Unternehmen im (Teil-) Konsolidierungskreis anzuwenden ist, wenn mindestens ein Gruppenunternehmen ein Institut ist (Rdnrn. 8ff. und 75ff. GSR 2.0). Die EBA stellt in Rdnr. 79 GSR 2.0 klar, dass die nationalen Vergütungsregelungen, die am Sitz des gruppenangehörigen Unternehmens gelten, den Regelungen der gruppenweiten Vergütungsstrategie vorgehen müssen.

 

1. Der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis als Ausgangspunkt

Die aufsichtskonforme Implementierung und Durchführung der gruppenweiten Regelung der Vergütung (Vergütungsstrategie) bedingt in der Praxis im Ausgangspunkt die regelkonforme und zugleich bedarfsgerechte Verifizierung des Anwendungsbereichs des § 27 IVV. § 27 IVV stellt auf die Gruppe ab und enthält Regelungen für übergeordnete und nachgeordnete Unternehmen. Der Gruppenbegriff bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 12 IVV i.V.m. § 10a Abs. 1 und 2 KWG nach dem aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis.

Übergeordnete Unternehmen sind gemäß § 10a Abs. 1 S. 1 KWG CRR-Kreditinstitute, die nach Art. 11 VO (EU) 2019/876 (CRR II) die Konsolidierung vorzunehmen haben, sowie (sonstige Kredit-)Institute, die nach § 1a KWG i.V.m. Art. 11 CRR II die Konsolidierung vorzunehmen haben. § 1 KWG erweitert die Gruppe der unter das KWG fallenden Kreditinstitute gegenüber der CRR II; § 1a KWG dient dazu, (auch) die Regelungen der CRR auf alle Kreditinstitute nach § 1 KWG auszudehnen. Nach den nationalen Regelungen fallen dadurch mehr Unternehmen unter die konsolidierte Aufsicht, als es die CRR vorsieht. § 10a Abs. 2 KWG enthält Regelungen für übergeordnete Unternehmen von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften.

Nachgeordnete Unternehmen umfassen alle Unternehmen, die nach Maßgabe des Art. 18 CRR II zu konsolidieren sind oder vom übergeordneten Unternehmen freiwillig konsolidiert werden (§ 10a Abs. 1 S. 1 KWG). Der Konsolidierungskreis setzt sich gemäß Art. 18 Abs. 1 CRR II aus Instituten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 CRR II) und Finanzinstituten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR II; inklusive Vermögensverwaltungsgesellschaften) zusammen, die Tochtergesellschaft eines Instituts, einer Finanzholdinggesellschaft oder einer gemischten Finanzholdinggesellschaft sind. Als Tochterunternehmen des übergeordneten Unternehmens gelten Tochterunternehmen und deren Tochter- und Enkelunternehmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 S. 2 CRR II). Anbieter von Nebendienstleistungen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 CRR II) werden gemäß Art. 18 Abs. 2 CRR II in den Fällen und gemäß den Methoden, die in Art. 18 CRR II festgelegt sind, ebenfalls in die Konsolidierung einbezogen. Zusätzlich sind die Befugnisse der zuständigen Behörden gemäß Art. 18 Abs. 4 und 6 CRR II zur Bestimmung, ob und in welcher Form die Konsolidierung vorzunehmen ist, sowie die grundsätzliche Möglichkeit der freiwilligen Konsolidierung zu berücksichtigen, wobei proportional zu konsolidierende Unternehmen nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 4 CRR II für die gruppenweite Vergütungsstrategie nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie unter der gemeinsamen Leitung des übergeordneten Unternehmens und der weiteren Gesellschafter stehen. Für die gruppenweite Vergütungsstrategie sind die Unternehmen nicht zu berücksichtigen, die nach Art. 19 CRR II vom aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis befreit sind.

 

2. Festlegung und Anforderungen der gruppenweiten Vergütungsstrategie

Das übergeordnete Unternehmen hat für alle Mitarbeiter innerhalb des aufsichtlichen Konsolidierungskreises die gruppenweite Vergütungsstrategie festzulegen (§ 27 Abs. 1 S. 1 IVV). Die Strategie hat im Grundsatz gruppenweit den Anforderungen der §§ 4 bis 13 IVV und § 25a Abs. 5 KWG Rechnung zu tragen. Während die gruppenweite Vergütungsstrategie umfassend gilt (s. auch Verlautbarung der BaFin im BaFin Journal Oktober 2021), müssen diese (konkreten) Anforderungen im Rahmen der gruppenweiten Vergütungsstrategie nicht für alle nachgeordneten Unternehmen umgesetzt werden. Gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 IVV können die Ausnahmevorschriften in § 2 KWG (vor allem) bezüglich der Anwendbarkeit des § 25a Abs. 5 KWG (Bonus-Obergrenze) sowie in § 1 IVV bezüglich der Anwendbarkeit der IVV entsprechend angewendet werden, wobei auch hier die Regelungen des § 27 Abs. 2 und 4 IVV zu beachten sind. Dies führt dazu, dass etwa Unternehmen, die ausschließlich Factoring- und Finanzierungsleasingdienstleistungen erbringen, im Rahmen der gruppenweiten Vergütungsstrategie nicht im Ergebnis „über die aufsichtsrechtliche Hintertür“ (doch) dem Regelungsregime der IVV unterliegen. Darüber hinaus müssen nachgeordnete Unternehmen, die an besondere Vergütungsanforderungen nach Maßgabe anderer (EU-)gesetzlicher Rechtsgrundlagen gebunden sind (z.B. Kapitalverwaltungsgesellschaften), die in § 27 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 IVV genannten Vergütungsanforderungen des KWG und der IVV (vorbehaltlich der Ausnahme in § 27 Abs. 4 IVV) nicht erfüllen (§ 27 Abs. 3 IVV).

