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EBA Guidelines on Sound Remuneration Policies under IFD

Die EBA-Leitlinien 2021/13 zur soliden Vergütungspolitik von Mittleren Wertpapierinstituten

Die European Banking Authority (EBA) hat am 22. November 2021 die finale Fassung der Guidelines on Sound Remuneration Policies under IFD (GSR IFD) veröffentlicht. Wir fassen in diesem Client Alert die wesentlichen Verlautbarungen der EBA in den GSR IFD zu den Vergütungssystemen der betroffenen Wertpapierinstitute zusammen.

Die GSR IFD sind Teil des Gesamtpakets der überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten. Den Ausgangspunkt dafür bilden die Vorgaben des EU-Gesetzgebers in der EU-Verordnung 2019/2033 (IFR) und in der Richtlinie (EU) 2019/2034 (IFD) (siehe hierzu). Der deutsche Gesetzgeber hatte die Vorgaben der IFD zu den Vergütungssystemen bis zum 26. Juni 2021 in das inländische Recht umzusetzen (Art. 67 Abs. 1 IFD). Der Deutsche Bundestag hat am 15. April 2021 das Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) verabschiedet, das in § 46 WpIG Regelungen zu den Vergütungssystemen der Wertpapierinstitute und eine Verordnungsermächtigung zur Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WVV) enthält. Die BaFin hat am 4. Mai 2021 den Entwurf der WVV veröffentlicht (WVV-E). Die finale Fassung der WVV wird für das Ende des ersten Halbjahres 2022 erwartet.

Der Europäische Gesetzgeber hat die EBA in Art. 26 Abs. 4 und 34 Abs. 3 IFD mit dem Erlass der GSR IFD beauftragt, um unter anderem eine kohärente und möglichst widerspruchsfreie Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben in den nationalen gesetzlichen Regelungen sicherzustellen. Die EBA hat hierzu am 17. Dezember 2020 einen ersten Entwurf der GSR IFD veröffentlicht und anschließend ein Konsultationsverfahren durchgeführt. Die finale Fassung der GSR IFD berücksichtigt einzelne der im Konsultationsverfahren eingebrachten Anmerkungen und Änderungsvorschläge.

 

1. Der teleologische Ausgangspunkt der IFD: Aufsichtsrechtlicher Proportionalitätsgrundsatz… und seine Rezeption in den GSR IFD

Der Gesetzgeber koppelt die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten mit den überarbeiteten Vorgaben vom bisher generell anwendbaren Regelungsregime für die Vergütungssysteme von Instituten ab. Die Modifizierung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen erfolgt mit der Maxime des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes, der für viele Wertpapierinstitute angesichts des fehlenden Einlagengeschäfts zum Teil weniger strenge Vorgaben an die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme erlaubt.

Der aufsichtsrechtliche Proportionalitätsgrundsatz wirkt im Ausgangspunkt auf zwei Ebenen auf die gesetzlichen Vorgaben an die Vergütungssysteme in Wertpapierinstituten ein:

Aus formaler Sicht hat der Gesetzgeber für das überarbeitete aufsichtsrechtliche Vergütungsregime eine dreigeteilte Regelungssystematik bestimmt (s. dazu bereits unseren Client Alert zum WVV-E). Die IFD und die weiteren überarbeiteten aufsichtsrechtlichen Vergütungsregelungen erfassen Mittlere Wertpapierinstitute; also Wertpapierinstitute, die mindestens eines der in Art. 12 Abs. 1 IFR für die Qualifizierung als Kleines Wertpapierinstitut relevanten Kriterien nicht erfüllen; also etwa Eigenhandel betreiben, eine bilanzielle und außerbilanzielle Gesamtsumme 100 Mio. EUR oder mehr aufweisen oder verwaltete Assets (AUM) von 1,2 Mrd. EUR oder mehr zu verzeichnen haben.
Aus materieller Sicht bestimmt Art. 30 Abs. 3 IFD, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die gesetzlichen Vorgaben der IFD an die Vergütungssysteme von den (Mittleren) Wertpapierinstituten in einer Weise anzuwenden sind, die der Größe und internen Organisation der Wertpapierinstitute sowie der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten angemessen ist. Die EBA berücksichtigt diese beiden Dimensionen des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes in ihren konkreten Verlautbarungen in den GSR IFD zu den einzelnen Regelungsgegenständen der IFD.

