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Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung

Am 11. Januar 2024 wurde die finale Fassung der Wertpapier-Institutsvergütungsverordnung (WVV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Wir fassen in diesem Client Alert die wesentlichen Regelungen der WVV zusammen.

Die WVV setzt vorläufig den Schlusspunkt für das Gesamtpaket zu den überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten. Den Ausgangspunkt dafür bilde(te)n die Vorgaben des EU-Verordnungsgebers in der EU-Verordnung 2019/2033 (IFR) und in der Richtlinie 2019/34/EU (IFD). Die WVV vervollständigt die Neuregelungen des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG), das bereits am 26. Juni 2021 in Kraft getreten ist. Das WpIG enthält in § 46 WpIG allgemeine Regelungen zu den Vergütungssystemen der Wertpapierinstitute und die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der WVV.

Der erste Entwurf der WVV (WVV-E 1.0) wurde im Mai 2021 zur Konsultation veröffentlicht (s. dazu unseren  Client Alert). Er mündete zunächst nicht im Erlass der WVV. Vielmehr sah sich der Verordnungsgeber angesichts der inhaltlichen Anregungen in der Konsultation sowie der von der EBA am 21. November 2021 veröffentlichten Leitlinien für die solide Vergütungspolitik (GSR IFD, s. dazu unseren Client Alert) dazu veranlasst, den Entwurf inhaltlich zu überarbeiten und zum überarbeiteten WVV-E 2.0 eine weitere Konsultation durchzuführen (s. dazu unseren Client Alert). Die finale Fassung der WVV enthält einzelne inhaltliche Modifizierungen gegenüber dem WVV-E 2.0. Der Gesetzgeber führte zudem eine redaktionelle Bereinigung des Gesetzestextes durch.

Inhaltlich grenzt sich die finale Fassung der WVV teilweise von einzelnen Verlautbarungen der EBA in den GSR IFD ab – und übernimmt zudem in den allgemeinen Vorgaben für die Vergütungssysteme etablierte Leitsätze aus der Instituts-Vergütungsverordnung (IVV), so dass der Rechtsanwender bei der inhaltlichen Anwendung der relevanten Leitsätze auf die praktischen Erfahrungen der Institute und der sonstigen Stakeholder (u.a. Aufsicht, Wirtschaftsprüfer) in der Durchführung der IVV zurückgreifen kann.

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Das Thema: "Sound Compensation Update 2024/1 – Die finale Fassung der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung"

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1. Persönlicher Anwendungsbereich der WVV: Risikoträger in MWpI und Gruppen-Risikoträger in Unternehmensgruppen – mit weitem Mitarbeiterbegriff

Die WVV ist gemäß § 1 Abs. 1 WVV im Ausgangspunkt ausschließlich auf Mittlere Wertpapierinstitute im Sinne des § 2 Abs. 17 WpIG (MWpI) anwendbar (s. zu den anwendbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen für die weiteren Wertpapierinstitute unseren Client Alert zum WVV-E 1.0). Zudem ist sie im Umfang des § 1 Abs. 2 WVV auch auf übergeordnete Unternehmen einer Wertpapierinstitutsgruppe (§ 3 Abs. 12 WVV) anwendbar, die unabhängig von ihrer Eigenschaft als Wertpapierinstitut gemäß § 2 Abs. 17 WpIG eine gruppenweite Vergütungsstrategie aufzustellen haben.

Der persönliche Anwendungsbereich der WVV erfasst allein die Vergütungssysteme von Risikoträgern (§ 1 Abs. 1 WVV). Zu den Risikoträgern zählen gemäß § 2 Abs. 2 WVV Geschäftsleiter nach § 2 Abs. 36 WpIG und alle Mitarbeiter des MWpI, deren berufliche Aktivitäten sich wesentlich auf das Risikoprofil des MWpI oder der von ihm verwalteten Vermögenswerte auswirken. Gemäß § 3 WVV haben MWpI die Risikoträger auf der Grundlage einer Risikoträger-Analyse zu identifizieren. Diese richtet sich nach den Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2154 (RTS MRT, s. dazu unseren Client Alert). Die vorgenannten Personengruppen erfassen neben Mitarbeitern in einem Arbeits-/Anstellungsverhältnis mit dem MWpI auch externe Personen, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 WVV erfüllen (externe Mitarbeiter). Die Abgrenzung der externen Mitarbeiter gemäß § 2 Abs. 8 WVV von sonstigen externen Personen, die für das MWpI tätig sind, kann im Ausgangspunkt an den in der Praxis für Institute zu § 2 Abs. 7 IVV entwickelten Abgrenzungskriterien erfolgen.

