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Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung – E 2.0

Der neue Konsultationsentwurf der BaFin

Die BaFin hat am 19. Oktober 2022 den aktualisierten Entwurf der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV-E 2.0) zur öffentlichen Konsultation gestellt. Ein erster Entwurf für die WVV wurde im Mai/Juni 2021 als Teil der Mantelverordnung zum Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) konsultiert – und mündete zunächst nicht in einer finalen Fassung. Dieser Client Alert erörtert die wesentlichen inhaltlichen Regelungen des überarbeiteten Entwurfs.

Die Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV) ist Teil des Gesamtpakets zu den überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten. Den Ausgangspunkt dafür bilden die Vorgaben des EU-Verordnungsgebers in der EU-Verordnung 2019/2033 (IFR) und in der Richtlinie 2019/34/EU (IFD). Die WVV vervollständigt die Neuregelungen des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG), das am 26. Juni 2021 in Kraft getreten ist. § 46 WpIG enthält Regelungen zu den Vergütungssystemen der Wertpapierinstitute und die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der WVV.
Der erste Entwurf der WVV (WVV-E 1.0) wurde im Mai 2021 zu Konsultationszwecken veröffentlicht (s. dazu bereits unseren Client Alert). Er mündete zunächst nicht im Erlass der WVV. Vielmehr sah sich der Verordnungsgeber angesichts der inhaltlichen Anregungen in der letztjährigen Konsultation sowie der zwischenzeitlich von der EBA veröffentlichten Leitlinien für die solide Vergütungspolitik (GSR IFD, s. dazu bereits unseren Client Alert zu den GSR IFD) dazu veranlasst, den Ausgangsentwurf inhaltlich zu überarbeiten und zum überarbeiteten WVV-E 2.0 ein weiteres Konsultationsverfahren einzuleiten. Der WVV-E 2.0 berücksichtigt einzelne Anregungen aus dem letztjährigen Konsultationsverfahren und grenzt sich teilweise (weiterhin) inhaltlich von einzelnen Verlautbarungen der EBA in den GSR IFD ab. Unverändert übernimmt der WVV-E 2.0 insbesondere in den allgemeinen Vorgaben für die Vergütungssysteme etablierte Leitsätze aus der Institutsvergütungsverordnung (IVV), so dass der Rechtsanwender bei der inhaltlichen Anwendung der relevanten Leitsätze auf die praktischen Erfahrungen der Institute und der sonstigen Stakeholder (u.a. Aufsicht, Wirtschaftsprüfer) in der Durchführung der IVV zurückgreifen können.
 

1. Persönlicher Anwendungsbereich der WVV: Risikoträger in MWpI und in übergeordneten Unternehmen – mit weitem Mitarbeiterbegriff

Die WVV soll gemäß § 1 Abs. 1 WVV-E 2.0 im Ausgangspunkt ausschließlich auf Mittlere Wertpapierinstitute im Sinne des § 2 Abs. 17 WpIG (MWpI) anwendbar sein (s. zu den anwendbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen für die weiteren Wertpapierinstitute ebenfalls unseren Client Alert zum WVV-E 1.0). Ergänzend zum WVV E-1.0 stellt § 1 Abs. 2 WVV-E 2.0 klar, dass die WVV auch auf übergeordnete Unternehmen einer Wertpapierinstitutsgruppe im Sinne des § 3 Abs. 12 WVV-E 2.0 anwendbar ist; erfasst sind damit auch übergeordnete Unternehmen im Sinne des § 3 Abs. 12 WVV-E, bei denen es sich nicht um ein Wertpapierinstitut gemäß § 2 Abs. 17 WpIG handelt (§ 1 Abs. 2 S. 2 WVV-E 2.0).