 

2. Persönlicher Anwendungsbereich der IFD: Vergütungspolicy und geschlechtsneutrale Vergütungspolitik für alle Mitarbeiter in Mittleren Wertpapierinstituten

Die EBA stellt in den GSR IFD in Bezug auf den konkreten Anwendungsbereich der IFD zu den Vergütungssystemen klar, dass die allgemeinen Vorgaben der IFD zur Implementierung einer Vergütungspolicy und zum aufsichtsrechtlichen Leitsatz der geschlechtsneutralen Vergütungspolitik und Vergütungspraxis (Art. 26 Abs. 1 S. 1 lit., d), S. 2 IFD) für die Vergütungssysteme von allen Mitarbeitern von Mittleren Wertpapierinstituten gelten.

Im Konsultationsverfahren wurde hierzu der Vorschlag unterbreitet, die Vergütungspolicy nur für die Vergütungssysteme der Identifizierten Mitarbeiter (Identified Staff Members, „ISM“) vorzuschreiben. Auch der WVV-E bestimmt die Implementierung der Vergütungspolicy nur für die Vergütungssysteme der ISM. Die EBA lehnt eine solche Beschränkung mit Verweis auf Art. 26 Abs. 1 IFD ab, der eine solche Beschränkung nicht enthält.

 

3. Inhaltsgleiche Vergütungsregelungen für Institute und Wertpapierinstitute: GSR IFD im Einklang mit den EBA GSR 2.0 – unter Berücksichtigung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes

In Bezug auf die Vorgaben der IFD an die Vergütungssysteme von Mittleren Wertpapierinstituten, die auch nach der eigenständigen Regelung in der IFD inhaltsgleich sind mit den Vorgaben der CRD V (Richtlinie 2019/978/EU) an die Vergütungssysteme von Instituten, orientieren sich die GSR IFD an den von der EBA bereits in ihren Guidelines 2021/04 on Sound Remuneration Policies under CRD (EBA GSR 2.0) verlautbarten Leitlinien, wobei die EBA für einzelne Regelungsgegenstände die aufsichtsrechtliche Erwartungshaltung mit Blick auf den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz modifiziert. Die mit den Vorgaben der CRD V inhaltsgleichen Vorgaben der IFD betreffen insbesondere:

  • die inhaltlichen Vorgaben an die Vergütungsstrategie, die auch für Wertpapierinstitute in Übereinstimmung mit der ESG-Strategie zu stehen und daher die relevanten ESG-Kriterien zu berücksichtigen hat (Rdnr. 16 GSR IFD);
  • die inhaltlichen und formalen Vorgaben an die Vergütungspolicy, die unter anderem zu enthalten hat (1) die Dokumentation der Identifizierung der ISM, (2) die Dokumentation der Analyse der an die Mitarbeiter gewährten Vergütungsbestandteile und ihre aufsichtsrechtliche Einordnung als fixe Vergütung bzw. variable Vergütung (der deutsche Gesetzgeber hat die maßgeblichen Kriterien für die Einordnung als fixe Vergütung in § 2 Abs. 6 WVV-E umgesetzt), und (3) in Bezug auf eine etwa gewährte variable Vergütung die Leistungsparameter und die Kriterien für ihre Erfolgsmessung, Auszahlungssystematik und Systematik für die ex-ante und ex-post-Risikoadjustierung (Rdnrn. 20ff. GSR IFD);
  • die inhaltlichen und formalen Vorgaben sowie die Anforderungen an die Vergütungsgovernance in Bezug auf die geschlechtsneutrale Vergütungspolitik (Rdnrn. 26ff. GSR IFD). Hierzu stellen sich für die Wertpapierinstitute die gleichen Herausforderungen wie für die Institute (s. dazu bereits unseren Client Alert zu den EBA GSR 2.0);
  • in Bezug auf das Vergütungssystem der ISM die Leitsätze für die Erfolgsparameter der variablen Vergütung auf den Ebenen der Unternehmens-, Bereichs- und individuellen Ziele und ihre risikoadjustierte Messung (Rdnrn. 191ff. GSR IFD);
  • in Bezug auf die Vorgaben an Halteprämien die Anforderung der sog. spezifischen Leistungsbedingung (Rdnr. 141 GSR IFD; s. dazu bereits unseren Client Alert zu den EBA GSR 2.0);
  • die Anforderungen an das Absicherungsverbot, wobei Mittlere Wertpapierinstitute einen Prozess zu stichprobenbezogenen Kontrollen der institutsbezogenen Wertpapierkonten der Mitarbeiter zur Einhaltung des Absicherungsverbots nur zu etablieren haben, wenn über diese faktisch Absicherungsmaßnahmen durchgeführt werden können (Rdnrn. 174f. GSR IFD);
  • die inhaltlichen Vorgaben an die aufsichtsrechtliche Einordnung von Abfindungsleistungen als variable Vergütung und die korrespondierenden privilegierenden Fallgruppen, in denen die konkrete Abfindungsleistung aufsichtsrechtlich nicht als variable Vergütung anzusehen ist (Rdnrn. 167 GSR IFD).