2. Allgemeine Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme: Proportionalitätsgrundsatz, Fortschreibung von Leitsätzen aus der IVV

Der Verordnungsgeber bestimmt als Ausgangpunkt für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz, demnach das einzelne MWpI bei der Umsetzung der Vorgaben der WVV seiner Größe, internen Organisation und der Komplexität seiner Geschäfte Rechnung zu tragen hat (§ 6 Abs. 6 WVV). Dieser Leitsatz eröffnet im Einzelfall Gestaltungsoptionen, indem etwa MWpI mit einer wenige(er) komplexen Geschäftsstrategie und/oder einer zentral(isiert)en internen Organisation mit umfassend(er)en Kontrollmechanismen die konkreten Vergütungsparameter (etwa zur Festlegung des Verhältnisses zwischen der fixen Vergütung und der variablen Vergütung) flexibler festlegen können. 

Die im Übrigen in §§ 2 und 6 WVV bestimmten allgemeinen inhaltlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme folgen in wesentlichen Regelungen der bereits aus der IVV bekannten Vergütungssystematik, demnach unter anderem 

  • die Vergütungssysteme eine transparente Einordnung der einzelnen Vergütungsbestandteile als fixe bzw. variable Vergütung zu enthalten haben, wobei als Vergütung sämtliche finanziellen und sachbezogenen Leistungen des Instituts und von  Dritten zu berücksichtigen sind, die der einzelne Risikoträger im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit für das MWpI erhält (§ 2 Abs. 1 WVV), und als fixe Vergütung (nur) solche Vergütungsbestandteile zu qualifizieren sind, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 WVV erfüllen. Diese Regelungen sind inhaltsgleich mit den Vorgaben des § 2 Abs. 1 und 6 IVV, so dass MWpI bei der Verifizierung der einzelnen Vergütungsbestandteile das aufsichtsrechtliche Verständnis aus der IVV etwa zur Verneinung der Eigenschaft von einzelnen Leistungen als aufsichtsrechtliche Vergütung fruchtbar machen können, die keinen inhaltlichen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Risikoträgers für das MWpI aufweisen. Gemäß § 2 Abs. 4 S. 3 WVV sind auch befristete Funktionszulagen und Auslandszulagen als fixe Vergütung im Sinne des § 2 Abs. 4 S. 1 WVV anzusehen.
  • die Vergütungssysteme von Risikoträgern in Kontrolleinheiten den bereits aus § 9 IVV bekannten zusätzlichen Anforderungen unterliegen, demnach die Erfolgsparameter für die variable Vergütung nicht der Kontrollfunktion zuwiderlaufen dürfen und die Gesamtvergütung vorwiegend aus fixen Vergütungsbestandteilen zu bestehen hat (§ 6 Abs. 3 WVV). Der Verordnungsgeber hat hierzu den relevanten quantitativen Umfang für den „vorwiegenden" Anteil der fixen Vergütung nicht bestimmt. MWpI werden eine inhaltliche Konkretisierung des Begriffs unter Heranziehung der für die inhaltlich vergleichbare Regelung des § 9 Abs. 2 IVV zum „Schwerpunkt“ der fixen Vergütungsbestandteile vorzunehmen haben (die unterschiedliche Begriffswahl steht nach unserer Einschätzung, angesichts des identischen teleologischen Zwecks der beiden Vorschriften, der Anwendung der zu § 9 Abs. 2 IVV entwickelten Grundsätze nicht entgegen). Mithin dürfte ein „vorwiegender“ Anteil der fixen Vergütung (bereits) vorliegen, wenn die fixen Vergütungsbestandteile einen Anteil von mehr als 50% an der Gesamtvergütung haben.
  • die Vergütungssysteme geschlechtsneutral zu sein haben (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 WVV). Der Leitsatz der Geschlechtsneutralität erfasst  – vergleichbar zur Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV für die Institute – relevante Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung und an die Vergütungsgovernance (s. hierzu unseren Client Alert zur IVV 4.0)
  • Abfindungen und Karenzentschädigungen generell als variable Vergütung  gelten (§ 6 Abs. 4 S. 1 WVV) und nur dann nicht den aufsichtsrechtlichen Kernregelungen an die variable Vergütung unterliegen, wenn sie einer Fallgruppe des § 6 Abs. 4 S. 5 WVV zuzuordnen sind. Die quantitative Privilegierung tritt gemäß § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 WVV bereits ein, wenn die Abfindung den Geldbetrag von 200.000 EUR nicht überschreitet; die WVV hat die in § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 3b) IVV für Institute bestimmte zusätzliche Voraussetzung der maximalen Höhe von 200% der zuletzt bezogenen fixen Vergütung in § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 WVV nicht aufgenommen. Außerdem haben auch MWpI die Abfindungsgrundsätze zu dokumentieren (§§ 6 Abs. 4 S. 2, 13 Abs. 1 Nr. 3 WVV).