Unverändert gegenüber dem WVV-E 1.0 und explizit in dem WVV-E 2.0 klargestellt, soll sich der persönliche Anwendungsbereich der WVV ausschließlich auf Risikoträger erstrecken (§ 1 Abs. 1 WVV-E 2.0). Der deutsche Verordnungsgeber weicht damit weiterhin von den Vorgaben des Art. 26 Abs. 1 IFD ab, der die Anwendung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben zur Implementierung einer Vergütungspolicy und zum aufsichtsrechtlichen Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik und Vergütungspraxis auf die Vergütungssysteme von allen Mitarbeitern von MWpI bestimmt. Auch die EBA verlautbart in den GSR IFD, dass die allgemeinen Vorgaben des Art. 26 Abs. 1 IFD auf die Vergütungssysteme aller Mitarbeiter von MWpI anwendbar sind.
Zu den Risikoträgern zählen gemäß § 3 Abs. 2 WVV-E 2.0 Geschäftsleiter nach § 2 Abs. 36 WpIG sowie sämtliche Mitarbeiter des MWpI, deren berufliche Aktivitäten sich wesentlich auf das Risikoprofil des MWpI oder der von ihm verwalteten Vermögenswerte auswirken. Gemäß § 4 WVV-E 2.0 haben die MWpI die Risikoträger in einer Risikoträger-Analyse zu identifizieren. Diese richtet sich nach den Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2154 (RTS MRT, s. dazu bereits unseren Client Alert zu der Identifizierung der Material Risk Taker nach den Technischen Regulierungsstandards für Wertpapierinstitute). Die vorgenannten Personengruppen erfassen neben Mitarbeitern in einem Arbeits-/Anstellungsverhältnis mit dem MWpI auch externe Personen, die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 8 WVV-E 2.0 erfüllen (externe Mitarbeiter). Die Abgrenzung der externen Mitarbeiter gemäß § 3 Abs. 8 WVV-E 2.0 von sonstigen externen Personen, die für das MWpI tätig sind, kann im Ausgangspunkt an den in der Praxis für Institute zu § 2 Abs. 7 IVV entwickelten Abgrenzungskriterien erfolgen.

2. Allgemeine Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme: Proportionalitätsgrundsatz, Fortschreibung von Leitsätzen aus der IVV

Der Verordnungsgeber bestimmt als Ausgangpunkt für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme unverändert den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz, demnach das einzelne MWpI bei der Umsetzung der Vorgaben der WVV seiner Größe, internen Organisation und der Komplexität seiner Geschäfte Rechnung zu tragen hat (§ 7 Abs. 6 WVV-E 2.0). Dieser Leitsatz eröffnet im Einzelfall Gestaltungsoptionen, demnach etwa MWpI mit einer wenig(er) komplexen Geschäftsstrategie und/oder einer zentral(isiert)en internen Organisation mit umfassend(er)en Kontrollmechanismen die konkreten Vergütungsparameter (etwa zur Festlegung des Verhältnisses zwischen der fixen Vergütung und der variablen Vergütung) flexibler festlegen können.


Die im Übrigen in §§ 3 und 7 WVV-E 2.0 bestimmten allgemeinen inhaltlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme folgen in wesentlichen Regelungen, mit einzelnen Modifizierungen, der bereits aus der IVV bekannten Vergütungssystematik, demnach unter anderem