 

4. Vergütungspolicy im Einklang mit einer hinreichenden Kapitalausstattung – die konkreten Kriterien an die Kapitalausstattung

Die Vergütungspolicy – und damit verbunden die Festlegung und Gewährung der jeweiligen variablen Vergütungsbestandteile – hat im Einklang mit einer hinreichenden Kapitalausstattung zu stehen (Rdnr. 19 GSR IFD). Die EBA verlautbart in den Rdnrn. 118ff. GSR IFD die konkreten Beurteilungskriterien für die hinreichende Kapitalausstattung. Mittlere Wertpapierinstitute haben die einzelnen variablen Vergütungsbestandteile mit einem risikokonservativen Ansatz festzusetzen und hierzu die aufsichtsrechtlichen Vorgaben der IFD an die Aufbringung ihrer eigenen Vermögenswerte und deren Zusammensetzung sowie an das harte Kernkapital zu beachten. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben weichen, in Anwendung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes, von den restriktiveren Vorgaben an die Vergütungssysteme von Instituten ab, die für die Festlegung der variablen Vergütung zusätzlich auch die Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben an die Risikotragfähigkeit, an die Liquiditätsausstattung und an die Kapitalpufferanforderungen fordern.

 

5. Festlegung des Verhältnisses zwischen variabler und fixer Vergütung

Die Vergütungspolicy hat auch die Festlegung eines angemessenen Verhältnisses zwischen fixer Vergütung und variabler Vergütung und einer damit verbundenen Obergrenze der variablen Vergütung zu enthalten. Die EBA bestimmt diesen Leitsatz, mit Verweis auf die Vorgabe des Art. 30 Abs. 2 IFD, explizit (nur) für die variable Vergütung von ISM. Aus Vergütungsgovernance-Sicht werden Mittlere Wertpapierinstitute in der Vergütungspolicy die festgelegte Obergrenze auf die variable Vergütung aller Mitarbeiter anwenden.

Die EBA verlautbart in den GSR IFD, in Anwendung des aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatzes, keine absoluten quantitativen Vorgaben für die Obergrenze. Eine solche wird auch nicht im WVV-E vorgegeben (§ 6 Abs. 1 WVV-E). (Mittlere) Wertpapierinstitute sollen die individuelle Obergrenze bestimmen unter Berücksichtigung ihrer Geschäfts- und Risikostrategie und des konkreten Einflusses des einzelnen Mitarbeiters auf das Risikoprofil des Instituts – und der damit verbundenen monetären Risiko- und Verhaltenssteuerungsfunktion, die die variable Vergütung im Vergütungssystem für ein risikokonformes Verhalten der Mitarbeiter einzunehmen hat (Rdnr. 201f. GSR IFD). Diese Leitsätze bedingen, dass im Einzelfall die Festlegung von unterschiedlichen Obergrenzen für einzelne Mitarbeitergruppen angezeigt sein kann. Die EBA bestimmt zudem, dass die Wertpapierinstitute die konkret festgelegte(n) Obergrenze(n) begründen (können) sollten (Rdnr. 207 GSR IFD).