3. Allgemeine Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger: Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung und Proportionalitätsgrundsatz

Die in § 7 WVV bestimmten allgemeinen Anforderungen an die variable Vergütung fokussieren sich auf die Rahmenbedingungen zum Verhältnis zwischen der fixen und der variablen Vergütung sowie auf Vorgaben zur Zulässigkeit von garantierten variablen Vergütungen. Als wesentlicher Leitsatz bestimmt hierzu § 7 Abs. 1 WVV, dass MWpI für das Verhältnis zwischen der variablen und fixen Vergütung der Risikoträger einen ‚angemessenen‘ Wert festzulegen haben und die quantitative Festlegung in Anwendung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes durchzuführen haben und dazu für den konkreten Verhältniswert die Geschäftstätigkeit, die damit einhergehenden Risiken sowie die Auswirkungen der Risikoträger auf das Risikoprofil des Instituts oder auf die vom Institut verwalteten Vermögenswerte zu berücksichtigen haben. § 7 Abs. 1 WVV legt keine absolute Obergrenze für das Verhältnis zwischen der variablen und der fixen Vergütung fest. Hier dürften daher in der Praxis im Einzelfall auch Obergrenzen von mehr als 200% zulässig sein. MWpI haben bei der finalen Festsetzung der Obergrenze die Vorgabe des § 7 Abs. 3 WVV zu beachten, demnach keine signifikante Abhängigkeit der Risikoträger von der variablen Vergütung bestehen darf; diese Vorgabe hat sowohl eine absolute Dimension (= quantitative Höhe der fixen Vergütung) als auch eine relative Dimension (= Verhältnis der fixen Vergütung zur variablen Vergütung). Aus praktischer Sicht sollten MWpI die Beweggründe der konkret festgelegten Obergrenze, unter Berücksichtigung der vorgenannten aufsichtsrechtlichen Vorgaben, bedarfsgerecht dokumentieren.

4. Besondere Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger: Doppelter Proportionalitätsgrundsatz

Die in §§ 8 bis 11 WVV geregelten besonderen inhaltlichen Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger bestimmen im Ausgangspunkt einen doppelten Proportionalitätsgrundsatz:

  • Generell von den Anforderungen des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV an die Gewährung der variablen Vergütung befreit sind MWpI, die die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen, also deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte (jeweils gemäß dem Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre) nicht mehr als (i) 100 Millionen EUR betragen, oder (ii) 300 Millionen EUR betragen und die die weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen (§ 10 Abs. 1 WVV). Es sprechen dabei gewichtige Gründe dafür, die quantitativen Grenzen anhand einer Solo-MWpI-Beurteilung zu bestimmen (s. dazu sogleich auch die weiteren Ausführungen unter Ziffer 5.). Nicht mehr in der finalen Fassung der WVV enthalten ist die noch im WVV-E 2.0 bestimmte Befugnis der BaFin zur Anordnung der Anwendung des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV auf MWpI, die die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen, so dass nach der finalen Fassung alle die Voraussetzungen § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllenden Wertpapierinstitute von den Anforderungen des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV befreit sind.
  • Alle sonstigen MWpI haben die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV auf Gewährung der variablen Vergütung für die Risikoträger nicht zu beachten, deren variable Vergütung den jährlichen (Gesamt-)Betrag von 50.000 EUR nicht übersteigt und zugleich nicht mehr als 25% ihrer individuellen jährlichen Gesamtvergütung ausmacht (§ 10 Abs. 2 WVV).