  • die Vergütungssysteme eine transparente Einordnung der einzelnen Vergütung als fixe bzw. variable Vergütung zu enthalten haben, wobei als Vergütung sämtliche finanziellen und sachbezogenen Leistungen des MWpI und von Dritten zu berücksichtigen sind, die der einzelne Risikoträger im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit für das MWpI erhält (§ 3 Abs. 1 WVV-E 2.0), und als fixe Vergütung (nur) solche Vergütungsbestandteile zu qualifizieren sind, die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 WVV-E 2.0 erfüllen. Diese Regelungen sind inhaltsgleich mit den Vorgaben der §§ 2 Abs. 1 und 6 IVV, so dass MWpI bei der Verifizierung der einzelnen Vergütungsbestandteile das dortige aufsichtsrechtliche Verständnis etwa zur Verneinung der Eigenschaft von einzelnen Leistungen als aufsichtsrechtliche Vergütung „fruchtbar“ machen können, die keinen inhaltlichen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Risikoträgers für das MWpI aufweisen. Abweichend vom WVV-E 1.0 und in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 6 S. 3 IVV bestimmt § 3 Abs. 4 S. 3 WVV-E 2.0 nunmehr, dass auch befristete Funktionszulagen (und nicht allein Auslandszulagen) als fixe Vergütung im Sinne des § 3 Abs. 4 S. 1 WVV-E 2.0 anzusehen sind.
  • die Vergütungssysteme geschlechtsneutral zu sein haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 WVV-E 2.0). Der Leitsatz der Geschlechtsneutralität erfasst – vergleichbar zur Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 IVV für die Institute – relevante Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung und an die Vergütungsgovernance (s. hierzu unseren Client Alert zur IVV 4.0).
  • Abfindungen und Karenzentschädigungen generell als variable Vergütung gelten (§ 7 Abs. 4 S. 1 WVV-E 2.0) und nur dann nicht den aufsichtsrechtlichen Kernregelungen an die variable Vergütung unterliegen, wenn sie einer Fallgruppe des § 7 Abs. 4 S. 5 WVV-E 2.0 zugeordnet werden können. Die quantitative Privilegierung tritt gemäß § 7 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 WVV-E 2.0 bereits ein, wenn die Abfindung den Geldbetrag von 200.000 EUR nicht überschreitet; der Verordnungsgeber hat die in § 5 Abs. 6 S. 5 Nr. 3b) IVV für Institute bestimmte zusätzliche quantitative Voraussetzung der maximalen Höhe von 200% der zuletzt bezogenen fixen Vergütung in § 7 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 WVV-E 2.0 nicht aufgenommen. Außerdem haben auch MWpI die Abfindungsgrundsätze zu dokumentieren (§§ 7 Abs. 4 S. 2, 14 Abs. 1 Nr. 3 WVV-E 2.0).
  • die Vergütungssysteme von Risikoträgern in Kontrolleinheiten grundsätzlich den bereits aus § 9 IVV bekannten zusätzlichen Anforderungen unterliegen, demnach die Erfolgsparameter für die variable Vergütung nicht der Kontrollfunktion zuwiderlaufen dürfen und die Gesamtvergütung vorwiegend aus fixen Vergütungsbestandteilen zu bestehen hat (§ 7 Abs. 3 WVV-E 2.0). Der Verordnungsgeber hat hierzu den relevanten quantitativen Umfang für den „vorwiegenden“ Anteil der fixen Vergütung nicht bestimmt. Inhaltlich werden MWpI eine Konkretisierung des Begriffs unter Heranziehung der für die inhaltlich vergleichbare Regelung des § 9 Abs. 2 IVV zum „Schwerpunkt“ der fixen Vergütungsbestandteile vorzunehmen haben (die unterschiedliche Begriffswahl steht nach unserer Einschätzung, angesichts des identischen teleologischen Zwecks der beiden Vorschriften, der Anwendung der zu § 9 Abs. 2 IVV entwickelten Grundsätze nicht entgegen). Mithin dürfte ein „vorwiegender“ Anteil der fixen Vergütung (bereits) vorliegen, wenn die fixen Vergütungsbestandteile einen Anteil von mehr als 50% an der Gesamtvergütung haben.

3. Allgemeine Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger: Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung und Proportionalitätsgrundsatz

Die in § 8 WVV-E 2.0 bestimmten allgemeinen Anforderungen an die variable Vergütung fokussieren sich auf die Rahmenbedingungen zum Verhältnis zwischen der fixen und der variablen Vergütung sowie auf Vorgaben zur Zulässigkeit von garantierten variablen Vergütungen. Als wesentlicher Leitsatz bestimmt dabei § 8 Abs. 1 WVV-E 2.0, dass MWpI für das Verhältnis zwischen der variablen und fixen Vergütung der Risikoträger einen ‚angemessenen‘ Wert festzulegen und die quantitative Festlegung in Anwendung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes durchzuführen haben und dazu für den konkreten Verhältniswert die Geschäftstätigkeit, die damit einhergehenden Risiken sowie die Auswirkungen der Risikoträger auf das Risikoprofil des MWpI zu berücksichtigen haben. § 8 Abs. 1 WVV-E 2.0 legt keine Obergrenze für das Verhältnis zwischen der variablen und der fixen Vergütung fest. Hier dürften daher in der Praxis im Einzelfall auch Obergrenzen von mehr als 200% zulässig sein. MWpI haben bei der finalen Festsetzung der Obergrenze die Vorgabe des § 8 Abs. 3 WVV-E 2.0 zu beachten, demnach keine signifikante Abhängigkeit der Risikoträger von der variablen Vergütung bestehen darf; diese Vorgabe hat sowohl eine absolute Dimension (= quantitative Höhe) als auch eine relative Dimension (= Verhältnis der fixen Vergütung zur variablen Vergütung).