 

 

6. Besondere Vorgaben an die variable Vergütung der ISM

Zu den besonderen Vorgaben des Art. 32 IFD an die variable Vergütung von ISM sind folgende Verlautbarungen der EBA in den Rdnrn. 208ff. erwähnenswert:

  • Die Wertpapierinstitute können den Umfang der von der Zurückbehaltung erfassten variablen Vergütungsbestandteile und die Dauer des Zurückbehaltungszeitraums, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Untergrenzen (40%, drei Jahre) und der in den Rdnrn. 255ff. GSR IFD ausgeführten Leitparameter bedarfsgerecht festlegen. Eine gesonderte Differenzierung für die variable Vergütung der Geschäftsleitung und der unmittelbar nachgelagerten Führungsebene ist aus aufsichtsrechtlicher Sicht nicht zwingend geboten (sie wird sich im Einzelfall gegebenenfalls anbieten).
  • Die EBA macht in den GSR IFD in Bezug auf die Höhe der „besonders hohen variablen Vergütung“, die eine Zurückbehaltung von mindestens 60% der von der Zurückbehaltung erfassten variablen Vergütungsbestandteile bedingen soll, keine absoluten Vorgaben. Hierzu wird eine etwaige Verlautbarung der BaFin in der Auslegungshilfe zur WVV abzuwarten sein. In der Praxis bietet sich (bis dahin) als Orientierung der in § 20 Abs. 3 S. 2 InstitutsVergV für Institute bestimmte Schwellenwert von 500.000 EUR an.
  • Der instrumentenbasierte Anteil der variablen Vergütung ist aus dem Katalog des Art. 32 Abs. 1 lit. j) IFD auszuwählen. Kann das Wertpapierinstitut Instrumente nach Art. 32 Abs. 1 lit. j) IFD nicht anbieten, hat es bei der zuständigen Aufsichtsbehörde die Implementierung einer alternativen Ausgestaltung zu beantragen und für die alternative Ausgestaltung die in Rdnrn. 267ff. GSR IFD verlautbarten Leitsätze zu beachten. Auf den instrumentenbasierten Anteil während des Zurückbehaltungszeitraums anfallende Dividenden oder vergleichbare Kapitalerträge soll das Wertpapierinstitut für sich vereinnahmen.
  • Wertpapierinstitute haben in der konkreten Ausgestaltung der Malus- und Clawbackregelungen ihre arbeitsrechtlich wirksame Anwendung sicherzustellen (Rdnr. 283 GSR IFD). Hierzu stellen sich für Wertpapierinstitute die gleichen arbeitsrechtlichen Herausforderungen (insbesondere in Bezug auf die restriktive Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur AGB-(Kontroll-)Wirksamkeit vor allem von Clawbackregelungen) wie für Institute.

 

7. Inkrafttreten der GSR IFD und Ausblick

Die GSR IFD treten am 30. April 2022 in Kraft. Wertpapierinstitute sollen sie erstmals in dem Geschäftsjahr anwenden, das dem 31. Dezember 2021 folgt. Dies bedingt für Wertpapierinstitute mit einem kalenderjährlichen Geschäftsjahr eine erstmalige Anwendung im Kalenderjahr 2022.

Für die von den GSR IFD erfassten Wertpapierinstitute mit Sitz in Deutschland ist dieser zeitliche Anforderungsrahmen mit dem Status Quo verbunden, dass der deutsche Gesetzgeber das Verfahren zum Erlass der WVV bisher noch nicht abgeschlossen hat. Die BaFin hat hierzu in ihrer Verlautbarung vom 2. November 2021 angekündigt, im ersten Quartal 2022 noch ein weiteres Konsultationsverfahren zum Entwurf der WVV durchzuführen (Link).
Eine aufsichtsrechtlich widerspruchsfreie Anwendung der GSR IFD wird (aber erst) nach dem Erlass und der Veröffentlichung der WVV möglich sein.

Wir begleiten die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens.

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