Alle MWpI haben die Anforderungen des § 8 Abs. 1, 2 und 6 WVV an die Leistungsparameter der variablen Vergütung zu beachten und dafür Leistungsparameter auf den Ebenen des MWpI, des Geschäftsbereichs/der Organisationseinheit und der individuellen Erfolgsbeiträge der Risikoträger zu verwenden, wobei für die individuellen Erfolgsbeiträge sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Vergütungsparameter anzusetzen sind (§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WVV). Der Begriff der Leistungsbewertung entspricht dem in der IVV verwendeten Begriff der ex ante und ex post-Risikoadjustierung. Die Leistungsbewertung vor der Festsetzung der variablen Vergütung erfolgt auf Basis eines mindestens einjährigen Bemessungszeitraums. Der Verordnungsgeber bestimmt für die quantitative Gewichtung der drei Leistungsparameter-Ebenen keine weiteren Vorgaben – und gibt der Vergütungspraxis für die Gewichtung eine größere Gestaltungsfreiheit als die gesetzliche Regelung des § 19 Abs. 1 S. 1 IVV für die Institute, die (zumindest) eine ‚angemessene‘ Berücksichtigung der einzelnen Ebenen bei der Festlegung der Gesamtzielerreichung bestimmt. Die Vergütungspraxis wird – mit Blick auf den Gesetzeszweck der verpflichtenden Berücksichtigung der drei Ebenen – zugleich auf die praktischen Erfahrungen in der Durchführung des § 19 Abs. 1 S. 1 IVV zurückgreifen und die einzelne Ebene mit einer Gewichtung von jedenfalls 10% an der Gesamtzielerreichung berücksichtigen. Abweichend von § 8 Abs. 1 S. 1 WVV können MWpI für Risikoträger von Kontrolleinheiten nur nicht-finanzielle Leistungsparameter festlegen (§ 8 Abs. 2 S. 2 WVV). § 8 Abs. 2 S. 1 WVV verlangt zudem, abweichend von § 19 Abs. 2 S. 1 IVV, nicht zwingend die Festlegung der individuellen Erfolgsbeiträge in einer Zielvereinbarung, so dass Institute diese alternativ – zu der praktisch generell gleichwohl empfehlenswerten Zielvereinbarung – etwa auch einseitig den Risikoträgern vorgeben können.

Für die Leistungsbeurteilung bestimmt § 8 Abs. 6 S. 2 WVV, dass bei einem schwachen oder negativen Finanzergebnis des Instituts die variable Vergütung angemessen reduziert werden soll. Diese Vorgabe inkludiert aus arbeitsrechtlicher Sicht die Herausforderung für die Vergütungspraxis, das „schwache‘ Finanzergebnis des Instituts weiter zu konkretisieren (=  Bereits bei einer (materiellen) Unterschreitung des relevanten Planwertes? Aufgrund einer absoluten Betrachtung?) – diese hat das Institut in der Vergütungspolicy vorzunehmen.