Die gruppenweite Vergütungsstrategie erstreckt sich aus geographischer Sicht generell auf alle gruppenangehörigen Unternehmen. Sie soll (auch) für die gruppenangehörigen Unternehmen im Ausland einen Mindeststandard inkludieren. Unterliegt ein nachgeordnetes Unternehmen mit Sitz im Ausland nach der dortigen Rechtsordnung strengeren Anforderungen als im Inland, hat das übergeordnete Unternehmen dies bei der Festlegung der gruppenweiten Vergütungsstrategie zu berücksichtigen und darauf hinzuwirken, dass das nachgeordnete Unternehmen die strengeren Anforderungen einhält (§ 27 Abs. 1 S. 4 IVV).

 

3. Konkrete Ausgestaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie

Der Gesetzgeber bestimmt in § 27 IVV für die inhaltliche Ausgestaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie in Bezug auf die Festlegung eines gruppenweiten einheitlichen Vergütungssystems (zentrale Vergütungsstrategie), die Bestimmung von individuellen Vergütungssystemen für die einzelnen Gruppenunternehmen (dezentrale Vergütungsstrategie), oder eines kombinierten Ansatzes (etwa in der Weise, dass die gruppenweite Vergütungsstrategie Leitsätze enthält, die das einzelne Gruppenunternehmen im Einzelfall modifizieren kann) keine konkrete Vorgabe. In der Praxis haben sich alle drei Ansätze etabliert. Die konkrete Ausgestaltung kann unter anderem anhand der Kriterien der geografischen Reichweite der Geschäftstätigkeit (Gibt es ausschließlich nachgeordnete Unternehmen mit Sitz in Deutschland, spricht dies eher für eine zentrale Vergütungsstrategie) oder der Administration der Vergütungssysteme (Erfolgt die Administration durch den Personalbereich des einzelnen Gruppenunternehmens, spricht dies eher für eine dezentrale Vergütungsstrategie) bestimmt werden; sie hat anhand einer ganzheitlichen Vorgehensweise zu erfolgen.

 

4. Überwachung der Einhaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie

Das übergeordnete Unternehmen hat die Einhaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie in den nachgeordneten Unternehmen sicherzustellen (§ 27 Abs. 5 S. 1 IVV). Für die korrespondierende Regelung in der IVV 3.0 hat die BaFin in der Auslegungshilfe zu § 27 IVV 3.0 verlautbart, dass das übergeordnete Unternehmen innerhalb des gemäß § 27 IVV festgelegten Geltungsbereichs der gruppenweiten Vergütungsstrategie auf die Einhaltung derselben sowie, falls geboten, auf die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses hinzuwirken hat.

Die für die Hinwirkung im Sinne von § 27 Abs. 5 S. 1 IVV relevanten Überwachungshandlungen und die damit verbundenen Prozessschritte kann das übergeordnete Unternehmen anhand eines risikoorientierten Ansatzes bestimmen und durchführen. In der Praxis hat sich hierzu als Gestaltungsoption etwa eine abgestufte Vorgehensweise etabliert, nach der auf der ersten Stufe das nachgeordneten Unternehmen jährlich gegenüber dem übergeordneten Unternehmen die Implementierung und praktische Durchführung des gruppenweiten Vergütungssystems für das jeweilige Berichtsjahr berichtet, das übergeordnete Unternehmen auf der zweiten Stufe die Angaben der nachgeordneten Unternehmen auswerten und die Übereinstimmung mit der gruppenweiten Vergütungsstrategie bewertet, und bei Bedarf/anlassbezogen auf einer dritten Stufe weitergehende Prüfungshandlungen zur Verifizierung der Angaben des nachgeordneten Unternehmens durchführt. Zudem hat sich in der Praxis ein Regel-Austauschprozess zwischen dem übergeordneten Unternehmen und den nachgeordneten Unternehmen zur Durchführung der gruppenweiten Vergütungsstrategie bewährt.

 

5. Zusammenfassung und Ausblick

Übergeordnete Unternehmen haben die überarbeiteten Vorgaben des § 27 IVV in ihre gruppenweite Vergütungsstrategie zu implementieren. Die überarbeiteten Vorgaben des § 27 IVV bilden in der nächsten Abschlussprüfungskampagne den Prüfungsmaßstab für die Angemessenheit des Vergütungssystems unter anderem mit Blick auf die Einhaltung der Vergütungsanforderungen innerhalb der Gruppe (§ 12 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 PrüfbV).

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