4. Besondere Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger: Doppelter Proportionalitätsgrundsatz und dessen inhaltliche Reichweite

Die nunmehr in §§ 9 bis 11 WVV-E 2.0 geregelten besonderen inhaltlichen Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger bestimmen im Ausgangspunkt einen doppelten Proportionalitätsgrundsatz:

  • Generell von den Anforderungen des § 9 Abs. 3 bis 5 (sowie des § 10 Abs. 2) WVV-E 2.0 an die Gewährung der variablen Vergütung befreit sind MWpI, die die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG erfüllen, also deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte (jeweils gemäß dem Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre) nicht mehr als (i) 100 Millionen EUR betragen, oder (ii) nicht mehr als 300 Millionen EUR betragen und die die weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 WpIG erfüllen. Der Verordnungsgeber knüpft die Befreiung an den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG an, der für die erfassten Wertpapierinstitute die Möglichkeit bestimmt, bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG von der Errichtung unter anderem des Vergütungskontrollausschusses absehen zu können. Es sprechen dabei gewichtige Gründe dafür, die quantitativen Grenzen anhand einer Solo-MWpI-Beurteilung zu bestimmen (s. dazu auch unten).
  • Alle sonstigen MWpI haben die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 bis 5 (sowie des § 10 Abs. 2) WVV-E 2.0 an die Gewährung der variablen Vergütung für die Risikoträger nicht zu beachten, deren variable Vergütung den jährlichen (Gesamt-)Betrag von 50.000 EUR nicht übersteigt und zugleich nicht mehr als 25% ihrer individuellen jährlichen Gesamtvergütung ausmacht.

Für die in § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG bestimmten quantitativen Vorgaben zur Privilegierung der MWpI u.a. bei der (Nicht-)Errichtung des Vergütungskontrollausschusses lassen sich gewichtige Argumente für eine Betrachtung auf Solo-Wertpapierinstituts-Ebene anführen. Für die Gruppen-Ebene scheint zwar im Ausgangspunkt die Regelung des § 38 Abs. 6 WpIG zu sprechen, demnach die Vorschriften der §§ 38ff. WpIG bei MWpI sowohl auf Einzelbasis als auch auf konsolidierter Basis anzuwenden sind, wobei der Verordnungsgeber mit § 38 Abs. 6 WpIG die inhaltsgleichen Vorgaben des Art. 25 Abs. 4 IFD in das WpIG umsetzt hat. Anderseits hat der Verordnungsgeber in § 44 Abs. 3 S. 3 WpIG die Möglichkeit der sog. Gleichwohlanordnung, demnach die BaFin im Einzelfall für ein MWpI u.a. die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte des § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG anordnen kann, wenn dies „aufgrund der […] Eigenschaften der Gruppe, der das [MWpI] angehört, geboten ist.“, offensichtlich auf das Solo-Wertpapierinstitut bezogen. Auch aus teleologischer Sicht lassen sich gewichtige Gründe für eine Beurteilung auf Solo-Wertpapierinstitutsebene anführen: Die Befreiung von MWpI von der Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses gem. § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG beruht auf der typisierenden Annahme des Verordnungsgebers, dass MWpI mit Erreichung des Schwellenwertes auf der Solo-Wertpapierinstitutsebene von der Errichtung des Vergütungskontrollausschusses zu befreien sind, weil bei einer Gesamtsumme der außerbilanziellen und bilanziellen Vermögenswerte unterhalb des Schwellenwertes die in § 44 Abs. 6 WpIG bestimmten Funktionen des Vergütungskontrollausschusses bei der Durchführung der Vergütungssysteme nicht erforderlich sind, da das MWpI in diesem Fall nicht die typisierten quantitativen Risiken in seiner Geschäfts -und Risikostrategie für sich zu verzeichnen hat, die der typisierten Annahme des Verordnungsgebers zur erforderlichen Bündelung von vergütungsfachlicher Expertise im dazu zu errichtenden Vergütungskontrollausschuss zugrunde liegen. Diese teleologische Überlegung ist vergleichbar mit den ähnlichen gesetzlichen Anforderungen des § 25d Abs. 7 KWG an die Nicht-Errichtung eines Vergütungskontrollausschusses, die für die Beurteilung der Nicht-Einrichtung aus Proportionalitätsgründen ebenfalls auf das Solo-Wertpapierinstitut abstellt. Für einen errichteten Vergütungskontrollausschuss bestimmt § 18 WVV-E 2.0 den gesetzlichen Rahmen für die konkreten Aufgaben.