Für die Gewährung der variablen Vergütung bestimmt § 8 Abs. 3 bis 6 WVV, dass (1) mindestens 40 % der variablen Vergütung über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren zurückzubehalten sind und bei einer ‚besonders hohen‘ variablen Vergütung der Anteil der zurückzubehaltenden Vergütung mindestens 60 % zu betragen hat, wobei das Institut zur Konkretisierung der ‚besonders hohen‘ variablen Vergütung einen Schwellenwert festzulegen hat, der den Betrag von 500.000 EUR nicht unterschreiten darf (§ 8 Abs. 5 WVV), und (2) mindestens 50 % der variablen Vergütung aus einem an die nachhaltige Wertentwicklung des Instituts ausgerichteten Vergütungbestandteil (NWE-Anteil) zu bestehen haben. Für die Verteilung des NWE-Anteils auf die zurückbehaltenen/nicht zurückbehaltenen Vergütungsbestandteile macht der Verordnungsgeber keine konkreten Vorgaben, so dass Institute hierzu bedarfsgerechte Lösungen entwickeln können. Die Wertermittlung des NWE-Anteils hat bei Instituten, bei denen der Wert des NWE-Anteils nicht auf der Grundlage eines Börsenkurses oder eines anderweitigen Marktwertes vornehmen kann, zum Zeitpunkt der Festlegung der variablen Vergütung, zum Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen zurückbehaltenen Vergütungsanteils sowie zum Zeitpunkt des Ablaufens der Sperrfrist gemäß § 8 Abs. 5 S. 2 IVV zu erfolgen. 

§ 8 Abs. 6 WVV regelt die ür die variable Vergütung zu etablierende Malus- und Clawbacksystematik. Die in § 8 Abs. 5 S. 2 WVV bestimmten harten Malus-/Clawback-Sachverhalte reichen weiter als die Regelungen des § 18 Abs. 5 S. 3 IVV, demnach ein vollständiger Entfall/eine vollständige Rückzahlung des relevanten variablen Vergütungsbestandteils auch dann erfolgen soll, wenn der Risikoträger für seine Tätigkeit nicht mehr als sachkundig und zuverlässig angesehen werden kann (§ 8 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 WVV). Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich aber auf Risikoträger, die nicht der Privilegierung des § 10 WVV unterliegen.

5. Vergütungsgovernance: Inhaltliche Reichweite des Proportionalitätsgrundsatzes für die Nicht-Anwendung des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV … und für die Nicht-Errichtung des Vergütungskontrollausschusses

§ 10 Abs. 1 WVV bestimmt die Nicht-Anwendung der Vorgaben des § 8 Abs. 3 bis 6 WVV an die Gewährung der variablen Vergütung für MWpI, die die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 oder 2 WpIG erfüllen. Der Verordnungsgeber knüpft die Befreiung an den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG an, der für die erfassten Wertpapierinstitute die Möglichkeit bestimmt, bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG von der Errichtung unter anderem des Vergütungskontrollausschusses absehen zu können.

In der Vergütungspraxis ist hierzu bisher noch nicht abschließend geklärt, ob sich die in § 44 Abs. 3 S. 2 WPIG bestimmten quantitativen Vorgaben (maximal 100 Mio. EUR (Nr. 1) bzw. 300 Mio. EUR (Nr. 2) an bilanziellen und außerbilanziellen Vermögenswerten) auf die Solo-Institut-Ebene oder auf die konsolidierte Gruppen-Ebene beziehen. Für die Gruppen-Ebene scheint im Ausgangspunkt die Regelung des § 38 Abs. 6 WpIG zu sprechen, demnach die Vorschriften der §§ 38ff. WpIG bei MWpI sowohl auf Einzelbasis als auch auf konsolidierter Basis anzuwenden sind, wobei der Verordnungsgeber mit § 38 Abs. 6 WpIG die inhaltsgleichen Vorgaben des Art. 25 Abs. 4 IFD in das WpIG umsetzt hat. Anderseits hat der Verordnungsgeber in § 44 Abs. 3 S. 3 WpIG die Möglichkeit der sog. Gleichwohlanordnung, demnach die BaFin im Einzelfall für ein MWpI u.a. die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG anordnen kann, wenn dies „aufgrund der […] Eigenschaften der Gruppe, der das [MWpI] angehört, geboten ist.“, offensichtlich auf das Solo-Institut bezogen. Würden sich die Schwellenwerte auf die Gruppe beziehen, wäre aus normsystematischer Sicht die Gruppen-Perspektive an dieser Stelle inhaltlich mit keinem materiellen Regelungsinhalt versehen. Demgegenüber kommt das Kriterium „Eigenschaften der Gruppe“ bei einer Solo-Instituts-Betrachtungsweise in dem vom Verordnungsgeber bezweckten Umfang (= Ausnahmsweise Errichtung des Vergütungskontrollausschusses geboten aufgrund einer überproportionalen Ausstrahlung der aus der Geschäfts- und Risikostrategie des MWpI auf die Gruppe wirkenden Risiken) zur vollen Anwendung. Auch aus teleologischer Sicht lassen sich gewichtige Gründe für eine Beurteilung auf Solo-Institutsebene anführen: Die Befreiung von MWpI von der Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses gem. § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG beruht auf der typisierenden Annahme des Verordnungsgebers, das MWpI mit Erreichung des Schwellenwertes auf der Solo-Institutsebene von der Errichtung des Vergütungskontrollausschusses zu befreien, weil bei einer Gesamtsumme der außerbilanziellen und bilanziellen Vermögenswerte unterhalb des Schwellenwertes die in § 44 Abs. 6 WpIG bestimmten Funktionen des Vergütungskontrollausschusses bei der Durchführung der Vergütungssysteme nicht erforderlich sind, da das MWpI in diesem Fall nicht die typisierten quantitativen Risiken in seiner Geschäfts -und Risikostrategie für sich zu verzeichnen hat, die der typisierten Annahme des Verordnungsgebers zur erforderlichen Bündelung von vergütungsfachlicher Expertise im dazu zu errichtenden VKA zugrunde liegen. Diese teleologische Überlegung ist vergleichbar mit den vergleichbaren gesetzlichen Anforderungen des § 25d Abs. 7 KWG an die Nicht-Errichtung eines Vergütungskontrollausschusses, die für die Beurteilung der Nicht-Einrichtung aus Proportionalitätsgründen ebenfalls auf das Solo-Institut abstellt. Für einen errichteten Vergütungskontrollausschuss bestimmt § 17 WVV den gesetzlichen Rahmen für die konkreten Aufgaben.

Die sonstigen Vorgaben des WVV sind aus den vergleichbaren Regelungen aus der IVV bekannt:

  • MWpI haben das aufsichtsrechtliche Absicherungsverbot nach Maßgabe des § 12 WVV bedarfsgerecht in die Vergütungssysteme ihrer Risikoträger zu implementieren.
  • MWpI haben die Grundsätze der Vergütungssysteme in Organisationsrichtlinien mit dem in § 13 WVV bestimmten Mindestinhalten zu dokumentieren, die auch eine Dokumentation der Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse der einzelnen Stakeholder zu enthalten haben.
  • Die in § 14 WVV bestimmte jährliche Überprüfung der Angemessenheit der Vergütungssysteme ist § 12 IVV nachgebildet.
  • Die in § 15 WVV bestimmte Information der Risikoträger über die Ausgestaltung der Vergütungssysteme ist § 13 IVV nachgebildet, wobei der Verordnungsgeber für die Form der Information (nur noch) die Textform bestimmt.

In der finalen Fassung der WVV nicht mehr weiterverfolgt hat der Verordnungsgeber die in § 14 WVV-E 1.0 noch bestimmten gesonderten Offenlegungspflichten zu den Vergütungssystemen. MWpI haben die Offenlegung der Vergütungssysteme daher ausschließlich nach Maßgabe des Art. 51 IFR vorzunehmen.

6. Gruppenweite Regelungen zur Vergütung

Die Vorgaben zur gruppenweiten Vergütungsstrategie sind in § 18 WVV geregelt, demnach das übergeordnete Unternehmen die gruppenweite Vergütungsstrategie zur Umsetzung der Anforderungen des § 46 WpIG und der WVV für die Vergütungssysteme der nachgeordneten Unternehmen festzulegen und ihre Umsetzung zu überwachen hat. Zudem hat das übergeordnete Unternehmen auf Basis der konsolidierten Lage den Kreis der Gruppen-Risikoträger zu bestimmen, die nach den Kriterien der RTS MRT zu ermitteln sind.