5. Besondere Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger: Leistungsbewertung vor und nach der Festsetzung einer variablen Vergütung

Alle MWpI haben die Anforderungen des § 9 Abs. 1, 2 und 6 WVV-E 2.0 an die Leistungsparameter der variablen Vergütung zu beachten und dafür Leistungsparameter auf den Ebenen des MWpI, des Geschäftsbereichs/der Organisationseinheit und der individuellen Erfolgsbeiträge der Risikoträger zu verwenden, wobei für die individuellen Erfolgsbeiträge sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Vergütungsparameter anzusetzen sind (§ 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WVV-E 2.0). Der Begriff der Leistungsbewertung entspricht dem in der IVV verwendeten Begriff der ex ante- und ex post-Risikoadjustierung. Die Leistungsbewertung vor der Festsetzung der variablen Vergütung erfolgt auf Basis eines mindestens einjährigen Bemessungszeitraums. Der Verordnungsgeber bestimmt für die quantitative Gewichtung der drei Leistungsparameter-Ebenen keine weiteren Vorgaben – und gibt der Vergütungspraxis für die Gewichtung eine größere Gestaltungsfreiheit als die gesetzliche Regelung des § 19 Abs. 1 S. 1 IVV für die Institute, die (zumindest) eine ‚angemessene‘ Berücksichtigung der einzelnen Ebenen bei der Festlegung der Gesamtzielerreichung bestimmt. Die Vergütungspraxis wird – mit Blick auf den Gesetzeszweck der verpflichtenden Berücksichtigung der drei Ebenen – zugleich auf die praktischen Erfahrungen in der Durchführung des § 19 Abs. 1 S. 1 IVV zurückgreifen und die einzelne Ebene mit einer Gewichtung von jedenfalls 10% an der Gesamtzielerreichung berücksichtigen. Abweichend von § 9 Abs. 2 S. 1 WVV-E 2.0 können MWpI für Risikoträger von Kontrolleinheiten nur nicht-finanzielle Leistungsparameter festlegen (§ 9 Abs. 2 S. 2 WVV-E 2.0). § 9 Abs. 2 S. 1 WVV-E 2.0 verlangt zudem, abweichend von § 19 Abs. 2 S. 1 IVV, nicht zwingend die Festlegung der individuellen Erfolgsbeiträge in einer Zielvereinbarung, so dass MWpI diese alternativ – zu der praktisch generell gleichwohl empfehlenswerten Zielvereinbarung – etwa auch einseitig den Risikoträgern vorgeben können.


Für die Leistungsbeurteilung bestimmt § 9 Abs. 6 WVV-E 2.0, dass bei einem schwachen oder negativen Finanzergebnis des MWpI bis zu 100% der variablen Vergütung entfallen sollen. Diese Vorgabe inkludiert aus arbeitsrechtlicher Sicht zwei Herausforderungen für die Vergütungspraxis: (1) Wann liegt konkret ein ‚schwaches‘ Finanzergebnis des MWpI vor – bereits bei einer (materiellen) Unterschreitung des relevanten Planwertes oder ist eine absolute Betrachtung geboten? (2) Die Vorgabe ist nicht vereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu variablen Vergütungsbestandteilen, deren Höhe (auch) von der Erbringung der Arbeitsleistung (= individuelle Leistungsparameter) abhängig ist und für die das BAG den Rechtssatz aufgestellt hat, dass bei einer Zielerreichung dieser individuellen Erfolgsparameter für die variable Vergütung ein Mindestbetrag festzusetzen ist (Urt. V. 19.03.2014, 10 AZR 622/13). Die Vergütungspraxis wird hierzu bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln haben.


§ 9 Abs. 3 bis 5 WVV-E 2.0 bestimmt konkret, dass (i) mindestens 40% der variablen Vergütung über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren zurückzubehalten sind und bei einer ‚besonders hohen‘ variablen Vergütung der Anteil der zurückzubehaltenden Vergütung mindestens 60% zu betragen hat, wobei der Verordnungsgeber keine konkreten Vorgaben an die quantitative Festlegung der ‚besonders hohen‘ variablen Vergütung macht, und (ii) mindestens 50% der variablen Vergütung aus einem an die nachhaltige Wertentwicklung des MWpI knüpfenden Vergütungsbestandteil (NWE-Anteil) zu bestehen haben. Für die Verteilung des NWE-Anteils auf die zurückbehaltenen/nicht zurückbehaltenen Vergütungsbestandteile macht der Verordnungsgeber keine konkreten Vorgaben, so dass MWpI hierzu in ihrer Vergütungspraxis bedarfsgerechte Lösungen entwickeln können.


§ 9 Abs. 5 WVV-E 2.0 regelt die vom MWpI für die variable Vergütung zu etablierende Malus- und Clawback-Systematik. Die in § 9 Abs. 5 S. 2 WVV-E 2.0 bestimmten harten Malus-/Clawback-Sachverhalte reichen dabei einerseits weiter als die Regelungen des § 18 Abs. 5 S. 3 IVV, demnach ein vollständiger Entfall/eine vollständige Rückzahlung des relevanten variablen Vergütungsbestandteils auch dann erfolgen soll, wenn der Risikoträger für seine Tätigkeit nicht mehr als sachkundig und zuverlässig angesehen werden kann (§ 9 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 WVV-E 2.0). Andererseits beschränkt sich der Anwendungsbereich der definierten Malus-Sachverhalte ausschließlich auf Risikoträger, die nicht der Privilegierung des § 11 WVV-E 2.0 unterliegen.
 

6. Sonstige Vorgaben des WVV-E 2.0

Die sonstigen Vorgaben des WVV-E 2.0 sind aus den vergleichbaren Regelungen der IVV bekannt:

  • MWpI haben die Grundsätze der Vergütungssysteme in Organisationsrichtlinien mit dem in § 14 WVV-E 2.0 bestimmten Mindestinhalten zu dokumentieren, die auch eine Dokumentation der Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse der einzelnen Stakeholder zu enthalten haben.
  • Die in § 15 WVV-E 2.0 bestimmte jährliche Überprüfung der Angemessenheit der Vergütungssysteme ist grundsätzlich § 12 IVV nachgebildet, beinhaltet aber bereits dem Wortlaut nach die Durchführung einer „zentralen und unabhängigen internen Prüfung“.
  • Die in § 16 WVV-E 2.0 bestimmte Information der Risikoträger über die Ausgestaltung der Vergütungssysteme ist § 13 IVV nachgebildet, wobei der Verordnungsgeber für die Form der Information (nur noch) die Textform bestimmt.

Im WVV-E 2.0 nicht mehr weiterverfolgt hat der Verordnungsgeber die in § 14 WVV-E 1.0 noch bestimmten gesonderten Offenlegungspflichten zu den Vergütungssystemen. MWpI haben die Offenlegung der Vergütungssysteme daher ausschließlich nach Maßgabe des Art. 51 IFR vorzunehmen.
 

7. Gruppenweite Regelungen zur Vergütung

Die Vorgaben zur gruppenweiten Vergütungsstrategie sind nunmehr in § 19 WVV-E 2.0 enthalten, demnach das übergeordnete Unternehmen die gruppenweite Vergütungsstrategie zur Umsetzung der Anforderungen des § 46 WpIG und der WVV-E 2.0 für die Vergütungssysteme der nachgeordneten Unternehmen festzulegen und ihre Umsetzung zu überwachen hat. Zudem hat das übergeordnete Unternehmen auf Basis der konsolidierten Lage den Kreis der Gruppen-Risikoträger zu bestimmen, die nach den Kriterien der RTS MRT zu ermitteln sind.

8. Ausblick

Das von der BaFin mit der Veröffentlichung des WVV-E 2.0 eingeleitete Konsultationsverfahren hat am 21. November 2022 geendet. Angesichts des (weiteren) zwischenzeitlich zu verzeichnenden Zeitablaufs ist mit einem Erlass der WVV in diesem Kalenderjahr nicht mehr zu rechnen, so dass MWpI die Planung für die Umsetzung der finalen aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme ihrer Mitarbeiter auf das Kalenderjahr 2023 auszudehnen haben.

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