7. Inkrafttreten der WVV … und neue Prüfberichtsverordnung

Die WVV ist am 12. Januar 2024 in Kraft getreten (§ 20 WVV). Hinsichtlich ihres inhaltlichen Anwendungsbereichs bestimmt § 19 WVV eine abgestufte Regelung:

  • Die gesetzlichen Regelungen zu (1) Abfindungen (§ 6 Abs. 4 WVV), (2) Halteprämien (§ 6 Abs. 5 WVV), (3) garantierten variablen Vergütungen (§ 7 Abs. 4 WVV), (4) Ausgleichszahlungen für entgangene variable Vergütungen beim Vor-Arbeitgeber (§ 7 Abs. 5 WVV), (5) den besonderen Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger (§§ 8 und 9 WVV), (6) den besonderen Anforderungen des § 11 Abs. 2 S. 1 und 2 WVV an die Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung, (7) der jährlichen Prüfung der Angemessenheit des Vergütungssystems durch die geeignete unabhängige Stelle (§ 14 WVV), (8) der jährlichen Überprüfung des Vergütungssystems durch den Vergütungskontrollausschuss zu den in § 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 WVV angeführten Prüfungsgegenständen sowie (9) der Umsetzung der gruppenweiten Vergütungsstrategie nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 WVV hat das Institut erstmals im Geschäftsjahr anzuwenden, das dem 12. Januar 2024 folgt. MWpI, bei denen das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, haben die vorgenannten Vorgaben daher erstmals im Geschäftsjahr 2025 anzuwenden.
  • Alle sonstigen Regelungen der WVV sind seit dem 12. Januar 2024 von den MWpI anzuwenden. Dies beinhaltet vor allem die (1) Risikoträger-Identifikation nach Maßgabe des § 3 WVV, (2) Ausrichtung des Vergütungssystems an die Geschäfts- und Risikostrategie des MWpI (§ 5 WVV), (3) allgemeinen Anforderungen an die Angemessenheit der Vergütungssysteme unter anderem betreffend die Verifizierung aller Vergütungsbestandteile und ihre Einordnung als feste bzw. variable Vergütung nach Maßgabe der §§ 6 Abs. 1 und 2 Abs. 4 und 5 WVV, (4) Festlegung des angemessenen Verhältnisses zwischen der fixen und der variablen Vergütung nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 WVV, (5) allgemeinen Anforderungen des § 11 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 WVV an die Festsetzung des Gesamtbetrags der variablen Vergütung, (6) die Anforderungen an das Absicherungsverbot (§ 12 WVV), (7) Festlegung und Dokumentation der Vergütungsgrundsätze in einer Vergütungspolicy (§ 13 WVV) und (8) Information der Risikoträger über die Vergütungssysteme (§ 14 WVV).

Zudem ist am 12. Dezember 2023 die Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Wertpapierinstitute (WpI-PrüfbV) in Kraft getreten die in § 14 WpI-PrüfbV verbindliche Vorgaben zum Prüfungskatalog in Bezug auf die Vergütungssysteme des MWpI enthält, demnach der Prüfer die Angemessenheit und die Transparenz der Vergütungssysteme des Wertpapierinstituts sowie die Ausrichtung auf eine nachhaltige Entwicklung des Wertpapierinstituts zu beurteilen hat und dabei insbesondere zu beurteilen und darüber zu berichten hat, ob (1) die Zuordnung der Vergütungsbestandteile zur fixen Vergütung eindeutig ist, (2) die Vergütungssysteme einschließlich der Vergütungsstrategie dem Erreichen der Ziele, die in den Geschäfts- und Risikostrategien des Wertpapierinstituts niedergelegt sind, entgegenstehen, (3) die Geschäftsleitung das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan mindestens einmal jährlich über die Ausgestaltung der Vergütungssysteme des Wertpapierinstituts informiert hat, (4) das Wertpapierinstitut Grundsätze zu den Vergütungssystemen festgelegt, deren Einhaltung überprüft und die Überprüfung dokumentiert hat, und (5) die Mitarbeiter schriftlich über die Ausgestaltung der für sie maßgeblichen Vergütungssysteme und Vergütungsparameter in Kenntnis gesetzt werden.

Wir begleiten die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in die Vergütungssysteme von MWpI und werden in unseren Folge-Client Alerts einzelne Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung erörtern.

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